NSU-Prozess

bearbei­tet von
Prof. Dr. Jörg Arnold und Prof. Dr. Micha­el Heghmanns

Deutsch­land 2013–2018
Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Untergrund
Sprengstoffanschlag
Mord

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Der NSU-Prozess
Deutschland 2013–2018

1. Prozessbedeutung/Prozessgeschichte
Genau­so wie Ausch­witz- und Stamm­heim-Verfah­ren gehört der NSU-Prozess zu den großen Straf­pro­zes­sen in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land des 20. Jahrhun­derts. „NSU“ steht als Kürzel für jene Bezeich­nung, die sich die rechts­ter­ro­ris­ti­sche Gruppe Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe selbst gegeben hatte: „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Unter­grund“. Zehn Menschen ermor­de­te diese Gruppe zwischen den Jahren 1998 und 2011, darun­ter neun Männer aus Famili­en mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Sie verüb­te drei Bomben­an­schlä­ge und 15 Raubüber­fäl­le, ohne dass der rechts­ex­tre­me Hinter­grund der Taten zunächst bekannt wurde (Quent, S. 15). Im Jahre 2011 töteten Mundlos und Böhnhardt sich nach einem Raubüber­fall und nach ihrer Entde­ckung durch die Polizei in einem Wohnmo­bil in Eisen­ach. Beate Zschäpe setzte darauf­hin die Zwickau­er Unter­grund­woh­nung des Trios in Brand und stelle sich vier Tage später den Behör­den (Schultz, S. 9).

Die Haupt­ver­hand­lung fand vor dem Staats­schutz­se­nat des Oberlan­des­ge­richts München (6. Straf­se­nat) unter Vorsitz von Richter Manfred Götzl statt und erstreck­te sich über einen Zeitraum von fünf Jahren mit 438 Verhand­lungs­ta­gen. Die Verhand­lung begann am 6. Mai 2013 und endete mit der mündli­chen Urteils­ver­kün­dung am 11. Juli 2018. Das schrift­li­che Urteil wurde am 21. April 2020 fertig­ge­stellt. Vor Gericht stand die Haupt­an­ge­klag­te Beate Zschäpe, die als einzi­ge Überle­ben­de angeklagt war. Mit angeklagt waren Ralf Wohlle­ben, Carsten Schult­ze, André Eminger sowie Holger Gerlach. Ihnen warf die Bundes­an­walt­schaft Handlun­gen zur Unter­stüt­zung der Verbre­chen des NSU vor. Die fünf Angeklag­ten wurden laut Aufzäh­lung im Urteil von insge­samt 33 Vertei­di­gern, freilich in unter­schied­li­cher Länge und Prozess­rol­le hinsicht­lich ihres Agierens (wozu wohl auch kurzzei­ti­ge Beiord­nun­gen gehör­ten), vertre­ten. 95 Neben­klä­ger mit 60 Anwäl­ten waren am Prozess betei­ligt, in dem mehr als 600 Zeugen sowie Sachver­stän­di­ge gehört wurden. Der Senat entschied während des Verfah­rens über 264 Beweis und 43 Befan­gen­heits­an­trä­ge. Letzte­re wurden allesamt abschlä­gig beschieden.

Beate Zschäpe legte Revisi­on gegen ihre Verur­tei­lung zum Bundes­ge­richts­hof ein. Ein Gleiches tat André Eminger und in seinem Fall auch die Bundes­an­walt­schaft. Nachdem der BGH die Revisi­on von Zschäpe im Wesent­li­chen (unter gering­fü­gi­ger Abände­rung des Schuld­spruchs) verwor­fen hatte, legte Zschäpe Verfas­sungs­be­schwer­de ein (siehe näher unten 8.).

Der gesam­te Prozess wurde von einer Reihe schwie­ri­ger Fragen und Proble­me geprägt. Es begann mit dem fehlge­schla­ge­nen Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren der Journa­lis­ten, in welches das BVerfG eingrei­fen und das OLG dazu veran­las­sen musste, nicht das sog. Windhund­ver­fah­ren („wer zuerst kommt“) anzuwen­den, sondern durch Los über die für Medien­ver­tre­ter im Gerichts­saal nicht ausrei­chend vorhan­de­nen Plätze zu entschei­den. Zu Beginn des Verfah­rens beantrag­te die Vertei­di­gung eine Tonband­auf­zeich­nung mit Verweis auf die Frank­fur­ter Auschwitz­pro­zes­se und die Straf­ver­fah­ren gegen die Mitglie­der der RAF, und dies schon aus histo­ri­schem Inter­es­se. Der Antrag wurde abgelehnt. Dassel­be geschah mit dem Antrag, die Haupt­ver­hand­lung in einen Neben­raum zu übertra­gen (Fried­rich­sen, Prozess, S. 21 ff.).
Die Vertei­di­gung von Zschäpe beantrag­te ferner am 3. Verhand­lungs­tag, die Haupt­ver­hand­lung in Bild und Ton, hilfs­wei­se allein akustisch aufzu­zeich­nen. Eine Neben­klä­ger­ver­tre­te­rin begehr­te ebenfalls eine Audio­auf­zeich­nung. Dem trat die Bundes­an­walt­schaft entge­gen; es sei gesetz­lich nicht vorge­se­hen. Die Zeugen sollten unbefan­gen aussa­gen, nicht einge­schüch­tert durch eine Drohku­lis­se. Eine andere Neben­klä­ger­ver­tre­te­rin wies auf die Aufzeich­nungs­pra­xis des Inter­na­tio­na­len Gerichts­ho­fes in Den Haag hin; die Vertei­di­gung von Carsten Schult­ze beton­te die Praxis des OLG Düssel­dorf, das Verhand­lun­gen aufzeich­ne (Ramels­ber­ger, Bd. I, S. 13). Alle Anträ­ge zur Aufzeich­nung der Haupt­ver­hand­lung wurden dennoch durch das Gericht abgelehnt.

Bevor die Plädoy­ers vorge­tra­gen wurden, hatte die Vertei­di­gung erneut beantragt, den Schluss­vor­trag der Bundes­an­walt­schaft akustisch aufzu­zeich­nen und die Daten­trä­ger an die Verfah­rens­be­tei­lig­ten auszu­hän­di­gen, zumin­dest aber zu gestat­ten, zur ausschließ­lich inter­nen Verwen­dung selbst aufzu­zeich­nen. Hilfs­wei­se wurde begehrt, die Bundes­an­walt­schaft zu ersuchen, ihre Manuskrip­te zu überlas­sen oder die Möglich­keit einzu­räu­men, Steno­ty­pis­ten hinzu­zu­zie­hen. Alle diese Anträ­ge schei­ter­ten. Der Vorsit­zen­de Götzl wies in seiner Begrün­dung auch das Argument der Vertei­di­gung zurück, die Angeklag­ten seien ohne Tonauf­nah­me nicht mehr verhand­lungs­fä­hig. Es genüge, wenn Angeklag­te ihre Inter­es­sen wahrneh­men könnten. Dies bedeu­te nicht, dass sie dies in jeder Hinsicht selbst­stän­dig und ohne Hilfe tun können müssten. Die Grenze müsse erst dort gezogen werden, wo die Entschei­dung über grund­le­gen­de Fragen der Vertei­di­gung nicht mehr möglich sei (https://www.nsu-watch.info/2017/07/protokoll-375-verhandlungstag-25-juli-2017/- zuletzt aufge­ru­fen: 13.4.2023).

Dass der inhalt­li­che Gang der Haupt­ver­hand­lung trotz der nicht vorhan­de­nen prozess­recht­li­chen Möglich­keit eines Inhalts­pro­to­kolls heute dennoch nachver­folgt werden kann, ist den Mitschrif­ten von Journa­lis­ten und Prozess­be­ob­ach­tern zu verdan­ken. So liegt die fünfbän­di­ge Ausga­be „Der NSU-Prozess – Das Proto­koll“ vor. Dabei handelt es sich um die Veröf­fent­li­chung der akribi­schen Mitschrif­ten des Ablaufs der einzel­nen Verhand­lungs­ta­ge durch die Journa­lis­tin­nen und Journa­lis­ten Annet­te Ramels­ber­ger, Wiebke Ramm, Tanjev Schultz und Rainer Stadler. Ferner sind die detail­lier­ten Proto­kol­le der einzel­nen Verhand­lungs­ta­ge durch die Betrei­ber der Platt­form NSU-Watch dokumen­tiert. In kompri­mier­ter Form gibt über den Prozess­ver­lauf Gisela Fried­rich­sen mit ihrem Buch „Der Prozess. Der Staat gegen Beate Zschäpe u.a.“ Aufschluss. Als eine Lehre aus dem NSU-Prozess hat der Gesetz­ge­ber 2017 mit der Neuein­fü­gung von § 169 Abs. 2 Gerichts­ver­fas­sungs­ge­setz (GVG) eine Rechts­grund­la­ge für die Tonauf­nah­me von Gerichts­ver­hand­lun­gen geschaf­fen. Diese können nun zu wissen­schaft­li­chen und histo­ri­schen Zwecken vom Gericht zugelas­sen werden, wenn es sich um ein Verfah­ren von heraus­ra­gen­der zeitge­schicht­li­cher Bedeu­tung für die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land handelt.
Am 22.11.2022 legte das Bundes­mi­nis­te­ri­um der Justiz zudem den Referen­ten­ent­wurf eines
„Haupt­ver­hand­lungs­do­ku­men­ta­ti­ons­ge­set­zes“ vor. Danach sollen die Länder die Aufzeich­nung der Haupt­ver­hand­lun­gen vor Land- und Oberlan­des­ge­rich­ten in Bild und Ton zunächst freiwil­lig und schritt­wei­se einfüh­ren können, bevor dies ab dem 1. Januar 2030 bundes­weit verbind­lich gelten soll (Kaufmann; siehe dazu näher unten 9.).

In dem am 11. Juli 2018 verkün­de­ten Urteil wurde Zschäpe u.a. als Mittä­te­rin der Morde, Anschlä­ge und Raubüber­fäl­le sowie wegen Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung zu einer lebens­lan­gen Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld verur­teilt. Die Angeklag­ten Eminger und Gerlach wurden der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung schul­dig gespro­chen; Eminger erhielt eine Freiheits­stra­fe von zwei Jahren und sechs Monaten, Gerlach eine solche von drei Jahren. Die Angeklag­ten Wohlle­ben und Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zu mehre­ren Fällen des Mordes verur­teilt, der Angeklag­te Wohlle­ben zu einer Freiheits­stra­fe von zehn Jahren, der Angeklag­te Schult­ze zu einer Jugend­stra­fe von drei Jahren (siehe näher unten 7.).

2. Perso­nen
a) Die Angeklagten
Beate Zschäpe wurde am 2. Januar 1975 in Jena nicht­ehe­lich geboren. Ihre Mutter hatte den Kindes­va­ter im Rahmen eines Aufent­halts in Rumäni­en kennen­ge­lernt. Der Vater erkann­te die Vater­schaft indes­sen nie an und hatte bis zu seinem Tod keinen Kontakt zur Tochter. Beate Zschäpe wurde zunächst von den Großel­tern mütter­li­cher­seits in Jena betreut, da die Mutter bis Mitte 1975 ihr Studi­um in Rumäni­en fortsetz­te. Danach lebte sie zum Teil zusam­men mit ihrer Mutter und deren wechseln­den Partnern, wurde mit ihrem dritten Lebens­jahr aber wieder von den Großel­tern betreut. Ledig­lich die Wochen­en­den verbrach­te sie bei ihrer Mutter und deren damali­gem Ehemann. Von 1979 bis 1996 lebten die Mutter und Beate Zschäpe gemein­sam in Jena. Ihre letzte Wohnung wurde 1996 zwangs­ge­räumt, weil die Mutter die Miete nicht mehr bezahl­te. Übergangs­wei­se wohnte Beate Zschäpe zunächst wieder bei ihrer Großmutter und zog dann im Herbst 1996 in die Wohnung der Familie ihres damali­gen Freun­des Uwe Böhnhardt. Von Januar 1997 an lebte sie in ihrer ersten eigenen Wohnung in Jena, die sie bis zur Flucht im Januar 1998 nutzte.
Beate Zschäpe verfügt über einen schuli­schen Abschluss der 10. Klasse. Danach konnte sie jedoch keinen Ausbil­dungs­platz in ihrem Wunsch­be­ruf Kinder­gärt­ne­rin finden. Sie arbei­te­te einige Monate als Maler­ge­hil­fin und begann danach eine Ausbil­dung zur Gärtne­rin für den Gemüse­an­bau. Trotz dieser Fachrich­tung der Ausbil­dung hoffte sie, sie könne sich in dem Lehrbe­ruf kreativ, im Sinne einer künst­le­risch-floris­ti­schen Tätig­keit, mit Blumen betäti­gen. Dies war aber zu ihrer Enttäu­schung in der Praxis nicht der Fall, weil sie entspre­chend der Fachrich­tung Gemüse­an­bau haupt­säch­lich mit Feldar­beit und Arbei­ten im Gewächs­haus betraut wurde. Die Ausbil­dung schloss sie 1995 mit einem “befrie­di­gen­den” Ergeb­nis ab. Eine Arbeits­stel­le in ihrem erlern­ten Beruf fand sie freilich nicht, sondern war ein Jahr lang im Rahmen einer ABM-Maßnah­me erneut als Malerhel­fe­rin tätig. In der gesam­ten Phase der Flucht (1998–2011) ging sie keiner entgelt­li­chen Tätig­keit mehr nach.
Im Alter von etwa 15 Jahren lernte Beate Zschäpe ihren ersten Freund kennen, der von Diebstäh­len lebte, an denen sie sich betei­lig­te. Nach der Trennung von diesem Freund ging sie eine Bezie­hung mit Uwe Mundlos ein, den sie schon länger aus der „Clique“ in ihrem Wohnge­biet kannte. An ihrem 19. Geburts­tag lernte sie Uwe Böhnhardt kennen und verlieb­te sich in ihn. Von Uwe Mundlos, der 1994 zur Bundes­wehr ging, trenn­te sie sich, blieb ihm aber freund­schaft­lich verbun­den. Die Bezie­hung mit Uwe Böhnhardt bestand bis zu seinem Tod.
Das Verhält­nis von Beate Zschäpe zu ihrer Mutter verschlech­ter­te sich aufgrund von deren persön­li­chen Proble­men zuneh­mend. Die Mutter hatte ihren Arbeits­platz verlo­ren und verhielt sich zuneh­mend passiv. Zudem steiger­te sie ihren Alkohol­kon­sum auf ein proble­ma­ti­sches Niveau. Mit dem neuen Partner der Mutter, mit dem diese aber nicht zusam­men­leb­te, verstand sich Beate Zschäpe nicht. Dazu kam noch der Umstand, dass sie mit ihrer eigenen beruf­li­chen Situa­ti­on höchst unzufrie­den war. Der endgül­ti­ge Bruch mit der Mutter erfolg­te nach der Zwangs­räu­mung der Wohnung. Zur Großmutter hinge­gen behielt Beate Zschäpe bis zu ihrer Flucht ein sehr gutes und inniges Verhält­nis. Im Zeitraum der Flucht von Januar 1998 bis Novem­ber 2011 bestand aber weder ein persön­li­cher noch ein sonsti­ger Kontakt von Beate Zschäpe zu Mutter und Großmutter. Beate Zschäpe wurde am 8. Novem­ber 2011 vorläu­fig festge­nom­men und befand sich danach während des gesam­ten Verfah­rens in Unter­su­chungs­haft. Sie war bislang nicht vorbestraft.

Der Angeklag­te André Eminger wurde am 1. August 1979 in Erlabrunn in Thürin­gen geboren. Er ist verhei­ra­tet und hat mit seiner Ehefrau drei gemein­sa­me Kinder. Eminger hat noch einen älteren Bruder sowie eine Schwes­ter und verbrach­te seine Kindheit in Johann­ge­or­gen­stadt. 2005 zog er nach Zwickau, wo er bis zu seiner Festnah­me im Novem­ber 2011 lebte. Eminger besuch­te die zehnklas­si­ge allge­mein­bil­den­de polytech­ni­sche Oberschu­le in Johann­ge­or­gen­stadt und danach dort das Gymna­si­um, welches er wegen ungenü­gen­der Leistun­gen verlas­sen musste. Er erlang­te die Mittle­re Reife und schloss nach Beendi­gung der Schul­zeit eine Maurer­leh­re erfolg­reich ab. Die folgen­den Jahre waren geprägt von der Tätig­keit als Maurer und der Ableis­tung des Grund­wehr­diens­tes, aber auch von Arbeits­lo­sig­keit. Danach führte er eine erfolg­rei­che Umschu­lungs­maß­nah­me zum Fachin­for­ma­ti­ker durch, wurde erneut arbeits­los, quali­fi­zier­te sich jedoch zum Berufs­kraft­fah­rer und fand schließ­lich Anstel­lun­gen als Fernver­kehrs­fah­rer bei verschie­de­nen Spedi­tio­nen. In der Folge machte er sich selbstän­dig und melde­te in Zwickau ein Gewer­be an, das verschie­de­ne Tätig­kei­ten umfass­te, vom Handels­ver­tre­ter bis zum Veran­stal­tungs­ser­vice. Dieses Gewer­be melde­te er kurze Zeit später wieder ab und war erneut als Berufs­kraft­fah­rer beschäf­tigt, um danach ein ähnli­ches Gewer­be anzumel­den, das er schon ausge­übt hatte. Nach einem Arbeits­un­fall wurde Eminger arbeits­los. Das war er auch noch bei seiner Verhaf­tung am 4. Novem­ber 2011. Der Haftbe­fehl des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 23. Novem­ber 2011 wurde am 14. Juni 2012 aufge­ho­ben. Am 372. Sitzungs­tag, dem 12. Septem­ber 2017, ordne­te der Straf­se­nat jedoch erneut die Unter­su­chungs­haft an, die sofort vollzo­gen wurde. Eminger befand sich sodann bis zur Urteils­ver­kün­dung am 11. Juli 2018 in Unter­su­chungs­haft. Mit der Urteils­ver­kün­dung wurde der Haftbe­fehl aufge­ho­ben. Eminger war bis dahin unbestraft gewesen.

Holger Gerlach wurde am 14. Mai 1974 in Jena geboren. Er ist ledig, lebt aber seit 2007 in einer stabi­len Partner­schaft. Seine Mutter war allein­er­zie­hend. Gerlach hat zwei ältere Geschwis­ter. Zu seinem Vater bestand keine Bezie­hung, weil dieser die Kinder nicht gewollt hatte. Der Vater beging in den neunzi­ger Jahren Suizid. Der Stief­va­ter verstarb 1986 auf Grund eines Herzinfarkts.
Gerlach besuch­te die allge­mein­bil­den­de polytech­ni­sche Oberschu­le, von der er wegen groben Fehlver­hal­tens verwie­sen wurde. Danach absol­vier­te er eine Lehre zum Zerspa­nungs­me­cha­ni­ker, wurde aber nach der Ausbil­dung sogleich arbeits­los. Durch eine Arbeits­be­schaf­fungs­maß­nah­me war er in der Jugend­werk­statt Jena als Maler tätig, erziel­te aber 1997 den Abschluss als Quali­täts­fach­mann. Wegen höherer Chancen, Arbeit zu finden, zogen er und seine Mutter zum älteren Bruder von Gerlach nach Hanno­ver. Dort war Gerlach 15 Jahre Lagerist und später bei dieser Tätig­keit Schicht­füh­rer und Betriebs­rats­mit­glied. Wegen einer Spiel­sucht befand er sich in thera­peu­ti­scher Behand­lung. Er war ebenfalls nicht vorbestraft.
Gerlach wurde am 13. Novem­ber 2011 vorläu­fig festge­nom­men und verblieb aufgrund eines Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH bis zum 25. Mai 2012 in Untersuchungshaft.

Ralf Wohlle­ben wurde am 27. Febru­ar 1975 geboren. Er wuchs mit einer jünge­ren Schwes­ter in der elter­li­chen Familie in Jena auf. Das Verhält­nis zu seinen Eltern war unpro­ble­ma­tisch, wobei er die Erzie­hung durch sie als streng empfand. Von 1981 bis 1991 besuch­te er die Schule, die er mit dem quali­fi­zier­ten Haupt­schul­ab­schluss abschloss. 1991/92 absol­vier­te er ein Berufs­vor­be­rei­tungs­jahr im Bereich Holzver­ar­bei­tung in Jena. Zuhau­se gehör­te Hausar­rest bei Zuspät­kom­men zu den üblichen Strafen. Im Jahr 1992 riss der Angeklag­te deswe­gen aus. Er fuhr mit mehre­ren Perso­nen aus seiner Jugend­cli­que mit dem Zug nach Gera, wo sie zwei Autos entwen­de­ten und zurück nach Jena fuhren. Als die Polizei sie stellen wollte, gelang ihnen die Flucht. Sie fuhren nach Öster­reich und wurden dort von der Polizei aufge­grif­fen. Wohlle­ben kam in ein Jugend­heim in Gera und erhielt dort eine Tisch­ler­aus­bil­dung. Mit Einver­ständ­nis seiner Eltern und des Jugend­amts blieb er dort bis 1993. Anschlie­ßend wohnte er wieder bei seinen Eltern in Jena. Eine Ausbil­dung zum Verkäu­fer brach er 1994 nach weniger als einem halben Jahr ab. Danach arbei­te­te er als Gebäu­de­rei­ni­ger in Jena und im Jahr 1995 in einer Drucke­rei. Von 1996 bis 1998 erhielt Wohlle­ben eine Ausbil­dung zum Handels­fach­pa­cker. Ab April 1999 war er als Verkaufs­be­ra­ter bei einem Möbel­fach­markt beschäf­tigt. In der Folge­zeit entwi­ckel­te er ein Inter­es­se für Compu­ter und EDV und begann im August 2001 eine Umschu­lung zum Fachin­for­ma­ti­ker, die er 2003 erfolg­reich abschloss. Danach war er bis 2007 arbeits­los. Während dieser Zeit absol­vier­te er mehre­re Weiter­bil­dungs­maß­nah­men. Seit 1. Oktober 2007 bis zu seiner Verhaf­tung 2011 arbei­te­te er als Feinelektroniker.
Im Jahre 2002 lernte Wohlle­ben seine späte­re Frau kennen, die er 2005 heira­te­te. Das Ehepaar lebte in Jena und hat zwei gemein­sa­me Töchter, die in den Jahren 2004 und 2006 geboren wurden. Ralf Wohlle­ben ist nicht vorbe­straft; auf Grund des Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 28. Novem­ber 2011 befand er sich während des gesam­ten Verfah­rens in Untersuchungshaft.

