Prozesse gegen die Viererbande

bearbei­tet von
Dr. Man Zhang

China 1980–1981
Agita­ti­on gegen die Kommunistische
Partei Chinas,
Sturz der “Vierer­ban­de”
Ende der Kulturrevolution

PDFDownload

Prozesse gegen die Viererbande
China 1980–1981

Die Große Prole­ta­ri­sche Kultur­re­vo­lu­ti­on (1966–1976), initi­iert von Mao Zedong (1893–1976), hinter­ließ tiefgrei­fen­de Spuren in China. Die Kommu­nis­ti­sche Partei Chinas (KPCh) schätz­te, dass etwa 100 Millio­nen Menschen – rund ein Achtel der damali­gen Bevöl­ke­rung Chinas – unter Gewalt litten. Dazu zählten unter anderem außer­ge­richt­li­che Tötun­gen, körper­li­che Übergrif­fe, Inhaf­tie­run­gen, qualvol­le Verhö­re, erzwun­ge­ne Geständ­nis­se, Folter, sexuel­le Gewalt, Eigen­tums­be­schlag­nah­mun­gen und öffent­li­che Demüti­gun­gen. Nach Maos Tod im Septem­ber 1976 bemüh­te sich die neue Führung, zunächst unter Hua Guofeng (1921–2008) und später unter Deng Xiaoping (1904–1997), die Hinter­las­sen­schaf­ten dieser Gewalt durch recht­li­che und politi­sche Maßnah­men aufzuarbeiten.
Am 6. Oktober 1976 veran­lass­ten Hua Guofeng und Marschall Ye Jiany­ing (1897–1986) die Festnah­me von vier Mitglie­dern des Polit­bü­ros: Wang Hongwen (1935–1992), Zhang Chunqiao (1917–2005), Jiang Qing (1914–1991) und Yao Wenyu­an (1931–2005), die natio­nal und inter­na­tio­nal als „Vierer­ban­de“ bekannt wurden. Die Führung der KPCh bezeich­ne­te die Vierer­ban­de zunächst als „partei­feind­li­che Gruppe“, eine Anschul­di­gung, die später durch den schwer­wie­gen­de­ren Vorwurf der Konter­re­vo­lu­ti­on ersetzt wurde. Gleich­zei­tig geriet die sogenann­te Lin-Biao-Clique ins Visier der Führung, bestehend aus hochran­gi­gen Militärs – Huang Yongsh­eng (1910–1983), Wu Faxian (1915–2004), Li Zuopeng (1914–2009), Qiu Huizuo (1914–2002) und Jiang Tengjiao (1919–2009) – die in einen angeb­li­chen Versuch verwi­ckelt waren, Mao Zedong 1971 zu ermor­den. Die KPCh-Führung fasste beide Gruppen als „konter­re­vo­lu­tio­nä­re Cliquen von Lin Biao und Jiang Qing“ zusam­men und machte sie für die Gewalt und Ungerech­tig­kei­ten der Kultur­re­vo­lu­ti­on verantwortlich.

Der Prozess, der von Novem­ber 1980 bis Januar 1981 statt­fand, war ein histo­ri­sches Ereig­nis, das sowohl in China selbst als auch inter­na­tio­nal ausführ­lich im Rundfunk und Fernse­hen übertra­gen wurde. Er wurde als öffent­li­che Abrech­nung mit dem Erbe der Kultur­re­vo­lu­ti­on und als Demons­tra­ti­on des Engage­ments der KPCh für Recht­mä­ßig­keit insze­niert. Hua Guofeng beton­te, dass der Prozess nicht nur das forma­le Ende der Kultur­re­vo­lu­ti­on bezeich­ne­te, sondern auch die Grund­la­ge für Rechts­re­for­men legte, die für die politi­sche Trans­for­ma­ti­on Chinas nach der Kultur­re­vo­lu­ti­on von zentra­ler Bedeu­tung waren.

