NSU-Prozess

bearbei­tet von
Prof. Dr. Jörg Arnold und Prof. Dr. Micha­el Heghmanns

Deutsch­land 2013–2018
Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Untergrund
Sprengstoffanschlag
Mord

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Der NSU-Prozess
Deutschland 2013–2018

1. Prozessbedeutung/Prozessgeschichte
Genau­so wie Ausch­witz- und Stamm­heim-Verfah­ren gehört der NSU-Prozess zu den großen Straf­pro­zes­sen in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land des 20. Jahrhun­derts. „NSU“ steht als Kürzel für jene Bezeich­nung, die sich die rechts­ter­ro­ris­ti­sche Gruppe Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschä­pe selbst gegeben hatte: „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Unter­grund“. Zehn Menschen ermor­de­te diese Gruppe zwischen den Jahren 1998 und 2011, darun­ter neun Männer aus Famili­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Sie verüb­te drei Bomben­an­schlä­ge und 15 Raubüber­fäl­le, ohne dass der rechts­extre­me Hinter­grund der Taten zunächst bekannt wurde (Quent, S. 15). Im Jahre 2011 töteten Mundlos und Böhnhardt sich nach einem Raubüber­fall und nach ihrer Entde­ckung durch die Polizei in einem Wohnmo­bil in Eisen­ach. Beate Zschä­pe setzte darauf­hin die Zwickau­er Unter­grund­woh­nung des Trios in Brand und stelle sich vier Tage später den Behör­den (Schultz, S. 9).

Die Haupt­ver­hand­lung fand vor dem Staats­schutz­se­nat des Oberlan­des­ge­richts München (6. Straf­se­nat) unter Vorsitz von Richter Manfred Götzl statt und erstreck­te sich über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 438 Verhand­lungs­ta­gen. Die Verhand­lung begann am 6. Mai 2013 und endete mit der mündli­chen Urteils­ver­kün­dung am 11. Juli 2018. Das schrift­li­che Urteil wurde am 21. April 2020 fertig­ge­stellt. Vor Gericht stand die Haupt­an­ge­klag­te Beate Zschä­pe, die als einzi­ge Überle­ben­de angeklagt war. Mit angeklagt waren Ralf Wohlle­ben, Carsten Schult­ze, André Eminger sowie Holger Gerlach. Ihnen warf die Bundes­an­walt­schaft Handlun­gen zur Unter­stüt­zung der Verbre­chen des NSU vor. Die fünf Angeklag­ten wurden laut Aufzäh­lung im Urteil von insge­samt 33 Vertei­di­gern, freilich in unter­schied­li­cher Länge und Prozess­rol­le hinsicht­lich ihres Agierens (wozu wohl auch kurzzei­ti­ge Beiord­nun­gen gehör­ten), vertre­ten. 95 Neben­klä­ger mit 60 Anwäl­ten waren am Prozess betei­ligt, in dem mehr als 600 Zeugen sowie Sachver­stän­di­ge gehört wurden. Der Senat entschied während des Verfah­rens über 264 Beweis und 43 Befan­gen­heits­an­trä­ge. Letzte­re wurden allesamt abschlä­gig beschieden.

Beate Zschä­pe legte Revisi­on gegen ihre Verur­tei­lung zum Bundes­ge­richts­hof ein. Ein Gleiches tat André Eminger und in seinem Fall auch die Bundes­an­walt­schaft. Nachdem der BGH die Revisi­on von Zschä­pe im Wesent­li­chen (unter gering­fü­gi­ger Abände­rung des Schuld­spruchs) verwor­fen hatte, legte Zschä­pe Verfas­sungs­be­schwer­de ein (siehe näher unten 8.).

Der gesam­te Prozess wurde von einer Reihe schwie­ri­ger Fragen und Proble­me geprägt. Es begann mit dem fehlge­schla­ge­nen Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren der Journa­lis­ten, in welches das BVerfG eingrei­fen und das OLG dazu veran­las­sen musste, nicht das sog. Windhund­ver­fah­ren („wer zuerst kommt“) anzuwen­den, sondern durch Los über die für Medien­ver­tre­ter im Gerichts­saal nicht ausrei­chend vorhan­de­nen Plätze zu entschei­den. Zu Beginn des Verfah­rens beantrag­te die Vertei­di­gung eine Tonband­auf­zeich­nung mit Verweis auf die Frank­fur­ter Ausch­witz­pro­zes­se und die Straf­ver­fah­ren gegen die Mitglie­der der RAF, und dies schon aus histo­ri­schem Inter­es­se. Der Antrag wurde abgelehnt. Dassel­be geschah mit dem Antrag, die Haupt­ver­hand­lung in einen Neben­raum zu übertra­gen (Fried­rich­sen, Prozess, S. 21 ff.).
Die Vertei­di­gung von Zschä­pe beantrag­te ferner am 3. Verhand­lungs­tag, die Haupt­ver­hand­lung in Bild und Ton, hilfs­wei­se allein akustisch aufzu­zeich­nen. Eine Neben­klä­ger­ver­tre­te­rin begehr­te ebenfalls eine Audio­auf­zeich­nung. Dem trat die Bundes­an­walt­schaft entge­gen; es sei gesetz­lich nicht vorge­se­hen. Die Zeugen sollten unbefan­gen aussa­gen, nicht einge­schüch­tert durch eine Drohku­lis­se. Eine andere Neben­klä­ger­ver­tre­te­rin wies auf die Aufzeich­nungs­pra­xis des Inter­na­tio­na­len Gerichts­ho­fes in Den Haag hin; die Vertei­di­gung von Carsten Schult­ze beton­te die Praxis des OLG Düssel­dorf, das Verhand­lun­gen aufzeich­ne (Ramels­ber­ger, Bd. I, S. 13). Alle Anträ­ge zur Aufzeich­nung der Haupt­ver­hand­lung wurden dennoch durch das Gericht abgelehnt.

Bevor die Plädoy­ers vorge­tra­gen wurden, hatte die Vertei­di­gung erneut beantragt, den Schluss­vor­trag der Bundes­an­walt­schaft akustisch aufzu­zeich­nen und die Daten­trä­ger an die Verfah­rens­be­tei­lig­ten auszu­hän­di­gen, zumin­dest aber zu gestat­ten, zur ausschließ­lich inter­nen Verwen­dung selbst aufzu­zeich­nen. Hilfs­wei­se wurde begehrt, die Bundes­an­walt­schaft zu ersuchen, ihre Manuskrip­te zu überlas­sen oder die Möglich­keit einzu­räu­men, Steno­ty­pis­ten hinzu­zu­zie­hen. Alle diese Anträ­ge schei­ter­ten. Der Vorsit­zen­de Götzl wies in seiner Begrün­dung auch das Argument der Vertei­di­gung zurück, die Angeklag­ten seien ohne Tonauf­nah­me nicht mehr verhand­lungs­fä­hig. Es genüge, wenn Angeklag­te ihre Inter­es­sen wahrneh­men könnten. Dies bedeu­te nicht, dass sie dies in jeder Hinsicht selbst­stän­dig und ohne Hilfe tun können müssten. Die Grenze müsse erst dort gezogen werden, wo die Entschei­dung über grund­le­gen­de Fragen der Vertei­di­gung nicht mehr möglich sei (https://www.nsu-watch.info/2017/07/protokoll-375-verhandlungstag-25-juli-2017/- zuletzt aufge­ru­fen: 13.4.2023).

Dass der inhalt­li­che Gang der Haupt­ver­hand­lung trotz der nicht vorhan­de­nen prozess­recht­li­chen Möglich­keit eines Inhalts­pro­to­kolls heute dennoch nachver­folgt werden kann, ist den Mitschrif­ten von Journa­lis­ten und Prozess­be­ob­ach­tern zu verdan­ken. So liegt die fünfbän­di­ge Ausga­be „Der NSU-Prozess – Das Proto­koll“ vor. Dabei handelt es sich um die Veröf­fent­li­chung der akribi­schen Mitschrif­ten des Ablaufs der einzel­nen Verhand­lungs­ta­ge durch die Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten Annet­te Ramels­ber­ger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler. Ferner sind die detail­lier­ten Proto­kol­le der einzel­nen Verhand­lungs­ta­ge durch die Betrei­ber der Platt­form NSU-Watch dokumen­tiert. In kompri­mier­ter Form gibt über den Prozess­ver­lauf Gisela Fried­rich­sen mit ihrem Buch „Der Prozess. Der Staat gegen Beate Zschä­pe u.a.“ Aufschluss. Als eine Lehre aus dem NSU-Prozess hat der Gesetz­ge­ber 2017 mit der Neuein­fü­gung von § 169 Abs. 2 Gerichts­ver­fas­sungs­ge­setz (GVG) eine Rechts­grund­la­ge für die Tonauf­nah­me von Gerichts­ver­hand­lun­gen geschaf­fen. Diese können nun zu wissen­schaft­li­chen und histo­ri­schen Zwecken vom Gericht zugelas­sen werden, wenn es sich um ein Verfah­ren von heraus­ra­gen­der zeitge­schicht­li­cher Bedeu­tung für die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land handelt.
Am 22.11.2022 legte das Bundes­mi­nis­te­ri­um der Justiz zudem den Referen­ten­ent­wurf eines
„Haupt­ver­hand­lungs­do­ku­men­ta­ti­ons­ge­set­zes“ vor. Danach sollen die Länder die Aufzeich­nung der Haupt­ver­hand­lun­gen vor Land- und Oberlan­des­ge­rich­ten in Bild und Ton zunächst freiwil­lig und schritt­wei­se einfüh­ren können, bevor dies ab dem 1. Januar 2030 bundes­weit verbind­lich gelten soll (Kaufmann; siehe dazu näher unten 9.).

In dem am 11. Juli 2018 verkün­de­ten Urteil wurde Zschä­pe u.a. als Mittä­te­rin der Morde, Anschlä­ge und Raubüber­fäl­le sowie wegen Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung zu einer lebens­lan­gen Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld verur­teilt. Die Angeklag­ten Eminger und Gerlach wurden der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung schul­dig gespro­chen; Eminger erhielt eine Freiheits­stra­fe von zwei Jahren und sechs Monaten, Gerlach eine solche von drei Jahren. Die Angeklag­ten Wohlle­ben und Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zu mehre­ren Fällen des Mordes verur­teilt, der Angeklag­te Wohlle­ben zu einer Freiheits­stra­fe von zehn Jahren, der Angeklag­te Schult­ze zu einer Jugend­stra­fe von drei Jahren (siehe näher unten 7.).

2. Perso­nen
a) Die Angeklagten
Beate Zschä­pe wurde am 2. Januar 1975 in Jena nicht­ehe­lich geboren. Ihre Mutter hatte den Kindes­va­ter im Rahmen eines Aufent­halts in Rumäni­en kennen­ge­lernt. Der Vater erkann­te die Vater­schaft indes­sen nie an und hatte bis zu seinem Tod keinen Kontakt zur Tochter. Beate Zschä­pe wurde zunächst von den Großel­tern mütter­li­cher­seits in Jena betreut, da die Mutter bis Mitte 1975 ihr Studi­um in Rumäni­en fortsetz­te. Danach lebte sie zum Teil zusam­men mit ihrer Mutter und deren wechseln­den Partnern, wurde mit ihrem dritten Lebens­jahr aber wieder von den Großel­tern betreut. Ledig­lich die Wochen­en­den verbrach­te sie bei ihrer Mutter und deren damali­gem Ehemann. Von 1979 bis 1996 lebten die Mutter und Beate Zschä­pe gemein­sam in Jena. Ihre letzte Wohnung wurde 1996 zwangs­ge­räumt, weil die Mutter die Miete nicht mehr bezahl­te. Übergangs­wei­se wohnte Beate Zschä­pe zunächst wieder bei ihrer Großmutter und zog dann im Herbst 1996 in die Wohnung der Familie ihres damali­gen Freun­des Uwe Böhnhardt. Von Januar 1997 an lebte sie in ihrer ersten eigenen Wohnung in Jena, die sie bis zur Flucht im Januar 1998 nutzte.
Beate Zschä­pe verfügt über einen schuli­schen Abschluss der 10. Klasse. Danach konnte sie jedoch keinen Ausbil­dungs­platz in ihrem Wunsch­be­ruf Kinder­gärt­ne­rin finden. Sie arbei­te­te einige Monate als Maler­ge­hil­fin und begann danach eine Ausbil­dung zur Gärtne­rin für den Gemüse­an­bau. Trotz dieser Fachrich­tung der Ausbil­dung hoffte sie, sie könne sich in dem Lehrbe­ruf kreativ, im Sinne einer künst­le­risch-floris­ti­schen Tätig­keit, mit Blumen betäti­gen. Dies war aber zu ihrer Enttäu­schung in der Praxis nicht der Fall, weil sie entspre­chend der Fachrich­tung Gemüse­an­bau haupt­säch­lich mit Feldar­beit und Arbei­ten im Gewächs­haus betraut wurde. Die Ausbil­dung schloss sie 1995 mit einem “befrie­di­gen­den” Ergeb­nis ab. Eine Arbeits­stel­le in ihrem erlern­ten Beruf fand sie freilich nicht, sondern war ein Jahr lang im Rahmen einer ABM-Maßnah­me erneut als Maler­hel­fe­rin tätig. In der gesam­ten Phase der Flucht (1998–2011) ging sie keiner entgelt­li­chen Tätig­keit mehr nach.
Im Alter von etwa 15 Jahren lernte Beate Zschä­pe ihren ersten Freund kennen, der von Diebstäh­len lebte, an denen sie sich betei­lig­te. Nach der Trennung von diesem Freund ging sie eine Bezie­hung mit Uwe Mundlos ein, den sie schon länger aus der „Clique“ in ihrem Wohnge­biet kannte. An ihrem 19. Geburts­tag lernte sie Uwe Böhnhardt kennen und verlieb­te sich in ihn. Von Uwe Mundlos, der 1994 zur Bundes­wehr ging, trenn­te sie sich, blieb ihm aber freund­schaft­lich verbun­den. Die Bezie­hung mit Uwe Böhnhardt bestand bis zu seinem Tod.
Das Verhält­nis von Beate Zschä­pe zu ihrer Mutter verschlech­ter­te sich aufgrund von deren persön­li­chen Proble­men zuneh­mend. Die Mutter hatte ihren Arbeits­platz verlo­ren und verhielt sich zuneh­mend passiv. Zudem steiger­te sie ihren Alkohol­kon­sum auf ein proble­ma­ti­sches Niveau. Mit dem neuen Partner der Mutter, mit dem diese aber nicht zusam­men­leb­te, verstand sich Beate Zschä­pe nicht. Dazu kam noch der Umstand, dass sie mit ihrer eigenen beruf­li­chen Situa­ti­on höchst unzufrie­den war. Der endgül­ti­ge Bruch mit der Mutter erfolg­te nach der Zwangs­räu­mung der Wohnung. Zur Großmutter hinge­gen behielt Beate Zschä­pe bis zu ihrer Flucht ein sehr gutes und inniges Verhält­nis. Im Zeitraum der Flucht von Januar 1998 bis Novem­ber 2011 bestand aber weder ein persön­li­cher noch ein sonsti­ger Kontakt von Beate Zschä­pe zu Mutter und Großmutter. Beate Zschä­pe wurde am 8. Novem­ber 2011 vorläu­fig festge­nom­men und befand sich danach während des gesam­ten Verfah­rens in Unter­su­chungs­haft. Sie war bislang nicht vorbestraft.

Der Angeklag­te André Eminger wurde am 1. August 1979 in Erlabrunn in Thürin­gen geboren. Er ist verhei­ra­tet und hat mit seiner Ehefrau drei gemein­sa­me Kinder. Eminger hat noch einen älteren Bruder sowie eine Schwes­ter und verbrach­te seine Kindheit in Johann­ge­or­gen­stadt. 2005 zog er nach Zwickau, wo er bis zu seiner Festnah­me im Novem­ber 2011 lebte. Eminger besuch­te die zehnklas­si­ge allge­mein­bil­den­de polytech­ni­sche Oberschu­le in Johann­ge­or­gen­stadt und danach dort das Gymna­si­um, welches er wegen ungenü­gen­der Leistun­gen verlas­sen musste. Er erlang­te die Mittle­re Reife und schloss nach Beendi­gung der Schul­zeit eine Maurer­leh­re erfolg­reich ab. Die folgen­den Jahre waren geprägt von der Tätig­keit als Maurer und der Ableis­tung des Grund­wehr­diens­tes, aber auch von Arbeits­lo­sig­keit. Danach führte er eine erfolg­rei­che Umschu­lungs­maß­nah­me zum Fachin­for­ma­ti­ker durch, wurde erneut arbeits­los, quali­fi­zier­te sich jedoch zum Berufs­kraft­fah­rer und fand schließ­lich Anstel­lun­gen als Fernver­kehrs­fah­rer bei verschie­de­nen Spedi­tio­nen. In der Folge machte er sich selbstän­dig und melde­te in Zwickau ein Gewer­be an, das verschie­de­ne Tätig­kei­ten umfass­te, vom Handels­ver­tre­ter bis zum Veran­stal­tungs­ser­vice. Dieses Gewer­be melde­te er kurze Zeit später wieder ab und war erneut als Berufs­kraft­fah­rer beschäf­tigt, um danach ein ähnli­ches Gewer­be anzumel­den, das er schon ausge­übt hatte. Nach einem Arbeits­un­fall wurde Eminger arbeits­los. Das war er auch noch bei seiner Verhaf­tung am 4. Novem­ber 2011. Der Haftbe­fehl des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 23. Novem­ber 2011 wurde am 14. Juni 2012 aufge­ho­ben. Am 372. Sitzungs­tag, dem 12. Septem­ber 2017, ordne­te der Straf­se­nat jedoch erneut die Unter­su­chungs­haft an, die sofort vollzo­gen wurde. Eminger befand sich sodann bis zur Urteils­ver­kün­dung am 11. Juli 2018 in Unter­su­chungs­haft. Mit der Urteils­ver­kün­dung wurde der Haftbe­fehl aufge­ho­ben. Eminger war bis dahin unbestraft gewesen.

Holger Gerlach wurde am 14. Mai 1974 in Jena geboren. Er ist ledig, lebt aber seit 2007 in einer stabi­len Partner­schaft. Seine Mutter war allein­er­zie­hend. Gerlach hat zwei ältere Geschwis­ter. Zu seinem Vater bestand keine Bezie­hung, weil dieser die Kinder nicht gewollt hatte. Der Vater beging in den neunzi­ger Jahren Suizid. Der Stief­va­ter verstarb 1986 auf Grund eines Herzinfarkts.
Gerlach besuch­te die allge­mein­bil­den­de polytech­ni­sche Oberschu­le, von der er wegen groben Fehlver­hal­tens verwie­sen wurde. Danach absol­vier­te er eine Lehre zum Zerspa­nungs­me­cha­ni­ker, wurde aber nach der Ausbil­dung sogleich arbeits­los. Durch eine Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­me war er in der Jugend­werk­statt Jena als Maler tätig, erziel­te aber 1997 den Abschluss als Quali­täts­fach­mann. Wegen höherer Chancen, Arbeit zu finden, zogen er und seine Mutter zum älteren Bruder von Gerlach nach Hanno­ver. Dort war Gerlach 15 Jahre Lagerist und später bei dieser Tätig­keit Schicht­füh­rer und Betriebs­rats­mit­glied. Wegen einer Spiel­sucht befand er sich in thera­peu­ti­scher Behand­lung. Er war ebenfalls nicht vorbestraft.
Gerlach wurde am 13. Novem­ber 2011 vorläu­fig festge­nom­men und verblieb aufgrund eines Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH bis zum 25. Mai 2012 in Untersuchungshaft.

Ralf Wohlle­ben wurde am 27. Febru­ar 1975 geboren. Er wuchs mit einer jünge­ren Schwes­ter in der elter­li­chen Familie in Jena auf. Das Verhält­nis zu seinen Eltern war unpro­ble­ma­tisch, wobei er die Erzie­hung durch sie als streng empfand. Von 1981 bis 1991 besuch­te er die Schule, die er mit dem quali­fi­zier­ten Haupt­schul­ab­schluss abschloss. 1991/92 absol­vier­te er ein Berufs­vor­be­rei­tungs­jahr im Bereich Holzver­ar­bei­tung in Jena. Zuhau­se gehör­te Hausar­rest bei Zuspät­kom­men zu den üblichen Strafen. Im Jahr 1992 riss der Angeklag­te deswe­gen aus. Er fuhr mit mehre­ren Perso­nen aus seiner Jugend­cli­que mit dem Zug nach Gera, wo sie zwei Autos entwen­de­ten und zurück nach Jena fuhren. Als die Polizei sie stellen wollte, gelang ihnen die Flucht. Sie fuhren nach Öster­reich und wurden dort von der Polizei aufge­grif­fen. Wohlle­ben kam in ein Jugend­heim in Gera und erhielt dort eine Tisch­ler­aus­bil­dung. Mit Einver­ständ­nis seiner Eltern und des Jugend­amts blieb er dort bis 1993. Anschlie­ßend wohnte er wieder bei seinen Eltern in Jena. Eine Ausbil­dung zum Verkäu­fer brach er 1994 nach weniger als einem halben Jahr ab. Danach arbei­te­te er als Gebäu­de­rei­ni­ger in Jena und im Jahr 1995 in einer Drucke­rei. Von 1996 bis 1998 erhielt Wohlle­ben eine Ausbil­dung zum Handels­fach­pa­cker. Ab April 1999 war er als Verkaufs­be­ra­ter bei einem Möbel­fach­markt beschäf­tigt. In der Folge­zeit entwi­ckel­te er ein Inter­es­se für Compu­ter und EDV und begann im August 2001 eine Umschu­lung zum Fachin­for­ma­ti­ker, die er 2003 erfolg­reich abschloss. Danach war er bis 2007 arbeits­los. Während dieser Zeit absol­vier­te er mehre­re Weiter­bil­dungs­maß­nah­men. Seit 1. Oktober 2007 bis zu seiner Verhaf­tung 2011 arbei­te­te er als Feinelektroniker.
Im Jahre 2002 lernte Wohlle­ben seine späte­re Frau kennen, die er 2005 heira­te­te. Das Ehepaar lebte in Jena und hat zwei gemein­sa­me Töchter, die in den Jahren 2004 und 2006 geboren wurden. Ralf Wohlle­ben ist nicht vorbe­straft; auf Grund des Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 28. Novem­ber 2011 befand er sich während des gesam­ten Verfah­rens in Untersuchungshaft.