Carsten Schult­ze wurde am 6. Febru­ar 1980 in Neu-Delhi geboren, wo sein Vater für den VEB Carl-Zeiss-Jena tätig war. Aufgrund einer Psycho­se und schwe­rer Depres­si­on der Mutter musste die Familie in die DDR zurück­keh­ren. Seinen Vater nahm Schult­ze als sehr streng wahr. Schult­ze beende­te 1996 die Schule mit der mittle­ren Reife. In Sprin­ge (Landkreis Hanno­ver) begann er eine Lehre als Kondi­tor, wurde aber nach drei Monaten von den Eltern gegen seinen Willen zurück nach Thürin­gen geholt. Der Vater hatte für die Homose­xua­li­tät seines Sohnes keiner­lei Verständ­nis. Schult­ze wurde auch in der Schule von Mitschü­lern gemobbt. Es folgte eine Ausbil­dung zum Kfz-Lackie­rer. Im Sommer 2000, noch in Jena, hatte Carsten Schult­ze sein Coming-out. Er holte das Fachab­itur nach und ging 2003 nach Düssel­dorf, um Sozial­päd­ago­gik zu studie­ren. 2007 erhielt er sein Diplom. Bis zu seiner Verhaf­tung arbei­te­te Schult­ze in Düssel­dorf bei der Aidshil­fe und in einem schwul-lesbi­schen Jugendprojekt.
Während seiner Ausbil­dung in Jena fand er mehr und mehr Anschluss in der rechten Szene und lernte dabei auch Ralf Wohlle­ben kennen. 1999 wurde er stell­ver­tre­ten­der Vorsit­zen­der des NPD-Kreis­ver­ban­des Jena unter Wohlle­ben, 2000 stell­ver­tre­ten­der Bundes­ge­schäfts­füh­rer der Jugend­or­ga­ni­sa­ti­on der NPD (JN) und kurz darauf stell­ver­tre­ten­der JN-Vorsit­zen­der in Thürin­gen. Im Septem­ber 2000 stieg Schult­ze wegen seiner homose­xu­el­len Veran­la­gung aus der rechten Szene aus und legte alle Ämter nieder.
Carsten Schult­ze ist nicht vorbe­straft. Er befand sich auf Grund des Haftbe­fehls des Ermitt­lungs­rich­ters des BGH vom 31. Januar 2012 bis zu dessen Aufhe­bung am 29. Mai 2012 in Untersuchungshaft.

b) Die Verteidiger
An dem Prozess wirkten laut Urteil 33 Straf­ver­tei­di­ger und zwei Straf­ver­tei­di­ge­rin­nen mit. Eine große Zahl davon ist aber offen­sicht­lich nur in sehr gerin­gem Umfang tätig gewor­den und wieder ausge­schie­den (siehe schon oben 1.). Übrig bleiben wohl 14 Straf­ver­tei­di­ge­rin­nen und Straf­ver­tei­di­ger, die als die eigent­li­chen Akteu­re der Straf­ver­tei­di­gung angese­hen werden können.

Die Angeklag­te Zschäpe wurde zunächst von den Rechts­an­wäl­ten Wolfgang Heer (Köln) und Wolfgang Stahl (Koblenz) sowie von Rechts­an­wäl­tin Anja Sturm (Berlin, dann Köln) vertei­digt. Später kamen die Anwäl­te Mathi­as Grasel und Hermann Borchert (beide München) hinzu. Die Vertei­di­gung von André Eminger oblag den Rechts­an­wäl­ten Micha­el Kaiser und Herbert Hedrich (beide Berlin), kurzzei­tig auch den Rechts­an­wäl­ten Daniel Spraf­ke (Karls­ru­he) und Björn Clemens (Düssel­dorf). Die Rechts­an­wäl­te Nicole Schnei­ders (Reutlin­gen) und Olaf Klemke (Cottbus) vertei­dig­ten den Angeklag­ten Wohlle­ben, später wurde dieses Duo durch Rechts­an­walt Wolfram Nahrath (Berlin) ergänzt. Der Angeklag­te Carsten Schult­ze wurde von Rechts­an­walt Jacob Hösl (Köln) und von Rechts­an­walt Johan­nes Pausch (Düssel­dorf) vertei­digt, der Angeklag­te Gerlach von den Rechts­an­wäl­ten Stefan Hachmeis­ter und Pajam Rokni-Yazdi (beide Hannover).

Mit Ausnah­me von Rechts­walt Borchert (für Zschäpe) waren alle Genann­ten Pflicht­ver­tei­di­ger. Wahlver­tei­di­ger waren ferner kurzzei­tig die Rechts­an­wäl­te Daniel Spraf­ke sowie Björn Clemens, denen der Senat die Pflicht­ver­tei­di­gung neben den bereits bestell­ten Vertei­di­gern Emingers verweigerte.

c) Das Gericht
Der Prozess fand vor dem 6. Straf­se­nat (dem Staats­schutz­se­nat) des Oberlan­des­ge­richts München unter Vorsitz des Richters Manfred Götzl statt. Zur Beset­zung des Senats gehör­ten weiter die Richter am Oberlan­des­ge­richt Peter Lang und Konstan­tin Kuchen­bau­er sowie die Richte­rin­nen am Oberlan­des­ge­richt Michae­le Oders­ky und Dr. Renate Fischer, ferner die zwei Ergän­zungs­rich­ter Peter Prechsl und Axel Kramer sowie die Ergän­zungs­rich­te­rin Gabrie­le Feistkorn.

Dieses Gericht in München war zustän­dig, weil der Prozess in einem der Bundes­län­der statt­fin­den musste, in denen die Taten des NSU began­gen wurden. In Bayern hatte der NSU fünf der insge­samt zehn Morde verübt. Da die Ankla­ge u.a. wegen § 129 a StGB (Bildung terro­ris­ti­scher Verei­ni­gun­gen) erhoben worden war, musste der Prozess an einem Staats­schutz­se­nat statt­fin­den, den es in Bayern allein in München gibt (Greif/Schmidt, 154, Fn. 542).

d) Die Staatsanwaltschaft
Die Ankla­ge war durch den General­bun­des­an­walt (GBA) erhoben worden. Im Prozess wurde sie vertre­ten durch Bundes­an­walt Herbert Diemer, Oberstaats­an­wäl­tin Anette Greger, Oberstaats­an­walt Jochen Weingar­ten sowie Staats­an­walt Stefan Schmidt. Aufgrund der Ankla­ge­er­he­bung beim Staats­schutz­se­nat des OLG München übte der GBA im Wege der „Organ­lei­he“ (Art. 96 Abs. 5 GG) Bundes­ge­richts­bar­keit aus (§ 120 Abs. 6 GVG).

3. Zeitge­schicht­li­che Einord­nung mit Vorgeschichte
Der Straf­pro­zess gegen Beate Zschäpe und die angeklag­ten Unter­stüt­zer der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung steht für die Bemühun­gen des Staates, Rechts­ter­ro­ris­mus mit den Mitteln des Straf­rechts zu begeg­nen (nachfol­gend Arnold, FS Sanci­net­ti, 37).

Rassis­mus und Rechts­ra­di­ka­lis­mus, wozu auch Rechts­ter­ro­ris­mus gehört, sind in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land verbrei­te­te und im Erstar­ken begrif­fe­ne gesell­schaft­li­che Phäno­me­ne. Für die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land herrscht keine Einig­keit darüber, ob in den Jahren von 1990 bis 2015 insge­samt 75 oder 184 Menschen Todes­op­fer von rechter Gewalt gewor­den sind. Zwischen den Jahren 2015 und 2018 sind nach einer Statis­tik weite­re 194 Todes­op­fer rechter Gewalt zu bekla­gen gewesen. Einge­schätzt wird, dass die tödli­che Gewalt aus der rechts­ex­tre­men Bewegung in den aller­meis­ten Fällen vigilan­tis­ti­scher Natur ist, d.h. sich gegen Vertre­ter sozial konstru­ier­ter Minder­hei­ten­grup­pen richten, wobei die Gewalt­tä­ter darauf zählen dürfen, mit ihren Taten auf Verständ­nis, Bestä­ti­gung oder Unter­stüt­zung in ihrer Bezugs­grup­pe zu stoßen.

Mittler­wei­le ist mit der Alter­na­ti­ve für Deutsch­land (AfD) eine Partei des autori­tä­ren Natio­nal­ra­di­ka­lis­mus entstan­den, die eine Einstel­lung gruppen­be­zo­ge­ner Menschen­feind­lich­keit an den Tag legt. Diese Partei ist sowohl im Deutschen Bundes­tag als auch in allen Landes­par­la­men­ten vertre­ten. Zu Recht wird sie in einen rechts­ra­di­ka­len Kontext gerückt. Vor solchem Hinter­grund müssen auch neuere rechts­ter­ro­ris­ti­sche Sympto­me gesehen werden, wie die Ermor­dung des Kasse­ler Regie­rungs­prä­si­den­ten Lübcke und der antise­mi­ti­sche Anschlag auf die Synago­ge in Halle.

Rechts­ex­tre­me Gewalt und Auslän­der­hass fanden bereits in den 1990er Jahren einen Höhepunkt in Brand­an­schlä­gen auf Migran­ten in Rostock, Hoyers­wer­da, Solin­gen und Mölln. Oftmals wurden die Verbre­chen – die zu Recht als Pogro­me bezeich­net werden – von Seiten der einhei­mi­schen Bevöl­ke­rung unter­stützt. Von der Rechts­ex­tre­mis­mus­for­schung wird einge­schätzt, dass tätli­che Angrif­fe auf Minder­hei­ten oder angeb­li­che politi­sche Gegner in Deutsch­land heute alltäg­lich seien. Diese Hasskri­mi­na­li­tät, die sich aufgrund einer spezi­fi­schen Gruppen­zu­ge­hö­rig­keit gegen Perso­nen richte, sei Norma­li­tät und der eigent­li­che Skandal.

In solchen gesell­schaft­li­chen Trends hatte der NSU-Prozess die beson­de­re Bedeu­tung zu zeigen, dass die Justiz mit den Mitteln rechts­straf­recht­li­chen Straf­rechts und Straf­pro­zess­rechts konse­quent gegen Rechts­ter­ro­ris­mus vorgeht und dabei auch die Inter­es­sen der Opfer berück­sich­tigt, die vor allem in der vollstän­di­gen Aufklä­rung des verbre­che­ri­schen Tatge­sche­hens des NSU und ihres Netzwer­kes bestand.

Es wird jedoch darüber gestrit­ten, ob und inwie­fern das gelun­gen ist. Insbe­son­de­re die überle­ben­den Opfer und die Hinter­blie­be­nen der Ermor­de­ten fühlen sich in jenen Erwar­tun­gen enttäuscht, die gerade (die frühe­re) Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel erzeug­te, indem sie vor Beginn des Prozes­ses eine volle Aufklä­rung der NSU-Verbre­chen verspro­chen hatte. In Wirklich­keit ließ das Gerichts­ver­fah­ren viele Fragen offen, insbe­son­de­re im Hinblick auf die Rolle des Verfas­sungs­schut­zes sowohl bei der Gründung des NSU als auch bei der Planung und Ausfüh­rung der Verbre­chen, ferner, ob es sich bei dem NSU tatsäch­lich allein um ein Trio handel­te oder nicht vielmehr um ein viel weiter verzweig­tes Netzwerk. In der Kritik steht zudem die ursprüng­li­che Ermitt­lungs­tä­tig­keit von Polizei und Staats­an­walt­schaft. Sie legte ihren Fokus auf die Hypothe­se, die Taten müssten in einem Zusam­men­hang mit der türki­schen Mafia stehen bzw. auf Revier­kämp­fe im Rausch­gift­mi­lieu zurück­ge­hen (Ramels­ber­ger u.a., VII). Verdäch­tigt und gleich­sam diskri­mi­niert wurden damit auch die engsten Famili­en­an­ge­hö­ri­gen der Opfer. Die einge­setz­ten Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se, die sich teilwei­se paral­lel zu dem Gerichts­ver­fah­ren um Aufklä­rung bemüh­ten, brach­ten etwas mehr Licht ins Dunkel, ohne erschöp­fen­de Antwor­ten zu finden (siehe näher unten 10.).

Gleich­wohl klärte der Straf­pro­zess gegen Beate Zschäpe und die anderen Angeklag­ten wichti­ge Tatsa­chen nicht zuletzt des Vorge­sche­hens der Verbre­chen auf, die Ansatz­punk­te für Schluss­fol­ge­run­gen auf das gesell­schaft­li­che Umfeld des NSU und damit zugleich für präven­ti­ve Folge­run­gen erlauben.

Vor den Verbre­chen hatte die Gruppe des NSU ihren Lebens­mit­tel­punkt in Jena. Auch die Mitan­ge­klag­ten lebten und stammen zum Teil aus Thürin­gen. Zschäpe, Mundlos, Böhnhardt und die Angeklag­ten Wohlle­ben und Gerlach gehör­ten Anfang bis Mitte der 1990er Jahre zu der sich entwi­ckeln­den Gruppie­rung „Kamerad­schaft Jena“, die politisch motivier­te Aktio­nen durch­führ­te. Alle ca. 20 Gruppen­mit­glie­der identi­fi­zier­ten sich mit auslän­der­feind­li­chen, antise­mi­ti­schen und staats­feind­li­chen politi­schen Inhal­ten. Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos waren jene Angehö­ri­gen der Gruppe, die Anfang des Jahres 1996 beschlos­sen, zukünf­tig ihrer Gesin­nung auch mit Gewalt Ausdruck zu verleihen.

Zunächst handel­te es sich dabei um reine Propa­gan­da­ak­tio­nen mit Bomben­at­trap­pen ohne Spreng­stoff. Dazu gehör­ten mit unter­schied­li­cher Betei­li­gung von Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos und Wohlle­ben Herstel­lung und öffent­li­ches Aufhän­gen einer Puppe mit sogenann­tem „Juden­stern“, Verschi­ckung von Bomben­at­trap­pen mit anony­men Drohbrie­fen, auf denen sich Haken­kreu­ze und Sigru­nen befan­den, an Polizei und andere öffent­li­che Einrich­tun­gen, um dort Angst und Schre­cken zu verbrei­ten. In sukzes­si­ver Radika­li­sie­rung versuch­ten sie, sich funkti­ons­fä­hi­ge Bomben zu verschaf­fen, und, als das misslang, Bomben und Zündvor­rich­tun­gen selbst herzu­stel­len. Auch diese Bemühun­gen blieben erfolg­los. Im Januar 1998 wurde die vom NSU als Bomben­werk­statt genutz­te Garage von den Ermitt­lungs­be­hör­den durch­sucht. Darauf­hin entzog sich das Trio den weite­ren Ermitt­lun­gen durch Flucht und Abtau­chen in den Unter­grund, wozu Wohlle­ben Hilfe leiste­te. Wohlle­ben, Gerlach und Schult­ze standen mit Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos während deren Alltags­le­ben im Unter­grund in Kontakt und unter­stüt­zen sie auf verschie­de­ne Weise. Die drei Geflüch­te­ten wohnten in verschie­de­nen Unter­künf­ten und kamen auch mit Eminger in Kontakt.

Im weite­ren Verlauf ihres Lebens im Unter­grund beschlos­sen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt, aus ihrer natio­nal­so­zia­lis­tisch-rassis­ti­schen Grund­hal­tung heraus, Tötungs­de­lik­te zu begehen. Als Opfer sollten Menschen mit südlän­di­schen – insbe­son­de­re türki­schen – Wurzeln ausge­wählt werden, ferner Vertre­ter staat­li­cher Insti­tu­tio­nen wie beispiels­wei­se Polizei­be­am­te. Es sollte sich um belie­bi­ge zufäl­li­ge Opfer handeln. Zur Siche­rung ihres Lebens­un­ter­hal­tes verstän­dig­ten Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sich zudem auf die Begehung von Raubüber­fäl­len. Die eigent­li­che Tataus­füh­rung sollte arbeits­tei­lig erfol­gen. Mundlos und Böhnhardt wollten die Taten unmit­tel­bar durch­füh­ren. Zschäpe sollte sie absichern, indem sie „die Stellung“ in der gemein­sa­men Wohnung als Ausgangs- und Rückzugs­punkt für Böhnhardt und Mundlos (räumli­cher Fixpunkt) hielt, zugleich aber die Abwesen­heits­zei­ten der Tataus­füh­ren­den gegen­über dem Umfeld legen­dier­te, um eine siche­re Rückzugs­mög­lich­keit zu schaf­fen und zu erhal­ten. Sie verein­bar­ten ferner, zum Zwecke einer späte­ren Veröf­fent­li­chung ein glaub­haf­tes Dokument zu erstel­len, „indem sie – unter Wahrung ihrer Anony­mi­tät als Mitglie­der – die Existenz ihrer erfolg­reich agieren­den rechts­ex­tre­mis­ti­schen Verei­ni­gung darstell­ten, die sich aller began­ge­nen Anschlags­ta­ten bezich­tig­te“ (Urteil, S. 73). Für den Fall drohen­der Festnah­me beschlos­sen Böhnhardt und Mundlos, sich zu töten. Das Trio kam überein, dass in diesem Fall Zschäpe das Beken­ner­do­ku­ment in Umlauf bringen und Beweis­mit­tel zerstö­ren sollte.

Ab Mitte Dezem­ber 1998 began­nen sie ihren Plan zunächst durch Raubüber­fäl­le umzuset­zen. Danach erfolg­ten die zehn Morde sowie weite­re Anschlä­ge, bei denen Opfer schwer verletzt wurden. Zwischen­zeit­lich fanden erneut Raubüber­fäl­le statt. Ein Teil der Verbre­chen wurde in mehre­ren von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe gefer­tig­ten Beken­ner­vi­de­os dokumentiert.

Nach einem Überfall durch Böhnhardt und Mundlos auf eine Sparkas­se in Eisen­ach am 4. Novem­ber 2011 mussten beide damit rechnen, von der Polizei gefasst und enttarnt zu werden. Zwei Polizis­ten hatten das Wohnmo­bil, das ihnen als Fahrzeug zu den jewei­li­gen Orten der Verbre­chen diente, entdeckt, was sie bei ihrer Rückkehr nach dem Raubüber­fall auf die Sparkas­se bemerk­ten. Der Versuch, sich durch Schuss­waf­fen­an­wen­dung der Verhaf­tung zu entzie­hen, schlug fehl. Darauf­hin setzten sie das Wohnmo­bil in Brand, um alle dort vorhan­de­nen Beweis­mit­tel zu vernich­ten, und erschos­sen sich.

Zschäpe, die in der Wohnung zurück­ge­blie­ben war, erfuhr davon durch den Rundfunk. Wie für diesen Fall verein­bart, setzte sie die gemein­sam als Ausgangs- und Flucht­punkt für die Verbre­chen genutz­te Wohnung in Brand, um Beweis­mit­tel zu vernich­ten. Sie begab sich auf die Flucht und schick­te die Beken­ner­vi­de­os an politi­sche, religiö­se und kultu­rel­le Einrich­tun­gen sowie an Presse­un­ter­neh­men, um die von der Organi­sa­ti­on „NSU“ began­ge­nen Morde und Spreng­stoff­an­schlä­ge mit der bespro­che­nen Zielset­zung ohne Offen­le­gung ihrer eigenen Identi­tät der Öffent­lich­keit bekanntzumachen.

Zschäpe reiste in den nächs­ten Tagen mit dem Zug in mehre­re Städte Deutsch­lands und stell­te sich am 8. Novem­ber 2011 in Beglei­tung ihres Vertei­di­gers der Polizei.

4. Die Anklage
Die Bundes­an­walt­schaft erhob am 8. Novem­ber 2012 vor dem Staats­schutz­se­nat des Oberlan­des­ge­richts München Ankla­ge gegen Beate Zschäpe als mutmaß­li­ches Mitglied der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung „Natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Unter­grund (NSU)“ sowie gegen die vier mutmaß­li­chen Unter­stüt­zer und Gehil­fen des „NSU“, Ralf Wohlle­ben, Carsten Schultz, Andre Eminger sowie Holger Gerlach.

Beate Zschäpe wurde vorge­wor­fen, sich als Gründungs­mit­glied des „NSU“ mittä­ter­schaft­lich an der Ermor­dung von acht Mitbür­gern türki­scher und einem Mitbür­ger griechi­scher Herkunft, dem Mord bzw. Mordver­such an zwei Polizei­be­am­ten in Heilbronn sowie an den versuch­ten Morden durch Spreng­stoff­an­schlä­ge des „NSU“ in der Kölner Altstadt und in Köln-Mühlheim betei­ligt zu haben. Darüber hinaus sollte sie als Mittä­te­rin für 15 bewaff­ne­te Raubüber­fäl­le verant­wort­lich sein. Ferner wurde ihr zur Last gelegt, die Unter­kunft in Zwickau in Brand gesetzt und sich dadurch wegen versuch­ten Mordes an einer Nachba­rin und zwei Handwer­kern sowie wegen beson­ders schwe­rer Brand­stif­tung straf­bar gemacht zu haben.