Im Folgen­den stelle ich den histo­ri­schen Kontext des Prozes­ses dar, seinen recht­li­chen Rahmen und nenne die Betei­lig­ten, die Vertei­di­gungs­stra­te­gien, das Urteil und die langfris­ti­gen Auswir­kun­gen. Die Analy­se des Zusam­men­spiels von Recht und Politik zeigt, dass der Prozess sowohl eine recht­li­che Abrech­nung mit den Gewalt­ta­ten während der Kultur­re­vo­lu­ti­on war als auch ein politi­sches Spekta­kel zur Legiti­mie­rung der Führung nach Mao, dass er jedoch nicht dazu führte, eine tragfä­hi­ge Rechts­staat­lich­keit zu etablieren.

1. Histo­ri­scher Kontext
Die Kultur­re­vo­lu­ti­on erschüt­ter­te die politi­sche, sozia­le und recht­li­che Ordnung Chinas und setzte selbst hochran­gi­ge Kader der KPCh willkür­li­chen Verfol­gun­gen aus. Um politi­sche Stabi­li­tät zu gewähr­leis­ten, musste ein Rechts­sys­tem geschaf­fen werden, das den Einzel­nen vor Willkür schütz­te. Bereits Mitte 1977 forder­te Hua Guofeng den Rechts­sys­tem, um die politi­sche und sozia­le Ordnung wieder­her­zu­stel­len. Er forder­te eine Stärkung der sozia­lis­ti­schen Gesetz­lich­keit, um die Ordnung zu festi­gen. Sozia­lis­ti­sche Gesetz­lich­keit war ursprüng­lich ein Modell für den Aufbau legis­la­ti­ver und judika­ti­ver Insti­tu­tio­nen in der Sowjet­uni­on. In den frühen Jahren der Volks­re­pu­blik China (VR China) hatte die KPCh mit Unter­stüt­zung sowje­ti­scher Rechts­exper­ten ähnli­che Schrit­te unter­nom­men, um ihr Rechts­sys­tem aufzu­bau­en. Das Straf­ge­setz und das Straf­pro­zess­ge­setz, erstmals in den 1950er Jahren entwor­fen und in den späten 1970er Jahren überar­bei­tet, bilde­ten die recht­li­che Grund­la­ge für die Aufar­bei­tung von Gräuel­ta­ten, einschließ­lich des Prozes­ses gegen die Viererbande.
Der Prozess gegen die Vierer­ban­de fußte auf dem neu verab­schie­de­ten Straf­ge­setz und Straf­pro­zess­ge­setz, die einen Wandel hin zu forma­li­sier­ten recht­li­chen Verfah­ren bezeich­nen. Im Gegen­satz zu frühe­ren politi­schen Säube­run­gen hielt der Prozess gegen die Vierer­ban­de an den Prinzi­pi­en der öffent­li­chen Gerichts­ver­hand­lung fest; die Urtei­le galten als endgül­tig. Das gesam­te Verfah­ren war sorgfäl­tig insze­niert, um die Schuld auf die angeklag­ten Cliquen zu konzen­trie­ren und die breite­re Führungs­ebe­ne der KPCh von Vorwür­fen freizustellen.
Politi­sche Prozes­se waren in Chinak­ei­ne Neuheit. Während die KPCh darauf verzich­te­te, dem Vorbild der Moskau­er Prozes­se zur Bewäl­ti­gung inner­par­tei­li­cher Konflik­te zu folgen, spiel­ten Prozes­se in China eine wichti­ge Rolle bei der Bewäl­ti­gung histo­ri­scher Gerech­tig­keits­fra­gen. Die Shenyang-Prozes­se gegen japani­sche Kriegs­ver­bre­cher im Jahr 1956 gehören zu den bekann­tes­ten Beispie­len. Überset­zun­gen der Urteils­sprü­che der Nürnber­ger Prozesse wurden bis 1979 in inter­nen Ausga­ben nachge­druckt, weil die Partei­füh­rung überleg­te, wie politi­sche Prozes­se genutzt werden könnten, um das Erbe der Kultur­re­vo­lu­ti­on aufzu­ar­bei­ten. Der Prozess gegen die Vierer­ban­de war jedoch in seinem Ausmaß und seiner Sicht­bar­keit beispiel­los und fungier­te sowohl als juris­ti­scher Fall als auch als politi­sches Spektakel.