Carsten Schult­ze wurde am 6. Febru­ar 1980 in Neu-Delhi geboren, wo sein Vater für den VEB Carl-Zeiss-Jena tätig war. Aufgrund einer Psycho­se und schwe­rer Depres­si­on der Mutter musste die Familie in die DDR zurück­keh­ren. Seinen Vater nahm Schult­ze als sehr streng wahr. Schult­ze beende­te 1996 die Schule mit der mittle­ren Reife. In Sprin­ge (Landkreis Hanno­ver) begann er eine Lehre als Kondi­tor, wurde aber nach drei Monaten von den Eltern gegen seinen Willen zurück nach Thürin­gen geholt. Der Vater hatte für die Homose­xua­li­tät seines Sohnes keiner­lei Verständ­nis. Schult­ze wurde auch in der Schule von Mitschü­lern gemobbt. Es folgte eine Ausbil­dung zum Kfz-Lackie­rer. Im Sommer 2000, noch in Jena, hatte Carsten Schult­ze sein Coming-out. Er holte das Fachab­itur nach und ging 2003 nach Düssel­dorf, um Sozial­päd­ago­gik zu studie­ren. 2007 erhielt er sein Diplom. Bis zu seiner Verhaf­tung arbei­te­te Schult­ze in Düssel­dorf bei der Aidshil­fe und in einem schwul-lesbi­schen Jugendprojekt.
Während seiner Ausbil­dung in Jena fand er mehr und mehr Anschluss in der rechten Szene und lernte dabei auch Ralf Wohlle­ben kennen. 1999 wurde er stell­ver­tre­ten­der Vorsit­zen­der des NPD-Kreis­ver­ban­des Jena unter Wohlle­ben, 2000 stell­ver­tre­ten­der Bundes­ge­schäfts­füh­rer der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der NPD (JN) und kurz darauf stell­ver­tre­ten­der JN-Vorsit­zen­der in Thürin­gen. Im Septem­ber 2000 stieg Schult­ze wegen seiner homose­xu­el­len Veran­la­gung aus der rechten Szene aus und legte alle Ämter nieder.
Carsten Schult­ze ist nicht vorbe­straft. Er befand sich auf Grund des Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 31. Januar 2012 bis zu dessen Aufhe­bung am 29. Mai 2012 in Untersuchungshaft.

b) Die Verteidiger
An dem Prozess wirkten laut Urteil 33 Straf­ver­tei­di­ger und zwei Straf­ver­tei­di­ge­rin­nen mit. Eine große Zahl davon ist aber offen­sicht­lich nur in sehr gerin­gem Umfang tätig gewor­den und wieder ausge­schie­den (siehe schon oben 1.). Übrig bleiben wohl 14 Straf­ver­tei­di­ge­rin­nen und Straf­ver­tei­di­ger, die als die eigent­li­chen Akteu­re der Straf­ver­tei­di­gung angese­hen werden können.

Die Angeklag­te Zschä­pe wurde zunächst von den Rechts­an­wäl­ten Wolfgang Heer (Köln) und Wolfgang Stahl (Koblenz) sowie von Rechts­an­wäl­tin Anja Sturm (Berlin, dann Köln) vertei­digt. Später kamen die Anwäl­te Mathi­as Grasel und Hermann Borchert (beide München) hinzu. Die Vertei­di­gung von André Eminger oblag den Rechts­an­wäl­ten Micha­el Kaiser und Herbert Hedrich (beide Berlin), kurzzei­tig auch den Rechts­an­wäl­ten Daniel Spraf­ke (Karls­ru­he) und Björn Clemens (Düssel­dorf). Die Rechts­an­wäl­te Nicole Schnei­ders (Reutlin­gen) und Olaf Klemke (Cottbus) vertei­dig­ten den Angeklag­ten Wohlle­ben, später wurde dieses Duo durch Rechts­an­walt Wolfram Nahrath (Berlin) ergänzt. Der Angeklag­te Carsten Schult­ze wurde von Rechts­an­walt Jacob Hösl (Köln) und von Rechts­an­walt Johan­nes Pausch (Düssel­dorf) vertei­digt, der Angeklag­te Gerlach von den Rechts­an­wäl­ten Stefan Hachmeis­ter und Pajam Rokni-Yazdi (beide Hannover).

Mit Ausnah­me von Rechts­walt Borchert (für Zschä­pe) waren alle Genann­ten Pflicht­ver­tei­di­ger. Wahlver­tei­di­ger waren ferner kurzzei­tig die Rechts­an­wäl­te Daniel Spraf­ke sowie Björn Clemens, denen der Senat die Pflicht­ver­tei­di­gung neben den bereits bestell­ten Vertei­di­gern Emingers verweigerte.

c) Das Gericht
Der Prozess fand vor dem 6. Straf­se­nat (dem Staats­schutz­se­nat) des Oberlan­des­ge­richts München unter Vorsitz des Richters Manfred Götzl statt. Zur Beset­zung des Senats gehör­ten weiter die Richter am Oberlan­des­ge­richt Peter Lang und Konstan­tin Kuchen­bau­er sowie die Richte­rin­nen am Oberlan­des­ge­richt Michae­le Odersky und Dr. Renate Fischer, ferner die zwei Ergän­zungs­rich­ter Peter Prechsl und Axel Kramer sowie die Ergän­zungs­rich­te­rin Gabrie­le Feistkorn.

Dieses Gericht in München war zustän­dig, weil der Prozess in einem der Bundes­län­der statt­fin­den musste, in denen die Taten des NSU began­gen wurden. In Bayern hatte der NSU fünf der insge­samt zehn Morde verübt. Da die Ankla­ge u.a. wegen § 129 a StGB (Bildung terro­ris­ti­scher Verei­ni­gun­gen) erhoben worden war, musste der Prozess an einem Staats­schutz­se­nat statt­fin­den, den es in Bayern allein in München gibt (Greif/Schmidt, 154, Fn. 542).

d) Die Staatsanwaltschaft
Die Ankla­ge war durch den General­bun­des­an­walt (GBA) erhoben worden. Im Prozess wurde sie vertre­ten durch Bundes­an­walt Herbert Diemer, Oberstaats­an­wäl­tin Anette Greger, Oberstaats­an­walt Jochen Weingar­ten sowie Staats­an­walt Stefan Schmidt. Aufgrund der Ankla­ge­er­he­bung beim Staats­schutz­se­nat des OLG München übte der GBA im Wege der „Organ­lei­he“ (Art. 96 Abs. 5 GG) Bundes­ge­richts­bar­keit aus (§ 120 Abs. 6 GVG).

3. Zeitge­schicht­li­che Einord­nung mit Vorgeschichte
Der Straf­pro­zess gegen Beate Zschä­pe und die angeklag­ten Unter­stüt­zer der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung steht für die Bemühun­gen des Staates, Rechts­ter­ro­ris­mus mit den Mitteln des Straf­rechts zu begeg­nen (nachfol­gend Arnold, FS Sanci­net­ti, 37).

Rassis­mus und Rechts­ra­di­ka­lis­mus, wozu auch Rechts­ter­ro­ris­mus gehört, sind in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land verbrei­te­te und im Erstar­ken begrif­fe­ne gesell­schaft­li­che Phäno­me­ne. Für die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land herrscht keine Einig­keit darüber, ob in den Jahren von 1990 bis 2015 insge­samt 75 oder 184 Menschen Todes­op­fer von rechter Gewalt gewor­den sind. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 sind nach einer Statis­tik weite­re 194 Todes­op­fer rechter Gewalt zu bekla­gen gewesen. Einge­schätzt wird, dass die tödli­che Gewalt aus der rechts­extre­men Bewegung in den aller­meis­ten Fällen vigilan­tis­ti­scher Natur ist, d.h. sich gegen Vertre­ter sozial konstru­ier­ter Minder­hei­ten­grup­pen richten, wobei die Gewalt­tä­ter darauf zählen dürfen, mit ihren Taten auf Verständ­nis, Bestä­ti­gung oder Unter­stüt­zung in ihrer Bezugs­grup­pe zu stoßen.

Mittler­wei­le ist mit der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) eine Partei des autori­tä­ren Natio­nal­ra­di­ka­lis­mus entstan­den, die eine Einstel­lung gruppen­be­zo­ge­ner Menschen­feind­lich­keit an den Tag legt. Diese Partei ist sowohl im Deutschen Bundes­tag als auch in allen Landes­par­la­men­ten vertre­ten. Zu Recht wird sie in einen rechts­ra­di­ka­len Kontext gerückt. Vor solchem Hinter­grund müssen auch neuere rechts­ter­ro­ris­ti­sche Sympto­me gesehen werden, wie die Ermor­dung des Kasse­ler Regie­rungs­prä­si­den­ten Lübcke und der antise­mi­ti­sche Anschlag auf die Synago­ge in Halle.

Rechts­extre­me Gewalt und Auslän­der­hass fanden bereits in den 1990er Jahren einen Höhepunkt in Brand­an­schlä­gen auf Migran­ten in Rostock, Hoyers­wer­da, Solin­gen und Mölln. Oftmals wurden die Verbre­chen – die zu Recht als Pogro­me bezeich­net werden – von Seiten der einhei­mi­schen Bevöl­ke­rung unter­stützt. Von der Rechts­extre­mis­mus­for­schung wird einge­schätzt, dass tätli­che Angrif­fe auf Minder­hei­ten oder angeb­li­che politi­sche Gegner in Deutsch­land heute alltäg­lich seien. Diese Hasskri­mi­na­li­tät, die sich aufgrund einer spezi­fi­schen Gruppen­zu­ge­hö­rig­keit gegen Perso­nen richte, sei Norma­li­tät und der eigent­li­che Skandal.

In solchen gesell­schaft­li­chen Trends hatte der NSU-Prozess die beson­de­re Bedeu­tung zu zeigen, dass die Justiz mit den Mitteln rechts­straf­recht­li­chen Straf­rechts und Straf­pro­zess­rechts konse­quent gegen Rechts­ter­ro­ris­mus vorgeht und dabei auch die Inter­es­sen der Opfer berück­sich­tigt, die vor allem in der vollstän­di­gen Aufklä­rung des verbre­che­ri­schen Tatge­sche­hens des NSU und ihres Netzwer­kes bestand.

Es wird jedoch darüber gestrit­ten, ob und inwie­fern das gelun­gen ist. Insbe­son­de­re die überle­ben­den Opfer und die Hinter­blie­be­nen der Ermor­de­ten fühlen sich in jenen Erwar­tun­gen enttäuscht, die gerade (die frühe­re) Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel erzeug­te, indem sie vor Beginn des Prozes­ses eine volle Aufklä­rung der NSU-Verbre­chen verspro­chen hatte. In Wirklich­keit ließ das Gerichts­ver­fah­ren viele Fragen offen, insbe­son­de­re im Hinblick auf die Rolle des Verfas­sungs­schut­zes sowohl bei der Gründung des NSU als auch bei der Planung und Ausfüh­rung der Verbre­chen, ferner, ob es sich bei dem NSU tatsäch­lich allein um ein Trio handel­te oder nicht vielmehr um ein viel weiter verzweig­tes Netzwerk. In der Kritik steht zudem die ursprüng­li­che Ermitt­lungs­tä­tig­keit von Polizei und Staats­an­walt­schaft. Sie legte ihren Fokus auf die Hypothe­se, die Taten müssten in einem Zusam­men­hang mit der türki­schen Mafia stehen bzw. auf Revier­kämp­fe im Rausch­gift­mi­lieu zurück­ge­hen (Ramels­ber­ger u.a., VII). Verdäch­tigt und gleich­sam diskri­mi­niert wurden damit auch die engsten Famili­en­an­ge­hö­ri­gen der Opfer. Die einge­setz­ten Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se, die sich teilwei­se paral­lel zu dem Gerichts­ver­fah­ren um Aufklä­rung bemüh­ten, brach­ten etwas mehr Licht ins Dunkel, ohne erschöp­fen­de Antwor­ten zu finden (siehe näher unten 10.).

Gleich­wohl klärte der Straf­pro­zess gegen Beate Zschä­pe und die anderen Angeklag­ten wichti­ge Tatsa­chen nicht zuletzt des Vorge­sche­hens der Verbre­chen auf, die Ansatz­punk­te für Schluss­fol­ge­run­gen auf das gesell­schaft­li­che Umfeld des NSU und damit zugleich für präven­ti­ve Folge­run­gen erlauben.

Vor den Verbre­chen hatte die Gruppe des NSU ihren Lebens­mit­tel­punkt in Jena. Auch die Mitan­ge­klag­ten lebten und stammen zum Teil aus Thürin­gen. Zschä­pe, Mundlos, Böhnhardt und die Angeklag­ten Wohlle­ben und Gerlach gehör­ten Anfang bis Mitte der 1990er Jahre zu der sich entwi­ckeln­den Gruppie­rung „Kamerad­schaft Jena“, die politisch motivier­te Aktio­nen durch­führ­te. Alle ca. 20 Gruppen­mit­glie­der identi­fi­zier­ten sich mit auslän­der­feind­li­chen, antise­mi­ti­schen und staats­feind­li­chen politi­schen Inhal­ten. Zschä­pe, Böhnhardt und Mundlos waren jene Angehö­ri­gen der Gruppe, die Anfang des Jahres 1996 beschlos­sen, zukünf­tig ihrer Gesin­nung auch mit Gewalt Ausdruck zu verleihen.

Zunächst handel­te es sich dabei um reine Propa­gan­da­ak­tio­nen mit Bomben­at­trap­pen ohne Spreng­stoff. Dazu gehör­ten mit unter­schied­li­cher Betei­li­gung von Zschä­pe, Böhnhardt, Mundlos und Wohlle­ben Herstel­lung und öffent­li­ches Aufhän­gen einer Puppe mit sogenann­tem „Juden­stern“, Verschi­ckung von Bomben­at­trap­pen mit anony­men Drohbrie­fen, auf denen sich Haken­kreu­ze und Sigru­nen befan­den, an Polizei und andere öffent­li­che Einrich­tun­gen, um dort Angst und Schre­cken zu verbrei­ten. In sukzes­si­ver Radika­li­sie­rung versuch­ten sie, sich funkti­ons­fä­hi­ge Bomben zu verschaf­fen, und, als das misslang, Bomben und Zündvor­rich­tun­gen selbst herzu­stel­len. Auch diese Bemühun­gen blieben erfolg­los. Im Januar 1998 wurde die vom NSU als Bomben­werk­statt genutz­te Garage von den Ermitt­lungs­be­hör­den durch­sucht. Darauf­hin entzog sich das Trio den weite­ren Ermitt­lun­gen durch Flucht und Abtau­chen in den Unter­grund, wozu Wohlle­ben Hilfe leiste­te. Wohlle­ben, Gerlach und Schult­ze standen mit Zschä­pe, Böhnhardt und Mundlos während deren Alltags­le­ben im Unter­grund in Kontakt und unter­stüt­zen sie auf verschie­de­ne Weise. Die drei Geflüch­te­ten wohnten in verschie­de­nen Unter­künf­ten und kamen auch mit Eminger in Kontakt.

Im weite­ren Verlauf ihres Lebens im Unter­grund beschlos­sen Zschä­pe, Mundlos und Böhnhardt, aus ihrer natio­nal­so­zia­lis­tisch-rassis­ti­schen Grund­hal­tung heraus, Tötungs­de­lik­te zu begehen. Als Opfer sollten Menschen mit südlän­di­schen – insbe­son­de­re türki­schen – Wurzeln ausge­wählt werden, ferner Vertre­ter staat­li­cher Insti­tu­tio­nen wie beispiels­wei­se Polizei­be­am­te. Es sollte sich um belie­bi­ge zufäl­li­ge Opfer handeln. Zur Siche­rung ihres Lebens­un­ter­hal­tes verstän­dig­ten Zschä­pe, Mundlos und Böhnhardt sich zudem auf die Begehung von Raubüber­fäl­len. Die eigent­li­che Tataus­füh­rung sollte arbeits­tei­lig erfol­gen. Mundlos und Böhnhardt wollten die Taten unmit­tel­bar durch­füh­ren. Zschä­pe sollte sie absichern, indem sie „die Stellung“ in der gemein­sa­men Wohnung als Ausgangs- und Rückzugs­punkt für Böhnhardt und Mundlos (räumli­cher Fixpunkt) hielt, zugleich aber die Abwesen­heits­zei­ten der Tataus­füh­ren­den gegen­über dem Umfeld legen­dier­te, um eine siche­re Rückzugs­mög­lich­keit zu schaf­fen und zu erhal­ten. Sie verein­bar­ten ferner, zum Zwecke einer späte­ren Veröf­fent­li­chung ein glaub­haf­tes Dokument zu erstel­len, „indem sie – unter Wahrung ihrer Anony­mi­tät als Mitglie­der – die Existenz ihrer erfolg­reich agieren­den rechts­extre­mis­ti­schen Verei­ni­gung darstell­ten, die sich aller began­ge­nen Anschlags­ta­ten bezich­tig­te“ (Urteil, S. 73). Für den Fall drohen­der Festnah­me beschlos­sen Böhnhardt und Mundlos, sich zu töten. Das Trio kam überein, dass in diesem Fall Zschä­pe das Beken­ner­do­ku­ment in Umlauf bringen und Beweis­mit­tel zerstö­ren sollte.

Ab Mitte Dezem­ber 1998 began­nen sie ihren Plan zunächst durch Raubüber­fäl­le umzuset­zen. Danach erfolg­ten die zehn Morde sowie weite­re Anschlä­ge, bei denen Opfer schwer verletzt wurden. Zwischen­zeit­lich fanden erneut Raubüber­fäl­le statt. Ein Teil der Verbre­chen wurde in mehre­ren von Böhnhardt, Mundlos und Zschä­pe gefer­tig­ten Beken­ner­vi­de­os dokumentiert.

Nach einem Überfall durch Böhnhardt und Mundlos auf eine Sparkas­se in Eisen­ach am 4. Novem­ber 2011 mussten beide damit rechnen, von der Polizei gefasst und enttarnt zu werden. Zwei Polizis­ten hatten das Wohnmo­bil, das ihnen als Fahrzeug zu den jewei­li­gen Orten der Verbre­chen diente, entdeckt, was sie bei ihrer Rückkehr nach dem Raubüber­fall auf die Sparkas­se bemerk­ten. Der Versuch, sich durch Schuss­waf­fen­an­wen­dung der Verhaf­tung zu entzie­hen, schlug fehl. Darauf­hin setzten sie das Wohnmo­bil in Brand, um alle dort vorhan­de­nen Beweis­mit­tel zu vernich­ten, und erschos­sen sich.

Zschä­pe, die in der Wohnung zurück­ge­blie­ben war, erfuhr davon durch den Rundfunk. Wie für diesen Fall verein­bart, setzte sie die gemein­sam als Ausgangs- und Flucht­punkt für die Verbre­chen genutz­te Wohnung in Brand, um Beweis­mit­tel zu vernich­ten. Sie begab sich auf die Flucht und schick­te die Beken­ner­vi­de­os an politi­sche, religiö­se und kultu­rel­le Einrich­tun­gen sowie an Presse­un­ter­neh­men, um die von der Organi­sa­ti­on „NSU“ began­ge­nen Morde und Spreng­stoff­an­schlä­ge mit der bespro­che­nen Zielset­zung ohne Offen­le­gung ihrer eigenen Identi­tät der Öffent­lich­keit bekanntzumachen.

Zschä­pe reiste in den nächs­ten Tagen mit dem Zug in mehre­re Städte Deutsch­lands und stell­te sich am 8. Novem­ber 2011 in Beglei­tung ihres Vertei­di­gers der Polizei.

4. Die Anklage
Die Bundes­an­walt­schaft erhob am 8. Novem­ber 2012 vor dem Staats­schutz­se­nat des Oberlan­des­ge­richts München Ankla­ge gegen Beate Zschä­pe als mutmaß­li­ches Mitglied der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Unter­grund (NSU)“ sowie gegen die vier mutmaß­li­chen Unter­stüt­zer und Gehil­fen des „NSU“, Ralf Wohlle­ben, Carsten Schultz, Andre Eminger sowie Holger Gerlach.