Ralf Wohlle­ben und Carsten Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zum Mord an den acht Mitbür­gern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund durch die Beschaf­fung der Tatwaf­fe Ceska 83 nebst Schall­dämp­fer angeklagt. Gegen­über André Eminger laute­te die Ankla­ge auf Beihil­fe zum versuch­ten Mord in Tatein­heit mit Beihil­fe zu einem Spreng­stoff­an­schlag des NSU sowie auf Beihil­fe zum Raub und Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU. Holger Gerlach wurde die Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU in drei Fällen vorgeworfen.

5. Die Verteidigung
5.1. Vertei­di­gungs­stra­te­gien
Die Vertei­di­gung war sehr hetero­gen und in jeder Hinsicht konflikt­reich. Im Wesent­li­chen lassen sich dazu zwei Ausrich­tun­gen erken­nen (die sich auch in den Plädoy­ers spiegeln, siehe unten 6. c). Die folgen­den Ausfüh­run­gen legen den Fokus auf die Vertei­di­gung von Beate Zschäpe und von Ralph Wohlle­ben, die sowohl die aktivs­te Vertei­di­ger­rol­le in der Haupt­ver­hand­lung einnah­men als auch sich in ihrem Vorge­hen stark vonein­an­der abhoben. Vorweg ist zu bemer­ken, dass ein Teil der für die Vertei­di­gungs­stra­te­gie bezeich­nen­den Anträ­ge unmit­tel­bar nach Eröff­nung der Haupt­ver­hand­lung und noch vor Verle­sung der Ankla­ge am ersten Verhand­lungs­tag gestellt wurde (siehe unten 5.1.a und 5.1.b), was prozess­recht­lich auch erfor­der­lich war. Im Grunde aber wurden sämtli­che Anträ­ge der Vertei­di­gung, die für ihre Vertei­di­gungs­stra­te­gie kennzeich­nend waren, durch den 6. Senat des OLG München abgelehnt.

Es ließe sich disku­tie­ren, ob es zwischen den Vertei­di­gungs­stra­te­gien im NSU-Prozess und der Vertei­di­gung in den RAF-Verfah­ren gewis­se Paral­le­len gibt. Solche sind jeden­falls nicht zu überse­hen (zur Vertei­di­gung in den RAF-Verfah­ren siehe u.a. Diewald-Kerkman­n/Hol­tey, S. 17–135; Honecker/Kaleck, S. 557–588; Groene­wold, in: Dreck­trah [Hrsg.], S. 105–138; Mehlich; Müller, in: Dreck­trah [Hrsg.], S. 95–103; Jeßberger/Schuchmann, Prozess), insbe­son­de­re weil etliche Vertei­di­gungs­ak­ti­vi­tä­ten in beiden großen histo­ri­schen Prozes­sen sich gegen gericht­li­che Beschrän­kun­gen der Vertei­di­gungs­aus­übung richte­ten. Zwar erfolg­ten derar­ti­ge Beschrän­kun­gen im RAF-Prozess in weit größe­rem Maße als im NSU-Prozess; sie setzten sich zudem in einer beson­ders restrik­ti­ven Gesetz­ge­bung im Gefol­ge der Ausübung der Vertei­di­gungs­rech­ten im RAF-Prozess fort. In etwas kleine­rem Rahmen kann man dies im NSU-Verfah­ren jedoch ebenfalls erken­nen. So zeugen die drei Reform­ge­set­ze zur StPO aus den Jahren 2017 bis 2021 von einer weite­ren Beschnei­dung von Beschul­dig­ten- und Vertei­di­ger­rech­ten, die sich zumin­dest auch auf die Erfah­run­gen im NSU-Prozess zurück­füh­ren lässt (und sich hier sogar auf die Neben­kla­ge­rech­te erstreck­te, siehe unten 10. a). Generell lässt sich festzu­stel­len, dass das Bestre­ben des Gerichts wie im RAF-Prozess auch im NSU-Prozess darauf bedacht war, das Verfah­ren nicht als ein politi­sches erschei­nen zu lassen, sondern als „norma­len“ Straf­pro­zess, wenn auch nicht als einen gewöhn­li­chen (siehe dazu unten 9.). Dies mag die restrik­ti­ve Haltung des Gerichts gegen­über den Vertei­di­gungs­ak­ti­vi­tä­ten jeden­falls mit zu erklären.

a) Verlet­zung des Grund­sat­zes des fairen Verfahrens
aa) Öffent­li­che Vorverurteilung
Angepran­gert wurde von der Vertei­di­gung Zschäpes wie auch von der Vertei­di­gung Wohlle­bens, dass diese Angeklag­ten bereits vorver­ur­teilt gewesen seien, bevor die Verhand­lung überhaupt begann. Öffent­li­ches vorver­ur­tei­len­des Vokabu­lar sei unmit­tel­bar in die Arbeit der Ermitt­ler einge­flos­sen. Die Worte „Terror­trio“ und „Mörder­ban­de“ (ohne „mutmaß­lich“ hinzu­zu­fü­gen), seien auch von Politi­kern vor dem Prozess öffent­lich geäußert wurden. Zschäpe sei von Beginn des Verfah­rens an zum Objekt degra­diert worden. Sie hätte als Mitglied einer „Mörder­ban­de“ von vornher­ein festge­stan­den; davon seien die gesam­ten Ermitt­lun­gen ausge­gan­gen, die nur noch nach Bewei­sen für diese Annah­me gesucht hätten.
Hieraus ergebe sich die Notwen­dig­keit, das Verfah­ren einzu­stel­len, da die öffent­li­che Vorver­ur­tei­lung ein nicht mehr beheb­ba­res Verfah­rens­hin­der­nis darstel­le. Von der Vertei­di­gung wurde dabei nicht thema­ti­siert, dass Vorver­ur­tei­lun­gen in Wirklich­keit bereits damit begon­nen hatten, als die Ermitt­lun­gen sich zunächst auf die familiä­ren Struk­tu­ren, also auf das türki­sche Umfeld der Opfer gerich­tet hatten und ein rassis­ti­scher, fremden­feind­li­cher und neona­zis­ti­scher Hinter­grund der Taten dabei nicht in den Blick geraten war. Dazu kam es erst weitaus später.

bb) Verwei­ger­te Akten­ein­sicht und Vorent­hal­tung von Akten
Die Vertei­di­gung beantrag­te, Akten von parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­sen in den Prozess ebenso einzu­be­zie­hen wie alle Akten der Landes­staats­an­walt­schaf­ten, die der General­bun­des­an­walt in seine Ermitt­lun­gen einbe­zo­gen hatte. In diesem Zusam­men­hang verlang­te die Vertei­di­gung Zschäpes ferner, Bundes­an­walt Diemer und Oberstaats­an­wäl­tin Greger als Sitzungs­ver­tre­ter abzulö­sen und sie durch andere Staats­an­wäl­te zu erset­zen, weil sie Akten nicht in erfor­der­li­cher Weise weiter­ge­lei­tet, nicht objek­tiv und fair agiert und sich vorein­ge­nom­men über Zschäpe geäußert hätten.
Verfah­rens­ak­ten zu verschie­de­nen V‑Leuten seien der Vertei­di­gung vorent­hal­ten wurden. Es seien sogar relevan­te Akten vernich­tet worden. Die Verfas­sungs­schutz­be­hör­den hätten die noch vorhan­de­nen Akten nur wider­wil­lig und unvoll­stän­dig heraus­ge­ge­ben. Dadurch sei der Straf­an­spruch des Staates verwirkt.
In diesem Zusam­men­hang bezog sich die Vertei­di­gung ferner auf die Verwick­lung des Geheim­diens­tes in die angeklag­ten Taten des NSU, was ein nicht beheb­ba­res Verfah­rens­hin­der­nis darstel­le, weshalb auch aus diesem Grund das Verfah­ren einzu­stel­len sei. Wegen der Vorent­hal­tung bzw. des Fehlens der Akten sei eine ordnungs­ge­mä­ße Beweis­auf­nah­me nicht mehr gewährleistet.

cc) Kritik an der Prozess­lei­tung des Vorsit­zen­den Götzl
Angegrif­fen wurde zunächst die „Sitzungs­po­li­zei­li­che Anord­nung des Vorsit­zen­den zur störungs­frei­en Abwick­lung der Haupt­ver­hand­lung“, insoweit sie die Vertei­di­gung betraf. Die Vertei­di­gung kriti­sier­te die darin angeord­ne­te Unter­su­chung der Vertei­di­ger beim Einlass, also die gericht­li­che Zugangs­kon­trol­le; sie stell­te die Frage, warum nur die Vertei­di­ger unter­sucht würden, nicht aber die Staats­an­wäl­te, Richter und Polizis­ten. Die Vertei­di­ger sahen hierin einen Eingriff in ihre verfas­sungs­recht­lich geschütz­ten Rechts­po­si­tio­nen und eine Diskri­mi­nie­rung. Zugleich trugen sie vor, dadurch werde Misstrau­en bei den Angeklag­ten gesät, ob die Vertei­di­gung überhaupt sachge­recht erfol­gen könne. Gegen den Vorsit­zen­den wurde deswe­gen ein Befan­gen­heits­an­trag gestellt, der jedoch zurück­ge­wie­sen wurde.

Kriti­siert wurde die Prozess­lei­tung des Vorsit­zen­den ferner deshalb, weil dieser die Neben­kla­ge stets vor der Vertei­di­gung zu Wort kommen ließ. Der Antrag, dem abzuhel­fen, blieb ebenfalls erfolglos.

b) Verlet­zung des Grund­sat­zes der Öffentlichkeit
Von der Vertei­di­gung wurde gefor­dert, das Akkre­di­tie­rungs­ver­fah­ren für Journa­lis­ten zu wieder­ho­len, da es Anhalts­punk­te gebe, dass auch das zweite Verfah­ren mangel­haft durch­ge­führt worden sei. Beklagt wurde in diesem Zusam­men­hang die fehlen­de Einsicht der Vertei­di­gung in die dazu vorhan­de­nen Unterlagen.

Die Vertei­di­gung kriti­sier­te zudem, der Sitzungs­saal sei zu klein, denn die Sicht von der Zuschau­er­tri­bü­ne sei begrenzt, das auf die Wand proji­zier­te Bild der Neben­klä­ger sei nur undeut­lich erkenn­bar, dagegen seien die Compu­ter und die Unter­la­gen der Vertei­di­ger von Zschäpe von der Richter­bank aus voll einseh­bar. Beantragt wurde deshalb die Haupt­ver­hand­lung in einen größe­ren Saal zu verle­gen und zu diesem Zweck die Haupt­ver­hand­lung auszu­set­zen. Zschäpes Vertei­di­gung forder­te zudem, die gesam­te Verhand­lung aufzeich­nen zu lassen, ein Antrag, der nach Verle­sung der Ankla­ge gestellt wurde (siehe oben 5.1.a).

c) Materi­ell­recht­li­che Verteidigung
Im Hinblick auf die Vorwür­fe der Ankla­ge waren Zschäpes Vertei­di­ger darauf bedacht, eine Mittä­ter­schaft an den Morden sowie die Mitglied­schaft in einer krimi­nel­len Verei­ni­gung in Abrede zu stellen. Darauf zielte ihr Agieren während der gesam­ten Beweis­auf­nah­me. Diese Feststel­lung bezieht sich sowohl auf die sogenann­ten „Altver­teid­ger“ Zschäpes als auch auf die „Neuver­tei­di­ger“ (siehe unten 5.2.). Letzte­re verän­der­ten aller­dings das Aussa­ge­ver­hal­ten Zschäpes, indem sie ihr zu Einlas­sun­gen rieten. Damit sollte versucht werden, sie nicht als aktives Mitglied des NSU erschei­nen zu lassen, sondern als jemand, der die Taten von Böhnhard und Mundlos nicht wollte, aber nicht von beiden Männern loslas­sen konnte (siehe unten 6.c).

d) Ideolo­gi­sche Vertei­di­gung sowie Vertei­di­gung des Rechtsstaats
Im weite­ren Prozess­ge­sche­hen wurde ein gravie­ren­der Unter­schied zwischen der Vertei­di­gung von Zschäpe auf der einen Seite und der Vertei­di­gung von Wohlle­ben auf der anderen Seite deutlich. Die Vertei­di­gung Wohlle­bens nutzte zwar konse­quent die rechts­staat­li­chen Mittel und Möglich­kei­ten, jedoch war zu erken­nen, dass sie sich zugleich in einer ideolo­gi­schen Nähe zu der neona­zis­ti­schen Gesin­nung Wohlle­bens befand. Darauf von anderen Vertei­di­gern wie auch von Neben­klä­gern im Prozess angespro­chen, bestritt die Vertei­di­gung Wohlle­bens das, aber es war kein Geheim­nis, dass Olaf Klemke, der als ein hervor­ra­gen­der Jurist gilt, Wolfgang Nahrath sowie Nicole Schnei­ders sich als sogenann­te „Szene-Anwäl­te“ verstan­den, und daraus machten sie auch während des Verfah­rens keinen Hehl. Insofern kann hier von einer Vertei­di­gungs­stra­te­gie der „ideolo­gi­schen Vertei­di­gung“ gespro­chen werden, die der Rechts­staat freilich hinzu­neh­men und zu dulden hat. Er billigt seine Mittel und Möglich­kei­ten ausdrück­lich auch jener Vertei­di­gung zu, die nur formal davon Gebrauch machen bzw. dies mit der Vertei­di­gung der rechten Ideolo­gie verbin­den will, solan­ge sich daraus kein Verdacht von Straf­ta­ten der Vertei­di­ger ergibt. Das aber war bei der Vertei­di­gung Wohlle­bens nicht der Fall (siehe auch unten 5.2.).

Demge­gen­über benutz­te die Vertei­di­gung Zschäpes – wie auch der größte Teil der Vertei­di­gung der übrigen Angeklag­ten – die rechts­staat­li­chen Mittel bei der Vertei­di­gung nicht nur, sondern sie vertei­dig­te zugleich den Rechts­staat, indem sie dabei, anders als die Vertei­di­gung Wohlle­bens, erkenn­bar von demokra­ti­schen und humanis­ti­schen Werten ausging, sich also bei der Vertei­di­gung niemals menschen­rechts- und demokra­tie­feind­lich äußer­te (siehe Arnold, StV 2023, 184, 189). Insoweit ist es durch­aus angebracht, davon zu sprechen, dass eine solche Vertei­di­gung zugleich den bürger­lich-demokra­ti­schen und libera­len Rechts­staat verteidigt.

5.2. Beson­de­re Proble­me der Vertei­di­gung Zschäpes – die sog. „Vertei­di­ger­kri­se“
Spezi­el­le Vertei­dig­er­pro­ble­me sind insbe­son­de­re im Hinblick auf Ereig­nis­se rund um die Vertei­di­gung der Angeklag­ten Zschäpe zu beobach­ten. Ihre Vertei­di­gung erfolg­te zunächst in Form der Pflicht­ver­tei­di­gung durch zwei Vertei­di­ger und eine Vertei­di­ge­rin (Wolfgang Stahl, Wolfgang Heer, Anja Sturm). Ihre Strate­gie hinsicht­lich des Aussa­ge­ver­hal­tens von Zschäpe bestand darin, keine Einlas­sung zur Sache abzuge­ben. Im Verlau­fe des Verfah­rens verschlech­ter­te sich jedoch das Verhält­nis zwischen Zschäpe und ihren Vertei­di­gern. Zschäpe erklär­te ihnen gegen­über ihr Misstrau­en. Das erste Mal erfolg­te das am 16. Juli 2014, dem 129. Verhand­lungs­tag. Die Angeklag­te beantrag­te, die Beiord­nung ihrer Vertei­di­ger zu wider­ru­fen, was vom Gericht abgelehnt wurde, weil der Antrag keine konkre­ten und hinrei­chen­den Anhalts­punk­te für eine endgül­ti­ge oder nachhal­ti­ge Störung des Vertrau­ens­ver­hält­nis­ses enthalte.

Danach beantrag­te Zschäpe mehrfach, einzel­ne ihrer drei Vertei­di­ger zu entpflich­ten, zunächst am 209. Verhand­lungs­tag Rechts­an­wäl­tin Sturm. Diesen Anträ­gen gab das Gericht ebenso wenig statt wie den darauf­hin gestell­ten Anträ­gen der Vertei­di­gung, sie ihrer­seits zu entpflich­ten. In diesen Anträ­gen brach­ten die Pflicht­ver­tei­di­ger vor, sich nicht als Siche­rungs­ver­tei­di­ger zu sehen, die nur dafür zu sorgen hätten, dass der Prozess „nicht platzt“ (Fried­rich­sen, 222).
Das Gericht ordne­te Zschäpe jedoch einen weite­ren, von ihr gewähl­ten Pflicht­ver­tei­di­ger bei (Matthi­as Grasel), der damit aller­dings nach zwei Jahren Prozess­dau­er einstieg und zunächst über keine bzw. nur gerin­ge Akten- und Prozess­kennt­nis verfüg­te. Zusätz­lich übernahm mit Rechts­an­walt Hermann Borchert ein Wahlver­tei­di­ger die Vertre­tung Zschäpes, der mit Grasel in einer Anwalts­kanz­lei tätig ist. Borchert agier­te zunächst als Helfer im Hinter­grund für Grasel. Grasel und Borchert genos­sen nun das allei­ni­ge Vertrau­en Zschäpes. Die drei sogenann­ten „Altver­tei­di­ger“ hatten damit kaum noch eigen­stän­di­ge Verteidigungsmöglichkeiten.

Dazu kam, dass Zschäpe die „Altver­tei­di­ger“ wegen Verlet­zung der anwalt­li­chen Verschwie­gen­heits­pflicht bei der Staats­an­walt­schaft München anzeig­te. Sie warf ihnen vor, ohne ihr Wissen Gesprä­che mit dem Vorsit­zen­den geführt zu haben. Das schloss Zschäpe offen­bar aus einem in der Haupt­ver­hand­lung durch Götzl verle­se­nen Akten­ver­merk, aus dem hervor­ging, die Vertei­di­ger hätten den Vorsit­zen­den wissen lassen, dass die Angeklag­te zu jeder Zeit hätte aussa­gen können, wenn sie es gewollt hätte (Fried­rich­sen, Zschäpe und ihr neuer Einflüs­te­rer; https://www.deutschlandfunk.de/nsu-prozess-zschaepe-zeigt-drei-ihrer-anwaelte-an-100.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Die Staats­an­walt­schaft München I lehnte jedoch die Einlei­tung eines Ermitt­lungs­ver­fah­rens ab; das Verhal­ten der Rechts­an­wäl­te erfül­le keinen Straf­tat­be­stand. Vielmehr hande­le es sich bei den Angaben der Pflicht­ver­tei­di­ger gegen­über dem Gericht um ein legiti­mes Verhal­ten von Anwäl­ten. Diese agier­ten „als Organe der Rechts­pfle­ge selbstän­dig und unabhän­gig von der Angeklag­ten“, so die Staats­an­walt­schaft. Demnach seien durch die Vertei­di­ger keiner­lei Infor­ma­tio­nen an das Gericht weiter­ge­ge­ben worden, die sich auf die Frage der Schuld oder Unschuld der Angeklag­ten bezögen (Assmann, Zschäpe schei­tert mit Anzei­ge). Diese Begrün­dung der Staats­an­walt­schaft ist jedoch nicht unpro­ble­ma­tisch. Sie unter­stellt, dass sich jeder Anwalt, jeder Straf­ver­tei­di­ger als „Organ der Rechts­pfle­ge“ versteht. Dies ist zwar das herrschen­de Verständ­nis von Lehre und Rechts­pra­xis, berück­sich­tigt aber nicht durch­aus legiti­me andere Auffas­sun­gen, wie die Vertrags- oder die Autono­mie­theo­rie, die besagen, der Vertei­di­ger hande­le einzig im Inter­es­se des Mandan­ten (vgl. Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, S. 119 ff.). Wäre ein solches Verständ­nis zugrun­de gelegt worden, dann hätte die Staats­an­walt­schaft mögli­cher­wei­se doch zur Feststel­lung der Verlet­zung der anwalt­li­chen Verschwie­gen­heits­pflicht gelan­gen können.

Im weite­ren Prozess fand keine Zusam­men­ar­beit zwischen den „Alt-“ und „Neuver­tei­di­gern“ statt. Die „Altver­tei­di­ger“ nutzten für die weite­re Vertei­di­gung ledig­lich zum Ende der Haupt­ver­hand­lung die Plädoy­ers. Diese trugen sie so engagiert vor, als hätten sie Zschäpe den gesam­ten Prozess über aktiv vertei­digt. Man kann dieses Verhal­ten aller­dings auch als Selbst­ver­tei­di­gung der Vertei­di­ger einord­nen (Sunder­mann, Selbst­ver­tei­di­gung der Verteidiger).
Es wird davon ausge­gan­gen, dass der Kontakt von Zschäpe zu ihren neuen Vertei­di­gern hinter dem Rücken der Altver­tei­di­ger in der U‑Haft zustan­de kam, u.a. deswe­gen, weil Zschäpe mit der Vertei­di­gungs­stra­te­gie des Schwei­gens nicht mehr einver­stan­den gewesen sein soll, wie der Münche­ner Psych­ia­ter Nedopil im Rahmen seiner Unter­su­chung Zschäpes feststell­te (Fried­rich­sen, S. 216 ff.; siehe auch Frees, S. 212 ff.). Die neuen Vertei­di­ger überzeug­ten ihre Mandan­tin davon, eine Erklä­rung abzuge­ben. Das kündig­ten sie auch an, weshalb die Erwar­tun­gen daran sehr hoch waren. Nach Einschät­zung von Prozess­be­ob­ach­tern versuch­te Zschäpe mit ihrer Erklä­rung, sich als emotio­na­le Gefan­ge­ne darzu­stel­len, als eine Frau, die es einfach nicht schaff­te, ihre Männer zu verra­ten und eigene Wege zu gehen. Böhnhardt soll sie zudem geschla­gen haben (Schultz, S. 400). Man schenk­te ihr jedoch keinen Glauben.