Paral­lel dazu fanden auf regio­na­ler Ebene Prozes­se gegen mutmaß­li­che Anhän­ger der Lin-Biao- und Jiang-Qing-Cliquen statt. Diese Perso­nen, denen häufig vorge­wor­fen wurde, die Vierer­ban­de „aktiv unter­stützt“ und während der Kultur­re­vo­lu­ti­on „Schlä­ge­rei­en, Zerstö­run­gen und Plünde­run­gen“ began­gen zu haben, wurden in Verfah­ren angeklagt, deren Ablauf und Ausgang je nach Region unter­schied­lich waren. Die meisten Regio­nen führten diese Prozes­se 1982 durch, darun­ter Peking, Shang­hai und das Militär­ge­richt der Volks­be­frei­ungs­ar­mee. In einigen Regio­nen fanden Prozes­se jedoch bereits vor Inkraft­tre­ten der Geset­ze von 1980 statt, gestützt auf die Verfas­sung von 1978 und die Verord­nun­gen der VR China zur Bestra­fung von Konter­re­vo­lu­tio­nä­ren. So wurde beispiels­wei­se Weng Senhe (1937–2023), ein ehema­li­ger Rebel­len­füh­rer in der Provinz Zhejiang, im Juli 1978 vor Gericht gestellt und als „neuge­bo­re­ner Konter­re­vo­lu­tio­när“ (xinsh­eng fange­ming) zu lebens­lan­ger Haft verur­teilt. Ähnlich wurden in Jiangsu und Henan mehre­re Angeklag­te in den letzten Tagen des Dezem­ber 1979 verur­teilt, kurz bevor das Straf­ge­setz und das Straf­pro­zess­ge­setz in Kraft traten. Der Grund für die Eile bei diesen Prozes­sen war, erneu­te Verfah­ren nach den neuen Geset­zen zu vermeiden.

In diesen regio­na­len Prozes­sen hatten die Angeklag­ten das Recht, Berufung einzu­le­gen. Dennoch gelang es keinem von ihnen, das Urteil erfolg­reich anzufech­ten, was die politi­schen Zwänge dieser Straf­ver­fol­gun­gen wider­spie­gelt. Die regio­na­len Unter­schie­de verdeut­li­chen die unein­heit­li­che Anwen­dung von Recht während Chinas Übergangs­pha­se, zeigen jedoch das überge­ord­ne­te Ziel der KPCh, vergan­ge­nes Unrecht durch recht­li­che Mittel aufzu­ar­bei­ten und die Ordnung wiederherzustellen.

Insge­samt unter­such­ten die Behör­den zwischen 1976 und 1987 über 480.000 Perso­nen wegen ihrer Rolle in der Kultur­re­vo­lu­ti­on, wobei etwa 210.000 straf­recht­li­che, partei­in­ter­ne oder adminis­tra­ti­ve Sanktio­nen erhiel­ten. Davon wurden mehr als 20.000 wegen Anstif­tung zum Umsturz der Staats­macht, konter­re­vo­lu­tio­nä­rer Propa­gan­da, Mord, Körper­ver­let­zung, Verge­wal­ti­gung straf­recht­lich verfolgt. Darüber hinaus schloss die KPCh zwischen 1979 und 1987 mindes­tens 317.926 Partei­mit­glie­der aus, von denen viele während der Kultur­re­vo­lu­ti­on der Partei beigetre­ten waren. Die KPCh bezeich­ne­te diese Perso­nen offizi­ell als „Täter“ der Kultur­re­vo­lu­ti­on. Diese Zahlen unter­strei­chen die umfas­sen­den Bemühun­gen der Regie­rung, die Gräuel­ta­ten der Kultur­re­vo­lu­ti­on aufzu­ar­bei­ten und Verant­wort­lich­kei­ten zuzuschreiben.

2. Der Prozess gegen die Viererbande
2.1 Angeklag­te
Nach dem Dritten Plenum im Dezem­ber 1978 verstärk­te die Führung der Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas ihre Bemühun­gen, Mitglie­der der beiden Cliquen anzukla­gen, und gründe­te im Juli 1979 das Zentra­le Leitungs­team zur Bearbei­tung der „zwei Fälle“, nämlich des Falls der Vierer­ban­de und des Falls der Lin-Biao-Gruppe. Dieses Zentra­le Team stand unter der Leitung von Hu Yaobang (1915–1989), Sekre­tär des Zentral­ko­mi­tees der KPCh, der primär für die Aufar­bei­tung der Kultur­re­vo­lu­ti­on verant­wort­lich war. Das neu verkün­de­te Straf­ge­setz und Straf­pro­zess­ge­setz sollte die recht­li­che Grund­la­ge für die Verfol­gung dieser „Konter­re­vo­lu­tio­nä­re“ bilden.