Beate Zschä­pe wurde vorge­wor­fen, sich als Gründungs­mit­glied des „NSU“ mittä­ter­schaft­lich an der Ermor­dung von acht Mitbür­gern türki­scher und einem Mitbür­ger griechi­scher Herkunft, dem Mord bzw. Mordver­such an zwei Polizei­be­am­ten in Heilbronn sowie an den versuch­ten Morden durch Spreng­stoff­an­schlä­ge des „NSU“ in der Kölner Altstadt und in Köln-Mühlheim betei­ligt zu haben. Darüber hinaus sollte sie als Mittä­te­rin für 15 bewaff­ne­te Raubüber­fäl­le verant­wort­lich sein. Ferner wurde ihr zur Last gelegt, die Unter­kunft in Zwickau in Brand gesetzt und sich dadurch wegen versuch­ten Mordes an einer Nachba­rin und zwei Handwer­kern sowie wegen beson­ders schwe­rer Brand­stif­tung straf­bar gemacht zu haben.

Ralf Wohlle­ben und Carsten Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zum Mord an den acht Mitbür­gern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund durch die Beschaf­fung der Tatwaf­fe Ceska 83 nebst Schall­dämp­fer angeklagt. Gegen­über André Eminger laute­te die Ankla­ge auf Beihil­fe zum versuch­ten Mord in Tatein­heit mit Beihil­fe zu einem Spreng­stoff­an­schlag des NSU sowie auf Beihil­fe zum Raub und Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU. Holger Gerlach wurde die Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU in drei Fällen vorgeworfen.

5. Die Verteidigung
5.1. Vertei­di­gungs­stra­te­gien
Die Vertei­di­gung war sehr hetero­gen und in jeder Hinsicht konflikt­reich. Im Wesent­li­chen lassen sich dazu zwei Ausrich­tun­gen erken­nen (die sich auch in den Plädoy­ers spiegeln, siehe unten 6. c). Die folgen­den Ausfüh­run­gen legen den Fokus auf die Vertei­di­gung von Beate Zschä­pe und von Ralph Wohlle­ben, die sowohl die aktivs­te Vertei­di­ger­rol­le in der Haupt­ver­hand­lung einnah­men als auch sich in ihrem Vorge­hen stark vonein­an­der abhoben. Vorweg ist zu bemer­ken, dass ein Teil der für die Vertei­di­gungs­stra­te­gie bezeich­nen­den Anträ­ge unmit­tel­bar nach Eröff­nung der Haupt­ver­hand­lung und noch vor Verle­sung der Ankla­ge am ersten Verhand­lungs­tag gestellt wurde (siehe unten 5.1.a und 5.1.b), was prozess­recht­lich auch erfor­der­lich war. Im Grunde aber wurden sämtli­che Anträ­ge der Vertei­di­gung, die für ihre Vertei­di­gungs­stra­te­gie kennzeich­nend waren, durch den 6. Senat des OLG München abgelehnt.

Es ließe sich disku­tie­ren, ob es zwischen den Vertei­di­gungs­stra­te­gien im NSU-Prozess und der Vertei­di­gung in den RAF-Verfah­ren gewis­se Paral­le­len gibt. Solche sind jeden­falls nicht zu überse­hen (zur Vertei­di­gung in den RAF-Verfah­ren siehe u.a. Diewald-Kerkman­n/Hol­tey, S. 17–135; Honecker/Kaleck, S. 557–588; Groene­wold, in: Dreck­t­rah [Hrsg.], S. 105–138; Mehlich; Müller, in: Dreck­t­rah [Hrsg.], S. 95–103; Jeßberger/Schuchmann, Prozess), insbe­son­de­re weil etliche Vertei­di­gungs­ak­ti­vi­tä­ten in beiden großen histo­ri­schen Prozes­sen sich gegen gericht­li­che Beschrän­kun­gen der Vertei­di­gungs­aus­übung richte­ten. Zwar erfolg­ten derar­ti­ge Beschrän­kun­gen im RAF-Prozess in weit größe­rem Maße als im NSU-Prozess; sie setzten sich zudem in einer beson­ders restrik­ti­ven Gesetz­ge­bung im Gefol­ge der Ausübung der Vertei­di­gungs­rech­ten im RAF-Prozess fort. In etwas kleine­rem Rahmen kann man dies im NSU-Verfah­ren jedoch ebenfalls erken­nen. So zeugen die drei Reform­ge­set­ze zur StPO aus den Jahren 2017 bis 2021 von einer weite­ren Beschnei­dung von Beschul­dig­ten- und Vertei­di­ger­rech­ten, die sich zumin­dest auch auf die Erfah­run­gen im NSU-Prozess zurück­füh­ren lässt (und sich hier sogar auf die Neben­kla­ge­rech­te erstreck­te, siehe unten 10. a). Generell lässt sich festzu­stel­len, dass das Bestre­ben des Gerichts wie im RAF-Prozess auch im NSU-Prozess darauf bedacht war, das Verfah­ren nicht als ein politi­sches erschei­nen zu lassen, sondern als „norma­len“ Straf­pro­zess, wenn auch nicht als einen gewöhn­li­chen (siehe dazu unten 9.). Dies mag die restrik­ti­ve Haltung des Gerichts gegen­über den Vertei­di­gungs­ak­ti­vi­tä­ten jeden­falls mit zu erklären.

a) Verlet­zung des Grund­sat­zes des fairen Verfahrens
aa) Öffent­li­che Vorverurteilung
Angepran­gert wurde von der Vertei­di­gung Zschä­pes wie auch von der Vertei­di­gung Wohlle­bens, dass diese Angeklag­ten bereits vorver­ur­teilt gewesen seien, bevor die Verhand­lung überhaupt begann. Öffent­li­ches vorver­ur­tei­len­des Vokabu­lar sei unmit­tel­bar in die Arbeit der Ermitt­ler einge­flos­sen. Die Worte „Terror­trio“ und „Mörder­ban­de“ (ohne „mutmaß­lich“ hinzu­zu­fü­gen), seien auch von Politi­kern vor dem Prozess öffent­lich geäußert wurden. Zschä­pe sei von Beginn des Verfah­rens an zum Objekt degra­diert worden. Sie hätte als Mitglied einer „Mörder­ban­de“ von vornher­ein festge­stan­den; davon seien die gesam­ten Ermitt­lun­gen ausge­gan­gen, die nur noch nach Bewei­sen für diese Annah­me gesucht hätten.
Hieraus ergebe sich die Notwen­dig­keit, das Verfah­ren einzu­stel­len, da die öffent­li­che Vorver­ur­tei­lung ein nicht mehr beheb­ba­res Verfah­rens­hin­der­nis darstel­le. Von der Vertei­di­gung wurde dabei nicht thema­ti­siert, dass Vorver­ur­tei­lun­gen in Wirklich­keit bereits damit begon­nen hatten, als die Ermitt­lun­gen sich zunächst auf die familiä­ren Struk­tu­ren, also auf das türki­sche Umfeld der Opfer gerich­tet hatten und ein rassis­ti­scher, fremden­feind­li­cher und neona­zis­ti­scher Hinter­grund der Taten dabei nicht in den Blick geraten war. Dazu kam es erst weitaus später.

bb) Verwei­ger­te Akten­ein­sicht und Vorent­hal­tung von Akten
Die Vertei­di­gung beantrag­te, Akten von parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­sen in den Prozess ebenso einzu­be­zie­hen wie alle Akten der Landes­staats­an­walt­schaf­ten, die der General­bun­des­an­walt in seine Ermitt­lun­gen einbe­zo­gen hatte. In diesem Zusam­men­hang verlang­te die Vertei­di­gung Zschä­pes ferner, Bundes­an­walt Diemer und Oberstaats­an­wäl­tin Greger als Sitzungs­ver­tre­ter abzulö­sen und sie durch andere Staats­an­wäl­te zu erset­zen, weil sie Akten nicht in erfor­der­li­cher Weise weiter­ge­lei­tet, nicht objek­tiv und fair agiert und sich vorein­ge­nom­men über Zschä­pe geäußert hätten.
Verfah­rens­ak­ten zu verschie­de­nen V‑Leuten seien der Vertei­di­gung vorent­hal­ten wurden. Es seien sogar relevan­te Akten vernich­tet worden. Die Verfas­sungs­schutz­be­hör­den hätten die noch vorhan­de­nen Akten nur wider­wil­lig und unvoll­stän­dig heraus­ge­ge­ben. Dadurch sei der Straf­an­spruch des Staates verwirkt.
In diesem Zusam­men­hang bezog sich die Vertei­di­gung ferner auf die Verwick­lung des Geheim­diens­tes in die angeklag­ten Taten des NSU, was ein nicht beheb­ba­res Verfah­rens­hin­der­nis darstel­le, weshalb auch aus diesem Grund das Verfah­ren einzu­stel­len sei. Wegen der Vorent­hal­tung bzw. des Fehlens der Akten sei eine ordnungs­ge­mä­ße Beweis­auf­nah­me nicht mehr gewährleistet.

cc) Kritik an der Prozess­lei­tung des Vorsit­zen­den Götzl
Angegrif­fen wurde zunächst die „Sitzungs­po­li­zei­li­che Anord­nung des Vorsit­zen­den zur störungs­frei­en Abwick­lung der Haupt­ver­hand­lung“, insoweit sie die Vertei­di­gung betraf. Die Vertei­di­gung kriti­sier­te die darin angeord­ne­te Unter­su­chung der Vertei­di­ger beim Einlass, also die gericht­li­che Zugangs­kon­trol­le; sie stell­te die Frage, warum nur die Vertei­di­ger unter­sucht würden, nicht aber die Staats­an­wäl­te, Richter und Polizis­ten. Die Vertei­di­ger sahen hierin einen Eingriff in ihre verfas­sungs­recht­lich geschütz­ten Rechts­po­si­tio­nen und eine Diskri­mi­nie­rung. Zugleich trugen sie vor, dadurch werde Misstrau­en bei den Angeklag­ten gesät, ob die Vertei­di­gung überhaupt sachge­recht erfol­gen könne. Gegen den Vorsit­zen­den wurde deswe­gen ein Befan­gen­heits­an­trag gestellt, der jedoch zurück­ge­wie­sen wurde.

Kriti­siert wurde die Prozess­lei­tung des Vorsit­zen­den ferner deshalb, weil dieser die Neben­kla­ge stets vor der Vertei­di­gung zu Wort kommen ließ. Der Antrag, dem abzuhel­fen, blieb ebenfalls erfolglos.

b) Verlet­zung des Grund­sat­zes der Öffentlichkeit
Von der Vertei­di­gung wurde gefor­dert, das Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren für Journa­lis­ten zu wieder­ho­len, da es Anhalts­punk­te gebe, dass auch das zweite Verfah­ren mangel­haft durch­ge­führt worden sei. Beklagt wurde in diesem Zusam­men­hang die fehlen­de Einsicht der Vertei­di­gung in die dazu vorhan­de­nen Unterlagen.

Die Vertei­di­gung kriti­sier­te zudem, der Sitzungs­saal sei zu klein, denn die Sicht von der Zuschau­er­tri­bü­ne sei begrenzt, das auf die Wand proji­zier­te Bild der Neben­klä­ger sei nur undeut­lich erkenn­bar, dagegen seien die Compu­ter und die Unter­la­gen der Vertei­di­ger von Zschä­pe von der Richter­bank aus voll einseh­bar. Beantragt wurde deshalb die Haupt­ver­hand­lung in einen größe­ren Saal zu verle­gen und zu diesem Zweck die Haupt­ver­hand­lung auszu­set­zen. Zschä­pes Vertei­di­gung forder­te zudem, die gesam­te Verhand­lung aufzeich­nen zu lassen, ein Antrag, der nach Verle­sung der Ankla­ge gestellt wurde (siehe oben 5.1.a).

c) Materi­ell­recht­li­che Verteidigung
Im Hinblick auf die Vorwür­fe der Ankla­ge waren Zschä­pes Vertei­di­ger darauf bedacht, eine Mittä­ter­schaft an den Morden sowie die Mitglied­schaft in einer krimi­nel­len Verei­ni­gung in Abrede zu stellen. Darauf zielte ihr Agieren während der gesam­ten Beweis­auf­nah­me. Diese Feststel­lung bezieht sich sowohl auf die sogenann­ten „Altver­teid­ger“ Zschä­pes als auch auf die „Neuver­tei­di­ger“ (siehe unten 5.2.). Letzte­re verän­der­ten aller­dings das Aussa­ge­ver­hal­ten Zschä­pes, indem sie ihr zu Einlas­sun­gen rieten. Damit sollte versucht werden, sie nicht als aktives Mitglied des NSU erschei­nen zu lassen, sondern als jemand, der die Taten von Böhnhard und Mundlos nicht wollte, aber nicht von beiden Männern loslas­sen konnte (siehe unten 6.c).

d) Ideolo­gi­sche Vertei­di­gung sowie Vertei­di­gung des Rechtsstaats
Im weite­ren Prozess­ge­sche­hen wurde ein gravie­ren­der Unter­schied zwischen der Vertei­di­gung von Zschä­pe auf der einen Seite und der Vertei­di­gung von Wohlle­ben auf der anderen Seite deutlich. Die Vertei­di­gung Wohlle­bens nutzte zwar konse­quent die rechts­staat­li­chen Mittel und Möglich­kei­ten, jedoch war zu erken­nen, dass sie sich zugleich in einer ideolo­gi­schen Nähe zu der neona­zis­ti­schen Gesin­nung Wohlle­bens befand. Darauf von anderen Vertei­di­gern wie auch von Neben­klä­gern im Prozess angespro­chen, bestritt die Vertei­di­gung Wohlle­bens das, aber es war kein Geheim­nis, dass Olaf Klemke, der als ein hervor­ra­gen­der Jurist gilt, Wolfgang Nahrath sowie Nicole Schnei­ders sich als sogenann­te „Szene-Anwäl­te“ verstan­den, und daraus machten sie auch während des Verfah­rens keinen Hehl. Insofern kann hier von einer Vertei­di­gungs­stra­te­gie der „ideolo­gi­schen Vertei­di­gung“ gespro­chen werden, die der Rechts­staat freilich hinzu­neh­men und zu dulden hat. Er billigt seine Mittel und Möglich­kei­ten ausdrück­lich auch jener Vertei­di­gung zu, die nur formal davon Gebrauch machen bzw. dies mit der Vertei­di­gung der rechten Ideolo­gie verbin­den will, solan­ge sich daraus kein Verdacht von Straf­ta­ten der Vertei­di­ger ergibt. Das aber war bei der Vertei­di­gung Wohlle­bens nicht der Fall (siehe auch unten 5.2.).

Demge­gen­über benutz­te die Vertei­di­gung Zschä­pes – wie auch der größte Teil der Vertei­di­gung der übrigen Angeklag­ten – die rechts­staat­li­chen Mittel bei der Vertei­di­gung nicht nur, sondern sie vertei­dig­te zugleich den Rechts­staat, indem sie dabei, anders als die Vertei­di­gung Wohlle­bens, erkenn­bar von demokra­ti­schen und humanis­ti­schen Werten ausging, sich also bei der Vertei­di­gung niemals menschen­rechts- und demokra­tie­feind­lich äußer­te (siehe Arnold, StV 2023, 184, 189). Insoweit ist es durch­aus angebracht, davon zu sprechen, dass eine solche Vertei­di­gung zugleich den bürger­lich-demokra­ti­schen und libera­len Rechts­staat verteidigt.

5.2. Beson­de­re Proble­me der Vertei­di­gung Zschä­pes – die sog. „Vertei­di­ger­kri­se“
Spezi­el­le Vertei­di­ger­pro­ble­me sind insbe­son­de­re im Hinblick auf Ereig­nis­se rund um die Vertei­di­gung der Angeklag­ten Zschä­pe zu beobach­ten. Ihre Vertei­di­gung erfolg­te zunächst in Form der Pflicht­ver­tei­di­gung durch zwei Vertei­di­ger und eine Vertei­di­ge­rin (Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer, Anja Sturm). Ihre Strate­gie hinsicht­lich des Aussa­ge­ver­hal­tens von Zschä­pe bestand darin, keine Einlas­sung zur Sache abzuge­ben. Im Verlau­fe des Verfah­rens verschlech­ter­te sich jedoch das Verhält­nis zwischen Zschä­pe und ihren Vertei­di­gern. Zschä­pe erklär­te ihnen gegen­über ihr Misstrau­en. Das erste Mal erfolg­te das am 16. Juli 2014, dem 129. Verhand­lungs­tag. Die Angeklag­te beantrag­te, die Beiord­nung ihrer Vertei­di­ger zu wider­ru­fen, was vom Gericht abgelehnt wurde, weil der Antrag keine konkre­ten und hinrei­chen­den Anhalts­punk­te für eine endgül­ti­ge oder nachhal­ti­ge Störung des Vertrau­ens­ver­hält­nis­ses enthalte.

Danach beantrag­te Zschä­pe mehrfach, einzel­ne ihrer drei Vertei­di­ger zu entpflich­ten, zunächst am 209. Verhand­lungs­tag Rechts­an­wäl­tin Sturm. Diesen Anträ­gen gab das Gericht ebenso wenig statt wie den darauf­hin gestell­ten Anträ­gen der Vertei­di­gung, sie ihrer­seits zu entpflich­ten. In diesen Anträ­gen brach­ten die Pflicht­ver­tei­di­ger vor, sich nicht als Siche­rungs­ver­tei­di­ger zu sehen, die nur dafür zu sorgen hätten, dass der Prozess „nicht platzt“ (Fried­rich­sen, 222).
Das Gericht ordne­te Zschä­pe jedoch einen weite­ren, von ihr gewähl­ten Pflicht­ver­tei­di­ger bei (Matthi­as Grasel), der damit aller­dings nach zwei Jahren Prozess­dau­er einstieg und zunächst über keine bzw. nur gerin­ge Akten- und Prozess­kennt­nis verfüg­te. Zusätz­lich übernahm mit Rechts­an­walt Hermann Borchert ein Wahlver­tei­di­ger die Vertre­tung Zschä­pes, der mit Grasel in einer Anwalts­kanz­lei tätig ist. Borchert agier­te zunächst als Helfer im Hinter­grund für Grasel. Grasel und Borchert genos­sen nun das allei­ni­ge Vertrau­en Zschä­pes. Die drei sogenann­ten „Altver­tei­di­ger“ hatten damit kaum noch eigen­stän­di­ge Verteidigungsmöglichkeiten.

Dazu kam, dass Zschä­pe die „Altver­tei­di­ger“ wegen Verlet­zung der anwalt­li­chen Verschwie­gen­heits­pflicht bei der Staats­an­walt­schaft München anzeig­te. Sie warf ihnen vor, ohne ihr Wissen Gesprä­che mit dem Vorsit­zen­den geführt zu haben. Das schloss Zschä­pe offen­bar aus einem in der Haupt­ver­hand­lung durch Götzl verle­se­nen Akten­ver­merk, aus dem hervor­ging, die Vertei­di­ger hätten den Vorsit­zen­den wissen lassen, dass die Angeklag­te zu jeder Zeit hätte aussa­gen können, wenn sie es gewollt hätte (Fried­rich­sen, Zschä­pe und ihr neuer Einflüs­te­rer; https://www.deutschlandfunk.de/nsu-prozess-zschaepe-zeigt-drei-ihrer-anwaelte-an-100.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Die Staats­an­walt­schaft München I lehnte jedoch die Einlei­tung eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens ab; das Verhal­ten der Rechts­an­wäl­te erfül­le keinen Straf­tat­be­stand. Vielmehr hande­le es sich bei den Angaben der Pflicht­ver­tei­di­ger gegen­über dem Gericht um ein legiti­mes Verhal­ten von Anwäl­ten. Diese agier­ten „als Organe der Rechts­pfle­ge selbstän­dig und unabhän­gig von der Angeklag­ten“, so die Staats­an­walt­schaft. Demnach seien durch die Vertei­di­ger keiner­lei Infor­ma­tio­nen an das Gericht weiter­ge­ge­ben worden, die sich auf die Frage der Schuld oder Unschuld der Angeklag­ten bezögen (Assmann, Zschä­pe schei­tert mit Anzei­ge). Diese Begrün­dung der Staats­an­walt­schaft ist jedoch nicht unpro­ble­ma­tisch. Sie unter­stellt, dass sich jeder Anwalt, jeder Straf­ver­tei­di­ger als „Organ der Rechts­pfle­ge“ versteht. Dies ist zwar das herrschen­de Verständ­nis von Lehre und Rechts­pra­xis, berück­sich­tigt aber nicht durch­aus legiti­me andere Auffas­sun­gen, wie die Vertrags- oder die Autono­mie­theo­rie, die besagen, der Vertei­di­ger hande­le einzig im Inter­es­se des Mandan­ten (vgl. Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, S. 119 ff.). Wäre ein solches Verständ­nis zugrun­de gelegt worden, dann hätte die Staats­an­walt­schaft mögli­cher­wei­se doch zur Feststel­lung der Verlet­zung der anwalt­li­chen Verschwie­gen­heits­pflicht gelan­gen können.