Ein weite­rer Schwer­punkt der Konfron­ta­ti­on zwischen Vertei­di­gung und Gericht war die Frage der foren­si­schen Begut­ach­tung Zschäpes. Der vom Gericht bestell­te psych­ia­tri­sche Sachver­stän­di­ge Saß konnte seine Einschät­zun­gen nur durch Beobach­tun­gen der Angeklag­ten im Prozess gewin­nen, da Zschäpe jegli­ches Gespräch mit ihm verwei­ger­te. Aufgrund seines Gutach­tens beantrag­te die Vertei­di­gung, den Sachver­stän­di­gen zu entpflich­ten und ein metho­den­kri­ti­sches Gutach­ten einzu­ho­len; seine Arbeit genüge nicht den wissen­schaft­li­chen Standards. Zwar wurde durch einen weite­ren Sachver­stän­di­gen ein solches Gutach­ten abgege­ben und ein von der Vertei­di­gung beauf­trag­ter Gutach­ter, mit dem die Angeklag­te auch sprach, erstat­te­te ebenfalls ein Gutach­ten, doch drang der metho­den­kri­ti­sche Gutach­ter nicht durch. Der Gutach­ter, mit dem Zschäpe sprach, wurde von einer Vertre­te­rin der Neben­kla­ge wegen Besorg­nis der Befan­gen­heit erfolg­reich abgelehnt.

5.3 Konflik­te zwischen Vertei­di­gung und Nebenklägern
Ein weite­rer Konflikt bestand in der fast dauer­haf­ten Konfron­ta­ti­on zwischen der Vertei­di­gung und den Vertre­tern der Neben­kla­ge. Die Vertei­di­gung sah sich dabei insbe­son­de­re dem Vorwurf ausge­setzt, die Opfer­rech­te nicht zu beach­ten. Von Seiten einiger Vertei­di­ger wurden umgekehrt verschie­de­ne Neben­klä­ger beschul­digt, den Prozess für politi­sche Zwecke zu missbrau­chen, indem sie ständig kriti­sier­ten, dass Gericht und Bundes­an­walt­schaft den Aufklä­rungs­fo­kus nicht auf die gesell­schaft­li­chen und politi­schen Zusam­men­hän­ge im Hinblick auf Rassis­mus sowie auf die Verstri­ckun­gen des Staates in das Tatge­sche­hen legten, letzte­res vor allem im Hinblick auf die Aktivi­tä­ten des Verfas­sungs­schut­zes. Seinen markan­tes­ten Ausdruck fand dieser Streit in den Plädoy­ers von Vertei­di­gern und Neben­klä­gern in Bezug darauf, was zu sagen in den Schluss­vor­trä­gen zuläs­sig sei und was nicht.

Konfron­ta­tiv ging es auch zwischen einigen Neben­kla­ge­ver­tre­tern und denje­ni­gen Anwäl­ten zu, die der rechten Szene zugeord­net werden. So zählten zu Wohlle­bens Anwäl­ten mit Nicole Schnei­ders eine Ex-NPD-Funktio­nä­rin sowie mit Rechts­an­walt Wolfgang Nahrath der Ex-Chef der inzwi­schen verbo­te­nen “Wiking Jugend”, zugleich einsti­ger Sänger einer Rechts­rock-Band und nach wie vor NPD-Mitglied. Immer wieder haben sie und der Wohlle­ben ebenfalls vertei­di­gen­de Rechts­an­walt Olaf Klemke den NSU-Prozess als Platt­form für Neona­zi­pro­pa­gan­da genutzt. U.a. wollten sie qua Beweis­an­trag den drohen­den Volks­tod bewei­sen sowie eine Ermor­dung des Hitler-Stell­ver­tre­ters Rudolf Hess in der Haft. Das Plädoy­er von Rechts­an­walt Nahrath wird als Versuch eines Plädoy­ers für den Natio­nal­so­zia­lis­mus gewer­tet (Ramelsberger/Ramm; Baur).

Im Vorfeld des NSU-Prozes­ses wurde in der Anwalt­schaft, insbe­son­de­re in den Straf­ver­tei­di­ger­ver­ei­ni­gun­gen, die Frage disku­tiert, ob man Nazis überhaupt vertei­di­gen dürfe (Arnold, StV 2022, 115 ff.). Anlass war dabei auch, dass Anja Sturm ihre Berli­ner Anwalts­kanz­lei verließ, weil – wie verschie­dent­lich berich­tet wurde – dort Kritik an ihrer Übernah­me der Vertei­di­gung der Haupt­an­ge­klag­ten im NSU-Prozess geübt worden war. Die Berli­ner Straf­ver­tei­di­ger­or­ga­ni­sa­ti­on stell­te sich jedoch hinter Sturm (Speit; Jansen).

6. Die Plädoyers
a) Bundes­an­walt­schaft

Von der Bundes­an­walt­schaft plädier­te als erster Bundes­an­walt Diemer. Er legte beson­de­ren Wert darauf, dass es – wie oftmals kolpor­tiert werde – falsch sei, der NSU-Prozess hätte seine Aufga­be nur teilwei­se erfüllt, weil er mögli­che Fehler staat­li­cher Behör­den nicht aufge­klärt habe (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510). Alle anderen Speku­la­tio­nen selbst­er­nann­ter Exper­ten, die so täten, als habe es die Beweis­auf­nah­me nicht gegeben, seien wie Irrlich­ter, wie Fliegen­ge­sum­me in den Ohren (https://www.nsu-watch.info/2017/07/protokoll-375-verhandlungstag-25-juli-2017/ zuletzt aufge­ru­fen: 21.10.2023). Diemer beton­te, es sei Aufga­be der politi­schen Gremi­en, mögli­che Fehler staat­li­cher Behör­den aufzu­klä­ren. Ein straf­pro­zes­sua­ler Aufklä­rungs­an­satz komme erst dann in Betracht, wenn Anhalts­punk­te für ein straf­ba­res Verhal­ten von Perso­nen vorlä­gen. Wären Anhalts­punk­te für eine straf­recht­li­che Verstri­ckung von Angehö­ri­gen staat­li­cher Stellen im Ermitt­lungs­ver­fah­ren aufge­tre­ten, so wären sie auch in gesetz­lich vorge­se­he­ner Weise aufge­klärt worden. Die Aufklä­rung eines weite­ren Unter­stüt­zer­um­fel­des, also die Entde­ckung mögli­cher weite­rer straf­ba­rer Unter­stüt­zer des NSU, sei bei entspre­chen­den Anhalts­punk­ten Aufga­be weite­rer Ermitt­lun­gen. Sie habe nicht Aufga­be dieses Straf­pro­zes­ses sein können, denn dessen Gegen­stand sei von Rechts wegen durch die zur Ankla­ge gebrach­ten Perso­nen und Taten vorge­ge­ben. Diese klaren Struk­tu­ren müssten in einem Rechts­staat einge­hal­ten werden. Der Senat und der General­bun­des­an­walt hätten dies getan. Anderes zu behaup­ten, verun­si­che­re die Opfer und die Bevöl­ke­rung (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510).

Bezogen auf den straf­pro­zes­sua­len Gegen­stand der Haupt­ver­hand­lung, nämlich die angeklag­ten Taten und den Umfang der Schuld der Angeklag­ten, sei die Beweis­auf­nah­me ihrer system­re­le­van­ten Bedeu­tung für die Rechts­pfle­ge, aber auch der mensch­li­chen, gesell­schaft­li­chen und histo­ri­schen Bedeu­tung dieses Straf­pro­zes­ses in jeder Hinsicht gerecht gewor­den. Sie sei in ihrem Ausmaß, ihrer Gründ­lich­keit und ihrer Gewis­sen­haf­tig­keit das adäqua­te Pendant zu dem ungeheu­er kompli­zier­ten Verfah­rens­stoff mit den heftigs­ten und infams­ten Terror­an­schlä­gen in der Bundes­re­pu­blik Deutsch­land seit den links­ex­tre­mis­ti­schen Mordan­schlä­gen der RAF. Die umfas­sen­de Beweis­auf­nah­me habe die Ankla­ge des GBA hinsicht­lich aller fünf Angeklag­ten in objek­ti­ver und subjek­ti­ver Hinsicht in allen wesent­li­chen Punkten bestä­tigt (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1510).

Oberstaats­an­wäl­tin Greger übernahm es sodann, zur Würdi­gung der Bewei­se im Zusam­men­hang mit der Angeklag­ten Zschäpe und der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung NSU vorzu­tra­gen. Ihr Fokus lag auf Ausfüh­run­gen, dass Zschäpe – obwohl nicht eigen­hän­dig an der Ausfüh­rung der Taten durch Böhnhardt und Mundlos betei­ligt – dennoch gleich­be­rech­tig­tes Mitglied im NSU gewesen und in die Organi­sa­ti­on und Logis­tik arbeits­tei­lig einge­bun­den gewesen sei. Zschäpe habe das System NSU getarnt und auf diese Weise an der Ausfüh­rung der Taten mitge­wirkt. Ihre Rolle stelle sich in der recht­li­chen Bewer­tung als ebenso essen­zi­ell für jede einzel­ne Tat dar wie die der beiden männli­chen Gruppen­mit­glie­der. Weder die Anschlä­ge noch die Überfäl­le hätten ohne ihr Zutun in dieser Form statt­fin­den und gelin­gen können. Die Angeklag­te sei der entschei­den­de Stabi­li­täts­fak­tor der Gruppe gewesen. Ihre Rolle im Hinter­grund entspre­che nicht nur dem ideolo­gi­schen Geschlech­ter­bild in der rechten Szene. Bereits in den Jahren 1996 bis 1998 habe sich die Angeklag­te bei den gemein­sam verüb­ten Straf­ta­ten in Jena von den Tator­ten fernge­hal­ten und diese abgesi­chert. Nach der Auflö­sung des NSU habe Zschäpe alles daran­ge­setzt, Beweis­mit­tel zu vernich­ten (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1513–1516).

Oberstaats­an­walt Weingar­ten befass­te sich mit der Beweis­wür­di­gung hinsicht­lich der anderen Angeklag­ten. Auch hinsicht­lich dieser hätte sich die Ankla­ge im Wesent­li­chen in vollem Umfang bestä­tigt. Abschlie­ßend äußer­te sich Bundes­an­walt Diemer zu den Rechts­fol­gen und beantragte

- für die Angeklag­te Zschäpe eine lebens­lan­ge Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld und anschlie­ßen­der Sicherungsverwahrung,

- für den Angeklag­ten Wohlle­ben eine Freiheits­stra­fe von zwölf Jahren,

- für den Angeklag­ten Schult­ze eine Jugend­stra­fe von drei Jahren, unter Berück­sich­ti­gung seiner im Prozess gezeig­ten Aufklä­rungs­hil­fe und seines Schuldeingeständnisses,

- für den Angeklag­ten Gerlach eine Freiheits­stra­fe von fünf Jahren und

- für den Angeklag­ten Eminger eine Freiheits­stra­fe von zwölf Jahren. Zugleich wurde beantragt, gegen Eminger Haftbe­fehl zu erlas­sen und ihn in Unter­su­chungs­haft zu bringen, weil Flucht­ge­fahr bestehe. Das Gericht folgt dem Haftan­trag und ließ Eminger inhaftieren.

b) Neben­klä­ger
Ein großer Teil der Neben­klä­ger in diesem Prozess verstand sich dezidiert als politisch. In ihren Plädoy­ers kriti­sier­ten sie vor allem, der Prozess habe die öffent­lich geweck­ten politi­schen Erwar­tun­gen nach umfas­sen­der Aufklä­rung nicht erfüllt. Bezogen wurde das auf die unter­blie­be­ne Aufde­ckung der Helfers­hel­fer und Hinter­män­ner sowie auf die enttäusch­ten Erwar­tun­gen der Neben­klä­ger und der Opfer­fa­mi­li­en zu erfah­ren, „warum und auf welche Weise ihre Väter, Ehemän­ner, Geschwis­ter ins Visier des NSU-Netzwer­kes gerie­ten und schließ­lich ermor­det wurden“ (Kaleck, in: von der Behrens [Hrsg.], S. 8). Dies wider­spre­che nicht den Aufga­ben des Straf­pro­zes­ses, „die Tat im straf­pro­zes­sua­len Sinne und alle daran Betei­lig­ten mit den straf­pro­zes­su­al mögli­chen Mitteln zu beleuch­ten und dann über die Schuld der auf der Ankla­ge­bank Sitzen­den zu urtei­len und gegebe­nen­falls weite­re Ermitt­lun­gen anzustel­len“ (Kaleck, S. 8). Die politi­schen Neben­klä­ger verwahr­ten sich in diesem Zusam­men­hang in ihren Plädoy­ers mit Entschie­den­heit gegen die Bemer­kung von Bundes­an­walt Diemer, die Kritik, der NSU-Prozess sei weitge­hend hinter den Erwar­tun­gen an die Aufklä­rung des Tatge­sche­hens zurück­ge­blie­ben, sei wie Irrlich­ter, wie Fliegen­ge­sum­me in den Ohren. Statt­des­sen hätte der Prozess verdeut­licht, wie unhalt­bar die „Trio-These“ der Bundes­an­walt­schaft von nur drei Haupt­tä­tern sei. Unter Bezug auf die Recht­spre­chung des EGMR wurde vorge­tra­gen, es sei für den Senat Rechts­pflicht gewesen, auch die Tatum­stän­de – wie die Unter­stüt­zung bei der Auswahl des Tatorts oder bei der Durch­füh­rung der Tat – sowie die Kennt­nis­se staat­li­cher Behör­den von Tätern und Tat aufzu­klä­ren und zu berück­sich­ti­gen (von der Behrens, in: von der Behrens [Hrsg.], S. 199; siehe dazu auch Schüler). Fatal sei nicht zuletzt die unter­blie­be­ne Aufklä­rung der Rolle der Inlands­ge­heim­diens­te in dem gesam­ten NSU-Komplex. Die diver­sen Akten­ver­nich­tungs­ak­tio­nen und die auf verschie­de­nen Ebenen erfolg­te Verdun­ke­lung von Staats wegen wirkten wie eine Fikti­on. Auf alle erdenk­li­che Weise würden durch staat­li­che Stellen, auch durch die Bundes­an­walt­schaft, Infor­ma­tio­nen und Akten­ma­te­ri­al zurück­ge­hal­ten. Das erinne­re an die Vertu­schung der Hinter­grün­de des Oktober­fest-Atten­ta­tes 1980 in München. Die Neben­kla­ge forder­te, der Prozess dürfe keinen Schluss­strich darstel­len (Kaleck, S. 9 f.). Sie erhob in ihren Plädoy­ers auch die Forde­rung, den struk­tu­rel­len Rassis­mus insbe­son­de­re bei den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den aufzu­ar­bei­ten und anhand von Fakten diese Kritik zu belegen. Dabei gehe es darum, möglichst genau darzu­le­gen, wo syste­mi­sche Versäum­nis­se der Ermitt­lungs­be­hör­den und Geheim­diens­te lagen und wo Anhalts­punk­te für zukünf­ti­ge Recher­chen liegen könnten, „was also konkret für die Betrof­fe­nen der NSU-Straf­ta­ten von Bedeu­tung sei“ (Kaleck, S. 11).

Andere Neben­klä­ger grenz­ten sich in ihren Plädoy­ers von denen der politi­schen Neben­klä­ger dezidiert ab. Sie wiesen die Vorwür­fe des struk­tu­rel­len Rassis­mus ebenso zurück sowie die Kritik, dass im Prozess nicht auch weite­re Täter und weite­re Umstän­de, wie auch die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes, aufge­klärt worden seien.

Während einer Reihe von Plädoy­ers von politi­schen Neben­kla­ge­ver­tre­tern machte die Vertei­di­gung gegen­über dem Gericht geltend, diese Neben­kla­ge­ver­tre­ter sprächen nicht zur Sache, nicht zu den konkre­ten Taten; politi­sche State­ments seien zu unter­las­sen. Der Vorsit­zen­de wurde aufge­for­dert, solche Ausfüh­run­gen zu unter­bin­den. Darauf­hin entwi­ckel­ten sich teilwei­se hefti­ge Dispu­te zwischen Neben­kla­ge­ver­tre­tern und Vertei­di­gern, als deren Ergeb­nis der Vorsit­zen­de Götzl derar­ti­ge Ausfüh­run­gen der Neben­klä­ger meistens zuließ. Das wieder­um führte dazu, dass die Vertei­di­gung die Sitzungs­lei­tung des Vorsit­zen­den beanstan­de­te, was durch den Senat mit Beschluss als unzuläs­sig zurück­ge­wie­sen wurde.

c) Vertei­di­ger
Als erster Vertei­di­ger plädier­te Rechts­an­walt Borchert. Er sah die Mittä­ter­schaft von Zschäpe nicht als erfüllt an und argumen­tier­te dabei beson­ders gegen die von der Bundes­an­walt­schaft angenom­me­ne Aufga­ben­ver­tei­lung zwischen Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt. Ebenso­we­nig vermoch­te Borchert eine rechts­ex­tre­mis­ti­sche Motiva­ti­on der Angeklag­ten in ihren Taten zu sehen. Borchert würdig­te das Prozess­ver­hal­ten von Zschäpe, sich von der ursprüng­li­chen Vertei­di­gungs­stra­te­gie, die ihr von den Altver­tei­di­gern aufer­legt worden sei, getrennt und im Prozess zu ihrer Person umfäng­lich ausge­sagt und zu den ihr vorge­wor­fe­nen Taten eine Teilein­las­sung abgege­ben zu haben. Er selbst habe Zschäpe zu diesem Aussa­ge­ver­hal­ten geraten.

Vertei­di­ger Grasel befass­te sich in seinem Plädoy­er vor allem mit der recht­li­chen Bewer­tung. Dabei lag sein Schwer­punkt auf der Mittä­ter­schaft, deren Voraus­set­zun­gen nicht gegeben seien. Grasel bezog sich dabei auf die jünge­re Recht­spre­chung des BGH, wonach Mittä­ter­schaft nicht schon im Falle des einsei­ti­gen Einver­ständ­nis­ses mit der Tat eines anderen und der Bestä­ti­gung eines solchen Einver­ständ­nis­ses gegeben sei. Daran gemes­sen sei für Zschäpe weder Mittä­ter­schaft bei den Tötungs­de­lik­ten noch bei den Raubüber­fäll­ten gegeben. Hinsicht­lich der Morde stell­te Grasel das Argument der Bundes­an­walt­schaft in Abrede, Zschäpe habe aktiv an der Legen­die­rung der Dreier­grup­pe mitge­wirkt. Auch bei den Raubüber­fäl­len stelle sich der Tatbei­trag der Angeklag­ten als unter­ge­ord­net dar. Insge­samt hob Grasel hervor, dass Zschäpe bei keiner Tat vor Ort war und auch keine Einfluss­mög­lich­kei­ten auf die Durch­füh­rung der Taten gehabt habe. Die von der Bundes­an­walt­schaft vorge­tra­ge­nen Argumen­te berühr­ten nur das von der Angeklag­ten nicht bestrit­te­ne Inter­es­se am Tater­folg, nicht jedoch eine Tatbe­tei­li­gung im Sinne von Tatherr­schaft und damit keine vom Willen Zschäpes abhän­gi­ge Durch­füh­rung der Taten. Bei der Brand­stif­tung habe Zschäpe nicht – wie von der Bundes­an­walt­schaft darge­legt – in der Absicht gehan­delt, die Nachba­rin Erber oder die sich im Haus aufhal­ten­den Handwer­ker in die Gefahr des Todes zu bringen. Grasel sah es ferner nicht als erwie­sen an, dass Zschäpe Mitglied einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung war; sie sei ledig­lich der Bildung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung schuldig.

Danach plädier­ten die Vertei­di­ger von Carsten Schult­ze, die Rechts­an­wäl­te Jacob Hösl und Johan­nes Pausch. Sie hoben zunächst die im Prozess sicht­bar gewor­de­ne Ausein­an­der­set­zung von Schult­ze mit den ihm vorge­wor­fe­nen Taten hervor. Dazu gehöre auch geäußer­te Reue, wonach Schult­ze die Gewiss­heit habe, dass er durch sein Tun objek­tiv zu neun rassis­tisch motivier­ten Morden beigetra­gen habe, was ihn sein ganzes Leben beglei­ten werde. Schult­ze sei kein ehrgei­zi­ger und überzeug­ter Träger natio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ideolo­gie. Es sprächen vielmehr eine ganze Reihe objek­ti­ver Umstän­de gegen eine menschen­ver­ach­ten­de innere Einstel­lung bei ihm. In Bezug auf die angeklag­ten Taten lägen keine hinrei­chen­den Anhalts­punk­te vor, dass Schult­ze bei der Beschaf­fung und Überga­be der Tatwaf­fe auch nur beding­ten Vorsatz hinsicht­lich der mit ihr began­ge­nen Verbre­chen gehabt habe. Deshalb sei Schult­ze freizusprechen.