Am 26. Septem­ber 1980 kündig­te das Zentrum der KPCh an, zehn führen­de Mitglie­der der beiden Cliquen vor Gericht zu stellen. Zu den zehn Angeklag­ten gehör­ten Jiang Qing, Zhang Chunqiao, Yao Wenyu­an, Wang Hongwen sowie Chen Boda (1904–1989, Sekre­tär Mao Zedongs und politi­scher Theore­ti­ker) aus der Vierer­ban­de sowie Huang Yongsh­eng (1910–1983), Wu Faxian (1915–2004), Li Zuopeng (1914–2009), Qiu Huizuo (1914–2002) und Jiang Tengjiao (1919–2009) aus der Lin-Biao-Gruppe. Lin Biao, der 1971 gestor­ben war, wurde nicht angeklagt. Bemer­kens­wert ist, dass Jiang Tengjiao, von 1967 bis 1971 Polit­kom­mis­sar des Militär­be­zirks Nanjing, erst im Juni 1980 als Haupt­be­schul­dig­ter benannt wurde, nachdem der Angeklag­te Wang Fei, stell­ver­tre­ten­der Stabs­chef der Luftwaf­fe, aufgrund einer Schizo­phre­nie-Diagno­se für prozess­un­fä­hig erklärt worden war. Der Grund dafür war, dass Jiang Tengjiao eine zentra­le Rolle im Zusam­men­hang mit dem Lin-Biao-Zwischen­fall von 1971 gespielt hatte und in frühe­ren Diskus­sio­nen bereits für ein Gerichts­ver­fah­ren vorge­se­hen war. Im ursprüng­li­chen Plan von 1979 waren 108 Perso­nen für ein Verfah­ren vorge­se­hen, nach mehre­ren Diskus­si­ons­run­den wurde diese Zahl jedoch auf zehn reduziert. Die übrigen Fälle wurden größten­teils vor lokalen Gerich­ten und Militär­ge­rich­ten verhan­delt. Als sich heraus­stell­te, dass Wang Fei nicht für ein öffent­li­ches Verfah­ren geeig­net war, entschied die Zentra­le Leitungs­team zur Bearbei­tung der „zwei Fälle“, ihn durch Jiang zu erset­zen, sodass in beiden Fällen jeweils fünf Angeklag­te verblieben.

2.2 Ankla­ge und Gerichtsbarkeit
Angesichts der poten­zi­ell weitrei­chen­den Konse­quen­zen des Prozes­ses wurde im März 1980 ein weite­res hochran­gi­ges Gremi­um gegrün­det: das Lenkungs­ko­mi­tee für die Verhand­lung der „zwei Fälle“. Dieses einfluss­rei­che Komitee berich­te­te direkt an das Sekre­ta­ri­at der KPCh und bestand aus Peng Zhen (1902–1997), zugleich Sekre­tär der Zentra­len Kommis­si­on für Politik und Recht; Jiang Hua (1907–1999, Präsi­dent des Obers­ten Volks­ge­richts); Huang Huoqing (1901–1999, General­pro­ku­ra­tor der Obers­ten Volks­staats­an­walt­schaft); Zhao Cangbi (1916–1993, Minis­ter für öffent­li­che Sicher­heit); Wang Heshou (1909–1999, stell­ver­tre­ten­der Sekre­tär der Zentra­len Diszi­pli­nar­kom­mis­si­on); Peng Chong (1915–2010, Polit­bü­ro­mit­glied, das 1976 die Säube­rung von Verbün­de­ten der Vierer­ban­de in Shang­hai leite­te); und Wu Xiuqu­an (1908–1997, Mitglied des Zentral­ko­mi­tees mit Erfah­rung in Diplo­ma­tie und Militär­an­ge­le­gen­hei­ten). Viele Mitglie­der des Komitees übernah­men später Rollen als Richter oder Staats­an­wäl­te im Prozess.