Im weite­ren Prozess fand keine Zusam­men­ar­beit zwischen den „Alt-“ und „Neuver­tei­di­gern“ statt. Die „Altver­tei­di­ger“ nutzten für die weite­re Vertei­di­gung ledig­lich zum Ende der Haupt­ver­hand­lung die Plädoy­ers. Diese trugen sie so engagiert vor, als hätten sie Zschä­pe den gesam­ten Prozess über aktiv vertei­digt. Man kann dieses Verhal­ten aller­dings auch als Selbst­ver­tei­di­gung der Vertei­di­ger einord­nen (Sunder­mann, Selbst­ver­tei­di­gung der Verteidiger).
Es wird davon ausge­gan­gen, dass der Kontakt von Zschä­pe zu ihren neuen Vertei­di­gern hinter dem Rücken der Altver­tei­di­ger in der U‑Haft zustan­de kam, u.a. deswe­gen, weil Zschä­pe mit der Vertei­di­gungs­stra­te­gie des Schwei­gens nicht mehr einver­stan­den gewesen sein soll, wie der Münche­ner Psych­ia­ter Nedopil im Rahmen seiner Unter­su­chung Zschä­pes feststell­te (Fried­rich­sen, S. 216 ff.; siehe auch Frees, S. 212 ff.). Die neuen Vertei­di­ger überzeug­ten ihre Mandan­tin davon, eine Erklä­rung abzuge­ben. Das kündig­ten sie auch an, weshalb die Erwar­tun­gen daran sehr hoch waren. Nach Einschät­zung von Prozess­be­ob­ach­tern versuch­te Zschä­pe mit ihrer Erklä­rung, sich als emotio­na­le Gefan­ge­ne darzu­stel­len, als eine Frau, die es einfach nicht schaff­te, ihre Männer zu verra­ten und eigene Wege zu gehen. Böhnhardt soll sie zudem geschla­gen haben (Schultz, S. 400). Man schenk­te ihr jedoch keinen Glauben.

Ein weite­rer Schwer­punkt der Konfron­ta­ti­on zwischen Vertei­di­gung und Gericht war die Frage der foren­si­schen Begut­ach­tung Zschä­pes. Der vom Gericht bestell­te psych­ia­tri­sche Sachver­stän­di­ge Saß konnte seine Einschät­zun­gen nur durch Beobach­tun­gen der Angeklag­ten im Prozess gewin­nen, da Zschä­pe jegli­ches Gespräch mit ihm verwei­ger­te. Aufgrund seines Gutach­tens beantrag­te die Vertei­di­gung, den Sachver­stän­di­gen zu entpflich­ten und ein metho­den­kri­ti­sches Gutach­ten einzu­ho­len; seine Arbeit genüge nicht den wissen­schaft­li­chen Standards. Zwar wurde durch einen weite­ren Sachver­stän­di­gen ein solches Gutach­ten abgege­ben und ein von der Vertei­di­gung beauf­trag­ter Gutach­ter, mit dem die Angeklag­te auch sprach, erstat­te­te ebenfalls ein Gutach­ten, doch drang der metho­den­kri­ti­sche Gutach­ter nicht durch. Der Gutach­ter, mit dem Zschä­pe sprach, wurde von einer Vertre­te­rin der Neben­kla­ge wegen Besorg­nis der Befan­gen­heit erfolg­reich abgelehnt.

5.3 Konflik­te zwischen Vertei­di­gung und Nebenklägern
Ein weite­rer Konflikt bestand in der fast dauer­haf­ten Konfron­ta­ti­on zwischen der Vertei­di­gung und den Vertre­tern der Neben­kla­ge. Die Vertei­di­gung sah sich dabei insbe­son­de­re dem Vorwurf ausge­setzt, die Opfer­rech­te nicht zu beach­ten. Von Seiten einiger Vertei­di­ger wurden umgekehrt verschie­de­ne Neben­klä­ger beschul­digt, den Prozess für politi­sche Zwecke zu missbrau­chen, indem sie ständig kriti­sier­ten, dass Gericht und Bundes­an­walt­schaft den Aufklä­rungs­fo­kus nicht auf die gesell­schaft­li­chen und politi­schen Zusam­men­hän­ge im Hinblick auf Rassis­mus sowie auf die Verstri­ckun­gen des Staates in das Tatge­sche­hen legten, letzte­res vor allem im Hinblick auf die Aktivi­tä­ten des Verfas­sungs­schut­zes. Seinen markan­tes­ten Ausdruck fand dieser Streit in den Plädoy­ers von Vertei­di­gern und Neben­klä­gern in Bezug darauf, was zu sagen in den Schluss­vor­trä­gen zuläs­sig sei und was nicht.

Konfron­ta­tiv ging es auch zwischen einigen Neben­kla­ge­ver­tre­tern und denje­ni­gen Anwäl­ten zu, die der rechten Szene zugeord­net werden. So zählten zu Wohlle­bens Anwäl­ten mit Nicole Schnei­ders eine Ex-NPD-Funktio­nä­rin sowie mit Rechts­an­walt Wolfgang Nahrath der Ex-Chef der inzwi­schen verbo­te­nen “Wiking Jugend”, zugleich einsti­ger Sänger einer Rechts­rock-Band und nach wie vor NPD-Mitglied. Immer wieder haben sie und der Wohlle­ben ebenfalls vertei­di­gen­de Rechts­an­walt Olaf Klemke den NSU-Prozess als Platt­form für Neona­zi­pro­pa­gan­da genutzt. U.a. wollten sie qua Beweis­an­trag den drohen­den Volks­tod bewei­sen sowie eine Ermor­dung des Hitler-Stell­ver­tre­ters Rudolf Hess in der Haft. Das Plädoy­er von Rechts­an­walt Nahrath wird als Versuch eines Plädoy­ers für den Natio­nal­so­zia­lis­mus gewer­tet (Ramelsberger/Ramm; Baur).

Im Vorfeld des NSU-Prozes­ses wurde in der Anwalt­schaft, insbe­son­de­re in den Straf­ver­tei­di­ger­ver­ei­ni­gun­gen, die Frage disku­tiert, ob man Nazis überhaupt vertei­di­gen dürfe (Arnold, StV 2022, 115 ff.). Anlass war dabei auch, dass Anja Sturm ihre Berli­ner Anwalts­kanz­lei verließ, weil – wie verschie­dent­lich berich­tet wurde – dort Kritik an ihrer Übernah­me der Vertei­di­gung der Haupt­an­ge­klag­ten im NSU-Prozess geübt worden war. Die Berli­ner Straf­ver­tei­di­ger­or­ga­ni­sa­ti­on stell­te sich jedoch hinter Sturm (Speit; Jansen).

6. Die Plädoyers
a) Bundes­an­walt­schaft

Von der Bundes­an­walt­schaft plädier­te als erster Bundes­an­walt Diemer. Er legte beson­de­ren Wert darauf, dass es – wie oftmals kolpor­tiert werde – falsch sei, der NSU-Prozess hätte seine Aufga­be nur teilwei­se erfüllt, weil er mögli­che Fehler staat­li­cher Behör­den nicht aufge­klärt habe (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510). Alle anderen Speku­la­tio­nen selbst­er­nann­ter Exper­ten, die so täten, als habe es die Beweis­auf­nah­me nicht gegeben, seien wie Irrlich­ter, wie Fliegen­ge­sum­me in den Ohren (https://www.nsu-watch.info/2017/07/protokoll-375-verhandlungstag-25-juli-2017/ zuletzt aufge­ru­fen: 21.10.2023). Diemer beton­te, es sei Aufga­be der politi­schen Gremi­en, mögli­che Fehler staat­li­cher Behör­den aufzu­klä­ren. Ein straf­pro­zes­sua­ler Aufklä­rungs­an­satz komme erst dann in Betracht, wenn Anhalts­punk­te für ein straf­ba­res Verhal­ten von Perso­nen vorlä­gen. Wären Anhalts­punk­te für eine straf­recht­li­che Verstri­ckung von Angehö­ri­gen staat­li­cher Stellen im Ermitt­lungs­ver­fah­ren aufge­tre­ten, so wären sie auch in gesetz­lich vorge­se­he­ner Weise aufge­klärt worden. Die Aufklä­rung eines weite­ren Unter­stüt­zer­um­fel­des, also die Entde­ckung mögli­cher weite­rer straf­ba­rer Unter­stüt­zer des NSU, sei bei entspre­chen­den Anhalts­punk­ten Aufga­be weite­rer Ermitt­lun­gen. Sie habe nicht Aufga­be dieses Straf­pro­zes­ses sein können, denn dessen Gegen­stand sei von Rechts wegen durch die zur Ankla­ge gebrach­ten Perso­nen und Taten vorge­ge­ben. Diese klaren Struk­tu­ren müssten in einem Rechts­staat einge­hal­ten werden. Der Senat und der General­bun­des­an­walt hätten dies getan. Anderes zu behaup­ten, verun­si­che­re die Opfer und die Bevöl­ke­rung (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510).

Bezogen auf den straf­pro­zes­sua­len Gegen­stand der Haupt­ver­hand­lung, nämlich die angeklag­ten Taten und den Umfang der Schuld der Angeklag­ten, sei die Beweis­auf­nah­me ihrer system­re­le­van­ten Bedeu­tung für die Rechts­pfle­ge, aber auch der mensch­li­chen, gesell­schaft­li­chen und histo­ri­schen Bedeu­tung dieses Straf­pro­zes­ses in jeder Hinsicht gerecht gewor­den. Sie sei in ihrem Ausmaß, ihrer Gründ­lich­keit und ihrer Gewis­sen­haf­tig­keit das adäqua­te Pendant zu dem ungeheu­er kompli­zier­ten Verfah­rens­stoff mit den heftigs­ten und infams­ten Terror­an­schlä­gen in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land seit den links­extre­mis­ti­schen Mordan­schlä­gen der RAF. Die umfas­sen­de Beweis­auf­nah­me habe die Ankla­ge des GBA hinsicht­lich aller fünf Angeklag­ten in objek­ti­ver und subjek­ti­ver Hinsicht in allen wesent­li­chen Punkten bestä­tigt (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510).

Oberstaats­an­wäl­tin Greger übernahm es sodann, zur Würdi­gung der Bewei­se im Zusam­men­hang mit der Angeklag­ten Zschä­pe und der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU vorzu­tra­gen. Ihr Fokus lag auf Ausfüh­run­gen, dass Zschä­pe – obwohl nicht eigen­hän­dig an der Ausfüh­rung der Taten durch Böhnhardt und Mundlos betei­ligt – dennoch gleich­be­rech­tig­tes Mitglied im NSU gewesen und in die Organi­sa­ti­on und Logis­tik arbeits­tei­lig einge­bun­den gewesen sei. Zschä­pe habe das System NSU getarnt und auf diese Weise an der Ausfüh­rung der Taten mitge­wirkt. Ihre Rolle stelle sich in der recht­li­chen Bewer­tung als ebenso essen­zi­ell für jede einzel­ne Tat dar wie die der beiden männli­chen Gruppen­mit­glie­der. Weder die Anschlä­ge noch die Überfäl­le hätten ohne ihr Zutun in dieser Form statt­fin­den und gelin­gen können. Die Angeklag­te sei der entschei­den­de Stabi­li­täts­fak­tor der Gruppe gewesen. Ihre Rolle im Hinter­grund entspre­che nicht nur dem ideolo­gi­schen Geschlech­ter­bild in der rechten Szene. Bereits in den Jahren 1996 bis 1998 habe sich die Angeklag­te bei den gemein­sam verüb­ten Straf­ta­ten in Jena von den Tator­ten fernge­hal­ten und diese abgesi­chert. Nach der Auflö­sung des NSU habe Zschä­pe alles daran­ge­setzt, Beweis­mit­tel zu vernich­ten (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1513–1516).

Oberstaats­an­walt Weingar­ten befass­te sich mit der Beweis­wür­di­gung hinsicht­lich der anderen Angeklag­ten. Auch hinsicht­lich dieser hätte sich die Ankla­ge im Wesent­li­chen in vollem Umfang bestä­tigt. Abschlie­ßend äußer­te sich Bundes­an­walt Diemer zu den Rechts­fol­gen und beantragte

- für die Angeklag­te Zschä­pe eine lebens­lan­ge Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld und anschlie­ßen­der Sicherungsverwahrung,

- für den Angeklag­ten Wohlle­ben eine Freiheits­stra­fe von zwölf Jahren,

- für den Angeklag­ten Schult­ze eine Jugend­stra­fe von drei Jahren, unter Berück­sich­ti­gung seiner im Prozess gezeig­ten Aufklä­rungs­hil­fe und seines Schuldeingeständnisses,

- für den Angeklag­ten Gerlach eine Freiheits­stra­fe von fünf Jahren und

- für den Angeklag­ten Eminger eine Freiheits­stra­fe von zwölf Jahren. Zugleich wurde beantragt, gegen Eminger Haftbe­fehl zu erlas­sen und ihn in Unter­su­chungs­haft zu bringen, weil Flucht­ge­fahr bestehe. Das Gericht folgt dem Haftan­trag und ließ Eminger inhaftieren.

b) Neben­klä­ger
Ein großer Teil der Neben­klä­ger in diesem Prozess verstand sich dezidiert als politisch. In ihren Plädoy­ers kriti­sier­ten sie vor allem, der Prozess habe die öffent­lich geweck­ten politi­schen Erwar­tun­gen nach umfas­sen­der Aufklä­rung nicht erfüllt. Bezogen wurde das auf die unter­blie­be­ne Aufde­ckung der Helfers­hel­fer und Hinter­män­ner sowie auf die enttäusch­ten Erwar­tun­gen der Neben­klä­ger und der Opfer­fa­mi­li­en zu erfah­ren, „warum und auf welche Weise ihre Väter, Ehemän­ner, Geschwis­ter ins Visier des NSU-Netzwer­kes gerie­ten und schließ­lich ermor­det wurden“ (Kaleck, in: von der Behrens [Hrsg.], S. 8). Dies wider­spre­che nicht den Aufga­ben des Straf­pro­zes­ses, „die Tat im straf­pro­zes­sua­len Sinne und alle daran Betei­lig­ten mit den straf­pro­zes­su­al mögli­chen Mitteln zu beleuch­ten und dann über die Schuld der auf der Ankla­ge­bank Sitzen­den zu urtei­len und gegebe­nen­falls weite­re Ermitt­lun­gen anzustel­len“ (Kaleck, S. 8). Die politi­schen Neben­klä­ger verwahr­ten sich in diesem Zusam­men­hang in ihren Plädoy­ers mit Entschie­den­heit gegen die Bemer­kung von Bundes­an­walt Diemer, die Kritik, der NSU-Prozess sei weitge­hend hinter den Erwar­tun­gen an die Aufklä­rung des Tatge­sche­hens zurück­ge­blie­ben, sei wie Irrlich­ter, wie Fliegen­ge­sum­me in den Ohren. Statt­des­sen hätte der Prozess verdeut­licht, wie unhalt­bar die „Trio-These“ der Bundes­an­walt­schaft von nur drei Haupt­tä­tern sei. Unter Bezug auf die Recht­spre­chung des EGMR wurde vorge­tra­gen, es sei für den Senat Rechts­pflicht gewesen, auch die Tatum­stän­de – wie die Unter­stüt­zung bei der Auswahl des Tatorts oder bei der Durch­füh­rung der Tat – sowie die Kennt­nis­se staat­li­cher Behör­den von Tätern und Tat aufzu­klä­ren und zu berück­sich­ti­gen (von der Behrens, in: von der Behrens [Hrsg.], S. 199; siehe dazu auch Schüler). Fatal sei nicht zuletzt die unter­blie­be­ne Aufklä­rung der Rolle der Inlands­ge­heim­diens­te in dem gesam­ten NSU-Komplex. Die diver­sen Akten­ver­nich­tungs­ak­tio­nen und die auf verschie­de­nen Ebenen erfolg­te Verdun­ke­lung von Staats wegen wirkten wie eine Fikti­on. Auf alle erdenk­li­che Weise würden durch staat­li­che Stellen, auch durch die Bundes­an­walt­schaft, Infor­ma­tio­nen und Akten­ma­te­ri­al zurück­ge­hal­ten. Das erinne­re an die Vertu­schung der Hinter­grün­de des Oktober­fest-Atten­ta­tes 1980 in München. Die Neben­kla­ge forder­te, der Prozess dürfe keinen Schluss­strich darstel­len (Kaleck, S. 9 f.). Sie erhob in ihren Plädoy­ers auch die Forde­rung, den struk­tu­rel­len Rassis­mus insbe­son­de­re bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den aufzu­ar­bei­ten und anhand von Fakten diese Kritik zu belegen. Dabei gehe es darum, möglichst genau darzu­le­gen, wo syste­mi­sche Versäum­nis­se der Ermitt­lungs­be­hör­den und Geheim­diens­te lagen und wo Anhalts­punk­te für zukünf­ti­ge Recher­chen liegen könnten, „was also konkret für die Betrof­fe­nen der NSU-Straf­ta­ten von Bedeu­tung sei“ (Kaleck, S. 11).

Andere Neben­klä­ger grenz­ten sich in ihren Plädoy­ers von denen der politi­schen Neben­klä­ger dezidiert ab. Sie wiesen die Vorwür­fe des struk­tu­rel­len Rassis­mus ebenso zurück sowie die Kritik, dass im Prozess nicht auch weite­re Täter und weite­re Umstän­de, wie auch die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes, aufge­klärt worden seien.

Während einer Reihe von Plädoy­ers von politi­schen Neben­kla­ge­ver­tre­tern machte die Vertei­di­gung gegen­über dem Gericht geltend, diese Neben­kla­ge­ver­tre­ter sprächen nicht zur Sache, nicht zu den konkre­ten Taten; politi­sche State­ments seien zu unter­las­sen. Der Vorsit­zen­de wurde aufge­for­dert, solche Ausfüh­run­gen zu unter­bin­den. Darauf­hin entwi­ckel­ten sich teilwei­se hefti­ge Dispu­te zwischen Neben­kla­ge­ver­tre­tern und Vertei­di­gern, als deren Ergeb­nis der Vorsit­zen­de Götzl derar­ti­ge Ausfüh­run­gen der Neben­klä­ger meistens zuließ. Das wieder­um führte dazu, dass die Vertei­di­gung die Sitzungs­lei­tung des Vorsit­zen­den beanstan­de­te, was durch den Senat mit Beschluss als unzuläs­sig zurück­ge­wie­sen wurde.

c) Vertei­di­ger
Als erster Vertei­di­ger plädier­te Rechts­an­walt Borchert. Er sah die Mittä­ter­schaft von Zschä­pe nicht als erfüllt an und argumen­tier­te dabei beson­ders gegen die von der Bundes­an­walt­schaft angenom­me­ne Aufga­ben­ver­tei­lung zwischen Zschä­pe, Mundlos und Böhnhardt. Ebenso­we­nig vermoch­te Borchert eine rechts­extre­mis­ti­sche Motiva­ti­on der Angeklag­ten in ihren Taten zu sehen. Borchert würdig­te das Prozess­ver­hal­ten von Zschä­pe, sich von der ursprüng­li­chen Vertei­di­gungs­stra­te­gie, die ihr von den Altver­tei­di­gern aufer­legt worden sei, getrennt und im Prozess zu ihrer Person umfäng­lich ausge­sagt und zu den ihr vorge­wor­fe­nen Taten eine Teilein­las­sung abgege­ben zu haben. Er selbst habe Zschä­pe zu diesem Aussa­ge­ver­hal­ten geraten.

Vertei­di­ger Grasel befass­te sich in seinem Plädoy­er vor allem mit der recht­li­chen Bewer­tung. Dabei lag sein Schwer­punkt auf der Mittä­ter­schaft, deren Voraus­set­zun­gen nicht gegeben seien. Grasel bezog sich dabei auf die jünge­re Recht­spre­chung des BGH, wonach Mittä­ter­schaft nicht schon im Falle des einsei­ti­gen Einver­ständ­nis­ses mit der Tat eines anderen und der Bestä­ti­gung eines solchen Einver­ständ­nis­ses gegeben sei. Daran gemes­sen sei für Zschä­pe weder Mittä­ter­schaft bei den Tötungs­de­lik­ten noch bei den Raubüber­fäll­ten gegeben. Hinsicht­lich der Morde stell­te Grasel das Argument der Bundes­an­walt­schaft in Abrede, Zschä­pe habe aktiv an der Legen­die­rung der Dreier­grup­pe mitge­wirkt. Auch bei den Raubüber­fäl­len stelle sich der Tatbei­trag der Angeklag­ten als unter­ge­ord­net dar. Insge­samt hob Grasel hervor, dass Zschä­pe bei keiner Tat vor Ort war und auch keine Einfluss­mög­lich­kei­ten auf die Durch­füh­rung der Taten gehabt habe. Die von der Bundes­an­walt­schaft vorge­tra­ge­nen Argumen­te berühr­ten nur das von der Angeklag­ten nicht bestrit­te­ne Inter­es­se am Tater­folg, nicht jedoch eine Tatbe­tei­li­gung im Sinne von Tatherr­schaft und damit keine vom Willen Zschä­pes abhän­gi­ge Durch­füh­rung der Taten. Bei der Brand­stif­tung habe Zschä­pe nicht – wie von der Bundes­an­walt­schaft darge­legt – in der Absicht gehan­delt, die Nachba­rin Erber oder die sich im Haus aufhal­ten­den Handwer­ker in die Gefahr des Todes zu bringen. Grasel sah es ferner nicht als erwie­sen an, dass Zschä­pe Mitglied einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung war; sie sei ledig­lich der Bildung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung schuldig.