Anschlie­ßend erhiel­ten die Vertei­di­ger des Angeklag­ten André Eminger das Wort, die Rechts­an­wäl­te Herbert Hedrich und Micha­el Kaiser. Sie setzten sich mit dem Tatvor­wurf ausein­an­der, dass Eminger durch fünf selbstän­di­ge Handlun­gen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung unter­stützt habe, deren Zweck und deren Tätig­kei­ten darauf gerich­tet waren, Morde und gemein­ge­fähr­li­che Straf­ta­ten zu begehen, um die Bevöl­ke­rung einzu­schüch­tern und durch ihre Auswir­kun­gen den Staat erheb­lich zu schädi­gen. Die Vertei­di­gung beschrieb Eminger als einen „Natio­nal­so­zia­lis­ten, der mit Haut und Haaren zu seiner politi­schen Überzeu­gung“ stehe, auch wenn er sich im Verfah­ren selbst nicht geäußert habe. Sie hob hervor, dass sie die Gesin­nung von Eminger nicht vertei­dig­te und auch nicht versuch­te, die angeklag­ten Taten zu recht­fer­ti­gen. Es sei ihre einzi­ge Aufga­be, Eminger gegen die erhobe­nen Tatvor­wür­fe zu vertei­di­gen. Sie beklag­te, den meisten Verfah­rens­be­tei­lig­ten und den Medien schei­ne die politi­sche Gesin­nung als Tatnach­weis auszu­rei­chen, weil allein diese Gesin­nung die Begehung von Straf­ta­ten nach dem Motto impli­zie­re: „Solchen Leuten ist alles zuzutrau­en, deshalb bedarf es eigent­lich auch keines konkre­ten Tat- und Schuld­nach­wei­ses mehr.“ (Ramels­ber­ger, Bd, IV, S. 1746 f.) Eine Unter­stüt­zung der terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung könne Eminger nicht nachge­wie­sen werden, da er zum NSU keine solche Nähe gehabt hätte, die eine straf­ba­re Unter­stüt­zung der von Böhnhardt und Mundlos began­ge­nen Verbre­chen bedeu­ten könne. Auch die Vertei­di­gung von Eminger verlang­te deshalb einen Freispruch.

Danach plädier­ten die Rechts­an­wäl­te Stefan Hachmeis­ter und Pajam Rokni-Yazdi für ihren Mandan­ten Holger Gerlach. Dabei beton­ten sie zunächst den hohen öffent­li­chen Pönali­sie­rungs­druck, der auf dem Verfah­ren liege, und wiesen auf das Spannungs­ver­hält­nis hin, das für Gerlach bestehe: Einer­seits sei ihm bewusst, dass ihm niemand glauben werde. Anderer­seits verspü­re er das Bedürf­nis, sich von den Mordta­ten abzugren­zen und sicht­bar zu machen, dass er diese weder erahnt noch für möglich gehal­ten, geschwei­ge denn in irgend­ei­ner Weise habe beför­dern wollen (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1755). Die Vertei­di­gung beton­te, dass Gerlach sich in der Haupt­ver­hand­lung ernst­haft und aufrich­tig gegen­über den Opfern und deren Angehö­ri­gen dafür entschul­digt hätte, durch sein eigenes Verhal­ten objek­tiv dazu beigetra­gen zu haben, das Unrecht und das Leid der Geschä­dig­ten zu vergrö­ßern. Und er habe expli­zit seine Bereit­schaft erklärt, Verant­wor­tung für dieses Verhal­ten zu übernehmen.

Die Vertei­di­gung bestritt den Vorwurf, Gerlach habe durch drei recht­lich selbstän­di­ge Handlun­gen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung unter­stützt und damit dazu beigetra­gen, dass diese Verei­ni­gung aus dem Unter­grund heraus Straf­ta­ten gegen das Leben von Menschen verüben konnte. Gerlach habe während seiner gesam­ten Aussa­ge stets jede Kennt­nis und Ahnung in Abrede gestellt, dass Zschäpe sowie Mundlos und Böhnhardt zu irgend­ei­nem Zeitpunkt nach ihrem Unter­tau­chen eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung begrün­det hatten. Bewie­sen worden sei allein Gerlachs Unter­stüt­zung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung in einem Fall, wofür er auch bestraft werden müsse.

Sodann hielten Rechts­an­walt Olaf Klemke und Rechts­an­wäl­tin Nicole Schnei­ders ihre Plädoy­ers für den Angeklag­ten Wohlle­ben. Zunächst beklag­ten sie, das Verfah­ren sei nicht rechts­staat­lich und vor allem nicht fair geführt worden. Wohlle­ben befin­de sich seit sechs­ein­halb Jahren in Unter­su­chungs­haft. Wäre dieses Verfah­ren nicht ein solches Politi­kum, wäre Wohlle­bens Haftbe­schluss längst außer Vollzug gesetzt worden. Die Vertei­di­gung beton­te, ihren Mandan­ten nicht politisch, sondern rein sachlich vertre­ten zu haben. Rechts­an­wäl­tin Schnei­ders pranger­te die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes in die Taten des NSU an, ebenso das Schred­dern von Akten durch den Verfas­sungs­schutz. Sie wies auf die Möglich­keit hin, dass der NSU gar ein Konstrukt des Verfas­sungs­schut­zes sei. Wohlle­ben solle Opfer einer Recht­spre­chung um jeden Preis werden, Sünden­bock für die nicht mehr verfolg­ba­ren Böhnhardt und Mundlos. Das Urteil habe von Beginn an festge­stan­den. Auch Rechts­an­walt Klemke beton­te noch einmal die Vorver­ur­tei­lung Wohlle­bens durch die Medien und den dadurch erzeug­ten Druck auf das erken­nen­de Gericht. Er befass­te sich schwer­punkt­mä­ßig mit den Aussa­gen von Carsten Schult­ze, die Wohlle­ben schwer­wie­gend belas­te­ten, weil Schult­ze behaup­tet hätte, die von ihm gekauf­te Waffe sei die Tatwaf­fe der sogenann­ten Ceská-Mordse­rie gewesen. Die Vertei­di­gung von Wohlle­ben bestritt jedoch, dass es sich dabei um die Tatwaf­fe gehan­delt habe, und verlang­te vom Gericht, Wohlle­ben freizusprechen.
Rechts­an­walt Klemke griff in seinem Plädoy­er die Bundes­an­walt­schaft wie auch den Vertei­di­ger von Carsten Schultz, Rechts­an­walt Hösl, heftig an (Jüttner), weil dieser sich gegen einen Antrag von Klemke gewandt hatte, den „drohen­den Volks­tod“ zu bewei­sen. Ebenso attackier­te er Oberstaats­an­walt Weingar­ten, weil dieser sich einfach zwei oder drei Gegeben­hei­ten aus der Biogra­fie von Wohlle­ben heraus­ge­sucht und diese dann pauschal im Sinne des von ihm gewünsch­ten Ergeb­nis­ses inter­pre­tiert hätte. Klemke behaup­te­te, Weingar­ten nehme für sich in Anspruch, zu definie­ren wer Nazi sei und bezog sich damit auf einen Satz von Hermann Göring „Wer Jude ist, bestim­me ich.“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1780).
Rechts­an­walt Nahrath schloss an die Ausfüh­run­gen Klemkes an, Täter­schaft werde allein schon durch die Ideolo­gie des Natio­nal­so­zia­lis­mus begrün­det, oder „gleich bei allem, was als rechts­ra­di­kal, rechts­ex­trem, rassis­tisch, faschis­tisch oder auslän­der­feind­lich oder derglei­chen kolpor­tiert wird“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1783). Er gab in seinem Schluss­vor­trag einen eindrück­li­chen Beweis seiner eigenen natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gesin­nung, indem er einen Ausflug in den „histo­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus“ unter­nahm und eine Reihe von Zitaten im Gesamt­kon­text des Plädoy­ers zustim­mend wieder­gab wie das von Lloyd George, dem briti­schen Premier­mi­nis­ter im Ersten Weltkrieg, mit dem die großen Verän­de­run­gen des „berühm­ten deutschen Führers“ hervor­ge­ho­ben wurden. Es könne kein Zweifel daran bestehen, „dass er eine wunder­ba­re Verän­de­rung im Geist der Menschen vollbracht hat.“ Daran reihten sich Zitate von Hitler, Goebbels, v. Schirach und Hess. Diese Zitate – so Nahrath – seien ein starkes Indiz dafür, dass sich weder Böhnhardt noch Mundlos und schon gar nicht Zschäpe mit dem „histo­ri­schen Natio­nal­so­zia­lis­mus“ überhaupt befasst hätten. Der NSU sei gewiss U, aber nicht NS. Rauben und Morden klinge eher nach dem Schema der RAF. Auf Wohlle­ben bezogen beton­te Nahrath, dieser habe die Anwen­dung von Gewalt zur Durch­set­zung politi­scher Ziele nachdrück­lich abgelehnt und sei kein Auslän­der­feind. Abschlie­ßend befass­te Nahrath sich, wie Rechts­an­wäl­tin Schnei­ders, sehr kritisch mit der Rolle des Verfas­sungs­schut­zes. Er stell­te den Antrag, den Haftbe­fehl gegen Wohlle­ben aufzu­he­ben und ihn freizusprechen.

Die „Altver­tei­di­ger“ der Angeklag­ten Zschäpe plädier­ten in einer Weise, als hätten sie diese den gesam­ten Prozess über vertei­digt, aber nicht als Anwäl­te, denen Zschäpe das Vertrau­en entzo­gen hatte und von denen sie sich trennen wollte, und schon gar nicht als Anwäl­te, deren Entpflich­tungs­an­trä­ge das Gericht abgelehnt hatte, weshalb sie sich in einem Großteil des Prozes­ses in die Rolle von Statis­ten gedrängt sahen. Ebenso wenig brach­ten sie in ihren Plädoy­ers das damit zwangs­läu­fig verbun­de­ne Kommu­ni­ka­ti­ons­hin­der­nis zwischen sich selbst und den Anwäl­ten Grasel und Borchert zum Ausdruck. Die Änderung der Vertei­di­gungs­stra­te­gie durch Grasel und Borchert fand sich nur in einer kurzen Bemer­kung von Rechts­an­walt Heer in seinem Plädoy­er wieder. Heer trug vor, Zschäpe hätte auf den Rat ihrer neuen Vertei­di­ger gehört und sei dabei selbst nicht imstan­de gewesen, die Risiken bei der Abfas­sung der Erklä­rung durch Rechts­an­walt Borchert zu überbli­cken (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1791).

Heer, der als erster der drei „Altver­tei­di­ger“ sprach, hob zunächst die seiner Ansicht nach massi­ve öffent­li­che und justi­zi­el­le Vorver­ur­tei­lung Zschäpes hervor. Zschäpe sei in den Medien u.a. als „meist­ge­hass­te Frau Deutsch­lands“ bezeich­net worden, der Vorsit­zen­de des Innen­aus­schus­ses des Bundes­ta­ges habe schon im Novem­ber 2011 von einer „Terror­zel­le“ gespro­chen, der damali­ge General­bun­des­an­walt Range und der ehema­li­ge Präsi­dent des BKA Ziercke höchst­per­sön­lich hätten Zschäpe öffent­lich angepran­gert, als die Ermitt­lun­gen noch nicht einmal einen Monat geführt worden seien (Ramels­ber­ger, Bd. IV, 1791). Anschlie­ßend widme­te Heer sich dem Tatkom­plex „Inbrand­set­zung“ der Wohnung von Böhnhardt und Mundlos, einher­ge­hend mit der Ankla­ge wegen versuch­ten Mordes der Wohnungs­in­ha­be­rin Erber sowie der Handwer­ker P. und K., die sich zum Zeitpunkt der Brand­stif­tung im Haus befun­den hatten. Im Ergeb­nis vernein­te Heer sowohl den Vorwurf des Mordver­su­ches als auch jenen der schwe­ren Brand­stif­tung. Die Angeklag­te habe sich ledig­lich wegen einfa­cher Brand­stif­tung und fahrläs­si­gen Herbei­füh­rens einer Spreng­stoff­ex­plo­si­on straf­bar gemacht.

Rechts­an­walt Stahl argumen­tier­te, Zschäpe sei zu den fragli­chen Tatzei­ten an keinem der Tator­te anwesend gewesen und habe auch kein einzi­ges Tatbe­stands­merk­mal der ihr vorge­wor­fe­nen Straf­ta­ten eigen­hän­dig verwirk­licht. Mittä­ter­schaft sei nach der jünge­ren Recht­spre­chung des BGH aufgrund einer Gesamt­be­trach­tung aller Umstän­de festzu­stel­len. Heran­ge­zo­gen würden „als wesent­li­che Anhalts­punk­te dabei insbe­son­de­re der Grad des eigenen Inter­es­ses am Tater­folg, der Umfang der Tatbe­tei­li­gung und die Tatherr­schaft oder wenigs­tens der Wille zur Tatherr­schaft (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1798). Dass Zschäpe mit Verbre­chern in einer Wohnung zusam­men­ge­lebt hätte, machte sie noch nicht selbst zur Verbre­che­rin. Zschäpe habe von den Taten der beiden gewusst, sei aber bei ihnen geblie­ben und habe sich nicht der Polizei gestellt. Das dürfe allen­falls zu einer Verur­tei­lung wegen Nicht­an­zei­gens geplan­ter Straf­ta­ten gem. § 138 StGB führen, keines­falls jedoch eine Mittä­ter­schaft wegen Mordes tragen. Stahl setzte sich mit den Argumen­ten des GBA ausein­an­der, das Nicht­preis­ge­ben der wahren Identi­tät gegen­über den Nachbarn könne als „Legen­die­rung“ angese­hen werden und maßgeb­lich zur Begrün­dung der Mittä­ter­schaft beitra­gen. Der Vorwurf, Zschäpe habe über 13 Jahre im Unter­grund mit Böhnhardt und Mundlos gelebt und sich dabei zum gemein­sa­men verschwo­re­nen Kampf gegen Immigra­ti­on und Integra­ti­on entschie­den, sei – so Stahl – „das mit Abstand populärs­te Argument für die auch in der öffent­li­chen Wahrneh­mung als festste­hend angenom­me­ne Schuld von Zschäpe“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1799). Dieses Argument gehe von einem nicht existen­ten Erfah­rungs­satz aus, ein Mensch, der über lange Zeit mit Verbre­chern zusam­men­le­be, müsse selbst Verbre­cher sein, mindes­tens aber die Verbre­chen der anderen billi­gen und mittra­gen. Stahl schloss damit, dass keine der von Böhnhardt und Mundlos began­ge­nen Taten vom Willen Zschäpes abhin­gen, sondern ausschließ­lich von den Entschlüs­sen dieser beiden. Er zitier­te dazu den Vorsit­zen­den des 3. Straf­se­nats des BGH, jenes Senats, der über etwai­ge Revisio­nen zu entschei­den haben werde, mit den Worten: „Es bleibt dabei: Ohne Tatbei­trag keine Mittä­ter­schaft!“ (Ramels­ber­ger, Bd. IV, S. 1802).

Rechts­an­wäl­tin Sturm bezog sich vor allem auf die Person Zschäpes, aber auch auf den Vorwurf der Mitglied­schaft in einer krimi­nel­len sowie terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung. Sie gelang­te insbe­son­de­re anhand der Bezug­nah­me auf verschie­de­ne Zeugen zu dem Schluss, Zschäpe sei keine eiskal­te, berech­nen­de Mörde­rin. An der Gründung einer krimi­nel­len Verei­ni­gung sei sie ebenso wenig betei­ligt gewesen, wie sie Mitglied einer solchen war; dies gälte erst recht in Bezug auf eine terro­ris­ti­sche Verei­ni­gung, weil der NSU keine solche Verei­ni­gung gewesen sei.

7. Das Urteil
Wie bereits unter 1. erwähnt, wurde das Urteil am 438. Tag des Prozes­ses, am 11. Juli 2018, verkün­det. Zschäpe wurde u.a. als Mittä­te­rin des Mordes in zehn tatmehr­heit­li­chen Fällen, wegen mehrfa­chen versuch­ten Mordes, wegen Mitglied­schaft in einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung, Herbei­füh­rung einer schwe­ren Spreng­stoff­ex­plo­si­on, beson­ders schwe­rer räube­ri­schen Erpres­sung, versuch­ten Raubes mit Todes­fol­ge, wegen beson­ders schwe­ren Raubes, wegen mehrfach began­ge­ner versuch­ter Brand­stif­tung mit Todes­fol­ge in Tatein­heit mit versuch­tem Mord und beson­ders schwe­rer Brand­stif­tung als Gesamt­stra­fe zu lebens­lan­ger Freiheits­stra­fe mit Feststel­lung der beson­de­ren Schwe­re der Schuld verur­teilt. Entge­gen dem Antrag der Bundes­an­walt­schaft sprach das Gericht keine Siche­rungs­ver­wah­rung aus.

Die Mittä­ter­schaft der Angeklag­ten Zschäpe trotz Abwesen­heit an den Tator­ten erblick­te der Senat jeweils in ihrer festge­stell­ten – in allen Fällen nahezu wortgleich wieder­hol­ten – Zusage, „die Abwesen­heits­zei­ten Uwe Böhnhardts und Uwe Mundlos’ im Zusam­men­hang mit der Tataus­füh­rung zu legen­die­ren, deren Abwesen­heit durch ihre eigene Präsenz im Bereich der Wohnung zu tarnen und aktiv bei Nachfra­gen, jeweils der Situa­ti­on angepasst, eine unver­fäng­li­che Erklä­rung für deren Abwesen­heit zu finden und abzuge­ben. Sie sagte zu, den beiden Männern eine siche­re Rückzugs­mög­lich­keit in die Zentra­le der Verei­ni­gung, also ihre gemein­sa­me Wohnung, zu schaf­fen. Sie sagte eine sorgfäl­ti­ge Beobach­tung der Umgebung ihrer gemein­sa­men Wohnung und Zentra­le der Verei­ni­gung zu sowie eine schnel­le und umsich­ti­ge Reakti­on auf Vorkomm­nis­se, die den Eindruck des unauf­fäl­li­gen bürger­li­chen Lebens der drei Perso­nen in Frage stellen könnten. Dadurch gab sie Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Sicher­heit, ungefähr­det in die Zentra­le der Verei­ni­gung, ihre gemein­sa­me Wohnung, zurück­keh­ren zu können und ermög­lich­te auf diese Art und Weise erst die Durch­füh­rung dieser Tat vor Ort. […] Dieser von der Angeklag­ten Zschäpe geleis­te­te Tatbei­trag […] war daher unver­zicht­ba­re Bedin­gung für die Begehung der Tat“ (Urteil. S. 90, 92 f.).

Die Angeklag­ten Eminger und Gerlach wurden der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung für schul­dig gespro­chen; Eminger erhielt eine Freiheits­stra­fe von zwei Jahren und sechs Monaten, Gerlach von drei Jahren. Eminger wurde von den Vorwür­fen der Beihil­fe zum versuch­ten Mord, der Beihil­fe zu einem Spreng­stoff­an­schlag, der Beihil­fe zum Raub und eines Falles der Unter­stüt­zung einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung freige­spro­chen. Der Senat ging in diesen Fällen von einem (seiner­zeit noch) fehlen­den Vorsatz hinsicht­lich der jewei­li­gen Haupt­ta­ten des NSU aus, den er erst zum Zeitpunkt späte­rer Taten gebil­det hätte (Urteil S. 2880 ff.). Der Haftbe­fehl gegen Eminger wurde aufgehoben.
Die Angeklag­ten Wohlle­ben und Schult­ze wurden wegen Beihil­fe zu mehre­ren Fällen des Mordes verur­teilt, der Angeklag­te Wohlle­ben zu einer Freiheits­stra­fe von zehn Jahren, der Angeklag­te Schult­ze zu einer Jugend­stra­fe von drei Jahren.

8. Die Rechtsmittel
Die Angeklag­ten Zschäpe, Gerlach, Wohlle­ben und Eminger ließen durch ihre Vertei­di­gun­gen Revisi­on einle­gen. Der GBA legte gegen den Teilfrei­spruch Emingers Revisi­on ein.

Ein zentra­ler Aspekt der Revisi­ons­be­grün­dung Zschäpes war ihre Verur­tei­lung als Mittä­te­rin. Das war dann auch der Schwer­punkt der Begrün­dung des 3. Straf­se­nats des BGH, die Revisi­on weitge­hend zu verwer­fen, unter zugleich gering­fü­gi­ger Verän­de­rung des Schuld­spru­ches. Der BGH stell­te klar, dass Zschäpe als gleich­be­rech­tig­tes Mitglied des NSU an der Tatpla­nung mitge­wirkt und dadurch bestim­men­den Einfluss darauf gehabt habe, ob, wann, wo und wie die Taten ausge­führt wurden. Dabei sei vom Oberlan­des­ge­richt zu Recht hinsicht­lich der Tatherr­schaft auf die Bedeu­tung der von der Angeklag­ten gemäß dem Verei­ni­gungs­kon­zept erteil­ten Zusagen abgestellt worden. Insbe­son­de­re habe Zschäpe zugesi­chert, die tatbe­ding­te Abwesen­heit ihrer Kompli­zen zu legen­die­ren. Ab der siebten Tat habe sie das Verspre­chen abgege­ben, das Beken­ner­vi­deo in der jeweils aktuel­len Versi­on zu verbrei­ten und Beweis­mit­tel zu vernich­ten, die auf die Verei­ni­gung hinwie­sen. Beides habe bei jeder einzel­nen Tat die Anwesen­heit von Zschäpe in der als Zentra­le genutz­ten Wohnung erfor­dert. Infol­ge­des­sen sei die Angeklag­te entschei­dend dafür verant­wort­lich, dass das über die Delikts­ver­wirk­li­chung hinaus­ge­hen­de Ziel der Taten erreicht werden konnte. Ihre Zusagen seien für ihre Kompli­zen sinnstif­tend und handlungs­lei­tend gewesen. Sie habe daher eine wesent­li­che Funkti­on ausge­übt, von der das Gelin­gen des Gesamt­vor­ha­bens abhing (BGH StV 2022, 87, 88).

