Das Recht auf Verteidigung

Editorial

Lexikon der Politi­schen Strafprozesse

gegrün­det 2012 von Kurt Groenewold
heraus­ge­ge­ben von Kurt Groene­wold / Alexan­der Ignor / Arnd Koch

Das Lexikon der politi­schen Straf­pro­zes­se ist ein freizu­gäng­li­ches und dynamisch wachsen­des deutsch­spra­chi­ges Online-Lexikon. Es versam­melt in Listen­form politi­sche Straf­pro­zes­se und gibt zu jedem in Kurzform erste Informationen.

Kurt Groenewold
© Bernd Liebner AV

Die Geschich­te der politi­schen Straf­jus­tiz besteht aus vielen einzel­nen Geschich­ten. Ihre Deutung und histo­ri­sche Erinne­rung ist nur möglich im Zusam­men­hang mit den jewei­li­gen politi­schen Umstän­den, Vorstel­lun­gen und Absich­ten. Zentra­ler Inhalt ist das Selbst­ver­ständ­nis der Prozess­veranstalter einer­seits und der Perso­nen oder Perso­nen­grup­pen anderer­seits, die Gegen­stand eines solchen Verfah­rens sind. Es geht um das jewei­li­ge histo­ri­sche Bild, das die Prozess­ver­an­stal­ter und die Angeklag­ten von sich zeich­nen wollen.

Straf­pro­zes­se, die als politi­sche Prozes­se bezeich­net werden, hat es schon immer gegeben. Sie ziehen sich durch die Geschich­te aller Staaten seit der Antike, durch die Neuzeit und das 19. Jahrhun­dert, um im 2o. Jahrhun­dert in den großen Prozes­sen, deren histo­ri­scher Gegen­stand der
Holocaust war, dem Eichmann-Prozess in Jerusa­lem und dem Ausch­witz-Prozess in Frank­furt, und in der Errich­tung des Straf­ge­richts­hofs in Den Haag eine inter­na­tio­na­le Dimen­si­on erreicht haben.

Der Begriff der politi­schen Straf­jus­tiz ist umstrit­ten. Er ist umstrit­ten, weil die Prozessveranstalter
einen politi­schen Charak­ter des Prozes­ses oft leugnen, während die Angeklag­ten sich gerade darauf berufen. Es ist ein Ziel des Lexikons, anhand der Summe der Einzel­fäl­le den Begriff neu zu definie­ren. In der Geschich­te des Begriffs stehen sich zwei Auffas­sun­gen gegen­über: Einmal dieje­ni­ge, die den Begriff auf Verfah­ren beschränkt, die gegne­ri­sche oder kriti­sche Meinungs­äu­ße­run­gen zum Gegen­stand haben, sowie auf Hochver­rats­pro­zes­se. Zum anderen die, jeder Straf­pro­zess als solcher sei politisch insofern, dass er der Bestä­ti­gung bzw. Infra­ge­stel­lung von Geset­zen oder einer bestimm­ten gesell­schaft­li­chen Ordnung dient.

Das Lexikon geht von einem anderen Begriff des politi­schen Straf­pro­zes­ses aus. Die genann­ten Beispie­le geben eine vorläu­fi­ge Richtung an. Nicht in die Betrach­tung einbe­zo­gen wird das Staats­ver­ständ­nis der Rechts- und Staats­phi­lo­so­phie. Die Frage, ob, im Sinne von Aristo­te­les, das Wohlerge­hen des Einzel­nen im Mittel­punkt steht, oder, im Sinne von Machia­vel­li, die Erhal­tung des Staates als Insti­tu­ti­on, spielt in der Darstel­lung einzel­ner Verfah­ren vielleicht eine Rolle, nicht jedoch dabei, eine Defini­ti­on zu gewinnen.

Der Versuch, politi­sche Straf­ver­fah­ren mit einem Feind­bild zu begrün­den, mit dem Bild eines „Unmen­schen“ oder gar „Unter­men­schen“, der eigent­lich vernich­tet werden muss, wird in dem
Lexikon nicht verfolgt. Die Unter­schei­dung in politisch als solche anerkann­te bzw. kriminelle
Straf­ta­ten ist daher überflüssig.

Straf­ver­fah­ren finden nicht nur im Gerichts­saal statt. Sie beein­flus­sen die öffent­li­che Meinung und werden ihrer­seits von dieser beein­flusst. Sie dienen nicht nur der Abbil­dung der in einer Gesell­schaft herrschen­den politi­schen Ideen oder des Staats­ver­ständ­nis­ses, dessen Legiti­mie­rung und Durch­set­zung nämlich, sondern zugleich auch dem Gegen­teil. In einer von Vernunft gelei­te­ten Gesell­schaft ist es im Rahmen eines Straf­pro­zes­ses zuläs­sig, das bestehen­de System in Frage zu
stellen, es zu delegi­ti­mie­ren oder gar seine Zerstö­rung zu propagieren.

Das Lexikon soll dazu beitra­gen, der öffent­li­chen Hyste­ri­sie­rung und pauscha­len Feind­er­klä­rung mittels politi­scher Straf­ver­fah­ren entgegenzuwirken.

Das Lexikon beschrei­tet einer­seits den tradi­tio­nel­len Weg, geschicht­li­che Vorgän­ge darzu­stel­len. Anderer­seits wird es einen neuen Blick auf die Struk­tu­ren von Straf­pro­zes­sen allge­mein ermög­lichen und auf das Menschen­bild, das dahintersteht.

Die Form des Lexikons erlaubt, über eine Vielzahl von Prozess­be­schrei­bun­gen in Kurzform zu
verfü­gen. Jeder Artikel wird von einem ausge­wie­se­nen Autor verfasst. Das Lexikon ersetzt keine
Essays, Monogra­phien oder litera­ri­sche Darstellungen.

Die Heraus­ge­ber sind für die Auswahl der Prozes­se, für die Auswahl der Autoren und für die End­redaktion verantwortlich.

Kurt Groene­wold

Zuschrif­ten bitte an:

Redak­ti­on
Lexikon der Politi­schen Strafprozesse
Dr. Sabine Groenewold
Dr. Georgia Stefanopoulou
Heußweg 35
20255 Hamburg

Hjördis Brett, wissen­schaft­li­che Mitarbeiterin
Johan­nes Morel­li, wissen­schaft­li­cher Mitarbeiter

Hinweis der Heraus­ge­ber:
Die Liste der Politi­sche Straf­pro­zes­se ist alpha­be­tisch nach Namen geord­net, unabhän­gig von
Nation oder Epoche.
Die jewei­li­ge Charak­te­ri­sie­rung basiert auf 5 Kategorien:
– Nation
– Zeitpunkt des Prozes­ses, vom ersten Zugriff des Staates bis zum Urteil/ Einstellung
– Vorwurf
– Verteidigung
– Histo­ri­sches Stichwort

Die Katego­rien bzw. Schlag­wör­ter sind ihrer­seits frei verknüpf­bar, so dass zeitgeschichtliche,
gesell­schafts­po­li­ti­sche oder überstaat­li­che Zusam­men­hän­ge erkenn­bar werden.