Danach plädier­ten die Vertei­di­ger von Carsten Schult­ze, die Rechts­an­wäl­te Jacob Hösl und Johan­nes Pausch. Sie hoben zunächst die im Prozess sicht­bar gewor­de­ne Ausein­an­der­set­zung von Schult­ze mit den ihm vorge­wor­fe­nen Taten hervor. Dazu gehöre auch geäußer­te Reue, wonach Schult­ze die Gewiss­heit habe, dass er durch sein Tun objek­tiv zu neun rassis­tisch motivier­ten Morden beigetra­gen habe, was ihn sein ganzes Leben beglei­ten werde. Schult­ze sei kein ehrgei­zi­ger und überzeug­ter Träger natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ideolo­gie. Es sprächen vielmehr eine ganze Reihe objek­ti­ver Umstän­de gegen eine menschen­ver­ach­ten­de innere Einstel­lung bei ihm. In Bezug auf die angeklag­ten Taten lägen keine hinrei­chen­den Anhalts­punk­te vor, dass Schult­ze bei der Beschaf­fung und Überga­be der Tatwaf­fe auch nur beding­ten Vorsatz hinsicht­lich der mit ihr began­ge­nen Verbre­chen gehabt habe. Deshalb sei Schult­ze freizusprechen.

Anschlie­ßend erhiel­ten die Vertei­di­ger des Angeklag­ten André Eminger das Wort, die Rechts­an­wäl­te Herbert Hedrich und Micha­el Kaiser. Sie setzten sich mit dem Tatvor­wurf ausein­an­der, dass Eminger durch fünf selbstän­di­ge Handlun­gen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung unter­stützt habe, deren Zweck und deren Tätig­kei­ten darauf gerich­tet waren, Morde und gemein­ge­fähr­li­che Straf­ta­ten zu begehen, um die Bevöl­ke­rung einzu­schüch­tern und durch ihre Auswir­kun­gen den Staat erheb­lich zu schädi­gen. Die Vertei­di­gung beschrieb Eminger als einen „Natio­nal­so­zia­lis­ten, der mit Haut und Haaren zu seiner politi­schen Überzeu­gung“ stehe, auch wenn er sich im Verfah­ren selbst nicht geäußert habe. Sie hob hervor, dass sie die Gesin­nung von Eminger nicht vertei­dig­te und auch nicht versuch­te, die angeklag­ten Taten zu recht­fer­ti­gen. Es sei ihre einzi­ge Aufga­be, Eminger gegen die erhobe­nen Tatvor­wür­fe zu vertei­di­gen. Sie beklag­te, den meisten Verfah­rens­be­tei­lig­ten und den Medien schei­ne die politi­sche Gesin­nung als Tatnach­weis auszu­rei­chen, weil allein diese Gesin­nung die Begehung von Straf­ta­ten nach dem Motto impli­zie­re: „Solchen Leuten ist alles zuzutrau­en, deshalb bedarf es eigent­lich auch keines konkre­ten Tat- und Schuld­nach­wei­ses mehr.“ (Ramels­ber­ger, Bd, IV, S. 1746 f.) Eine Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung könne Eminger nicht nachge­wie­sen werden, da er zum NSU keine solche Nähe gehabt hätte, die eine straf­ba­re Unter­stüt­zung der von Böhnhardt und Mundlos began­ge­nen Verbre­chen bedeu­ten könne. Auch die Vertei­di­gung von Eminger verlang­te deshalb einen Freispruch.

Danach plädier­ten die Rechts­an­wäl­te Stefan Hachmeis­ter und Pajam Rokni-Yazdi für ihren Mandan­ten Holger Gerlach. Dabei beton­ten sie zunächst den hohen öffent­li­chen Pönali­sie­rungs­druck, der auf dem Verfah­ren liege, und wiesen auf das Spannungs­ver­hält­nis hin, das für Gerlach bestehe: Einer­seits sei ihm bewusst, dass ihm niemand glauben werde. Anderer­seits verspü­re er das Bedürf­nis, sich von den Mordta­ten abzugren­zen und sicht­bar zu machen, dass er diese weder erahnt noch für möglich gehal­ten, geschwei­ge denn in irgend­ei­ner Weise habe beför­dern wollen (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1755). Die Vertei­di­gung beton­te, dass Gerlach sich in der Haupt­ver­hand­lung ernst­haft und aufrich­tig gegen­über den Opfern und deren Angehö­ri­gen dafür entschul­digt hätte, durch sein eigenes Verhal­ten objek­tiv dazu beigetra­gen zu haben, das Unrecht und das Leid der Geschä­dig­ten zu vergrö­ßern. Und er habe expli­zit seine Bereit­schaft erklärt, Verant­wor­tung für dieses Verhal­ten zu übernehmen.

Die Vertei­di­gung bestritt den Vorwurf, Gerlach habe durch drei recht­lich selbstän­di­ge Handlun­gen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung unter­stützt und damit dazu beigetra­gen, dass diese Verei­ni­gung aus dem Unter­grund heraus Straf­ta­ten gegen das Leben von Menschen verüben konnte. Gerlach habe während seiner gesam­ten Aussa­ge stets jede Kennt­nis und Ahnung in Abrede gestellt, dass Zschä­pe sowie Mundlos und Böhnhardt zu irgend­ei­nem Zeitpunkt nach ihrem Unter­tau­chen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung begrün­det hatten. Bewie­sen worden sei allein Gerlachs Unter­stüt­zung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung in einem Fall, wofür er auch bestraft werden müsse.

Sodann hielten Rechts­an­walt Olaf Klemke und Rechts­an­wäl­tin Nicole Schnei­ders ihre Plädoy­ers für den Angeklag­ten Wohlle­ben. Zunächst beklag­ten sie, das Verfah­ren sei nicht rechts­staat­lich und vor allem nicht fair geführt worden. Wohlle­ben befin­de sich seit sechs­ein­halb Jahren in Unter­su­chungs­haft. Wäre dieses Verfah­ren nicht ein solches Politi­kum, wäre Wohlle­bens Haftbe­schluss längst außer Vollzug gesetzt worden. Die Vertei­di­gung beton­te, ihren Mandan­ten nicht politisch, sondern rein sachlich vertre­ten zu haben. Rechts­an­wäl­tin Schnei­ders pranger­te die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes in die Taten des NSU an, ebenso das Schred­dern von Akten durch den Verfas­sungs­schutz. Sie wies auf die Möglich­keit hin, dass der NSU gar ein Konstrukt des Verfas­sungs­schut­zes sei. Wohlle­ben solle Opfer einer Recht­spre­chung um jeden Preis werden, Sünden­bock für die nicht mehr verfolg­ba­ren Böhnhardt und Mundlos. Das Urteil habe von Beginn an festge­stan­den. Auch Rechts­an­walt Klemke beton­te noch einmal die Vorver­ur­tei­lung Wohlle­bens durch die Medien und den dadurch erzeug­ten Druck auf das erken­nen­de Gericht. Er befass­te sich schwer­punkt­mä­ßig mit den Aussa­gen von Carsten Schult­ze, die Wohlle­ben schwer­wie­gend belas­te­ten, weil Schult­ze behaup­tet hätte, die von ihm gekauf­te Waffe sei die Tatwaf­fe der sogenann­ten Ceská-Mordse­rie gewesen. Die Vertei­di­gung von Wohlle­ben bestritt jedoch, dass es sich dabei um die Tatwaf­fe gehan­delt habe, und verlang­te vom Gericht, Wohlle­ben freizusprechen.
Rechts­an­walt Klemke griff in seinem Plädoy­er die Bundes­an­walt­schaft wie auch den Vertei­di­ger von Carsten Schultz, Rechts­an­walt Hösl, heftig an (Jüttner), weil dieser sich gegen einen Antrag von Klemke gewandt hatte, den „drohen­den Volks­tod“ zu bewei­sen. Ebenso attackier­te er Oberstaats­an­walt Weingar­ten, weil dieser sich einfach zwei oder drei Gegeben­hei­ten aus der Biogra­fie von Wohlle­ben heraus­ge­sucht und diese dann pauschal im Sinne des von ihm gewünsch­ten Ergeb­nis­ses inter­pre­tiert hätte. Klemke behaup­te­te, Weingar­ten nehme für sich in Anspruch, zu definie­ren wer Nazi sei und bezog sich damit auf einen Satz von Hermann Göring „Wer Jude ist, bestim­me ich.“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1780).
Rechts­an­walt Nahrath schloss an die Ausfüh­run­gen Klemkes an, Täter­schaft werde allein schon durch die Ideolo­gie des Natio­nal­so­zia­lis­mus begrün­det, oder „gleich bei allem, was als rechts­ra­di­kal, rechts­extrem, rassis­tisch, faschis­tisch oder auslän­der­feind­lich oder derglei­chen kolpor­tiert wird“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1783). Er gab in seinem Schluss­vor­trag einen eindrück­li­chen Beweis seiner eigenen natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gesin­nung, indem er einen Ausflug in den „histo­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus“ unter­nahm und eine Reihe von Zitaten im Gesamt­kon­text des Plädoy­ers zustim­mend wieder­gab wie das von Lloyd George, dem briti­schen Premier­mi­nis­ter im Ersten Weltkrieg, mit dem die großen Verän­de­run­gen des „berühm­ten deutschen Führers“ hervor­ge­ho­ben wurden. Es könne kein Zweifel daran bestehen, „dass er eine wunder­ba­re Verän­de­rung im Geist der Menschen vollbracht hat.“ Daran reihten sich Zitate von Hitler, Goebbels, v. Schirach und Hess. Diese Zitate – so Nahrath – seien ein starkes Indiz dafür, dass sich weder Böhnhardt noch Mundlos und schon gar nicht Zschä­pe mit dem „histo­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus“ überhaupt befasst hätten. Der NSU sei gewiss U, aber nicht NS. Rauben und Morden klinge eher nach dem Schema der RAF. Auf Wohlle­ben bezogen beton­te Nahrath, dieser habe die Anwen­dung von Gewalt zur Durch­set­zung politi­scher Ziele nachdrück­lich abgelehnt und sei kein Auslän­der­feind. Abschlie­ßend befass­te Nahrath sich, wie Rechts­an­wäl­tin Schnei­ders, sehr kritisch mit der Rolle des Verfas­sungs­schut­zes. Er stell­te den Antrag, den Haftbe­fehl gegen Wohlle­ben aufzu­he­ben und ihn freizusprechen.

Die „Altver­tei­di­ger“ der Angeklag­ten Zschä­pe plädier­ten in einer Weise, als hätten sie diese den gesam­ten Prozess über vertei­digt, aber nicht als Anwäl­te, denen Zschä­pe das Vertrau­en entzo­gen hatte und von denen sie sich trennen wollte, und schon gar nicht als Anwäl­te, deren Entpflich­tungs­an­trä­ge das Gericht abgelehnt hatte, weshalb sie sich in einem Großteil des Prozes­ses in die Rolle von Statis­ten gedrängt sahen. Ebenso wenig brach­ten sie in ihren Plädoy­ers das damit zwangs­läu­fig verbun­de­ne Kommu­ni­ka­ti­ons­hin­der­nis zwischen sich selbst und den Anwäl­ten Grasel und Borchert zum Ausdruck. Die Änderung der Vertei­di­gungs­stra­te­gie durch Grasel und Borchert fand sich nur in einer kurzen Bemer­kung von Rechts­an­walt Heer in seinem Plädoy­er wieder. Heer trug vor, Zschä­pe hätte auf den Rat ihrer neuen Vertei­di­ger gehört und sei dabei selbst nicht imstan­de gewesen, die Risiken bei der Abfas­sung der Erklä­rung durch Rechts­an­walt Borchert zu überbli­cken (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1791).

Heer, der als erster der drei „Altver­tei­di­ger“ sprach, hob zunächst die seiner Ansicht nach massi­ve öffent­li­che und justi­zi­el­le Vorver­ur­tei­lung Zschä­pes hervor. Zschä­pe sei in den Medien u.a. als „meist­ge­hass­te Frau Deutsch­lands“ bezeich­net worden, der Vorsit­zen­de des Innen­aus­schus­ses des Bundes­ta­ges habe schon im Novem­ber 2011 von einer „Terror­zel­le“ gespro­chen, der damali­ge General­bun­des­an­walt Range und der ehema­li­ge Präsi­dent des BKA Ziercke höchst­per­sön­lich hätten Zschä­pe öffent­lich angepran­gert, als die Ermitt­lun­gen noch nicht einmal einen Monat geführt worden seien (Ramels­ber­ger, Bd. IV, 1791). Anschlie­ßend widme­te Heer sich dem Tatkom­plex „Inbrand­set­zung“ der Wohnung von Böhnhardt und Mundlos, einher­ge­hend mit der Ankla­ge wegen versuch­ten Mordes der Wohnungs­in­ha­be­rin Erber sowie der Handwer­ker P. und K., die sich zum Zeitpunkt der Brand­stif­tung im Haus befun­den hatten. Im Ergeb­nis vernein­te Heer sowohl den Vorwurf des Mordver­su­ches als auch jenen der schwe­ren Brand­stif­tung. Die Angeklag­te habe sich ledig­lich wegen einfa­cher Brand­stif­tung und fahrläs­si­gen Herbei­füh­rens einer Spreng­stoff­ex­plo­si­on straf­bar gemacht.

Rechts­an­walt Stahl argumen­tier­te, Zschä­pe sei zu den fragli­chen Tatzei­ten an keinem der Tator­te anwesend gewesen und habe auch kein einzi­ges Tatbe­stands­merk­mal der ihr vorge­wor­fe­nen Straf­ta­ten eigen­hän­dig verwirk­licht. Mittä­ter­schaft sei nach der jünge­ren Recht­spre­chung des BGH aufgrund einer Gesamt­be­trach­tung aller Umstän­de festzu­stel­len. Heran­ge­zo­gen würden „als wesent­li­che Anhalts­punk­te dabei insbe­son­de­re der Grad des eigenen Inter­es­ses am Tater­folg, der Umfang der Tatbe­tei­li­gung und die Tatherr­schaft oder wenigs­tens der Wille zur Tatherr­schaft (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1798). Dass Zschä­pe mit Verbre­chern in einer Wohnung zusam­men­ge­lebt hätte, machte sie noch nicht selbst zur Verbre­che­rin. Zschä­pe habe von den Taten der beiden gewusst, sei aber bei ihnen geblie­ben und habe sich nicht der Polizei gestellt. Das dürfe allen­falls zu einer Verur­tei­lung wegen Nicht­an­zei­gens geplan­ter Straf­ta­ten gem. § 138 StGB führen, keines­falls jedoch eine Mittä­ter­schaft wegen Mordes tragen. Stahl setzte sich mit den Argumen­ten des GBA ausein­an­der, das Nicht­preis­ge­ben der wahren Identi­tät gegen­über den Nachbarn könne als „Legen­die­rung“ angese­hen werden und maßgeb­lich zur Begrün­dung der Mittä­ter­schaft beitra­gen. Der Vorwurf, Zschä­pe habe über 13 Jahre im Unter­grund mit Böhnhardt und Mundlos gelebt und sich dabei zum gemein­sa­men verschwo­re­nen Kampf gegen Immigra­ti­on und Integra­ti­on entschie­den, sei – so Stahl – „das mit Abstand populärs­te Argument für die auch in der öffent­li­chen Wahrneh­mung als festste­hend angenom­me­ne Schuld von Zschä­pe“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1799). Dieses Argument gehe von einem nicht existen­ten Erfah­rungs­satz aus, ein Mensch, der über lange Zeit mit Verbre­chern zusam­men­le­be, müsse selbst Verbre­cher sein, mindes­tens aber die Verbre­chen der anderen billi­gen und mittra­gen. Stahl schloss damit, dass keine der von Böhnhardt und Mundlos began­ge­nen Taten vom Willen Zschä­pes abhin­gen, sondern ausschließ­lich von den Entschlüs­sen dieser beiden. Er zitier­te dazu den Vorsit­zen­den des 3. Straf­se­nats des BGH, jenes Senats, der über etwaige Revisio­nen zu entschei­den haben werde, mit den Worten: „Es bleibt dabei: Ohne Tatbei­trag keine Mittä­ter­schaft!“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1802).

Rechts­an­wäl­tin Sturm bezog sich vor allem auf die Person Zschä­pes, aber auch auf den Vorwurf der Mitglied­schaft in einer krimi­nel­len sowie terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung. Sie gelang­te insbe­son­de­re anhand der Bezug­nah­me auf verschie­de­ne Zeugen zu dem Schluss, Zschä­pe sei keine eiskal­te, berech­nen­de Mörde­rin. An der Gründung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung sei sie ebenso wenig betei­ligt gewesen, wie sie Mitglied einer solchen war; dies gälte erst recht in Bezug auf eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung, weil der NSU keine solche Verei­ni­gung gewesen sei.

7. Das Urteil
Wie bereits unter 1. erwähnt, wurde das Urteil am 438. Tag des Prozes­ses, am 11. Juli 2018, verkün­det. Zschä­pe wurde u.a. als Mittä­te­rin des Mordes in zehn tatmehr­heit­li­chen Fällen, wegen mehrfa­chen versuch­ten Mordes, wegen Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung, Herbei­füh­rung einer schwe­ren Spreng­stoff­ex­plo­si­on, beson­ders schwe­rer räube­ri­schen Erpres­sung, versuch­ten Raubes mit Todes­fol­ge, wegen beson­ders schwe­ren Raubes, wegen mehrfach began­ge­ner versuch­ter Brand­stif­tung mit Todes­fol­ge in Tatein­heit mit versuch­tem Mord und beson­ders schwe­rer Brand­stif­tung als Gesamt­stra­fe zu lebens­lan­ger Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld verur­teilt. Entge­gen dem Antrag der Bundes­an­walt­schaft sprach das Gericht keine Siche­rungs­ver­wah­rung aus.

Die Mittä­ter­schaft der Angeklag­ten Zschä­pe trotz Abwesen­heit an den Tator­ten erblick­te der Senat jeweils in ihrer festge­stell­ten – in allen Fällen nahezu wortgleich wieder­hol­ten – Zusage, „die Abwesen­heits­zei­ten Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos’ im Zusam­men­hang mit der Tataus­füh­rung zu legen­die­ren, deren Abwesen­heit durch ihre eigene Präsenz im Bereich der Wohnung zu tarnen und aktiv bei Nachfra­gen, jeweils der Situa­ti­on angepasst, eine unver­fäng­li­che Erklä­rung für deren Abwesen­heit zu finden und abzuge­ben. Sie sagte zu, den beiden Männern eine siche­re Rückzugs­mög­lich­keit in die Zentra­le der Verei­ni­gung, also ihre gemein­sa­me Wohnung, zu schaf­fen. Sie sagte eine sorgfäl­ti­ge Beobach­tung der Umgebung ihrer gemein­sa­men Wohnung und Zentra­le der Verei­ni­gung zu sowie eine schnel­le und umsich­ti­ge Reakti­on auf Vorkomm­nis­se, die den Eindruck des unauf­fäl­li­gen bürger­li­chen Lebens der drei Perso­nen in Frage stellen könnten. Dadurch gab sie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Sicher­heit, ungefähr­det in die Zentra­le der Verei­ni­gung, ihre gemein­sa­me Wohnung, zurück­keh­ren zu können und ermög­lich­te auf diese Art und Weise erst die Durch­füh­rung dieser Tat vor Ort. […] Dieser von der Angeklag­ten Zschä­pe geleis­te­te Tatbei­trag […] war daher unver­zicht­ba­re Bedin­gung für die Begehung der Tat“ (Urteil. S. 90, 92 f.).

Die Angeklag­ten Eminger und Gerlach wurden der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung für schul­dig gespro­chen; Eminger erhielt eine Freiheits­stra­fe von zwei Jahren und sechs Monaten, Gerlach von drei Jahren. Eminger wurde von den Vorwür­fen der Beihil­fe zum versuch­ten Mord, der Beihil­fe zu einem Spreng­stoff­an­schlag, der Beihil­fe zum Raub und eines Falles der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung freige­spro­chen. Der Senat ging in diesen Fällen von einem (seiner­zeit noch) fehlen­den Vorsatz hinsicht­lich der jewei­li­gen Haupt­ta­ten des NSU aus, den er erst zum Zeitpunkt späte­rer Taten gebil­det hätte (Urteil S. 2880 ff.). Der Haftbe­fehl gegen Eminger wurde aufgehoben.
Die Angeklag­ten Wohlle­ben und Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zu mehre­ren Fällen des Mordes verur­teilt, der Angeklag­te Wohlle­ben zu einer Freiheits­stra­fe von zehn Jahren, der Angeklag­te Schult­ze zu einer Jugend­stra­fe von drei Jahren.

“Kein Schlussstrich”-Demonstration zur Urteils­ver­kün­dung am 11. Juli 2018 in München. © s.u.

8. Die Rechtsmittel
Die Angeklag­ten Zschä­pe, Gerlach, Wohlle­ben und Eminger ließen durch ihre Vertei­di­gun­gen Revisi­on einle­gen. Der GBA legte gegen den Teilfrei­spruch Emingers Revisi­on ein.