Gegen diese Entschei­dung erhob Zschäpe eine Anhörungs­rü­ge und Gegen­vor­stel­lun­gen. Sie rügte insbe­son­de­re die Verlet­zung ihres Anspruchs auf recht­li­ches Gehör, ihres Rechts auf ein faires Verfah­ren und der Garan­tie des gesetz­li­chen Richters. Im Wesent­li­chen machte sie geltend, die in dem angefoch­te­nen Revisi­ons­be­schluss darge­leg­te Begrün­dung für die Mittä­ter­schaft weiche von derje­ni­gen im Urteil des Oberlan­des­ge­richts und der Gegen­er­klä­rung des GBA ab. Der Senat habe seine Recht­spre­chung zur Mittä­ter­schaft in Abwei­chung von den übrigen Straf­se­na­ten des Bundes­ge­richts­hofs geändert und unter­schei­de nun nicht mehr zwischen Betei­li­gungs­form und überge­ord­ne­ten gemein­sa­men Zielen der Mitglie­der einer terro­ris­ti­schen Verei­ni­gung. Im Hinblick auf den “Schutz vor Überra­schungs­ent­schei­dun­gen” habe der Angeklag­ten die Möglich­keit einge­räumt werden müssen, auf die “nunmehr geänder­te” Rechts­auf­fas­sung des Senats einzu­ge­hen. Die Voraus­set­zun­gen für eine Verwer­fung der Revisi­on als offen­sicht­lich unbegrün­det hätten nicht vorge­le­gen. Zudem hätte die Verpflich­tung bestan­den, eine Vorab­ent­schei­dung des Gerichts­hofs der Europäi­schen Union darüber einzu­ho­len, wie der unions­recht­li­che “Begriff der ‘krimi­nel­len Verei­ni­gung’ … auszu­le­gen sei”.

Der BGH verwarf die Anhörungs­rü­ge und wies die Gegen­vor­stel­lun­gen als unzuläs­sig zurück. Der Senat hob hervor, er habe bei seiner Entschei­dung keinen Verfah­rens­stoff verwen­det, zu dem die Verur­teil­te nicht zuvor gehört worden sei. Auch habe er zu berück­sich­ti­gen­des Vorbrin­gen der Verur­teil­ten nicht übergan­gen. Zschäpe habe im Revisi­ons­ver­fah­ren umfang­reich zur Frage ihrer mittä­ter­schaft­li­chen Betei­li­gung vorge­tra­gen. Der Senat habe diese Rechts­aus­füh­run­gen bei seinen Beratun­gen gewür­digt, ihnen aller­dings aus den im angefoch­te­nen Beschluss darge­leg­ten Gründen nicht beizu­tre­ten vermocht. Die Gegen­vor­stel­lung erwei­se sich deshalb als unzuläs­sig, weil es dem Revisi­ons­ge­richt außer­halb des Verfah­rens versagt sei, eine Entschei­dung aufzu­he­ben oder zu ändern, mit der es die Rechts­kraft des tatrich­ter­li­chen Urteils herbei­ge­führt habe.

Zschäpe legte schließ­lich noch Verfas­sungs­be­schwer­de ein, worin sie die Verlet­zung ihres Rechts auf recht­li­ches Gehör, eine willkür­li­che Anwen­dung des § 349 Abs. 2 StPO und eine Verlet­zung ihres Rechts auf den gesetz­li­chen Richter rügte. Sie machte insbe­son­de­re geltend, es verlet­ze sie in ihren durch die Verfas­sung garan­tier­ten Rechten, dass der BGH über ihre Revisi­on durch Beschluss und nicht nach einer mündli­chen Verhand­lung durch Urteil entschie­den habe.

Das BVerfG nahm die Verfas­sungs­be­schwer­de nicht zur Entschei­dung an, weil es die Annah­me­vor­aus­set­zun­gen des § 93a Abs. 2 BVerfGG als nicht erfüllt ansah (2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413). Zschäpe habe weder darge­tan noch sei es aus sich heraus ersicht­lich, dass sie in ihren Rechten auf die Gewäh­rung recht­li­chen Gehörs verletzt ist. Ebenso wenig liege ein Verstoß gegen das aus dem allge­mei­nen Gleich­heits­satz abzulei­ten­de Willkür­ver­bot oder das Gebot der Entschei­dung durch den gesetz­li­chen Richter vor. Die Möglich­keit, im straf­recht­li­chen Revisi­ons­ver­fah­ren eine Revisi­on nach § 349 Abs. 2 StPO durch Beschluss – also ohne vorhe­ri­ge Durch­füh­rung einer mündli­chen Verhand­lung – zu verwer­fen, begeg­ne keinen verfas­sungs­recht­li­chen Beden­ken. Dies stehe auch im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 EMRK, wo zwar grund­sätz­lich die Durch­füh­rung einer mündli­chen Verhand­lung verlangt werde. In Rechts­mit­tel­ver­fah­ren gelte dieser Grund­satz aber nicht unein­ge­schränkt. Habe in der ersten Instanz eine öffent­li­che Verhand­lung statt­ge­fun­den, könne es aufgrund der Beson­der­heit des betref­fen­den Verfah­rens gerecht­fer­tigt sein, in der zweiten oder dritten Instanz von einer mündli­chen Verhand­lung abzuse­hen. Unter Berück­sich­ti­gung dieser Maßstä­be sei eine Gehörsver­let­zung weder darge­tan noch aus sich heraus ersicht­lich. Dassel­be gelte für die Rüge der Gehörsver­let­zung im Zusam­men­hang mit der Recht­spre­chung des BGH zur Mittä­ter­schaft. Die Argumen­ta­ti­on Zschäpes stehe unter der Prämis­se, dass der Bundes­ge­richts­hof – für sie überra­schend – von seiner ständi­gen Recht­spre­chung zur Mittä­ter­schaft abgewi­chen sei. Dies treffe jedoch nicht zu, denn der Beschluss des BGH vom 12. August 2021 entspre­che der bishe­ri­gen Recht­spre­chung zur Abgren­zung zwischen Täter­schaft und Teilnahme.

Auch die Revisio­nen von Gerlach und Wohlle­ben wies der BGH durch Beschluss als unbegrün­det zurück.

Hinsicht­lich der Revisi­on des GBA und der Vertei­di­gung in Bezug auf den Angeklag­ten Eminger führte der BGH eine mündli­che Verhand­lung durch, als deren Ergeb­nis beide Revisio­nen durch Urteil verwor­fen wurden. Zu dem durch den GBA angefoch­te­nen Teilfrei­spruch führte der BGH u.a. aus, das Revisi­ons­ge­richt habe es grund­sätz­lich hinzu­neh­men, wenn das Tatge­richt den Angeklag­ten freispre­che, weil es auf der Grund­la­ge einer Gesamt­be­wer­tung aller Umstän­de des Einzel­falls Zweifel an der subjek­ti­ven Tatsei­te nicht zu überwin­den vermag. Die Beweis­wür­di­gung sei vom Gesetz dem Tatge­richt übertra­gen (§ 261 StPO). Es oblie­ge allein ihm, sich unter dem umfas­sen­den Eindruck der Haupt­ver­hand­lung ein Urteil über die Schuld des Angeklag­ten zu bilden. Seine Schluss­fol­ge­run­gen brauch­ten nicht zwingend zu sein; es genüge, dass sie möglich seien. Die revisi­ons­ge­richt­li­che Prüfung beschrän­ke sich darauf, ob bei der Beweis­wür­di­gung ein Rechts­feh­ler unter­lau­fen ist.

In Sachen Wohlle­ben hatte sich der BGH schließ­lich noch mit einer weite­ren Entschei­dung des OLG München zu befas­sen (BGH StB 43/22, NJW 2022, 3729). Wohlle­ben stand nach der Rechts­kraft seiner Verur­tei­lung im NSU-Verfah­ren kurz vor Verbü­ßung von zwei Dritteln seiner zehnjäh­ri­gen Straf­haft. Aufgrund dessen stell­te er beim OLG München den Antrag, die Vollstre­ckung des Straf­rests zur Bewäh­rung auszu­set­zen. Dieser Antrag wurde abschlä­gig beschie­den. Das OLG München setzte zudem eine Frist von sechs Monaten fest, vor deren Ablauf ein erneu­ter Antrag Wohlle­bens unzuläs­sig war. Hierge­gen hatte er sofor­ti­ge Beschwer­de einge­legt, die der 3. Straf­se­nat des BGH jedoch verwarf. Der Senat teilte die Ansicht des Oberlan­des­ge­richts, die Ausset­zung der Vollstre­ckung des Straf­rests könne unter Berück­sich­ti­gung des Sicher­heits­in­ter­es­ses der Allge­mein­heit nicht verant­wor­tet werden. Für Wohlle­ben könne keine hinrei­chend günsti­ge Legal­pro­gno­se gestellt werden.

9. Wirkung und zeitge­nös­si­sche Bewertung
Der Prozess fand sowohl in der (media­len) Öffent­lich­keit als auch in der Rechts­wis­sen­schaft große Beach­tung. Dabei sind die Auffas­sun­gen zwiespäl­tig. Eine Auffas­sung geht davon aus, das NSU-Verfah­ren habe sein Ziel erreicht. Fried­rich­sen schreibt dazu, dass der Rechts­staat „dank der exorbi­tan­ten Leistung des Senats und seines Vorsit­zen­den die Nagel­pro­be bestan­den (habe), ein diffe­ren­zier­tes, um Wahrheit und Gerech­tig­keit bemüh­tes Urteil zu fällen, das der Bedeu­tung des Falles entspricht. Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe waren gleich­sam die Vorbo­ten einer erstark­ten rechts­ex­tre­men Bewegung, die sich anhei­schig macht, an den Grund­fes­ten der europäi­schen Demokra­tien zu rütteln. Ihr Einhalt geboten zu haben unter Wahrung des Rechts der Angeklag­ten auf ein faires Verfah­ren, unter Einhal­tung der stren­gen Regeln eines insti­tu­tio­na­li­sier­ten Proze­de­re, in dem sich mehre­re ‚Partei­en‘ im Kampf um die Wahrheit gegen­über­ste­hen und so lange mitein­an­der strei­ten, bis sich am Ende eine tragfä­hi­ge richter­li­che Überzeu­gung bildet, ist das große Verdienst des NSU-Prozes­ses“ (Fried­rich­sen, S. 294 f.).

Demge­gen­über wird beispiels­wei­se von NSU-Watch und anderen Prozess­be­ob­ach­tern beklagt, der Rechts­staat habe die Opfer des NSU-Terrors im Stich gelas­sen. Auch das schrift­li­che Urteil des OLG München trage nichts zur Wahrheits­fin­dung im NSU-Komplex bei. Es sei formel­haft, ahisto­risch und kalt. Der Umfang von 3025 Seiten solle verschlei­ern, dass der Senat unter Vorsitz von Manfred Götzl seiner Aufga­be der Wahrheits­fin­dung und der Wieder­her­stel­lung des Rechts­frie­dens nicht gewach­sen gewesen sei (NSU-Watch, S. 208 f.). Von der überwie­gen­den Zahl der Neben­klä­ger wurde und wird massiv kriti­siert, dass die Bundes­an­walt­schaft den Fokus der Ankla­ge allein auf die sogenann­te „Trio-Täter­schaft“ (oder auch „Einzel­tä­ter-These“) gelegt und die Aufmerk­sam­keit der Straf­ver­fol­ger sich nicht auf das Umfeld des NSU gerich­tet habe. Dazu gehört auch der Vorwurf, die Aufklä­rung des Tatge­sche­hens habe nicht auch der Rolle des Verfas­sungs­schut­zes gegol­ten, ein Vorwurf, der sich von Seiten der der Neben­kla­ge­ver­tre­ter genau­so gegen die Beweis­auf­nah­me durch das Gericht richte­te (Förster/Moser/Selvakumaran [Hg.]). Paral­le­len zum RAF-Verfah­ren werden insoweit gesehen, als ein verbin­den­des Element in der Koope­ra­ti­on staat­li­cher Stellen mit Terro­ris­ten oder mit diesen naheste­hen­den Perso­nen bestün­de (Buback, in: Förster/Moser/Selvakumaran [Hg.], S. 188 ff., 190).

In der Rechts­wis­sen­schaft wird disku­tiert, ob der NSU-Prozess ein politi­scher Prozess war, wobei bislang keine klare Antwort gefun­den worden ist, sondern auf die Schwie­rig­keit hinge­wie­sen wird, eine solche zu geben.
Aller­dings wird auch vor einer „künst­li­chen Entpo­li­ti­sie­rung“ des NSU-Prozes­ses gewarnt (Liebs­cher, NSU-Komplex). Das hängt aber mit dem generel­len Problem zusam­men, dass für die Einord­nung eines Straf­ver­fah­rens als politi­sches bzw. einer politi­schen Straf­jus­tiz nach wie vor keine eindeu­ti­ge Defini­ti­on existiert, sondern darüber gestrit­ten wird (s. Arnold, Straf­ge­setz­ge­bung und ‑recht­spre­chung als Mittel der Politik, S. 86 f.). Groene­wold beschreibt die beiden grund­le­gen­den – sich konträr gegen­über­ste­hen­den – Ansich­ten so: „Einmal dieje­ni­ge, die den Begriff auf Verfah­ren beschränkt, die gegne­ri­sche oder kriti­sche Meinungs­äu­ße­run­gen zum Gegen­stand haben, sowie auf Hochver­rats­pro­zes­se. Zum anderen die, jeder Straf­pro­zess als solcher sei politisch insofern, dass er der Bestä­ti­gung bzw. Infra­ge­stel­lung von Geset­zen oder einer bestimm­ten gesell­schaft­li­chen Ordnung dient.“ (Groene­wold, Edito­ri­al). Aller­dings gibt es eine Reihe von Auffas­sun­gen, die sich diesen beiden Grund­an­schau­un­gen eben gerade nicht ohne weite­res zuord­nen lassen. Das trifft in gewis­ser Weise auch für die überein­stim­men­den Positio­nen der beiden Autoren des hier vorge­leg­ten Textes über das NSU-Verfah­ren zu. Es lässt sich eben nicht eindeu­tig beant­wor­ten, ob das NSU-Verfah­ren ein politi­scher Prozess war oder nicht. Gleich­wohl kann eine Annähe­rung an Berüh­rungs­punk­te des Politi­schen von bestimm­ten Ordnungs­krei­sen her erfol­gen. Der erste dieser Ordnungs­krei­se betrifft die Frage, ob der Prozess vom Ankla­ge­vor­wurf her politi­sches Handeln der Angeklag­ten thema­ti­siert. Der zweite Ordnungs­kreis betrifft die Gestal­tung des Verfah­rens durch die in ihm handeln­den Akteu­re. Hier steht die Frage im Mittel­punkt, ob der Prozess von den unter­schied­li­chen Akteu­ren in einem politi­schen Kontext geführt wird. Der dritte Ordnungs­kreis schließ­lich fragt nach politi­schen Folgen und Folge­run­gen. Diese können, müssen aber nicht durch die Akteu­re inten­diert sein (Heghmanns, Das NSU-Verfahren).
Mithin ist es sinnvoll, einzel­ne Aspek­te des NSU-Verfah­rens auf ihre jewei­li­ge politi­sche Dimen­si­on hin zu unter­su­chen. Oberlan­des­ge­richt und GBA haben ganz offen­sicht­lich versucht, eine Politi­sie­rung des Verfah­rens durch eine Konzen­tra­ti­on auf den straf­recht­li­chen Verfah­rens­stoff zu verhin­dern. Ob man solche Verhin­de­rungs­ver­su­che bereits als politi­schen Akt der Verfah­rens­füh­rung begrei­fen kann, erscheint fragwür­dig, will man den Begriff des Politi­schen nicht banali­sie­ren. Gleich­wohl ist nicht zu leugnen, dass gerade die Tatvor­wür­fe selbst eine politi­sche Dimen­si­on aufwie­sen und der Prozess unzwei­fel­haft auch eine politi­sche Wirkung hatte.
In der Gesamt­schau dieser Aspek­te gelangt man vor dem Hinter­grund des Fehlens einer überzeu­gen­den und allge­mein­taug­li­chen Defini­ti­on des Begriffs eines politi­schen Prozes­ses schließ­lich zu einer diffe­ren­zie­ren­den Einschät­zung: Zweifel­los „weist das NSU-Verfah­ren einige gewich­ti­ge politi­sche Aspek­te auf. Aller­dings handelt es sich ebenso zweifel­los um keinen ideal­ty­pi­schen politi­schen Prozess“ (Heghmanns, Das NSU-Verfah­ren). Zu einem anderen Resul­tat gelangt man mit den Maßstä­ben von Kirch­hei­mer und insbe­son­de­re von Groene­wold (Kirch­hei­mer, Politi­sche Justiz; Groene­wold, Als Straf­ver­tei­di­ger in Stamm­heim). Groene­wold zieht in seiner Einfüh­rung bei der öffent­li­chen Vorstel­lung der von Jeßber­ger und Schuch­mann heraus­ge­ge­be­nen Stamm­heim-Proto­kol­le auch Verglei­che mit den NSU-Verfah­ren und legt dar, dass das NSU-Verfah­ren hinsicht­lich einiger Anträ­ge und ihrer Behand­lung dem Muster Stamm­heim gefolgt sei. Das gelte für die Eingangs­an­trä­ge der Vertei­di­ger, die sich gegen die Vorver­ur­tei­lung und Akten­ver­wei­ge­rung richte­ten, das gelte aber auch für die Entschei­dun­gen des Gerichts, keine Akten von Unter­su­chungs­aus­schüs­sen und des Verfas­sungs­schut­zes heran­zu­zie­hen, um nicht im Prozess die mögli­cher­wei­se bestehen­de Anwesen­heit (und vielleicht Unter­stüt­zung) von Mitglie­dern des Verfas­sungs­schut­zes bei den einzel­nen Taten erörtern zu müssen (Groene­wold, Als Vertei­di­ger in Stammheim).

Legt man den Fokus der näheren Befas­sung mit der Frage nach dem politi­schen Straf­ver­fah­ren vor allem auf die Akteu­re der Vertei­di­gung in der Haupt­ver­hand­lung (Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, S. 115 ff.), ergibt sich für das NSU-Verfah­ren die Schluss­fol­ge­rung, dass insbe­son­de­re die Vertei­di­gung Wohlle­bens diesen Prozess – entge­gen ihrer ander­wei­ti­gen Beteue­run­gen – als einen politi­schen verstan­den und in diesem Sinne auch gehan­delt hat. Es war ein Vertei­di­ger­agie­ren auf der Stufe der natio­nal­so­zia­lis­ti­schen Gesin­nung Wohlle­bens. Insofern muss die berech­tig­te Frage, ob die politi­sche Vertei­di­gung Wohlle­bens eher aus takti­schen Gründen erfolg­te, wohl verneint werden [(vgl. oben 5.3., 6.c)].

10. Würdi­gung
a) Norma­ti­ve und rechts­po­li­ti­sche Schlussfolgerungen
Aus den oben bei 8. erfolg­ten Darle­gun­gen ergeben sich bereits die unter­schied­li­chen Richtun­gen und Kontro­ver­sen bei der Würdi­gung des Prozes­ses. Sie wäre aber unvoll­stän­dig, würde nicht auch auf norma­ti­ve und rechts­po­li­ti­sche Schluss­fol­ge­run­gen hinge­wie­sen, die teilwei­se bereits während des NSU-Prozes­ses, aber nicht zuletzt auch auf Grund der Aufklä­rungs­ar­beit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se gezogen wurden:

- Verän­dert wurde die Rechts­ex­tre­mis­mus-Datei. Durch das „Gesetz zur Verbes­se­rung der Bekämp­fung des Rechts­ex­tre­mis­mus“ soll der Infor­ma­ti­ons­aus­tausch zwischen den Sicher­heits­be­hör­den verbes­sert werden, wozu die Einrich­tung einer beim BKA angesie­del­ten Datei dienen soll, um die sicher­heits­be­hörd­li­chen Infor­ma­tio­nen zum gewalt­be­zo­ge­nen Rechts­ex­tre­mis­mus zu bündeln (Regie­rungs­ent­wurf, BT-Drs. 17/8672, S. 10 ff., Pichl, S. 292).

- Eine weite­re Empfeh­lung des NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses des Bundes­ta­ges stell­te das „Gesetz zur Verbes­se­rung der Zusam­men­ar­beit im Bereich des Verfas­sungs­schut­zes“ dar. Nunmehr soll das Bundes­amt für Verfas­sungs­schutz unbescha­det der Auswer­tungs­ver­pflich­tun­gen der Landes­be­hör­den zentral alle Erkennt­nis­se über Bestre­bun­gen und Tätig­kei­ten auswer­ten, die „beispiels­wei­se die freiheit­lich-demokra­ti­sche Grund­ord­nung durch den Einsatz von Gewalt­mit­teln gefähr­den“ (Pichl, S. 296).

- Im Bereich des Einsat­zes von V‑Personen und verdeck­ten Ermitt­lern kam es zu erheb­li­chen Verän­de­run­gen am bishe­ri­gen Verfas­sungs­schutz­ge­setz. Ob diese tatsäch­lich die Proble­me angehen, die im NSU-Komplex aufge­taucht sind, oder diese nicht sogar teilwei­se verschär­fen, bleibt fraglich (Pichl, S. 297).