Am 29. Septem­ber 1980 verab­schie­de­te der Ständi­ge Ausschuss des Fünften Natio­na­len Volks­kon­gres­ses die Entschei­dung zur Einrich­tung der Sonder­staats­an­walt­schaft der Obers­ten Volks­staats­an­walt­schaft sowie des Sonder­tri­bu­nals des Obers­ten Volks­ge­richts, um die Haupt­schul­di­gen der Fälle der Lin-Biao- und Jiang-Qing-Gruppen ankla­gen und verur­tei­len zu können. Huang Huoqing wurde zum Leiter der Sonder­staats­an­walt­schaft ernannt, die mit 21 Staats­an­wäl­ten besetzt war. Jiang Hua fungier­te gleich­zei­tig als Präsi­dent des Sonder­tri­bu­nals, das aus zwei Verhand­lungs­kam­mern bestand. Zeng Hanzhou (1917–2001), Vizeprä­si­dent des Obers­ten Volks­ge­richts, und Wu Xiuqu­an leite­ten jeweils die erste und zweite Kammer, die mit weite­ren 31 Richtern besetzt waren. Das Sonder­tri­bu­nal sollte öffent­li­che Verhand­lun­gen führen und seine Urtei­le waren endgültig.

2.3 Vertei­di­gung
Das Straf­ge­setz und das Straf­pro­zess­ge­setz schränk­ten die Möglich­kei­ten der Vertei­di­gung erheb­lich ein. Den Angeklag­ten war es nicht gestat­tet, ihre Anwäl­te selbst zu wählen, und die Zuwei­sung von Vertei­di­gern erfolg­te erst spät im Verfah­ren, nämlich nach der Ankla­ge­er­he­bung. Die ursprüng­li­chen Vorbe­rei­tun­gen für den Prozess sahen einen gehei­men Prozess vor und erwähn­ten keine Vertei­di­ger. Selbst nach der Einrich­tung des Sonder­tri­bu­nal und der Sonder­staats­an­walt­schaft im März 1980 gab es noch keine konkre­ten Pläne, Vertei­di­ger in das Verfah­ren einzu­be­zie­hen. Dies bedeu­te­te, dass die Angeklag­ten während der Vorun­ter­su­chun­gen keinen Zugang zu recht­li­chem Beistand hatten.

Die Vertei­di­gung wurde schließ­lich im Oktober 1980 aus einem Pool von 18 erfah­re­nen Anwäl­ten übernom­men, die spezi­ell vom Justiz­mi­nis­te­ri­um ausge­wählt worden waren. Diese Einschrän­kung berei­te­te insbe­son­de­re Jiang Qing Schwie­rig­kei­ten, die zunächst die renom­mier­te Rechts­wis­sen­schaft­le­rin Shi Liang als Vertei­di­ge­rin angefor­dert hatte. Der Antrag wurde abgelehnt, mit der Begrün­dung, die achtzig­jäh­ri­ge Anwäl­tin sei zu gebrech­lich, um vor Gericht aufzu­tre­ten. Nachdem weite­re Anträ­ge zurück­ge­wie­sen worden waren, erklär­te sich Jiang Qing bereit, mit den vom Gericht ernann­ten Anwäl­ten zu sprechen, lehnte deren Diens­te jedoch ab, als sie erfuhr, dass diese weder in ihrem Namen aussa­gen noch Fragen für sie beant­wor­ten durften. Auch Zhang Chunqiao verwei­ger­te die Unter­stüt­zung eines Vertei­di­gers, als ihm die Ankla­ge­schrift überreicht wurde, und soll erklärt haben, er stimme der Ankla­ge weder zu noch akzep­tie­re er sie. Wang Hongwen verzich­te­te ebenfalls auf recht­li­che Vertre­tung. Yao Wenyu­an, Chen Boda und mehre­re Angeklag­te der Lin-Biao-Gruppe nahmen hinge­gen die vom Gericht zugewie­se­nen Vertei­di­ger an.