Ein zentra­ler Aspekt der Revisi­ons­be­grün­dung Zschä­pes war ihre Verur­tei­lung als Mittä­te­rin. Das war dann auch der Schwer­punkt der Begrün­dung des 3. Straf­se­nats des BGH, die Revisi­on weitge­hend zu verwer­fen, unter zugleich gering­fü­gi­ger Verän­de­rung des Schuld­spru­ches. Der BGH stell­te klar, dass Zschä­pe als gleich­be­rech­tig­tes Mitglied des NSU an der Tatpla­nung mitge­wirkt und dadurch bestim­men­den Einfluss darauf gehabt habe, ob, wann, wo und wie die Taten ausge­führt wurden. Dabei sei vom Oberlan­des­ge­richt zu Recht hinsicht­lich der Tatherr­schaft auf die Bedeu­tung der von der Angeklag­ten gemäß dem Verei­ni­gungs­kon­zept erteil­ten Zusagen abgestellt worden. Insbe­son­de­re habe Zschä­pe zugesi­chert, die tatbe­ding­te Abwesen­heit ihrer Kompli­zen zu legen­die­ren. Ab der siebten Tat habe sie das Verspre­chen abgege­ben, das Beken­ner­vi­deo in der jeweils aktuel­len Versi­on zu verbrei­ten und Beweis­mit­tel zu vernich­ten, die auf die Verei­ni­gung hinwie­sen. Beides habe bei jeder einzel­nen Tat die Anwesen­heit von Zschä­pe in der als Zentra­le genutz­ten Wohnung erfor­dert. Infol­ge­des­sen sei die Angeklag­te entschei­dend dafür verant­wort­lich, dass das über die Delikts­ver­wirk­li­chung hinaus­ge­hen­de Ziel der Taten erreicht werden konnte. Ihre Zusagen seien für ihre Kompli­zen sinnstif­tend und handlungs­lei­tend gewesen. Sie habe daher eine wesent­li­che Funkti­on ausge­übt, von der das Gelin­gen des Gesamt­vor­ha­bens abhing (BGH StV 2022, 87, 88).

Gegen diese Entschei­dung erhob Zschä­pe eine Anhörungs­rü­ge und Gegen­vor­stel­lun­gen. Sie rügte insbe­son­de­re die Verlet­zung ihres Anspruchs auf recht­li­ches Gehör, ihres Rechts auf ein faires Verfah­ren und der Garan­tie des gesetz­li­chen Richters. Im Wesent­li­chen machte sie geltend, die in dem angefoch­te­nen Revisi­ons­be­schluss darge­leg­te Begrün­dung für die Mittä­ter­schaft weiche von derje­ni­gen im Urteil des Oberlan­des­ge­richts und der Gegen­er­klä­rung des GBA ab. Der Senat habe seine Recht­spre­chung zur Mittä­ter­schaft in Abwei­chung von den übrigen Straf­se­na­ten des Bundes­ge­richts­hofs geändert und unter­schei­de nun nicht mehr zwischen Betei­li­gungs­form und überge­ord­ne­ten gemein­sa­men Zielen der Mitglie­der einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung. Im Hinblick auf den “Schutz vor Überra­schungs­ent­schei­dun­gen” habe der Angeklag­ten die Möglich­keit einge­räumt werden müssen, auf die “nunmehr geänder­te” Rechts­auf­fas­sung des Senats einzu­ge­hen. Die Voraus­set­zun­gen für eine Verwer­fung der Revisi­on als offen­sicht­lich unbegrün­det hätten nicht vorge­le­gen. Zudem hätte die Verpflich­tung bestan­den, eine Vorab­ent­schei­dung des Gerichts­hofs der Europäi­schen Union darüber einzu­ho­len, wie der unions­recht­li­che “Begriff der ‘krimi­nel­len Verei­ni­gung’ … auszu­le­gen sei”.

Der BGH verwarf die Anhörungs­rü­ge und wies die Gegen­vor­stel­lun­gen als unzuläs­sig zurück. Der Senat hob hervor, er habe bei seiner Entschei­dung keinen Verfah­rens­stoff verwen­det, zu dem die Verur­teil­te nicht zuvor gehört worden sei. Auch habe er zu berück­sich­ti­gen­des Vorbrin­gen der Verur­teil­ten nicht übergan­gen. Zschä­pe habe im Revisi­ons­ver­fah­ren umfang­reich zur Frage ihrer mittä­ter­schaft­li­chen Betei­li­gung vorge­tra­gen. Der Senat habe diese Rechts­aus­füh­run­gen bei seinen Beratun­gen gewür­digt, ihnen aller­dings aus den im angefoch­te­nen Beschluss darge­leg­ten Gründen nicht beizu­tre­ten vermocht. Die Gegen­vor­stel­lung erwei­se sich deshalb als unzuläs­sig, weil es dem Revisi­ons­ge­richt außer­halb des Verfah­rens versagt sei, eine Entschei­dung aufzu­he­ben oder zu ändern, mit der es die Rechts­kraft des tatrich­ter­li­chen Urteils herbei­ge­führt habe.

Zschä­pe legte schließ­lich noch Verfas­sungs­be­schwer­de ein, worin sie die Verlet­zung ihres Rechts auf recht­li­ches Gehör, eine willkür­li­che Anwen­dung des § 349 Abs. 2 StPO und eine Verlet­zung ihres Rechts auf den gesetz­li­chen Richter rügte. Sie machte insbe­son­de­re geltend, es verlet­ze sie in ihren durch die Verfas­sung garan­tier­ten Rechten, dass der BGH über ihre Revisi­on durch Beschluss und nicht nach einer mündli­chen Verhand­lung durch Urteil entschie­den habe.

Das BVerfG nahm die Verfas­sungs­be­schwer­de nicht zur Entschei­dung an, weil es die Annah­me­vor­aus­set­zun­gen des § 93a Abs. 2 BVerfGG als nicht erfüllt ansah (2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413). Zschä­pe habe weder darge­tan noch sei es aus sich heraus ersicht­lich, dass sie in ihren Rechten auf die Gewäh­rung recht­li­chen Gehörs verletzt ist. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen das aus dem allge­mei­nen Gleich­heits­satz abzulei­ten­de Willkür­ver­bot oder das Gebot der Entschei­dung durch den gesetz­li­chen Richter vor. Die Möglich­keit, im straf­recht­li­chen Revisi­ons­ver­fah­ren eine Revisi­on nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss – also ohne vorhe­ri­ge Durch­füh­rung einer mündli­chen Verhand­lung – zu verwer­fen, begeg­ne keinen verfas­sungs­recht­li­chen Beden­ken. Dies stehe auch im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 EMRK, wo zwar grund­sätz­lich die Durch­füh­rung einer mündli­chen Verhand­lung verlangt werde. In Rechts­mit­tel­ver­fah­ren gelte dieser Grund­satz aber nicht unein­ge­schränkt. Habe in der ersten Instanz eine öffent­li­che Verhand­lung statt­ge­fun­den, könne es aufgrund der Beson­der­heit des betref­fen­den Verfah­rens gerecht­fer­tigt sein, in der zweiten oder dritten Instanz von einer mündli­chen Verhand­lung abzuse­hen. Unter Berück­sich­ti­gung dieser Maßstä­be sei eine Gehörs­ver­let­zung weder darge­tan noch aus sich heraus ersicht­lich. Dassel­be gelte für die Rüge der Gehörs­ver­let­zung im Zusam­men­hang mit der Recht­spre­chung des BGH zur Mittä­ter­schaft. Die Argumen­ta­ti­on Zschä­pes stehe unter der Prämis­se, dass der Bundes­ge­richts­hof – für sie überra­schend – von seiner ständi­gen Recht­spre­chung zur Mittä­ter­schaft abgewi­chen sei. Dies treffe jedoch nicht zu, denn der Beschluss des BGH vom 12. August 2021 entspre­che der bishe­ri­gen Recht­spre­chung zur Abgren­zung zwischen Täter­schaft und Teilnahme.

Auch die Revisio­nen von Gerlach und Wohlle­ben wies der BGH durch Beschluss als unbegrün­det zurück.

Hinsicht­lich der Revisi­on des GBA und der Vertei­di­gung in Bezug auf den Angeklag­ten Eminger führte der BGH eine mündli­che Verhand­lung durch, als deren Ergeb­nis beide Revisio­nen durch Urteil verwor­fen wurden. Zu dem durch den GBA angefoch­te­nen Teilfrei­spruch führte der BGH u.a. aus, das Revisi­ons­ge­richt habe es grund­sätz­lich hinzu­neh­men, wenn das Tatge­richt den Angeklag­ten freispre­che, weil es auf der Grund­la­ge einer Gesamt­be­wer­tung aller Umstän­de des Einzel­falls Zweifel an der subjek­ti­ven Tatsei­te nicht zu überwin­den vermag. Die Beweis­wür­di­gung sei vom Gesetz dem Tatge­richt übertra­gen (§ 261 StPO). Es oblie­ge allein ihm, sich unter dem umfas­sen­den Eindruck der Haupt­ver­hand­lung ein Urteil über die Schuld des Angeklag­ten zu bilden. Seine Schluss­fol­ge­run­gen brauch­ten nicht zwingend zu sein; es genüge, dass sie möglich seien. Die revisi­ons­ge­richt­li­che Prüfung beschrän­ke sich darauf, ob bei der Beweis­wür­di­gung ein Rechts­feh­ler unter­lau­fen ist.

In Sachen Wohlle­ben hatte sich der BGH schließ­lich noch mit einer weite­ren Entschei­dung des OLG München zu befas­sen (BGH StB 43/22, NJW 2022, 3729). Wohlle­ben stand nach der Rechts­kraft seiner Verur­tei­lung im NSU-Verfah­ren kurz vor Verbü­ßung von zwei Dritteln seiner zehnjäh­ri­gen Straf­haft. Aufgrund dessen stell­te er beim OLG München den Antrag, die Vollstre­ckung des Straf­rests zur Bewäh­rung auszu­set­zen. Dieser Antrag wurde abschlä­gig beschie­den. Das OLG München setzte zudem eine Frist von sechs Monaten fest, vor deren Ablauf ein erneu­ter Antrag Wohlle­bens unzuläs­sig war. Hierge­gen hatte er sofor­ti­ge Beschwer­de einge­legt, die der 3. Straf­se­nat des BGH jedoch verwarf. Der Senat teilte die Ansicht des Oberlan­des­ge­richts, die Ausset­zung der Vollstre­ckung des Straf­rests könne unter Berück­sich­ti­gung des Sicher­heits­in­ter­es­ses der Allge­mein­heit nicht verant­wor­tet werden. Für Wohlle­ben könne keine hinrei­chend günsti­ge Legal­pro­gno­se gestellt werden.

9. Wirkung und zeitge­nös­si­sche Bewertung
Der Prozess fand sowohl in der (media­len) Öffent­lich­keit als auch in der Rechts­wis­sen­schaft große Beach­tung. Dabei sind die Auffas­sun­gen zwiespäl­tig. Eine Auffas­sung geht davon aus, das NSU-Verfah­ren habe sein Ziel erreicht. Fried­rich­sen schreibt dazu, dass der Rechts­staat „dank der exorbi­tan­ten Leistung des Senats und seines Vorsit­zen­den die Nagel­pro­be bestan­den (habe), ein diffe­ren­zier­tes, um Wahrheit und Gerech­tig­keit bemüh­tes Urteil zu fällen, das der Bedeu­tung des Falles entspricht. Mundlos, Böhnhardt und Zschä­pe waren gleich­sam die Vorbo­ten einer erstark­ten rechts­extre­men Bewegung, die sich anhei­schig macht, an den Grund­fes­ten der europäi­schen Demokra­tien zu rütteln. Ihr Einhalt geboten zu haben unter Wahrung des Rechts der Angeklag­ten auf ein faires Verfah­ren, unter Einhal­tung der stren­gen Regeln eines insti­tu­tio­na­li­sier­ten Proze­de­re, in dem sich mehre­re ‚Partei­en‘ im Kampf um die Wahrheit gegen­über­ste­hen und so lange mitein­an­der strei­ten, bis sich am Ende eine tragfä­hi­ge richter­li­che Überzeu­gung bildet, ist das große Verdienst des NSU-Prozes­ses“ (Fried­rich­sen, S. 294 f.).

Demge­gen­über wird beispiels­wei­se von NSU-Watch und anderen Prozess­be­ob­ach­tern beklagt, der Rechts­staat habe die Opfer des NSU-Terrors im Stich gelas­sen. Auch das schrift­li­che Urteil des OLG München trage nichts zur Wahrheits­fin­dung im NSU-Komplex bei. Es sei formel­haft, ahisto­risch und kalt. Der Umfang von 3025 Seiten solle verschlei­ern, dass der Senat unter Vorsitz von Manfred Götzl seiner Aufga­be der Wahrheits­fin­dung und der Wieder­her­stel­lung des Rechts­frie­dens nicht gewach­sen gewesen sei (NSU-Watch, S. 208 f.). Von der überwie­gen­den Zahl der Neben­klä­ger wurde und wird massiv kriti­siert, dass die Bundes­an­walt­schaft den Fokus der Ankla­ge allein auf die sogenann­te „Trio-Täter­schaft“ (oder auch „Einzel­tä­ter-These“) gelegt und die Aufmerk­sam­keit der Straf­ver­fol­ger sich nicht auf das Umfeld des NSU gerich­tet habe. Dazu gehört auch der Vorwurf, die Aufklä­rung des Tatge­sche­hens habe nicht auch der Rolle des Verfas­sungs­schut­zes gegol­ten, ein Vorwurf, der sich von Seiten der der Neben­kla­ge­ver­tre­ter genau­so gegen die Beweis­auf­nah­me durch das Gericht richte­te (Förster/Moser/Selvakumaran [Hg.]). Paral­le­len zum RAF-Verfah­ren werden insoweit gesehen, als ein verbin­den­des Element in der Koope­ra­ti­on staat­li­cher Stellen mit Terro­ris­ten oder mit diesen naheste­hen­den Perso­nen bestün­de (Buback, in: Förster/Moser/Selvakumaran [Hg.], S. 188 ff., 190).

In der Rechts­wis­sen­schaft wird disku­tiert, ob der NSU-Prozess ein politi­scher Prozess war, wobei bislang keine klare Antwort gefun­den worden ist, sondern auf die Schwie­rig­keit hinge­wie­sen wird, eine solche zu geben.
Aller­dings wird auch vor einer „künst­li­chen Entpo­li­ti­sie­rung“ des NSU-Prozes­ses gewarnt (Liebscher, NSU-Komplex). Das hängt aber mit dem generel­len Problem zusam­men, dass für die Einord­nung eines Straf­ver­fah­rens als politi­sches bzw. einer politi­schen Straf­jus­tiz nach wie vor keine eindeu­ti­ge Defini­ti­on existiert, sondern darüber gestrit­ten wird (s. Arnold, Straf­ge­setz­ge­bung und ‑recht­spre­chung als Mittel der Politik, S. 86 f.). Groene­wold beschreibt die beiden grund­le­gen­den – sich konträr gegen­über­ste­hen­den – Ansich­ten so: „Einmal dieje­ni­ge, die den Begriff auf Verfah­ren beschränkt, die gegne­ri­sche oder kriti­sche Meinungs­äu­ße­run­gen zum Gegen­stand haben, sowie auf Hochver­rats­pro­zes­se. Zum anderen die, jeder Straf­pro­zess als solcher sei politisch insofern, dass er der Bestä­ti­gung bzw. Infra­ge­stel­lung von Geset­zen oder einer bestimm­ten gesell­schaft­li­chen Ordnung dient.“ (Groene­wold, Edito­ri­al). Aller­dings gibt es eine Reihe von Auffas­sun­gen, die sich diesen beiden Grund­an­schau­un­gen eben gerade nicht ohne weite­res zuord­nen lassen. Das trifft in gewis­ser Weise auch für die überein­stim­men­den Positio­nen der beiden Autoren des hier vorge­leg­ten Textes über das NSU-Verfah­ren zu. Es lässt sich eben nicht eindeu­tig beant­wor­ten, ob das NSU-Verfah­ren ein politi­scher Prozess war oder nicht. Gleich­wohl kann eine Annähe­rung an Berüh­rungs­punk­te des Politi­schen von bestimm­ten Ordnungs­krei­sen her erfol­gen. Der erste dieser Ordnungs­krei­se betrifft die Frage, ob der Prozess vom Ankla­ge­vor­wurf her politi­sches Handeln der Angeklag­ten thema­ti­siert. Der zweite Ordnungs­kreis betrifft die Gestal­tung des Verfah­rens durch die in ihm handeln­den Akteu­re. Hier steht die Frage im Mittel­punkt, ob der Prozess von den unter­schied­li­chen Akteu­ren in einem politi­schen Kontext geführt wird. Der dritte Ordnungs­kreis schließ­lich fragt nach politi­schen Folgen und Folge­run­gen. Diese können, müssen aber nicht durch die Akteu­re inten­diert sein (Heghmanns, Das NSU-Verfahren).
Mithin ist es sinnvoll, einzel­ne Aspek­te des NSU-Verfah­rens auf ihre jewei­li­ge politi­sche Dimen­si­on hin zu unter­su­chen. Oberlan­des­ge­richt und GBA haben ganz offen­sicht­lich versucht, eine Politi­sie­rung des Verfah­rens durch eine Konzen­tra­ti­on auf den straf­recht­li­chen Verfah­rens­stoff zu verhin­dern. Ob man solche Verhin­de­rungs­ver­su­che bereits als politi­schen Akt der Verfah­rens­füh­rung begrei­fen kann, erscheint fragwür­dig, will man den Begriff des Politi­schen nicht banali­sie­ren. Gleich­wohl ist nicht zu leugnen, dass gerade die Tatvor­wür­fe selbst eine politi­sche Dimen­si­on aufwie­sen und der Prozess unzwei­fel­haft auch eine politi­sche Wirkung hatte.
In der Gesamt­schau dieser Aspek­te gelangt man vor dem Hinter­grund des Fehlens einer überzeu­gen­den und allge­mein­taug­li­chen Defini­ti­on des Begriffs eines politi­schen Prozes­ses schließ­lich zu einer diffe­ren­zie­ren­den Einschät­zung: Zweifel­los „weist das NSU-Verfah­ren einige gewich­ti­ge politi­sche Aspek­te auf. Aller­dings handelt es sich ebenso zweifel­los um keinen ideal­ty­pi­schen politi­schen Prozess“ (Heghmanns, Das NSU-Verfah­ren). Zu einem anderen Resul­tat gelangt man mit den Maßstä­ben von Kirch­hei­mer und insbe­son­de­re von Groene­wold (Kirch­hei­mer, Politi­sche Justiz; Groene­wold, Als Straf­ver­tei­di­ger in Stamm­heim). Groene­wold zieht in seiner Einfüh­rung bei der öffent­li­chen Vorstel­lung der von Jeßber­ger und Schuch­mann heraus­ge­ge­be­nen Stamm­heim-Proto­kol­le auch Verglei­che mit den NSU-Verfah­ren und legt dar, dass das NSU-Verfah­ren hinsicht­lich einiger Anträ­ge und ihrer Behand­lung dem Muster Stamm­heim gefolgt sei. Das gelte für die Eingangs­an­trä­ge der Vertei­di­ger, die sich gegen die Vorver­ur­tei­lung und Akten­ver­wei­ge­rung richte­ten, das gelte aber auch für die Entschei­dun­gen des Gerichts, keine Akten von Unter­su­chungs­aus­schüs­sen und des Verfas­sungs­schut­zes heran­zu­zie­hen, um nicht im Prozess die mögli­cher­wei­se bestehen­de Anwesen­heit (und vielleicht Unter­stüt­zung) von Mitglie­dern des Verfas­sungs­schut­zes bei den einzel­nen Taten erörtern zu müssen (Groene­wold, Als Vertei­di­ger in Stammheim).

Legt man den Fokus der näheren Befas­sung mit der Frage nach dem politi­schen Straf­ver­fah­ren vor allem auf die Akteu­re der Vertei­di­gung in der Haupt­ver­hand­lung (Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, S. 115 ff.), ergibt sich für das NSU-Verfah­ren die Schluss­fol­ge­rung, dass insbe­son­de­re die Vertei­di­gung Wohlle­bens diesen Prozess – entge­gen ihrer ander­wei­ti­gen Beteue­run­gen – als einen politi­schen verstan­den und in diesem Sinne auch gehan­delt hat. Es war ein Vertei­di­ge­r­agie­ren auf der Stufe der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gesin­nung Wohlle­bens. Insofern muss die berech­tig­te Frage, ob die politi­sche Vertei­di­gung Wohlle­bens eher aus takti­schen Gründen erfolg­te, wohl verneint werden [(vgl. oben 5.3., 6.c)].

10. Würdi­gung
a) Norma­ti­ve und rechts­po­li­ti­sche Schlussfolgerungen
Aus den oben bei 8. erfolg­ten Darle­gun­gen ergeben sich bereits die unter­schied­li­chen Richtun­gen und Kontro­ver­sen bei der Würdi­gung des Prozes­ses. Sie wäre aber unvoll­stän­dig, würde nicht auch auf norma­ti­ve und rechts­po­li­ti­sche Schluss­fol­ge­run­gen hinge­wie­sen, die teilwei­se bereits während des NSU-Prozes­ses, aber nicht zuletzt auch auf Grund der Aufklä­rungs­ar­beit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se gezogen wurden:

- Verän­dert wurde die Rechts­extre­mis­mus-Datei. Durch das „Gesetz zur Verbes­se­rung der Bekämp­fung des Rechts­extre­mis­mus“ soll der Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwischen den Sicher­heits­be­hör­den verbes­sert werden, wozu die Einrich­tung einer beim BKA angesie­del­ten Datei dienen soll, um die sicher­heits­be­hörd­li­chen Infor­ma­tio­nen zum gewalt­be­zo­ge­nen Rechts­extre­mis­mus zu bündeln (Regie­rungs­ent­wurf, BT-Drs. 17/8672, S. 10 ff., Pichl, S. 292).