- Verbes­sert werden soll die parla­men­ta­ri­sche Kontrol­le der Geheim­diens­te. Die wesent­li­che Änderung durch das „Gesetz zur weite­ren Fortent­wick­lung der parla­men­ta­ri­schen Kontrol­le der Nachrich­ten­diens­te des Bundes“ besteht in der Einfüh­rung des „Ständi­gen Bevoll­mäch­tig­ten“ für das Parla­men­ta­ri­sche Kontroll­gre­mi­um (Pichl, S. 300).

- Geändert wurde im GVG die Zustän­dig­keit des GBA. Unter anderem betraf das die Herab­set­zung der Zustän­dig­keits­vor­aus­set­zun­gen für Staats­schutz­de­lik­te. (§ 142 a Abs. 1 S. 2 GVG) Ferner reicht nunmehr die objek­tiv staats­schutz­feind­li­che Tat aus. (§ 120 Abs. 2 Abs. 1 S. 3 GVG) Diese und andere Erwei­te­run­gen der Zustän­dig­kei­ten des GBA hingen vor allem damit zusam­men, dass der NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss des Deutschen Bundes­ta­ges sich vor Aufde­ckung des NSU am 4.11. 2011 nicht für zustän­dig erach­te­te (von Eitzen, S. 287 ff.).

- Aufgrund des Geset­zes zur Umset­zung von Empfeh­lun­gen des NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses des Deutschen Bundes­ta­ges vom 12.6.2015 wurde § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB geändert. Bei den für die Straf­be­mes­sung zu berück­sich­ti­gen­den Zielen und Beweg­grün­den wurde die Formu­lie­rung „insbe­son­de­re auch rassis­ti­sche, fremden­feind­li­che oder sonsti­ge menschen­ver­ach­ten­de“ einge­fügt. Damit sollen derart motivier­te Gewalt­ta­ten einen beson­de­ren Stellen­wert im Straf­rechts­sys­tem erhal­ten, was jedoch in der Straf­rechts­wis­sen­schaft auf Kritik wegen des Symbol­haf­ten dieser Ergän­zung stößt (von Etzen, S. 307 ff., mit zahlrei­chen Nachwei­sen kriti­scher Stimmen in dort. Fn. 1401/1402 u.a. von Rosen­au, Radtke, Bertram, Hörnle; Pichl, S. 295).

- In straf­pro­zes­sua­ler Hinsicht erfuh­ren die bishe­ri­ge Frist zur Begrün­dung der Revisi­ons­be­grün­dung in § 345 Abs. 1 S. 1 StPO eine Änderung wie auch die Regelun­gen zur Neben­kla­ge durch die Einfüh­rung von § 397b StPO.

Die Frist zur Begrün­dung einer Revisi­on betrug nach § 345 StPO a.F. einen Monat nach Zustel­lung des Urteils, gleich­viel, wie lange sich nach § 275 StPO das Gericht Zeit zur Fertig­stel­lung des Urteils nehmen konnte. Im NSU-Verfah­ren standen dem Oberlan­des­ge­richt auf diese Weise 93 Wochen zur Verfü­gung, während die Vertei­di­ger nur einen Monat Zeit hatten, die 3025 Seiten des Urteils auf Fehler durch­zu­se­hen und danach ihre Revisi­ons­be­grün­dung zu verfas­sen. Nach der Neufas­sung von § 345 StPO bleibt die bishe­ri­ge Frist zwar im Grund­satz erhal­ten. Sie verlän­gert sich aber um einen Monat, wenn das Urteil später als einund­zwan­zig Wochen nach der Verkün­dung zu den Akten gebracht worden ist, und, wenn es später als fünfund­drei­ßig Wochen nach der Verkün­dung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weite­ren Monat. Einge­bet­tet ist diese Geset­zes­än­de­rung in das „Gesetz zur Fortent­wick­lung der Straf­pro­zess­ord­nung und zur Änderung weite­rer Vorschrif­ten“ vom 26.6.2021. Auch wenn in der Geset­zes­be­grün­dung kein expli­zi­ter Zusam­men­hang zum NSU-Prozess herge­stellt, sondern nur von Umfangs­ver­fah­ren gespro­chen wird (Regie­rungs­ent­wurf, BT-Drs. 19/27654, S. 98), kann davon ausge­gan­gen werden, dass das NSU-Verfah­ren nochmals bewusst gemacht hatte, wie schwie­rig es für die Vertei­di­gung ist, bei solch langen und komple­xen Verfah­ren inner­halb einer strik­ten Monats­frist eine Revisi­on unter Beach­tung der dafür gesetz­lich geregel­ten inhalt­li­chen Anfor­de­run­gen zu begrün­den. Gerade im Zusam­men­hang mit den Revisio­nen im NSU-Verfah­ren wurde dieser Aspekt, der einer gesetz­li­chen Einschrän­kung der Rechte erstin­stanz­lich Verur­teil­ter gleich­kam, von den Vertei­di­gern der Angeklag­ten beson­ders betont.

In einem Verfah­ren können mehre­re Verletz­te als Neben­klä­ger auftre­ten. Eine Obergren­ze sieht das Gesetz nicht vor. In Einzel­fäl­len führt das zu erheb­li­chen Schwie­rig­kei­ten recht­li­cher und tatsäch­li­cher Natur (Allgay­er, in: KK, 9. Aufl., Vorbem. zu § 395 StPO). Das zeigte sich beson­ders im NSU-Prozess, an dem zeitwei­se über 80 Neben­kla­ge­ver­tre­ter mitwirk­ten. Aus dieser Erfah­rung heraus wurde mit einem neuen § 397b StPO eine Vorschrift geschaf­fen, wonach es nun möglich ist, mehre­ren Neben­klä­gern nur noch eine Person als Neben­kla­ge­ver­tre­ter zu bestel­len. Mit dieser Bünde­lung wird das Ziel verfolgt, eine effek­ti­ve Durch­füh­rung der Haupt­ver­hand­lung zu erleich­tern. Die Einfüh­rung von § 397b StPO erfolg­te mit dem „Gesetz zur Moder­ni­sie­rung des Straf­ver­fah­rens“ vom 10.12.2019.

- Eine weite­re straf­pro­zes­sua­le Lehre, letzt­lich auch aus dem NSU-Prozess, besteht in den nunmehr verstärk­ten krimi­nal­po­li­ti­schen Bemühun­gen um die Dokumen­ta­ti­on der Haupt­ver­hand­lung. Obwohl das bisher schon unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen möglich war und auch im NSU-Verfah­ren möglich gewesen wäre, wurde dies dort sowohl von der Bundes­an­walt­schaft wie auch vom erken­nen­den Senat trotz entspre­chen­der Anträ­ge von Vertei­di­gern wie Neben­kla­ge­ver­tre­tern mit nicht in jeder Hinsicht überzeu­gen­den Argumen­ten abgelehnt.

Im Novem­ber 2022 legte Justiz­mi­nis­ter Busch­mann den Entwurf eines sog. “Haupt­ver­hand­lungs­do­ku­men­ta­ti­ons­ge­set­zes” vor. Dieser bestimm­te, eine Haupt­ver­hand­lung, die erstin­stanz­lich vor dem Oberlan­des­ge­richt oder dem Landge­richt statt­fin­det, in Zukunft in Bild und Ton aufzu­zeich­nen. Ferner besag­te der Entwurf, dass die Tonauf­zeich­nung zusätz­lich mittels einer Transkrip­ti­ons­soft­ware automa­ti­siert in ein Textdo­ku­ment übertra­gen werden muss. Rund 600 Gerichts­sä­le müssten dafür mit der entspre­chen­den Technik ausge­stat­tet werden. Insbe­son­de­re von Seiten der Richter­schaft, Staats­an­walt­schaf­ten und Justiz­ver­wal­tun­gen erfuhr dieses Vorha­ben hefti­ge Kritik. Zustim­mung dagegen kam von den Straf­ver­tei­di­ger­ver­bän­den. Darauf­hin legte Busch­mann einen Kompro­miss­vor­schlag vor. Danach soll die Video­auf­zeich­nung nur noch optio­nal sein. Außer­dem sollen die Justiz­be­hör­den der Länder mehr Zeit als ursprüng­lich geplant erhal­ten, um die Technik für Tonauf­zeich­nung und Transkrip­ti­on zu beschaf­fen. Der Deutsche Anwalts­ver­ein kriti­siert das mit den Worten: “Eine Kompro­miss­lö­sung, die sich nur mit einer bloßen Tonauf­zeich­nung begnügt, würde die Chance vertun, hier wirklich etwas im Sinne der bestmög­li­chen Wahrheits­fin­dung zu verän­dern.” Schließ­lich sei der überwie­gen­de Anteil mensch­li­cher Kommu­ni­ka­ti­on nonver­bal. Mimik, Gestik, Körper­hal­tung, Blicke – all dies gehöre zur Würdi­gung einer Aussa­ge dazu (LTO-Redak­ti­on). Die Diskus­si­on darüber, die auch mögli­che Auswir­kun­gen auf das Verhal­ten von Zeugen und das Rechts­mit­tel­sys­tem zu beden­ken hat, ist nicht abgeschlos­sen und es ist unklar, ob und wann das Gesetz erlas­sen wird.

b) Die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se im Allgemeinen
Der NSU-Prozess konnte die großen Erwar­tun­gen insbe­son­de­re der Hinter­blie­be­nen der Opfer des NSU im Hinblick auf umfas­sen­de Aufklä­rung des Gesche­hens, des Umfel­des sowie der Verstri­ckun­gen des Verfas­sungs­schut­zes nicht erfül­len. Es ist in der Tat fraglich, ob eine solche Erwar­tungs­hal­tung mit einem Straf­pro­zess und seinen Grenzen überhaupt bedient werden kann (Arnold StV 2022, 108). Gleich­wohl wird darauf hinge­wie­sen, dass für das OLG München aufgrund der Recht­spre­chung des EGMR eine Aufklä­rungs­pflicht hinsicht­lich der Verstri­ckun­gen des Staates (hier des Verfas­sungs­schut­zes) bestand hätte, welcher der 6. Straf­se­nat des OLG München nicht nachge­kom­men sei (Schüler; Arnold StV 2022, 108, 117).

Auch jene Stimmen sind beach­tens­wert, die sich von der Verhand­lungs­füh­rung, der Öffent­lich­keits­ar­beit des Gerichts wie auch dem Urteil erhoff­ten, dass den Neben­klä­gern ein größe­res Gewicht zukommt und sie nicht nur durch die Neben­kla­ge­ver­tre­ter, sondern auch durch Bundes­an­walt­schaft und vor allem durch das Gericht im Prozess sicht­bar gemacht werden. Das ist nicht erfolgt. Ihnen allein die Möglich­keit zu geben, sich im Prozess zu äußern, reiche dafür nicht aus. Dass es anders geht, konnte die Vorsit­zen­de Richte­rin in dem Verfah­ren gegen den Halle-Atten­tä­ter zeigen (Arnold, StV 2022, 108, 117 Fn. 118).

Wegen der rechts­staat­li­chen Grenzen, die dem Gericht bei der Aufklä­rung des umfas­sen­den Gesche­hens durch das Gesetz vorge­zeich­net sind, war es umso wichti­ger, parla­men­ta­ri­sche NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se zu bilden. Es ist bemer­kens­wert, dass in den Quellen, die sich mit dem NSU-Prozess befas­sen, die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se soweit ersicht­lich kaum vorkom­men, mithin auch nicht die Frage nach eventu­el­len Querver­bin­dun­gen aufge­wor­fen wird (mit Ausnah­me von Pichl, S. 214 ff.).

Insge­samt gab bzw. gibt es 14 NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se, davon zwei des Deutschen Bundes­ta­ges, die anderen parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se wurden in einer ganzen Reihe von Bundes­län­dern einge­setzt, teilwei­se in aufein­an­der­fol­gen­den Legislaturperioden.

Wenn man die Ergeb­nis­se der Arbeit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se im Hinblick darauf betrach­tet, inwie­fern sie über die Aufklä­rung durch den 6. Straf­se­nat des OLG hinaus­ge­hen, so handelt es sich u.a. um die folgen­den Feststel­lun­gen, wobei voraus­zu­schi­cken ist, dass eine ideal­ty­pi­sche Grenz­zie­hung zwischen den politi­schen Dimen­sio­nen eines Tatkom­ple­xes, den paral­lel zu einem Gerichts­ver­fah­ren in parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­sen erlang­ten Erkennt­nis­sen und der juris­ti­schen Wahrheits­fin­dung vor Gericht nicht aufrecht­erhal­ten lässt (Liebs­cher, NSU-Komplex).

- Die Analy­se der Verfas­sungs­schutz­be­hör­den in Bund und Ländern zur rechts­ter­ro­ris­ti­schen Gefahr war falsch und grob verharm­lo­send. Hier bestand eine Diskre­panz gegen­über dem tatsäch­li­chen Wissen, das die Verfas­sungs­schutz­äm­ter durch ihr engma­schi­ges V‑Leu­te-System aus der rechten Szene abschöp­fen konnten (Pichl, S. 284 f.).

- Die Abschluss­be­rich­te der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se zeigen, wie Exeku­tiv­be­hör­den ein Selbst­er­hal­tungs­in­ter­es­se ausbil­den, das gerade kein einheit­li­ches Vorge­hen der Staats­ap­pa­ra­te hervor­bringt, sondern Konflik­te, die intra-insti­tu­tio­nell zwischen den Staats­ap­pa­ra­ten verlau­fen. Vor allem die Verfas­sungs­schutz­äm­ter zeigten ein Selbst­er­hal­tungs­in­ter­es­se, das zu einer höchst selek­ti­ven Infor­ma­ti­ons­wei­ter­ga­be an andere Behör­den geführt hatte (Pichl, S. 286).

- Wenn alle den Sicher­heits­be­hör­den bereits 1998 und 1999 vorlie­gen­den Infor­ma­tio­nen zum unter­ge­tauch­ten Kerntrio des NSU richtig ausge­wer­tet, analy­siert und bei der Zielfahn­dung zusam­men­ge­fasst worden wären, hätte die Mordse­rie des NSU durch Auffin­den von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verhin­dert werden können (Pichl, S. 287).

- Die Arbeit der NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se hat deutlich gezeigt, wie der Einsatz von V‑Personen die rechts­ex­tre­me Szene in entschei­den­der Weise durch mittel­ba­re Finan­zie­rungs­hil­fen, Quellen­schutz und Schutz vor Straf­ver­fol­gung mit aufge­baut hat (Pichl, S. 288). Über die Quanti­tät und Quali­tät des V‑Leu­te-Systems konnte kein abschlie­ßen­des Urteil gefällt werden, weil auch den Unter­su­chungs­aus­schüs­sen das Ausmaß dieses Systems nicht zugäng­lich gemacht wurde.

Trotz der Tätig­keit der Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schüs­se wird einge­schätzt, dass die Aufklä­rung parti­ell geschei­tert ist. In den Behör­den, vor allem auch in der Polizei gebe es eine enorme Haltung der Verwei­ge­rung, aus dem NSU Konse­quen­zen zu ziehen. „Wagen­burg­men­ta­li­tät“ und „Unfehl­bar­keits­pa­ra­dig­ma“ setzten sich auch nach den zahlrei­chen NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­sen fort. Es lasse sich insge­samt feststel­len, dass die Sicher­heits­be­hör­den, deren spezi­fi­sche Struk­tu­ren zum NSU-Komplex in erheb­li­cher Weise beigetra­gen und die auch die Aufar­bei­tung der Mordse­rie in den Unter­su­chungs­aus­schüs­sen und vor Gericht sabotiert hätten, „letzt­end­lich gestärkt aus dem politi­schen Skandal hervor­ge­gan­gen sind“ (Pichl, S. 304; Nübel, S. 100–131; Gengnagel/Kallert, S. 158–184). Freilich muss man wohl einse­hen, dass daran auch der 6. Straf­se­nat des OLG München nichts hätte zu verän­dern vermocht, wenn er die Aufklä­rung auf die Verstri­ckung des Verfas­sungs­schut­zes erstreckt hätte, ganz abgese­hen davon, ob er überhaupt zu derar­ti­gen Erkennt­nis­sen wie die NSU-Unter­su­chungs­aus­schüs­se hätte gelan­gen können. Das Oberlan­des­ge­richt München hätte nicht die Aufklä­rung durch die Unter­su­chungs­aus­schüs­se erset­zen können. Das ändert aber nichts an der unter 6. b) darge­stell­ten Kritik am 6. Straf­se­nat dieses Gerichts, dass nach der Recht­spre­chung des EGMR Rechts­pflicht ist, auch die Tatum­stän­de – wie die Unter­stüt­zung bei der Auswahl des Tatorts oder bei der Durch­füh­rung der Tat – sowie die Kennt­nis­se staat­li­cher Behör­den von Tätern und Tat aufzu­klä­ren und zu berücksichtigen.
Im Ergeb­nis gesell­schaft­lich und politisch fatal ist sicher­lich die unter­blie­be­ne Aufklä­rung der Rolle der Inlands­ge­heim­diens­te in dem gesam­ten NSU-Komplex. Dabei darf aber nicht überse­hen werden, dass dem Gericht bei solcher Aufklä­rung deutli­che Grenzen gesetzt gewesen wären, wie die Verwei­ge­rung sowohl der Heraus­ga­be von Akten des Verfas­sungs­schut­zes als auch die Verneh­mung von Angehö­ri­gen der Behör­de als Zeugen. Gerade die darauf gerich­te­ten Aufklä­rungs­be­mü­hun­gen der Unter­su­chungs­aus­schüs­se haben gezeigt, wie letzt­lich der Staat alles versucht hat, um solche Aufklä­rung zu verhin­dern. Eine Schluss­fol­ge­rung aus diesem Dilem­ma kann eigent­lich nur darin bestehen, dass das Recht den Verfas­sungs­schutz zukünf­tig zur Aufklä­rung von Verstri­ckun­gen in derar­ti­ge Verbre­chen zwingt.

c) Der Bayeri­sche NSU-Unter­su­chungs­aus­schuss II im Besonderen

Beson­de­re media­le Aufmerk­sam­keit hat der zweite bayeri­sche Unter­su­chungs­aus­schuss mit einer achtstün­di­gen Verneh­mung von Beate Zschäpe am 22.5.2023 erzielt, die in der Justiz­voll­zugs­an­stalt Chemnitz statt­fand. Zschäpe hat dort erstmals auf Fragen direkt geant­wor­tet, eine Mitschuld an den Taten des NSU einge­räumt, aber zugleich das Bild einer abgeschot­te­ten Dreier­grup­pe ohne breite aktive Unter­stüt­zer im Hinter­grund aufrecht­erhal­ten (Litsch­ko, Zschäpe verneint Tatort­hel­fer; https://www.sueddeutsche.de/bayern/beate-zschaepe-nsu-bayern-landtag-ausschuss-mordserie‑1.5875418?print=true – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Auf der Presse­kon­fe­renz des Ausschus­ses wurde hervor­ge­ho­ben, dass die Erwar­tun­gen sehr offen waren, weil nicht ohne weite­res davon ausge­gan­gen werden konnte, dass Zschäpe überhaupt aussagt (im Einzel­nen zur Presse­kon­fe­renz bei Moser, Rätsel Zschäpe).

Anhand des Proto­kolls der Verneh­mung werden die Aussa­gen von Zschäpe mit unter­schied­li­cher Schwer­punkt­set­zung wieder­ge­ge­ben (https://www.bayern.landtag.de/aktuelles/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-2023/wortlautprotokoll-der-vernehmung-von-beate-zschaepe-im-untersuchungsausschuss-nsu-ii/ – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023): Sie gäbe sich geläu­tert, stelle sich anders als im Prozess nicht mehr als Opfer dar und schlie­ße weite­re Mordop­fer nicht aus. Hervor­ge­ho­ben wird ferner, dass sie als Motiv für die Morde nun „Rassen­hass“ nennt, während sie im Verfah­ren selbst bestrit­ten habe, die wahren Motive von Mundlos und Böhnhardt zu kennen. Auch sei anders als im Gerichts­pro­zess keine Rede mehr von einer Abhän­gig­keit zu den beiden Uwes. Zschäpe sei dabei­ge­blie­ben, die Morde nicht gewollt zu haben und weder an der Planung noch an der Durch­füh­rung betei­ligt gewesen zu sein. Inzwi­schen habe sie aber verstan­den, dass sie vollum­fäng­lich mitschul­dig an den Morden sei. Zschäpe habe sich als „Ausstei­ge­rin“ aus der rechts­ex­tre­men Szene bezeich­net und wolle in der Haft an einem Ausstei­ger­pro­gramm teilneh­men (zum Ganzen Ramm, Zschäpe schließt weite­re Mordop­fer nicht aus). Hinge­wie­sen wird ferner auf ihre Aussa­ge, sie hätte verhin­dern können, dass aus dem ersten Mord eine Serie wird, wenn sie sich recht­zei­tig gestellt hätte (https://www.sueddeutsche.de/bayern/extremismus-muenchen-zschaepe-im-wortlaut-ich-bin-mitschuldig-an-den-morden-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101–230705-99–297513 – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Dass Zschäpe zu den Morden, die dem NSU zur Last gelegt worden sind, vor dem Ausschuss so gut wie keine Angaben machen konnte, wird entge­gen anderen Schluss­fol­ge­run­gen dahin­ge­hend inter­pre­tiert, dass es noch andere Verant­wort­li­che für die Morde als nur Böhnhardt und Mundlos gegeben haben könnte. Ferner seien die Aussa­gen von Zschäpe Anlass, weite­re kriti­sche Fragen über die Rolle des Verfas­sungs­schut­zes zu stellen. Zschäpe schil­der­te, nach dem Unter­tau­chen des Trios habe der V‑Mann Brandt wieder­holt mit ihnen telefo­niert. Die Gesprä­che seien von Telefon­zel­len aus geführt und Termi­ne sowie Rufnum­mern vorher ausge­tauscht worden. Dass Brandt V‑Mann war, hätten sie zu dieser Zeit noch nicht gewusst. Nach seiner Enttar­nung sei das Trio sehr irritiert darüber gewesen, dass sie bei dieser Sachla­ge nicht festge­nom­men worden seien, denn das wäre eine leich­te Polizei­übung gewesen. In der kriti­schen Bericht­erstat­tung dazu wird die Frage gestellt, ob das an Brandt lag, der den Kontakt mögli­cher­wei­se nicht an den Verfas­sungs­schutz verriet, oder ob der Verfas­sungs­schutz die drei gar nicht habe festneh­men wollen (ausführ­lich Moser, Was weiß Beate Zschäpe?).