2.4 Ankla­ge
Die Angeklag­ten sahen sich vier Haupt­an­kla­ge­punk­ten gegen­über, die 48 spezi­fi­sche Verge­hen umfass­ten: (1) syste­ma­ti­sche Verleum­dung und Verfol­gung von Partei­funk­tio­nä­ren sowie führen­den Persön­lich­kei­ten des Staates und Militärs; (2) Verfol­gung von über 700.000 nieder­ran­gi­gen Kadern und Bürgern, die zu nahezu 35.000 Todes­fäl­len führte; (3) Planung eines nicht ausge­führ­ten Atten­tats und eines militä­ri­schen Staats­streichs (zugeschrie­ben der Lin-Biao-Clique); sowie (4) Versuch einer bewaff­ne­ten Rebel­li­on in Shang­hai während der Nachfol­ge­kri­se nach Maos Tod (Vierer­ban­de). Bei der Vorbe­rei­tung der Ankla­ge­schrift forder­te das Zentral­ko­mi­tee der KPCh ausdrück­lich, dass der Prozess keine Fehler, Versäum­nis­se oder Schwä­chen der Partei­füh­rung oder staat­li­cher Amtsträ­ger beinhal­ten dürfe. Der Prozess sollte sich ausschließ­lich auf straf­ba­re Handlun­gen konzen­trie­ren und politi­sche Fehltrit­te oder Fragen ausspa­ren. Das Verfah­ren erstreck­te sich über sechs Wochen, von Ende Novem­ber bis Ende Dezem­ber 1980, und umfass­te die Anhörung der zehn Angeklag­ten, die Auswer­tung von 49 Zeugen­aus­sa­gen sowie die Prüfung von 651 Beweismitteln.
Politi­sche Diskus­sio­nen drehten sich zuneh­mend um das Konzept sozia­lis­ti­scher Demokra­tie und sozia­lis­ti­scher Legali­tät, das einen Bruch mit frühe­ren Prakti­ken signa­li­sie­ren sollten. Recht­mä­ßi­ge Verfah­ren – anstel­le von Rache oder gehei­mer Verfol­gung – sollten die Ankla­ge­er­he­bung gegen die Beschul­dig­ten leiten. Damit der Prozess aufklä­re­ri­sche Funktio­nen erfül­len konnte, wurde beson­de­res Augen­merk auf die Verfah­rens­wei­se und die Insze­nie­rung gelegt, einschließ­lich der Regeln für die Gerichts­po­li­zei, der Ordnung im Gerichts­saal und der Rolle der Verteidiger.

2.5 Vertei­di­gungs­stra­te­gien
Cook (2016) katego­ri­siert in seinem Buch die unter­schied­li­chen Vertei­di­gungs­stra­te­gien der Angeklag­ten vor Gericht in vier Typen. Wang Hongwen, Yao Wenyu­an und die meisten anderen Angeklag­ten verfolg­ten konven­tio­nel­le Strate­gien, die sich in zwei Formen unter­tei­len lassen: Geständ­nis bzw. Leugnung. Wang Hongwen, der zusam­men mit mehre­ren anderen eine Geständ­nis­stra­te­gie verfolg­te, gestand seine Schuld ein und bat um Milde. Yao Wenyu­an hinge­gen bestritt die Ankla­gen und machte von den ihm durch das Straf­pro­zess­recht einge­räum­ten Verfah­rens­rech­ten Gebrauch. Mit Unter­stüt­zung seines Anwalts korri­gier­te er einige Detail­fra­gen und erklär­te, er habe ledig­lich auf Befehl gehan­delt. Wang Hongwen und Yao Wenyu­an entspra­chen insge­samt den Erwar­tun­gen des Gerichts und hatten kaum Einfluss auf das Ergeb­nis, was den vorab festge­leg­ten Charak­ter des Prozes­ses widerspiegelt.