- Eine weite­re Empfeh­lung des NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses des Bundes­ta­ges stell­te das „Gesetz zur Verbes­se­rung der Zusam­men­ar­beit im Bereich des Verfas­sungs­schut­zes“ dar. Nunmehr soll das Bundes­amt für Verfas­sungs­schutz unbescha­det der Auswer­tungs­ver­pflich­tun­gen der Landes­be­hör­den zentral alle Erkennt­nis­se über Bestre­bun­gen und Tätig­kei­ten auswer­ten, die „beispiels­wei­se die freiheit­lich-demokra­ti­sche Grund­ord­nung durch den Einsatz von Gewalt­mit­teln gefähr­den“ (Pichl, S. 296).

- Im Bereich des Einsat­zes von V‑Personen und verdeck­ten Ermitt­lern kam es zu erheb­li­chen Verän­de­run­gen am bishe­ri­gen Verfas­sungs­schutz­ge­setz. Ob diese tatsäch­lich die Proble­me angehen, die im NSU-Komplex aufge­taucht sind, oder diese nicht sogar teilwei­se verschär­fen, bleibt fraglich (Pichl, S. 297).

- Verbes­sert werden soll die parla­men­ta­ri­sche Kontrol­le der Geheim­diens­te. Die wesent­li­che Änderung durch das „Gesetz zur weite­ren Fortent­wick­lung der parla­men­ta­ri­schen Kontrol­le der Nachrich­ten­diens­te des Bundes“ besteht in der Einfüh­rung des „Ständi­gen Bevoll­mäch­tig­ten“ für das Parla­men­ta­ri­sche Kontroll­gre­mi­um (Pichl, S. 300).

- Geändert wurde im GVG die Zustän­dig­keit des GBA. Unter anderem betraf das die Herab­set­zung der Zustän­dig­keits­vor­aus­set­zun­gen für Staats­schutz­de­lik­te. (§ 142 a Abs. 1 S. 2 GVG) Ferner reicht nunmehr die objek­tiv staats­schutz­feind­li­che Tat aus. (§ 120 Abs. 2 Abs. 1 S. 3 GVG) Diese und andere Erwei­te­run­gen der Zustän­dig­kei­ten des GBA hingen vor allem damit zusam­men, dass der NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss des Deutschen Bundes­ta­ges sich vor Aufde­ckung des NSU am 4.11. 2011 nicht für zustän­dig erach­te­te (von Eitzen, S. 287 ff.).

- Aufgrund des Geset­zes zur Umset­zung von Empfeh­lun­gen des NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses des Deutschen Bundes­ta­ges vom 12.6.2015 wurde § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB geändert. Bei den für die Straf­be­mes­sung zu berück­sich­ti­gen­den Zielen und Beweg­grün­den wurde die Formu­lie­rung „insbe­son­de­re auch rassis­ti­sche, fremden­feind­li­che oder sonsti­ge menschen­ver­ach­ten­de“ einge­fügt. Damit sollen derart motivier­te Gewalt­ta­ten einen beson­de­ren Stellen­wert im Straf­rechts­sys­tem erhal­ten, was jedoch in der Straf­rechts­wis­sen­schaft auf Kritik wegen des Symbol­haf­ten dieser Ergän­zung stößt (von Etzen, S. 307 ff., mit zahlrei­chen Nachwei­sen kriti­scher Stimmen in dort. Fn. 1401/1402 u.a. von Rosenau, Radtke, Bertram, Hörnle; Pichl, S. 295).

- In straf­pro­zes­sua­ler Hinsicht erfuh­ren die bishe­ri­ge Frist zur Begrün­dung der Revisi­ons­be­grün­dung in § 345 Abs. 1 S. 1 StPO eine Änderung wie auch die Regelun­gen zur Neben­kla­ge durch die Einfüh­rung von § 397b StPO.

Die Frist zur Begrün­dung einer Revisi­on betrug nach § 345 StPO a.F. einen Monat nach Zustel­lung des Urteils, gleich­viel, wie lange sich nach § 275 StPO das Gericht Zeit zur Fertig­stel­lung des Urteils nehmen konnte. Im NSU-Verfah­ren standen dem Oberlan­des­ge­richt auf diese Weise 93 Wochen zur Verfü­gung, während die Vertei­di­ger nur einen Monat Zeit hatten, die 3025 Seiten des Urteils auf Fehler durch­zu­se­hen und danach ihre Revisi­ons­be­grün­dung zu verfas­sen. Nach der Neufas­sung von § 345 StPO bleibt die bishe­ri­ge Frist zwar im Grund­satz erhal­ten. Sie verlän­gert sich aber um einen Monat, wenn das Urteil später als einund­zwan­zig Wochen nach der Verkün­dung zu den Akten gebracht worden ist, und, wenn es später als fünfund­drei­ßig Wochen nach der Verkün­dung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weite­ren Monat. Einge­bet­tet ist diese Geset­zes­än­de­rung in das „Gesetz zur Fortent­wick­lung der Straf­pro­zess­ord­nung und zur Änderung weite­rer Vorschrif­ten“ vom 26.6.2021. Auch wenn in der Geset­zes­be­grün­dung kein expli­zi­ter Zusam­men­hang zum NSU-Prozess herge­stellt, sondern nur von Umfangs­ver­fah­ren gespro­chen wird (Regie­rungs­ent­wurf, BT-Drs. 19/27654, S. 98), kann davon ausge­gan­gen werden, dass das NSU-Verfah­ren nochmals bewusst gemacht hatte, wie schwie­rig es für die Vertei­di­gung ist, bei solch langen und komple­xen Verfah­ren inner­halb einer strik­ten Monats­frist eine Revisi­on unter Beach­tung der dafür gesetz­lich geregel­ten inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen zu begrün­den. Gerade im Zusam­men­hang mit den Revisio­nen im NSU-Verfah­ren wurde dieser Aspekt, der einer gesetz­li­chen Einschrän­kung der Rechte erstin­stanz­lich Verur­teil­ter gleich­kam, von den Vertei­di­gern der Angeklag­ten beson­ders betont.

In einem Verfah­ren können mehre­re Verletz­te als Neben­klä­ger auftre­ten. Eine Obergren­ze sieht das Gesetz nicht vor. In Einzel­fäl­len führt das zu erheb­li­chen Schwie­rig­kei­ten recht­li­cher und tatsäch­li­cher Natur (Allgay­er, in: KK, 9. Aufl., Vorbem. zu § 395 StPO). Das zeigte sich beson­ders im NSU-Prozess, an dem zeitwei­se über 80 Neben­kla­ge­ver­tre­ter mitwirk­ten. Aus dieser Erfah­rung heraus wurde mit einem neuen § 397b StPO eine Vorschrift geschaf­fen, wonach es nun möglich ist, mehre­ren Neben­klä­gern nur noch eine Person als Neben­kla­ge­ver­tre­ter zu bestel­len. Mit dieser Bünde­lung wird das Ziel verfolgt, eine effek­ti­ve Durch­füh­rung der Haupt­ver­hand­lung zu erleich­tern. Die Einfüh­rung von § 397b StPO erfolg­te mit dem „Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des Straf­ver­fah­rens“ vom 10.12.2019.

- Eine weite­re straf­pro­zes­sua­le Lehre, letzt­lich auch aus dem NSU-Prozess, besteht in den nunmehr verstärk­ten krimi­nal­po­li­ti­schen Bemühun­gen um die Dokumen­ta­ti­on der Haupt­ver­hand­lung. Obwohl das bisher schon unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen möglich war und auch im NSU-Verfah­ren möglich gewesen wäre, wurde dies dort sowohl von der Bundes­an­walt­schaft wie auch vom erken­nen­den Senat trotz entspre­chen­der Anträ­ge von Vertei­di­gern wie Neben­kla­ge­ver­tre­tern mit nicht in jeder Hinsicht überzeu­gen­den Argumen­ten abgelehnt.

Im Novem­ber 2022 legte Justiz­mi­nis­ter Busch­mann den Entwurf eines sog. “Haupt­ver­hand­lungs­do­ku­men­ta­ti­ons­ge­set­zes” vor. Dieser bestimm­te, eine Haupt­ver­hand­lung, die erstin­stanz­lich vor dem Oberlan­des­ge­richt oder dem Landge­richt statt­fin­det, in Zukunft in Bild und Ton aufzu­zeich­nen. Ferner besag­te der Entwurf, dass die Tonauf­zeich­nung zusätz­lich mittels einer Transkrip­ti­ons­soft­ware automa­ti­siert in ein Textdo­ku­ment übertra­gen werden muss. Rund 600 Gerichts­sä­le müssten dafür mit der entspre­chen­den Technik ausge­stat­tet werden. Insbe­son­de­re von Seiten der Richter­schaft, Staats­an­walt­schaf­ten und Justiz­ver­wal­tun­gen erfuhr dieses Vorha­ben hefti­ge Kritik. Zustim­mung dagegen kam von den Straf­ver­tei­di­ger­ver­bän­den. Darauf­hin legte Busch­mann einen Kompro­miss­vor­schlag vor. Danach soll die Video­auf­zeich­nung nur noch optio­nal sein. Außer­dem sollen die Justiz­be­hör­den der Länder mehr Zeit als ursprüng­lich geplant erhal­ten, um die Technik für Tonauf­zeich­nung und Transkrip­ti­on zu beschaf­fen. Der Deutsche Anwalts­ver­ein kriti­siert das mit den Worten: “Eine Kompro­miss­lö­sung, die sich nur mit einer bloßen Tonauf­zeich­nung begnügt, würde die Chance vertun, hier wirklich etwas im Sinne der bestmög­li­chen Wahrheits­fin­dung zu verän­dern.” Schließ­lich sei der überwie­gen­de Anteil mensch­li­cher Kommu­ni­ka­ti­on nonver­bal. Mimik, Gestik, Körper­hal­tung, Blicke – all dies gehöre zur Würdi­gung einer Aussa­ge dazu (LTO-Redak­ti­on). Die Diskus­si­on darüber, die auch mögli­che Auswir­kun­gen auf das Verhal­ten von Zeugen und das Rechts­mit­tel­sys­tem zu beden­ken hat, ist nicht abgeschlos­sen und es ist unklar, ob und wann das Gesetz erlas­sen wird.

b) Die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se im Allgemeinen
Der NSU-Prozess konnte die großen Erwar­tun­gen insbe­son­de­re der Hinter­blie­be­nen der Opfer des NSU im Hinblick auf umfas­sen­de Aufklä­rung des Gesche­hens, des Umfel­des sowie der Verstri­ckun­gen des Verfas­sungs­schut­zes nicht erfül­len. Es ist in der Tat fraglich, ob eine solche Erwar­tungs­hal­tung mit einem Straf­pro­zess und seinen Grenzen überhaupt bedient werden kann (Arnold StV 2022, 108). Gleich­wohl wird darauf hinge­wie­sen, dass für das OLG München aufgrund der Recht­spre­chung des EGMR eine Aufklä­rungs­pflicht hinsicht­lich der Verstri­ckun­gen des Staates (hier des Verfas­sungs­schut­zes) bestand hätte, welcher der 6. Straf­se­nat des OLG München nicht nachge­kom­men sei (Schüler; Arnold StV 2022, 108, 117).

Auch jene Stimmen sind beach­tens­wert, die sich von der Verhand­lungs­füh­rung, der Öffent­lich­keits­ar­beit des Gerichts wie auch dem Urteil erhoff­ten, dass den Neben­klä­gern ein größe­res Gewicht zukommt und sie nicht nur durch die Neben­kla­ge­ver­tre­ter, sondern auch durch Bundes­an­walt­schaft und vor allem durch das Gericht im Prozess sicht­bar gemacht werden. Das ist nicht erfolgt. Ihnen allein die Möglich­keit zu geben, sich im Prozess zu äußern, reiche dafür nicht aus. Dass es anders geht, konnte die Vorsit­zen­de Richte­rin in dem Verfah­ren gegen den Halle-Atten­tä­ter zeigen (Arnold, StV 2022, 108, 117 Fn. 118).

Wegen der rechts­staat­li­chen Grenzen, die dem Gericht bei der Aufklä­rung des umfas­sen­den Gesche­hens durch das Gesetz vorge­zeich­net sind, war es umso wichti­ger, parla­men­ta­ri­sche NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se zu bilden. Es ist bemer­kens­wert, dass in den Quellen, die sich mit dem NSU-Prozess befas­sen, die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se soweit ersicht­lich kaum vorkom­men, mithin auch nicht die Frage nach eventu­el­len Querver­bin­dun­gen aufge­wor­fen wird (mit Ausnah­me von Pichl, S. 214 ff.).

Insge­samt gab bzw. gibt es 14 NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se, davon zwei des Deutschen Bundes­ta­ges, die anderen parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se wurden in einer ganzen Reihe von Bundes­län­dern einge­setzt, teilwei­se in aufein­an­der­fol­gen­den Legislaturperioden.

Wenn man die Ergeb­nis­se der Arbeit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se im Hinblick darauf betrach­tet, inwie­fern sie über die Aufklä­rung durch den 6. Straf­se­nat des OLG hinaus­ge­hen, so handelt es sich u.a. um die folgen­den Feststel­lun­gen, wobei voraus­zu­schi­cken ist, dass eine ideal­ty­pi­sche Grenz­zie­hung zwischen den politi­schen Dimen­sio­nen eines Tatkom­ple­xes, den paral­lel zu einem Gerichts­ver­fah­ren in parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­sen erlang­ten Erkennt­nis­sen und der juris­ti­schen Wahrheits­fin­dung vor Gericht nicht aufrecht­erhal­ten lässt (Liebscher, NSU-Komplex).

- Die Analy­se der Verfas­sungs­schutz­be­hör­den in Bund und Ländern zur rechts­ter­ro­ris­ti­schen Gefahr war falsch und grob verharm­lo­send. Hier bestand eine Diskre­panz gegen­über dem tatsäch­li­chen Wissen, das die Verfas­sungs­schutz­äm­ter durch ihr engma­schi­ges V‑Leu­te-System aus der rechten Szene abschöp­fen konnten (Pichl, S. 284 f.).

- Die Abschluss­be­rich­te der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se zeigen, wie Exeku­tiv­be­hör­den ein Selbst­er­hal­tungs­in­ter­es­se ausbil­den, das gerade kein einheit­li­ches Vorge­hen der Staats­ap­pa­ra­te hervor­bringt, sondern Konflik­te, die intra-insti­tu­tio­nell zwischen den Staats­ap­pa­ra­ten verlau­fen. Vor allem die Verfas­sungs­schutz­äm­ter zeigten ein Selbst­er­hal­tungs­in­ter­es­se, das zu einer höchst selek­ti­ven Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be an andere Behör­den geführt hatte (Pichl, S. 286).

- Wenn alle den Sicher­heits­be­hör­den bereits 1998 und 1999 vorlie­gen­den Infor­ma­tio­nen zum unter­ge­tauch­ten Kerntrio des NSU richtig ausge­wer­tet, analy­siert und bei der Zielfahn­dung zusam­men­ge­fasst worden wären, hätte die Mordse­rie des NSU durch Auffin­den von Böhnhardt, Mundlos und Zschä­pe verhin­dert werden können (Pichl, S. 287).

- Die Arbeit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se hat deutlich gezeigt, wie der Einsatz von V‑Personen die rechts­extre­me Szene in entschei­den­der Weise durch mittel­ba­re Finan­zie­rungs­hil­fen, Quellen­schutz und Schutz vor Straf­ver­fol­gung mit aufge­baut hat (Pichl, S. 288). Über die Quanti­tät und Quali­tät des V‑Leu­te-Systems konnte kein abschlie­ßen­des Urteil gefällt werden, weil auch den Unter­su­chungs­aus­schüs­sen das Ausmaß dieses Systems nicht zugäng­lich gemacht wurde.

Trotz der Tätig­keit der Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se wird einge­schätzt, dass die Aufklä­rung parti­ell geschei­tert ist. In den Behör­den, vor allem auch in der Polizei gebe es eine enorme Haltung der Verwei­ge­rung, aus dem NSU Konse­quen­zen zu ziehen. „Wagen­burg­men­ta­li­tät“ und „Unfehl­bar­keits­pa­ra­dig­ma“ setzten sich auch nach den zahlrei­chen NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­sen fort. Es lasse sich insge­samt feststel­len, dass die Sicher­heits­be­hör­den, deren spezi­fi­sche Struk­tu­ren zum NSU-Komplex in erheb­li­cher Weise beigetra­gen und die auch die Aufar­bei­tung der Mordse­rie in den Unter­su­chungs­aus­schüs­sen und vor Gericht sabotiert hätten, „letzt­end­lich gestärkt aus dem politi­schen Skandal hervor­ge­gan­gen sind“ (Pichl, S. 304; Nübel, S. 100–131; Gengnagel/Kallert, S. 158–184). Freilich muss man wohl einse­hen, dass daran auch der 6. Straf­se­nat des OLG München nichts hätte zu verän­dern vermocht, wenn er die Aufklä­rung auf die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes erstreckt hätte, ganz abgese­hen davon, ob er überhaupt zu derar­ti­gen Erkennt­nis­sen wie die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se hätte gelan­gen können. Das Oberlan­des­ge­richt München hätte nicht die Aufklä­rung durch die Unter­su­chungs­aus­schüs­se erset­zen können. Das ändert aber nichts an der unter 6. b) darge­stell­ten Kritik am 6. Straf­se­nat dieses Gerichts, dass nach der Recht­spre­chung des EGMR Rechts­pflicht ist, auch die Tatum­stän­de – wie die Unter­stüt­zung bei der Auswahl des Tatorts oder bei der Durch­füh­rung der Tat – sowie die Kennt­nis­se staat­li­cher Behör­den von Tätern und Tat aufzu­klä­ren und zu berücksichtigen.
Im Ergeb­nis gesell­schaft­lich und politisch fatal ist sicher­lich die unter­blie­be­ne Aufklä­rung der Rolle der Inlands­ge­heim­diens­te in dem gesam­ten NSU-Komplex. Dabei darf aber nicht überse­hen werden, dass dem Gericht bei solcher Aufklä­rung deutli­che Grenzen gesetzt gewesen wären, wie die Verwei­ge­rung sowohl der Heraus­ga­be von Akten des Verfas­sungs­schut­zes als auch die Verneh­mung von Angehö­ri­gen der Behör­de als Zeugen. Gerade die darauf gerich­te­ten Aufklä­rungs­be­mü­hun­gen der Unter­su­chungs­aus­schüs­se haben gezeigt, wie letzt­lich der Staat alles versucht hat, um solche Aufklä­rung zu verhin­dern. Eine Schluss­fol­ge­rung aus diesem Dilem­ma kann eigent­lich nur darin bestehen, dass das Recht den Verfas­sungs­schutz zukünf­tig zur Aufklä­rung von Verstri­ckun­gen in derar­ti­ge Verbre­chen zwingt.

c) Der Bayeri­sche NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss II im Besonderen

Beson­de­re media­le Aufmerk­sam­keit hat der zweite bayeri­sche Unter­su­chungs­aus­schuss mit einer achtstün­di­gen Verneh­mung von Beate Zschä­pe am 22.5.2023 erzielt, die in der Justiz­voll­zugs­an­stalt Chemnitz statt­fand. Zschä­pe hat dort erstmals auf Fragen direkt geant­wor­tet, eine Mitschuld an den Taten des NSU einge­räumt, aber zugleich das Bild einer abgeschot­te­ten Dreier­grup­pe ohne breite aktive Unter­stüt­zer im Hinter­grund aufrecht­erhal­ten (Litsch­ko, Zschä­pe verneint Tatort­hel­fer; https://www.sueddeutsche.de/bayern/beate-zschaepe-nsu-bayern-landtag-ausschuss-mordserie‑1.5875418?print=true – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Auf der Presse­kon­fe­renz des Ausschus­ses wurde hervor­ge­ho­ben, dass die Erwar­tun­gen sehr offen waren, weil nicht ohne weite­res davon ausge­gan­gen werden konnte, dass Zschä­pe überhaupt aussagt (im Einzel­nen zur Presse­kon­fe­renz bei Moser, Rätsel Zschäpe).