Ein inter­es­san­ter Aspekt zu einer „Vorfeld­ver­tei­di­gung“ des NSU-Trios ergibt sich aus den Aussa­gen Zschäpes, sich zu unter­schied­li­chen Zeiten mit Hilfe von jeweils einem Anwalt den Verfol­gungs­or­ga­nen stellen zu wollen. Zschäpe führt aus, sie habe bei Termi­nen mit den Anwäl­ten diesen eine Vollmacht unter­zeich­net, und die Anwäl­te hätten darauf­hin Kontakt mit der Staats­an­walt­schaft aufge­nom­men. Dort sei ihnen aber gesagt worden, man wolle sich auf keine Verein­ba­run­gen einlas­sen, weil der unter­ge­tauch­te NSU ohnehin gefasst werden würde. Aus Äußerun­gen von Brandt, wonach sie mit einer zweistel­li­gen Zahl an Jahren des Freiheits­ent­zu­ges zu rechnen habe – so Zschäpe weiter – habe sie dann geschluss­fol­gert, dass sie besser nicht zurück­kom­men sollte (https://www.bayern.landtag.de/fileadmin/Internet_Dokumente/Sonstiges_A/Protokoll_Vernehmung_BZsch%C3%A4pe_V%C3%96_050723.pdf, S. 36 ff. ; 126 ff. – zuletzt aufge­ru­fen am 21.8.2023).

Zieht man dazu das Proto­koll der Haupt­ver­hand­lung vor dem 6. Straf­se­nat des OLG München heran, so geht daraus hervor, dass es sich in dem einen Fall um den Rechts­an­walt Dr. Eisen­ecker, hoher Funktio­när der NPD, handel­te, der im Jahre 2003 verstor­ben ist. In ihrer schrift­li­chen Aussa­ge im Prozess machte Zschäpe konkre­te­re Angaben dazu, wie der Kontakt zwischen ihr und Eisen­ecker zustan­de kam, nämlich über Carsten Schultz und Ralf Wohlle­ben. Zu erfah­ren ist aus dieser Aussa­ge Zschäpes aber auch – was sie in ihrer Verneh­mung durch den Unter­su­chungs­aus­schuss nicht äußer­te –, dass sie sich erst stellen wollte, nachdem Mundlos und Böhnhardt, wie diese das vorge­habt hätten, nach Südafri­ka geflo­hen wären (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-prozess-die-antworten-von-beate-zschaepe-im-wortlaut-a-1073259.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Am 157. Verhand­lungs­tag des NSU-Prozes­ses wurde Norbert Wießner, V‑Mann-Führer von Tino Brandt, dazu vernom­men, welche Infor­ma­tio­nen er von Brandt erhal­ten habe. Wießner erklär­te, er habe über Brandt von den Absich­ten Zschäpes erfah­ren, sich zu stellen, falls Böhnhardt und Mundlos nach Südafri­ka flüch­te­ten. Wiesner führte weiter aus, der Verfas­sungs­schutz wäre sicher­lich auf Zschäpe zugekom­men, wenn die Pläne, sich zu stellen, konkret gewor­den wären. Es habe ja kein Haftbe­fehl gegen Zschäpe vorge­le­gen, Zschäpe hätte daher jeder­zeit nach Jena oder ins Eltern­haus zurück­kom­men können (zum Ganzen https://www.nsu-watch.info/2014/11/protokoll-157-verhandlungstag-11-november-2014/ ‑zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023). Einem Medien­be­richt ist zu entneh­men, dass sich Rechts­an­walt Eisen­ecker Anfang März 1999 bei der Staats­an­walt­schaft Gera melde­te, eine von ihr unter­schrie­be­ne Vollmacht vorleg­te und mitteil­te, er vertre­te Beate Zschäpe juris­tisch und beantra­ge Akten­ein­sicht. Dies sei jedoch von der Staats­an­walt­schaft abgelehnt worden, weil die Akten erst nach Abschluss des Verfah­rens einzu­se­hen seien. Danach habe sich Eisen­ecker nicht mehr gemel­det (https://www.focus.de/panorama/reportage/hilfe-vom-vize-report_id_2360293.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Aus einer Presse­mit­tei­lung zu einer Sitzung des Parla­men­ta­ri­schen Unter­su­chungs­aus­schus­ses zur Aufklä­rung der NSU-Aktivi­tä­ten und weite­rer rechts­ter­ro­ris­ti­scher Struk­tu­ren in Mecklen­burg-Vorpom­mern aus dem Jahr 2022 geht hervor, dass noch weiter unter­sucht werden soll, ob Eisen­ecker das NSU-Kerntrio persön­lich traf und ob im Landes­ver­fas­sungs­schutz Hinwei­se über seine Einbin­dung in die Unter­stüt­zer­struk­tur vorla­gen. Dafür werde auch die Zusam­men­ar­beit mit dem Thürin­ger Geheim­dienst eine Rolle spielen müssen, der eigens einen Mitar­bei­ter zur Obser­va­ti­on von Eisen­ecker in den Nordos­ten entsand­te (https://www.dielinke-rostock.de/presse/detail/news/ausmass-der-nsu-unterstuetzung-durch-npd-anwalt-eisenecker-weiter-unklar/ – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Soweit Zschäpe davon spricht, noch einen weite­ren Anwalt kontak­tiert zu haben, so handelt es sich dabei wohl um Rechts­an­walt Thomas Jauch aus Weißen­fels in Sachsen-Anhalt, ebenfalls dezidiert ein Anwalt der politisch rechten Szene (Hinrichs, Thomas Jauch). Zschäpe kontak­tier­te Jauch noch vor Eisen­ecker. Gegen­über FOCUS erklär­te er, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos seien Anfang 1998 bei ihm aufge­taucht. Er habe schließ­lich Zschäpes Vertei­di­gung übernom­men und eine Vertre­tungs­an­zei­ge an die Polizei in Jena geschickt. Das Schrei­ben habe den Vermerk enthal­ten, dass Zschäpe bereit sei, sich zur Sache zu äußern, jedoch nur nach Akten­ein­sicht. Doch weder Polizei noch Staats­an­walt­schaft hätten ihn kontak­tiert. Zschäpe sei in den nächs­ten Monaten noch zweimal bei ihm gewesen. Nach Recher­chen von FOCUS stell­te sich jedoch heraus, dass sich in den Akten der Staats­an­walt­schaft kein Hinweis auf eine Vertre­tungs­an­zei­ge des Anwalts befin­det (https://www.focus.de/panorama/reportage/hilfe-vom-vize-report_id_2360293.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Am 124. Verhand­lungs­tag des NSU-Prozes­ses wurde Rechts­an­walt Jauch als Zeuge vernom­men. Insbe­son­de­re sollte er dazu aussa­gen, ob er Kontak­te zu den Angeklag­ten und zu Böhnhardt und Mundlos in der Zeit vor 1998 und danach hatte. Jauch antwor­te­te, dass er beruf­li­che Kontak­te im Rahmen von Mandats­ver­hält­nis­sen hatte und mache daher nach § 53 StPO von seinem Auskunfts­ver­wei­ge­rungs­recht Gebrauch. Darauf­hin fragte der Vorsit­zen­de Götzl ihn, ob außer­halb von Mandats­ver­hält­nis­sen Kontak­te zu den genann­ten Perso­nen bestan­den. Das wurde von Jauch defini­tiv verneint (https://www.nsu-watch.info/2014/07/protokoll-124-verhandlungstag-8-juli-2014/ – zuletzt aufge­ru­fen am 21.8.2023). Dennoch erbrach­te die Zeugen­ver­neh­mung das Bild von einer komple­xen anwalt­li­chen Tätig­keit für den NSU und dessen Umfeld (Scharmer/Stolle, Szene-Anwalt Thomas Jauch).

Vor diesem ganzen Hinter­grund ergeben sich bisher keine gesicher­ten Erkennt­nis­se dazu, wie konkret der Wunsch Zschäpes, sich zu stellen, wirklich war und welche Rolle die von Zschäpe kontak­tier­ten Vertei­di­ger dabei spiel­ten, dass dieses Vorha­ben am Ende nicht umgesetzt wurde.

Was vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss des Bayeri­schen Landta­ges keine Rolle spiel­te, war die Frage, warum Zschäpe sich für das NSU-Verfah­ren von Rechts­an­wäl­ten vertre­ten ließ, die im Gegen­satz zu den Vertei­di­gern im Vorfeld gerade keine rechts­ex­tre­mis­ti­sche Gesin­nung hatten.

In der Reflek­ti­on der Aussa­gen von Zschäpe vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss wurde auch die Frage gestellt, was die Motive für Zschäpe waren, sich erstmals in dieser Weise zu äußern, insbe­son­de­re hinsicht­lich des erstma­li­gen Einräu­mens ihrer Mitschuld. Dazu werden unter­schied­li­che Antwor­ten gegeben.

Auf der einen Seite wird anerkannt, dass Zschäpe sich schul­dig bekannt habe. Es wird ihre Erklä­rung hervor­ge­ho­ben: „Ich bin mitschul­dig an den Morden. Auch wenn ich nicht abgedrückt habe, habe ich sie gedul­det, und wenn ich mich gestellt hätte, wäre die Serie vorbei gewesen. Ich habe es nicht getan, und deshalb bin ich genau­so schul­dig, als ob ich abgedrückt habe. Und dadurch trage ich jetzt dieses Urteil.“ Der Ausschuss­vor­sit­zen­de Toni Schuberl sieht darin eine neue Quali­tät. Zschäpe sei wegge­gan­gen von der „juris­tisch klugen Vertei­di­gungs­li­nie“, die sie im Prozess hatte, habe sich der Wahrheit mehr genähert und klar gemacht, davon gewusst zu haben. Sie habe nach elfein­halb Jahren Haft geschil­dert, dass sie die Schuld ganz klar bei sich sehe, so als habe sie abgedrückt. So habe sie es formu­liert, und das sei schon ein großer Schritt (Moser, Rätsel Zschäpe, S. 15). Aber auch aus anderen Gründen wird das Schuld­ein­ge­ständ­nis für bedeut­sam gehal­ten. Durch die Übernah­me der Schuld habe sie eigent­lich keinen Grund mehr, etwas zu verheim­li­chen oder falsch darzu­stel­len. Darin liege der Gradmes­ser der Wahrhaf­tig­keit (Moser, Was weiß Beate Zschäpe, S. 3).

Auf der anderen Seite wird kriti­siert, dass Zschäpe ihre Rolle bei den Verbre­chen des NSU herun­ter­ge­spielt habe. Ihr „spätes Geständ­nis“ wird für ein takti­sches Manöver gehal­ten, „um irgend­wann Locke­run­gen im Straf­voll­zug und die Teilnah­me an einem Ausstei­ger­pro­gramm zu errei­chen, wenn sie Reue zeigt.“ (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023–07/beate-zschaepe-wortlaut-veroeffentlicht – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Zschäpe wurde bei ihrer Verneh­mung vor dem Ausschuss von ihrem vierten Pflicht­ver­tei­di­ger aus dem NSU-Verfah­ren Mathi­as Grasel als Zeugen­bei­stand beglei­tet. Mit ihm hielt sie bei ihrer Verneh­mung einige Male Rückspra­che. Auch wenn keine Äußerun­gen Grasels dazu bekannt sind, wie er Zschäpe auf die Verneh­mung einge­stellt und beraten hat, ist in seiner Tätig­keit als Zeugen­bei­stand wohl nicht zu Unrecht ein Beitrag darin zu sehen, dass Zschäpe sich in dieser Weise geäußert und dabei auch zu dem Ausstei­ger­pro­gramm bekannt und angeregt hat, dies in die Vollzugs­pla­nung einzu­brin­gen. Das alles ist legitim, auch wenn es mit der Hoffnung verbun­den ist, eine Verbes­se­rung von Zschäpes Situa­ti­on zu erlan­gen, sei es durch mögli­che Locke­run­gen im Straf­voll­zug, sei es durch eine Reduzie­rung der Mindest­ver­bü­ßungs­zeit nach § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB, eine Hoffnung, die sich aber keines­wegs erfül­len muss. Aber auch das wird Grasel mit Zschäpe bespro­chen haben. Wenn dabei kein offen­sicht­lich allei­ni­ges takti­sches Vorge­hen zu sehen ist – und das ist hier nicht zu erken­nen – dann ist nicht an den laute­ren Motiven der Aussa­gen zu zweifeln. Auch vorhan­de­ne Zweifel an der generel­len Glaub­wür­dig­keit ihrer Aussa­gen sollten sich aus konkre­ten Anhalts­punk­ten ergeben und mangeln­de Glaub­wür­dig­keit nicht von vornher­ein unter­stellt werden. Das gilt selbst für eine Mittä­te­rin an terro­ris­ti­schen Verbre­chen wie denen des NSU. Dazu kommt, dass Zschäpe offen­bar auch bereit zu sein scheint, sich gegen­über der Bundes­an­walt­schaft einzu­las­sen. Daran hat diese Zschäpe gegen­über bereits ihr Inter­es­se bekundet.

Mittler­wei­le wurde bekannt, dass Zschäpes Antrag auf Aufnah­me in das Ausstei­ger­pro­gramm des Landes Sachsen abgelehnt worden ist. Die Begrün­dung habe gelau­tet, dass es dafür noch zu früh sei. (https://www.spiegel.de/panorama/justiz/beate-zschaepe-nsu-terroristin-soll-von-aussteigerprogramm-abgelehnt-worden-sein-a-c0183296-ed66-43e2-818d-1827f64510e2?sara_ref=re-em-em-sh – zuletzt aufge­ru­fen: 11.10.2023)
Im Gegen­satz zu den Aussa­gen Zschäpes vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss wurden die Aussa­gen des ebenfalls als Zeugen vernom­me­nen, im NSU-Verfah­ren verur­teil­ten André Eminger bereits durch den Ausschuss­vor­sit­zen­den Schuberl für unglaub­wür­dig befun­den. Eminger befin­det sich seit einem Jahr im Ausstei­ger­pro­gramm des Landes Sachsen. Im NSU-Prozess, in dem Eminger schwieg, wurde er von seiner Vertei­di­gung als „Natio­nal­so­zia­list mit Haut und Haaren“ bezeich­net (s.o. 6.c). Nach Aussa­ge Emingers vor dem Unter­su­chungs­aus­schuss – was seine ersten Aussa­gen in dieser Sache überhaupt sind – habe er sich seit 2019 grund­le­gend gewan­delt. Schuberl zog das vor allem deswe­gen in Zweifel, weil Eminger sich nach wie vor nicht mit den Taten des NSU ausein­an­der­ge­setzt habe (Rauscher, NSU-Ausschuss) und immer wieder beton­te, dass er unpoli­tisch sei und auch mit dem NSU-Trio, dessen engster Vertrau­ter er war, nie über Politik gespro­chen habe. Wie berich­tet wird, habe Schuberl darauf geant­wor­tet, dies sei ein “wieder­keh­ren­des Muster” von Zeugen aus der rechten Szene. Wenn man aus der Szene aussteigt, gehöre es dazu, anzuer­ken­nen, dass man vorher drin war (Sunder­mann, Von den Morden…).

Nicht unerwähnt bleiben soll hier abschlie­ßend, dass an dem mittler­wei­le vorlie­gen­dem Abschluss­be­richt des Bayeri­schen NSU-Unter­su­chungs­aus­schus­ses vom 10.7.2023 (file:///Y:/Documents/Downloads/0000019652-Schlussbericht.pdf – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023) massi­ve Kritik geübt wird. Die Erkennt­nis­se werden insge­samt als dünn bezeich­net. Die Haupt­fra­ge nach einem bayeri­schen Unter­stüt­zungs­netz­werk sei weder bestä­tigt noch ausge­schlos­sen worden. Auch seien keine wesent­li­chen Erkennt­nis­se dazu erlangt worden, wie nah die V‑Männer des Verfas­sungs­schut­zes am NSU-Netzwerk agiert hätten. Dass man Zschäpe und Eminger durch deren Verneh­mun­gen eine Platt­form gegeben habe, wird als „furcht­bar“ einge­schätzt, einer­seits für die Betrof­fe­nen und Hinter­blie­be­nen, anderer­seits würde damit zum Ausdruck kommen, dass sich der Ausschuss „ausge­rech­net von Nazis die Mitwir­kung an der Wahrheits­fin­dung“ verspro­chen habe (https://www.br.de/radio/br24/sendungen/politik-und-hintergrund/das-ende-der-aufklaerung-zum-abschluss-des-bayerischen-nsu-untersuchungsaussch-100.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

11. Quellen und Literatur

Urteil des 6. Senats des OLG München vom 11. Juli 2018: https://fragdenstaat.de/dokumente/4766-nsu-urteil/

Beschluss des 3. Straf­se­nats des BGH im Revisi­ons­ver­fah­ren Beate Zschäpe: BGH StV 2022, 88.

Beschluss des BVerfG im Verfas­sungs­be­schwer­de­ver­fah­ren betref­fend den „NSU-Prozess“: 2 BvR 2222/21, NJW 2022, 3413.

Arnold, in: Lampe (Hrsg.), Deutsche Wieder­ver­ei­ni­gung, Bd. II. Die Verfol­gung von Regie­rungs­kri­mi­na­li­tät nach der Wieder­ver­ei­ni­gung, Köln. u.a. 1993, S. 85–98.
Arnold, Gibt es einen „neuen Typus“ des Straf­ver­tei­di­gers in Konti­nui­tät zu „Links­an­wäl­ten“? StV 2023, 184.

Arnold, Die »System­im­ma­nenz« des Beschlus­ses des 3. Straf­se­nats des BGH im Revisi­ons­ver­fah­ren des NSU-Komple­xes zu Beate Zschäpe – Zugleich Anmer­kung zu BGH, Beschl. v. 12.08.2021 – 3 StR 441/20; StV 2022, 108.

Arnold, in: Hilgendorf/Lerman/Córdoba (Hrsg.), FS für Sanci­net­ti, Berlin 2020, S. 37–64.

Arnold, Bericht über ein beson­de­res straf­recht­li­ches Schwer­punkt­se­mi­nar an der Univer­si­tät Münster: „Der NSU-Straf­pro­zess”, www.zjs-online.com, 3/2020, S. 298–300.

Arnold, Entwick­lun­gen der Straf­ver­tei­di­gung, Rechts­ge­schich­te und Rechts­ge­sche­hen, 2019.

Arnold/Heghmanns, Fortset­zungs­be­richt über ein beson­de­res straf­recht­li­ches Seminar an der Westfä­li­schen Wilhelms-Univer­si­tät Münster: „NSU-Straf­pro­zess und das Urteil“, www.zjs-online.com, 6/2021, S. 829–833.

Assmann, Zschäpe schei­tert mit Anzei­ge gegen ihre Anwäl­te, 2015: https://www.deutschlandfunk.de/nsu-prozess-zschaepe-scheitert-mit-anzeige-gegen-ihre-100.html (zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Baur, Der gute Nazi von Jena, https://taz.de/Ralf-Wohlleben-im-NSU-Prozess/!5504060/ (zuletzt aufge­ru­fen: 13.4.2023).

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LTO-Redak­ti­on, Video­auf­zeich­nung nur noch optio­nal, https://www.lto.de/recht/justiz/j/aufzeichnung-bild-ton-strafverfahren-buschmann-kompromiss-video-optional/?utm_source=Eloqua&utm_content=WKDE_LEG_NSL_LTO_Daily_EM&utm_campaign=wkde_leg_mp_lto_daily_ab13.05.2019&utm_econtactid=CWOLT000028082345&utm_medium=email_newsletter&utm_crmid= (zuletzt aufge­ru­fen: 13.4.2023).

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Moser, Was weiß Beate Zschäpe? – Die Fragen zu den Morden und Tätern werden größer, https://overton-magazin.de/top-story/was-weiss-beate-zschaepe-die-fragen-zu-den-morden-und-taetern-werden-groesser/ (zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

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Rauscher, NSU-Ausschuss: Unter­stüt­zer gibt sich ahnungs­los, https://www.br.de/nachrichten/bayern/nsu-ausschuss-unterstuetzer-gibt-sich-ahnungslos,ThebHg8 (zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

Scharmer/Stolle, Szene­an­walt Thomas Jauch musste heute vor Gericht aussa­gen, Presse­mit­tei­lung, https://www.dka-kanzlei.de/news-reader/szeneanwalt-thomas-jauch-musste-heute-vor-dem-olg-aussagen.html – zuletzt aufge­ru­fen: 21.8.2023).

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Jörg Arnold und Micha­el Heghmanns
Oktober 2023

Zitier­emp­feh­lung:

Arnold, Jörg/Heghmanns, Micha­el: „Der NSU-Prozess, Deutsch­land 2013–2018“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politi­schen Straf­pro­zes­se, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/der-nsu-prozess/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ. ‎

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