Im Gegen­satz dazu wende­ten Zhang Chunqiao und Jiang Qing unkon­ven­tio­nel­le Strate­gien an. Zhang Chunqiao verharr­te während des gesam­ten Prozes­ses in Schwei­gen und verwei­ger­te jede Zusam­men­ar­beit mit dem Gericht. Jiang Qing, die sich selbst vertei­dig­te, berief sich auf die revolu­tio­nä­re Ideolo­gie und erklär­te: „Aufleh­nung ist gerecht­fer­tigt!“ Sie stell­te ihre Handlun­gen als loyal gegen­über Mao dar, beton­te, dass diese über juris­ti­sche Urtei­le erhaben seien, und warf dem Gericht vor, Mao selbst zu diffa­mie­ren. Diese Strate­gie zielte nicht nur darauf ab, die Wirksam­keit des Gerichts­ri­tu­als durch die Störung seiner Insze­nie­rung zu unter­gra­ben; ihre Vertei­di­gung stell­te die Legiti­mi­tät des Prozes­ses als fairen Wettstreit grund­sätz­lich infra­ge ebenso wie die unkon­ven­tio­nel­len Strate­gien von Jiang Qing und Zhang Chunqiao die Legiti­mi­tät des Prozes­ses und die Behaup­tung eines fairen recht­li­chen Verfah­rens verneinten.

2.6 Urteil
In insge­samt 42 Sitzun­gen zwischen dem 20. Novem­ber 1980 und dem 25. Januar 1981 hörte das Gericht 49 Zeugen, prüfte 873 Beweis­mit­tel und beriet über 26 Urteils­ent­wür­fe. Dennoch gab es anhal­ten­de Meinungs­ver­schie­den­hei­ten über die angemes­se­ne Strafe, beispiels­wei­se darüber, ob die Todes­stra­fe verhängt werden sollte. Nach Abwägung von Stellung­nah­men politi­scher und juris­ti­scher Exper­ten­grup­pen wurden alle zehn Angeklag­ten für schul­dig befun­den und zu Strafen verur­teilt, die von 16 Jahren Haft bis hin zur Todes­stra­fe mit zweijäh­ri­gem Aufschub (für Jiang Qing und Zhang Chunqiao) reich­ten, die später in lebens­lan­ge Haft umgewan­delt wurde. Das Gericht vermied es, die breite­re Führung der KPCh zu belas­ten, und beton­te die indivi­du­el­le Verantwortung.

3. Wirkung und Nachwirkungen
Der täglich im Fernse­hen übertra­ge­ne Prozess fessel­te ein Massen­pu­bli­kum und bot Einbli­cke in die politi­schen Intri­gen der Kultur­re­vo­lu­ti­on. Er trug zur Popula­ri­sie­rung des neuen Straf­ge­set­zes und Straf­pro­zess­ge­set­zes bei und unter­strich das Engage­ment der KPCh für Rechts­re­for­men. Die Reaktio­nen waren jedoch unter­schied­lich: Einige kriti­sier­ten die Nachgie­big­keit der Ankla­ge, während andere die Recht­mä­ßig­keit des Prozes­ses selbst infra­ge stell­ten. Jiang Hua vertei­dig­te den Prozess und beton­te die Prinzi­pi­en „Suche der Wahrheit in den Tatsa­chen“ und „Handeln nach dem Gesetz“, obwohl Kriti­ker wie Chiu (1981) ihn als „politi­schen Schau­pro­zess“ bezeich­ne­ten, der vom Rache­be­dürf­nis überle­ben­der Partei­gran­den gegen­über den radika­len Kräften getrie­ben gewesen sei.
Der Prozess konnte keine dauer­haf­te Rechts­staat­lich­keit etablie­ren, da Straf­ver­fol­gun­gen weiter­hin politi­sche Gegner ins Visier nahmen. Wissen­schaft­ler wie Harris (1981) betonen, dass er weder westli­che Menschen­rechts­stan­dards noch sozia­lis­ti­sche Verfah­rens­ge­rech­tig­keit erfüll­te. Hsiung (1981) behaup­tet, dass seine politi­sche Bedeu­tung seine recht­li­che Wirkung übertraf, während Terrill (1999) ihn in den breite­ren Kontext des chine­si­schen Kampfes um Handlungs­fä­hig­keit bei repres­si­ven Struk­tu­ren einord­net. Die selek­ti­ve Ankla­ge, rückwir­ken­de Geset­ze und prozes­sua­le Unregel­mä­ßig­kei­ten unter­stri­chen, dass hier Recht­spre­chung und politi­sches Theater verquickt wurden.