Anhand des Proto­kolls der Verneh­mung werden die Aussa­gen von Zschä­pe mit unter­schied­li­cher Schwer­punkt­set­zung wieder­ge­ge­ben (https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2023/wortlautprotokoll-der-vernehmung-von-beate-zschaepe-im-untersuchungsausschuss-nsu-ii/ – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023): Sie gäbe sich geläu­tert, stelle sich anders als im Prozess nicht mehr als Opfer dar und schlie­ße weite­re Mordop­fer nicht aus. Hervor­ge­ho­ben wird ferner, dass sie als Motiv für die Morde nun „Rassen­hass“ nennt, während sie im Verfah­ren selbst bestrit­ten habe, die wahren Motive von Mundlos und Böhnhardt zu kennen. Auch sei anders als im Gerichts­pro­zess keine Rede mehr von einer Abhän­gig­keit zu den beiden Uwes. Zschä­pe sei dabei­ge­blie­ben, die Morde nicht gewollt zu haben und weder an der Planung noch an der Durch­füh­rung betei­ligt gewesen zu sein. Inzwi­schen habe sie aber verstan­den, dass sie vollum­fäng­lich mitschul­dig an den Morden sei. Zschä­pe habe sich als „Ausstei­ge­rin“ aus der rechts­extre­men Szene bezeich­net und wolle in der Haft an einem Ausstei­ger­pro­gramm teilneh­men (zum Ganzen Ramm, Zschä­pe schließt weite­re Mordop­fer nicht aus). Hinge­wie­sen wird ferner auf ihre Aussa­ge, sie hätte verhin­dern können, dass aus dem ersten Mord eine Serie wird, wenn sie sich recht­zei­tig gestellt hätte (https://www.sueddeutsche.de/bayern/extremismus-muenchen-zschaepe-im-wortlaut-ich-bin-mitschuldig-an-den-morden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101–230705-99–297513 – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Dass Zschä­pe zu den Morden, die dem NSU zur Last gelegt worden sind, vor dem Ausschuss so gut wie keine Angaben machen konnte, wird entge­gen anderen Schluss­fol­ge­run­gen dahin­ge­hend inter­pre­tiert, dass es noch andere Verant­wort­li­che für die Morde als nur Böhnhardt und Mundlos gegeben haben könnte. Ferner seien die Aussa­gen von Zschä­pe Anlass, weite­re kriti­sche Fragen über die Rolle des Verfas­sungs­schut­zes zu stellen. Zschä­pe schil­der­te, nach dem Unter­tau­chen des Trios habe der V‑Mann Brandt wieder­holt mit ihnen telefo­niert. Die Gesprä­che seien von Telefon­zel­len aus geführt und Termi­ne sowie Rufnum­mern vorher ausge­tauscht worden. Dass Brandt V‑Mann war, hätten sie zu dieser Zeit noch nicht gewusst. Nach seiner Enttar­nung sei das Trio sehr irritiert darüber gewesen, dass sie bei dieser Sachla­ge nicht festge­nom­men worden seien, denn das wäre eine leich­te Polizei­übung gewesen. In der kriti­schen Bericht­erstat­tung dazu wird die Frage gestellt, ob das an Brandt lag, der den Kontakt mögli­cher­wei­se nicht an den Verfas­sungs­schutz verriet, oder ob der Verfas­sungs­schutz die drei gar nicht habe festneh­men wollen (ausführ­lich Moser, Was weiß Beate Zschäpe?).

Ein inter­es­san­ter Aspekt zu einer „Vorfeld­ver­tei­di­gung“ des NSU-Trios ergibt sich aus den Aussa­gen Zschä­pes, sich zu unter­schied­li­chen Zeiten mit Hilfe von jeweils einem Anwalt den Verfol­gungs­or­ga­nen stellen zu wollen. Zschä­pe führt aus, sie habe bei Termi­nen mit den Anwäl­ten diesen eine Vollmacht unter­zeich­net, und die Anwäl­te hätten darauf­hin Kontakt mit der Staats­an­walt­schaft aufge­nom­men. Dort sei ihnen aber gesagt worden, man wolle sich auf keine Verein­ba­run­gen einlas­sen, weil der unter­ge­tauch­te NSU ohnehin gefasst werden würde. Aus Äußerun­gen von Brandt, wonach sie mit einer zweistel­li­gen Zahl an Jahren des Freiheits­ent­zu­ges zu rechnen habe – so Zschä­pe weiter – habe sie dann geschluss­fol­gert, dass sie besser nicht zurück­kom­men sollte (https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/Internet_Dokumente/Sonstiges_A/Protokoll_Vernehmung_BZsch%C3%A4pe_V%C3%96_050723.pdf, S. 36 ff. ; 126 ff. – zuletzt aufge­ru­fen am 21.8.2023).

Zieht man dazu das Proto­koll der Haupt­ver­hand­lung vor dem 6. Straf­se­nat des OLG München heran, so geht daraus hervor, dass es sich in dem einen Fall um den Rechts­an­walt Dr. Eisen­ecker, hoher Funktio­när der NPD, handel­te, der im Jahre 2003 verstor­ben ist. In ihrer schrift­li­chen Aussa­ge im Prozess machte Zschä­pe konkre­te­re Angaben dazu, wie der Kontakt zwischen ihr und Eisen­ecker zustan­de kam, nämlich über Carsten Schultz und Ralf Wohlle­ben. Zu erfah­ren ist aus dieser Aussa­ge Zschä­pes aber auch – was sie in ihrer Verneh­mung durch den Unter­su­chungs­aus­schuss nicht äußer­te –, dass sie sich erst stellen wollte, nachdem Mundlos und Böhnhardt, wie diese das vorge­habt hätten, nach Südafri­ka geflo­hen wären (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-prozess-die-antworten-von-beate-zschaepe-im-wortlaut-a-1073259.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Am 157. Verhand­lungs­tag des NSU-Prozes­ses wurde Norbert Wießner, V‑Mann-Führer von Tino Brandt, dazu vernom­men, welche Infor­ma­tio­nen er von Brandt erhal­ten habe. Wießner erklär­te, er habe über Brandt von den Absich­ten Zschä­pes erfah­ren, sich zu stellen, falls Böhnhardt und Mundlos nach Südafri­ka flüch­te­ten. Wiesner führte weiter aus, der Verfas­sungs­schutz wäre sicher­lich auf Zschä­pe zugekom­men, wenn die Pläne, sich zu stellen, konkret gewor­den wären. Es habe ja kein Haftbe­fehl gegen Zschä­pe vorge­le­gen, Zschä­pe hätte daher jeder­zeit nach Jena oder ins Eltern­haus zurück­kom­men können (zum Ganzen https://www.nsu-watch.info/2014/11/protokoll-157-verhandlungstag-11-november-2014/ ‑zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Einem Medien­be­richt ist zu entneh­men, dass sich Rechts­an­walt Eisen­ecker Anfang März 1999 bei der Staats­an­walt­schaft Gera melde­te, eine von ihr unter­schrie­be­ne Vollmacht vorleg­te und mitteil­te, er vertre­te Beate Zschä­pe juris­tisch und beantra­ge Akten­ein­sicht. Dies sei jedoch von der Staats­an­walt­schaft abgelehnt worden, weil die Akten erst nach Abschluss des Verfah­rens einzu­se­hen seien. Danach habe sich Eisen­ecker nicht mehr gemel­det (https://www.focus.de/panorama/reportage/hilfe-vom-vize-report_id_2360293.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Aus einer Presse­mit­tei­lung zu einer Sitzung des Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses zur Aufklä­rung der NSU-Aktivi­tä­ten und weite­rer rechts­ter­ro­ris­ti­scher Struk­tu­ren in Mecklen­burg-Vorpom­mern aus dem Jahr 2022 geht hervor, dass noch weiter unter­sucht werden soll, ob Eisen­ecker das NSU-Kerntrio persön­lich traf und ob im Landes­ver­fas­sungs­schutz Hinwei­se über seine Einbin­dung in die Unter­stüt­zer­struk­tur vorla­gen. Dafür werde auch die Zusam­men­ar­beit mit dem Thürin­ger Geheim­dienst eine Rolle spielen müssen, der eigens einen Mitar­bei­ter zur Obser­va­ti­on von Eisen­ecker in den Nordos­ten entsand­te (https://www.dielinke-rostock.de/presse/detail/news/ausmass-der-nsu-unterstuetzung-durch-npd-anwalt-eisenecker-weiter-unklar/ – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Soweit Zschä­pe davon spricht, noch einen weite­ren Anwalt kontak­tiert zu haben, so handelt es sich dabei wohl um Rechts­an­walt Thomas Jauch aus Weißen­fels in Sachsen-Anhalt, ebenfalls dezidiert ein Anwalt der politisch rechten Szene (Hinrichs, Thomas Jauch). Zschä­pe kontak­tier­te Jauch noch vor Eisen­ecker. Gegen­über FOCUS erklär­te er, Zschä­pe, Böhnhardt und Mundlos seien Anfang 1998 bei ihm aufge­taucht. Er habe schließ­lich Zschä­pes Vertei­di­gung übernom­men und eine Vertre­tungs­an­zei­ge an die Polizei in Jena geschickt. Das Schrei­ben habe den Vermerk enthal­ten, dass Zschä­pe bereit sei, sich zur Sache zu äußern, jedoch nur nach Akten­ein­sicht. Doch weder Polizei noch Staats­an­walt­schaft hätten ihn kontak­tiert. Zschä­pe sei in den nächs­ten Monaten noch zweimal bei ihm gewesen. Nach Recher­chen von FOCUS stell­te sich jedoch heraus, dass sich in den Akten der Staats­an­walt­schaft kein Hinweis auf eine Vertre­tungs­an­zei­ge des Anwalts befin­det (https://www.focus.de/panorama/reportage/hilfe-vom-vize-report_id_2360293.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Am 124. Verhand­lungs­tag des NSU-Prozes­ses wurde Rechts­an­walt Jauch als Zeuge vernom­men. Insbe­son­de­re sollte er dazu aussa­gen, ob er Kontak­te zu den Angeklag­ten und zu Böhnhardt und Mundlos in der Zeit vor 1998 und danach hatte. Jauch antwor­te­te, dass er beruf­li­che Kontak­te im Rahmen von Mandats­ver­hält­nis­sen hatte und mache daher nach § 53 StPO von seinem Auskunfts­ver­wei­ge­rungs­recht Gebrauch. Darauf­hin fragte der Vorsit­zen­de Götzl ihn, ob außer­halb von Mandats­ver­hält­nis­sen Kontak­te zu den genann­ten Perso­nen bestan­den. Das wurde von Jauch defini­tiv verneint (https://www.nsu-watch.info/2014/07/protokoll-124-verhandlungstag-8-juli-2014/ – zuletzt aufge­ru­fen am 21.8.2023). Dennoch erbrach­te die Zeugen­ver­neh­mung das Bild von einer komple­xen anwalt­li­chen Tätig­keit für den NSU und dessen Umfeld (Scharmer/Stolle, Szene-Anwalt Thomas Jauch).

Vor diesem ganzen Hinter­grund ergeben sich bisher keine gesicher­ten Erkennt­nis­se dazu, wie konkret der Wunsch Zschä­pes, sich zu stellen, wirklich war und welche Rolle die von Zschä­pe kontak­tier­ten Vertei­di­ger dabei spiel­ten, dass dieses Vorha­ben am Ende nicht umgesetzt wurde.

Was vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss des Bayeri­schen Landta­ges keine Rolle spiel­te, war die Frage, warum Zschä­pe sich für das NSU-Verfah­ren von Rechts­an­wäl­ten vertre­ten ließ, die im Gegen­satz zu den Vertei­di­gern im Vorfeld gerade keine rechts­extre­mis­ti­sche Gesin­nung hatten.

In der Reflek­ti­on der Aussa­gen von Zschä­pe vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss wurde auch die Frage gestellt, was die Motive für Zschä­pe waren, sich erstmals in dieser Weise zu äußern, insbe­son­de­re hinsicht­lich des erstma­li­gen Einräu­mens ihrer Mitschuld. Dazu werden unter­schied­li­che Antwor­ten gegeben.

Auf der einen Seite wird anerkannt, dass Zschä­pe sich schul­dig bekannt habe. Es wird ihre Erklä­rung hervor­ge­ho­ben: „Ich bin mitschul­dig an den Morden. Auch wenn ich nicht abgedrückt habe, habe ich sie gedul­det, und wenn ich mich gestellt hätte, wäre die Serie vorbei gewesen. Ich habe es nicht getan, und deshalb bin ich genau­so schul­dig, als ob ich abgedrückt habe. Und dadurch trage ich jetzt dieses Urteil.“ Der Ausschuss­vor­sit­zen­de Toni Schuberl sieht darin eine neue Quali­tät. Zschä­pe sei wegge­gan­gen von der „juris­tisch klugen Vertei­di­gungs­li­nie“, die sie im Prozess hatte, habe sich der Wahrheit mehr genähert und klar gemacht, davon gewusst zu haben. Sie habe nach elfein­halb Jahren Haft geschil­dert, dass sie die Schuld ganz klar bei sich sehe, so als habe sie abgedrückt. So habe sie es formu­liert, und das sei schon ein großer Schritt (Moser, Rätsel Zschä­pe, S. 15). Aber auch aus anderen Gründen wird das Schuld­ein­ge­ständ­nis für bedeut­sam gehal­ten. Durch die Übernah­me der Schuld habe sie eigent­lich keinen Grund mehr, etwas zu verheim­li­chen oder falsch darzu­stel­len. Darin liege der Gradmes­ser der Wahrhaf­tig­keit (Moser, Was weiß Beate Zschä­pe, S. 3).

Auf der anderen Seite wird kriti­siert, dass Zschä­pe ihre Rolle bei den Verbre­chen des NSU herun­ter­ge­spielt habe. Ihr „spätes Geständ­nis“ wird für ein takti­sches Manöver gehal­ten, „um irgend­wann Locke­run­gen im Straf­voll­zug und die Teilnah­me an einem Ausstei­ger­pro­gramm zu errei­chen, wenn sie Reue zeigt.“ (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023–07/beate-zschaepe-wortlaut-veroeffentlicht – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Zschä­pe wurde bei ihrer Verneh­mung vor dem Ausschuss von ihrem vierten Pflicht­ver­tei­di­ger aus dem NSU-Verfah­ren Mathi­as Grasel als Zeugen­bei­stand beglei­tet. Mit ihm hielt sie bei ihrer Verneh­mung einige Male Rückspra­che. Auch wenn keine Äußerun­gen Grasels dazu bekannt sind, wie er Zschä­pe auf die Verneh­mung einge­stellt und beraten hat, ist in seiner Tätig­keit als Zeugen­bei­stand wohl nicht zu Unrecht ein Beitrag darin zu sehen, dass Zschä­pe sich in dieser Weise geäußert und dabei auch zu dem Ausstei­ger­pro­gramm bekannt und angeregt hat, dies in die Vollzugs­pla­nung einzu­brin­gen. Das alles ist legitim, auch wenn es mit der Hoffnung verbun­den ist, eine Verbes­se­rung von Zschä­pes Situa­ti­on zu erlan­gen, sei es durch mögli­che Locke­run­gen im Straf­voll­zug, sei es durch eine Reduzie­rung der Mindest­ver­bü­ßungs­zeit nach § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB, eine Hoffnung, die sich aber keines­wegs erfül­len muss. Aber auch das wird Grasel mit Zschä­pe bespro­chen haben. Wenn dabei kein offen­sicht­lich allei­ni­ges takti­sches Vorge­hen zu sehen ist – und das ist hier nicht zu erken­nen – dann ist nicht an den laute­ren Motiven der Aussa­gen zu zweifeln. Auch vorhan­de­ne Zweifel an der generel­len Glaub­wür­dig­keit ihrer Aussa­gen sollten sich aus konkre­ten Anhalts­punk­ten ergeben und mangeln­de Glaub­wür­dig­keit nicht von vornher­ein unter­stellt werden. Das gilt selbst für eine Mittä­te­rin an terro­ris­ti­schen Verbre­chen wie denen des NSU. Dazu kommt, dass Zschä­pe offen­bar auch bereit zu sein scheint, sich gegen­über der Bundes­an­walt­schaft einzu­las­sen. Daran hat diese Zschä­pe gegen­über bereits ihr Inter­es­se bekundet.

Mittler­wei­le wurde bekannt, dass Zschä­pes Antrag auf Aufnah­me in das Ausstei­ger­pro­gramm des Landes Sachsen abgelehnt worden ist. Die Begrün­dung habe gelau­tet, dass es dafür noch zu früh sei. (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepe-nsu-terroristin-soll-von-aussteigerprogramm-abgelehnt-worden-sein-a-c0183296-ed66-43e2-818d-1827f64510e2?sara_ref=re-em-em-sh – zuletzt aufge­ru­fen: 11.10.2023)
Im Gegen­satz zu den Aussa­gen Zschä­pes vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss wurden die Aussa­gen des ebenfalls als Zeugen vernom­me­nen, im NSU-Verfah­ren verur­teil­ten André Eminger bereits durch den Ausschuss­vor­sit­zen­den Schuberl für unglaub­wür­dig befun­den. Eminger befin­det sich seit einem Jahr im Ausstei­ger­pro­gramm des Landes Sachsen. Im NSU-Prozess, in dem Eminger schwieg, wurde er von seiner Vertei­di­gung als „Natio­nal­so­zia­list mit Haut und Haaren“ bezeich­net (s.o. 6.c). Nach Aussa­ge Emingers vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss – was seine ersten Aussa­gen in dieser Sache überhaupt sind – habe er sich seit 2019 grund­le­gend gewan­delt. Schuberl zog das vor allem deswe­gen in Zweifel, weil Eminger sich nach wie vor nicht mit den Taten des NSU ausein­an­der­ge­setzt habe (Rauscher, NSU-Ausschuss) und immer wieder beton­te, dass er unpoli­tisch sei und auch mit dem NSU-Trio, dessen engster Vertrau­ter er war, nie über Politik gespro­chen habe. Wie berich­tet wird, habe Schuberl darauf geant­wor­tet, dies sei ein “wieder­keh­ren­des Muster” von Zeugen aus der rechten Szene. Wenn man aus der Szene aussteigt, gehöre es dazu, anzuer­ken­nen, dass man vorher drin war (Sunder­mann, Von den Morden…).

Nicht unerwähnt bleiben soll hier abschlie­ßend, dass an dem mittler­wei­le vorlie­gen­dem Abschluss­be­richt des Bayeri­schen NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses vom 10.7.2023 (file:///Y:/Documents/Downloads/0000019652-Schlussbericht.pdf – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023) massi­ve Kritik geübt wird. Die Erkennt­nis­se werden insge­samt als dünn bezeich­net. Die Haupt­fra­ge nach einem bayeri­schen Unter­stüt­zungs­netz­werk sei weder bestä­tigt noch ausge­schlos­sen worden. Auch seien keine wesent­li­chen Erkennt­nis­se dazu erlangt worden, wie nah die V‑Männer des Verfas­sungs­schut­zes am NSU-Netzwerk agiert hätten. Dass man Zschä­pe und Eminger durch deren Verneh­mun­gen eine Platt­form gegeben habe, wird als „furcht­bar“ einge­schätzt, einer­seits für die Betrof­fe­nen und Hinter­blie­be­nen, anderer­seits würde damit zum Ausdruck kommen, dass sich der Ausschuss „ausge­rech­net von Nazis die Mitwir­kung an der Wahrheits­fin­dung“ verspro­chen habe (https://www.br.de/radio/br24/sendungen/politik-und-hintergrund/das-ende-der-aufklaerung-zum-abschluss-des-bayerischen-nsu-untersuchungsaussch-100.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

11. Quellen und Literatur

Urteil des 6. Senats des OLG München vom 11. Juli 2018: https://fragdenstaat.de/dokumente/4766-nsu-urteil/

Beschluss des 3. Straf­se­nats des BGH im Revisi­ons­ver­fah­ren Beate Zschä­pe: BGH StV 2022, 88.

Beschluss des BVerfG im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fah­ren betref­fend den „NSU-Prozess“: 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413.

Arnold, in: Lampe (Hrsg.), Deutsche Wieder­ver­ei­ni­gung, Bd. II. Die Verfol­gung von Regie­rungs­kri­mi­na­li­tät nach der Wieder­ver­ei­ni­gung, Köln. u.a. 1993, S. 85–98.
Arnold, Gibt es einen „neuen Typus“ des Straf­ver­tei­di­gers in Konti­nui­tät zu „Links­an­wäl­ten“? StV 2023, 184.

Arnold, Die »System­im­ma­nenz« des Beschlus­ses des 3. Straf­se­nats des BGH im Revisi­ons­ver­fah­ren des NSU-Komple­xes zu Beate Zschä­pe – Zugleich Anmer­kung zu BGH, Beschl. v. 12.08.2021 – 3 StR 441/20; StV 2022, 108.

Arnold, in: Hilgendorf/Lerman/Córdoba (Hrsg.), FS für Sanci­net­ti, Berlin 2020, S. 37–64.

Arnold, Bericht über ein beson­de­res straf­recht­li­ches Schwer­punkt­se­mi­nar an der Univer­si­tät Münster: „Der NSU-Straf­pro­zess”, www.zjs-online.com, 3/2020, S. 298–300.

Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, Rechts­ge­schich­te und Rechts­ge­sche­hen, 2019.

Arnold/Heghmanns, Fortset­zungs­be­richt über ein beson­de­res straf­recht­li­ches Seminar an der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­si­tät Münster: „NSU-Straf­pro­zess und das Urteil“, www.zjs-online.com, 6/2021, S. 829–833.

Assmann, Zschä­pe schei­tert mit Anzei­ge gegen ihre Anwäl­te, 2015: https://www.deutschlandfunk.de/nsu-prozess-zschaepe-scheitert-mit-anzeige-gegen-ihre-100.html (zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Baur, Der gute Nazi von Jena, https://taz.de/Ralf-Wohlleben-im-NSU-Prozess/!5504060/ (zuletzt aufge­ru­fen: 13.4.2023).

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Kauschan­ski, Sehr viel gespro­chen, wenig gesagt, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepe-was-sagte-die-verurteilte-rechtsextremistin-dem-bayerischen-nsu-ausschuss-a-956cd472-584c-49d3-ac8f-8496e8b85122 (zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

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Jörg Arnold und Micha­el Heghmanns
Oktober 2023

Zitier­emp­feh­lung:

Arnold, Jörg/Heghmanns, Micha­el: „Der NSU-Prozess, Deutsch­land 2013–2018“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politi­schen Straf­pro­zes­se, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/der-nsu-prozess/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ. ‎

Abbildungen

Verfas­ser und Heraus­ge­ber danken den Rechte­inha­bern für die freund­li­che Überlas­sung der Abbil­dun­gen. Rechte­inha­ber, die wir nicht haben ausfin­dig machen können, mögen sich bitte bei den Heraus­ge­bern melden.

© Henning Schlott­mann (User:H‑stt), Kein Schluss­strich 5581, CC BY-SA 4.0

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