Cook (2016) stellt infra­ge, ob der Prozess ledig­lich ein Schau­pro­zess gewesen sei, und hebt seine Rolle bei der Schaf­fung von Raum für Dissens hervor, wie etwa bei lokalen Prozes­sen in Nantong, wo öffent­li­che Verfah­ren es ermög­lich­ten, den offizi­el­len Diskurs zur Schuld­fra­ge der Kultur­re­vo­lu­ti­on heraus­zu­for­dern. Dennoch offen­bart das vorsich­ti­ge Vorge­hen der KPCh – die Begren­zung von Prozes­sen, um Insta­bi­li­tät zu vermei­den – die Spannung zwischen Gerech­tig­keit, Stabi­li­tät und Legiti­mi­tät bei der Aufar­bei­tung staat­lich beför­der­te Gewalt.

Der Prozess gegen die Vierer­ban­de markiert einen histo­ri­schen Übergang: Er steht für den Wandel vom Chaos der Kultur­re­vo­lu­ti­on hin zu den Refor­men der Nach-Mao-Ära. Er symbo­li­siert den Abschied von außer­ge­setz­li­chen Säube­run­gen, doch sein politi­scher Charak­ter schränk­te seine Legiti­mi­tät deutlich ein. Indem die Schuld wenigen Perso­nen aufer­legt wurde, vermied die KPCh jede tiefe­re Ausein­an­der­set­zung mit den syste­mi­schen Proble­men – ein Beispiel für die Grenzen von Übergangs­ge­rech­tig­keit in autori­tä­ren Regimen. Das Vermächt­nis des Prozes­ses liegt in seiner doppel­ten Funkti­on: als recht­li­cher Meilen­stein und als politi­sches Spekta­kel, das Chinas Weg zur Moder­ni­sie­rung prägte und gleich­zei­tig die Heraus­for­de­run­gen einer Versöh­nung von histo­ri­scher Gerech­tig­keit mit gesell­schaft­li­cher Stabi­li­tät aufzeigte.

Quellen und Literatur

Cook, Alexan­der C. The Cultu­ral Revolu­ti­on on Trial: Mao and the Gang of Four. Cambridge, UK; New York, NY: Cambridge Univer­si­ty Press, 2016.

Chiu, Hungdah. “Certain Legal Aspects of the Recent Peking Trials of the ‘Gang of Four’ and Others,” in James C. Hsiung ed. Sympo­si­um: The Trial of the “Gang of Four” and Its Impli­ca­ti­on in China. Occasio­nal Papers/Reprints Series in Contem­po­ra­ry Asian Studies 40. Balti­more: Univer­si­ty of Maryland, 1981.

Harris, Lilli­an Craig, “Images and Reali­ty: Human Rights and the Trial of the Gang of Four,” in James C. Hsiung ed. Sympo­si­um: The Trial of the “Gang of Four” and Its Impli­ca­ti­on in China. Occasio­nal Papers/Reprints Series in Contem­po­ra­ry Asian Studies 40. Balti­more: Univer­si­ty of Maryland, 1981.

Hsiung, James C. ed. Sympo­si­um: The Trial of the “Gang of Four” and Its Impli­ca­ti­on in China. Occasio­nal Papers/Reprints Series in Contem­po­ra­ry Asian Studies 40. Balti­more: Univer­si­ty of Maryland, 1981.

Leese, Daniel. Maos langer Schat­ten: Chinas Umgang mit der Vergan­gen­heit. Kapitel 8. München: C. H. Beck, 2020.

Terrill, Ross. Madame Mao: The White-Boned Demon. Revised Editi­on. Stanford, CA: Stanford Univer­si­ty Press, 1999.
The Maoist Legacy Databa­se. https://maoistlegacy.de/.

Tumen, Xiao Sike. Tebie shenpan: Lin Biao, Jiang Qing fange­ming jituan shous­hen shilu [Special Trial: True Account of the Trial of the Lin Biao and Jiang Qing Counter­re­vo­lu­tio­na­ry Cliques]. Beijing: zhongyang wenxi­an chubans­he, 2002.

Man Zhang
August 2025

Zitier­emp­feh­lung:

Zhang, Man: „Die Prozes­se gegen die Vierer­ban­de, China 1980–1981“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politi­schen Straf­pro­zes­se, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/prozesse-gegen-die-viererbande/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ. ‎