China 2009
Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt
Demokratiebewegung
Friedensnobelpreis
Der Prozess gegen Liu Xiaobo
China 2009
1. Prozessgeschichte
Als die Hauptverhandlung gegen den späteren Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo vor dem Mittelstufengericht Nr. 1 in Beijing am 23. Dezember 2009 eröffnet wurde, rechnete niemand mit einem Freispruch. Chinesische Strafgerichte sind notorisch bekannt für ihre hohen Verurteilungsraten, selbst wenn, wie es hier der Fall war, keine Staatsschutzdelikte verhandelt werden. (vgl. u.a. Cheltenham 2011, S. 351–353; Yang Wenqing 2016, S. 70–74) Lius Anklage lautete auf Aufwiegelung zum Umsturz der Staatsmacht (煽动颠覆国家政权罪, § 105 ChStGB), ein Straftatbestand, der so eindeutig einer politischen Deutung unterworfen ist, dass sich die chinesische Rechtswissenschaft nur selten und sehr sporadisch seiner Kommentierung widmet.
Bereits 1991 war Liu schon einmal auf der Grundlage des Vorgängers dieses Straftatbestandes angeklagt worden, der in der damaligen Fassung des Strafgesetzbuches aus dem Jahr 1979 noch eine konterrevolutionäre Gesinnung voraussetzte (vgl. Liu Xingming 1997, S.132–138). Damals wurde Liu wegen seiner Beteiligung an den Protesten auf dem Platz des Himmlischen Friedens 1989 vor Gericht gestellt, jedoch nach der Verhandlung auf freien Fuß gesetzt. Im Jahr 2009 sollte er jedoch auf weniger gnädige Richter stoßen, die diesmal vor allem über seine Rolle in der Veröffentlichung der politischen Programmschrift Charta 08 (零八宪章, in: Tienchi/Liu 2011, S. 358–369) zu urteilen hatten, so dass er schließlich mit einer elfjährigen Freiheitsstrafe belegt wurde. Die meisten Prozessbeobachter waren von der Höhe der Strafe überrascht, das Gericht erkannte jedoch eine besondere Schwere der Schuld, so dass ein gesetzliches Minium von zehn Jahren geboten war. Seither hält sich die Erzählung, dass sich die Länge der Freiheitsstrafe an der Länge der „Charta 08“ bemesse, da diese 4024 chinesische Zeichen und elf Jahre insgesamt 4018 Tage umfasse (vgl. Link 2011, S. 77).
Dass dieser Prozess und sein Ergebnis ein vom chinesischen Parteistaat wohlorchestriertes Unternehmen waren, lässt sich auch an der Terminierung der Verhandlungstage erkennen. Am 23. Dezember 2009 wurde die Hauptverhandlung eröffnet, am 25. Dezember 2009 bereits das Urteil verkündet. Chinas schärfste ausländische Kritiker waren an diesen Tagen, so das offensichtliche Kalkül, zum großen Teil mit dem Weihnachtsfest beschäftigt und beobachteten weniger genau, was in an diesen Tagen in Beijing vor sich ging.
China veröffentlich zwischen Weihnachten und Neujahr des gregorianischen Kalenders gerne Entscheidungen, die im Ausland auf Kritik stoßen könnten. So wurde z.B. im Jahr zuvor – wenige Wochen nach der Veröffentlichung der eine konstitutionelle Regierungsform einfordernden Charta 08 –der Qi Yuling-Fall aus dem Jahr 2001 vom Obersten Volksgericht wieder zurückgezogen (Entscheidung des Obersten Volksgerichtes zur Rücknahme von vor dem Jahr 2007 veröffentlichen Justizauslegungen vor dem Jahr 2007). Dieser Fall hatte die bis dahin nicht gegebene Anwendbarkeit der Verfassung durch die Gerichte erlaubt und war vom damaligen Vizepräsidenten des Gerichts, Huang Songyou, als Chinas „Marbury v Madison“ bezeichnet worden (vgl. Huang Songyou 2001). Liu und seine Anwälte versuchten dennoch, seine verfassungsmäßigen Rechte als Kernstück ihrer Verteidigung anzubringen. Das hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Schließlich bestätigte auch die Berufungsinstanz, das Oberstufengericht der Stadt Beijing, im Februar 2010 das ursprüngliche Urteil. Liu wurde im Mai 2010 in seine Heimatprovinz Liaoning überstellt, wo im Gefängnis der Stadt Jinzhou seine Strafe vollstreckt wurde.
Am 26. Juni 2017 wurde Lius Strafe schließlich aus medizinischen Gründen ausgesetzt und am 13. Juli 2017 starb er in einem Krankenhaus in Shenyang. Dort war er aufgrund einer fortgeschrittenen Krebserkrankung behandelt worden. Mit Liu verschwand einer der markantesten noch in China lebenden Regimekritiker. Seine Verurteilung zu einer langjährigen Haftstrafe kann als Präludium zu einer wieder zunehmenden Repression von politischem Dissens in China betrachtet werden, die sich auch im massiven Ausbau der Sicherheitsorgane unter Hu Jintao manifestierte und in der technologisierten Überwachungsarchitektur unter XI Jinping seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht hat.
2. Prozessbeteiligte
Die Charta 08 hatte etliche Mitverfasser und war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung bereits von 303 meist prominenten Persönlichkeiten der Volksrepublik China unterzeichnet worden. Dennoch wurde lediglich Liu Xiaobo festgenommen und angeklagt (Als klar wurde, dass Liu Xiaobos formelle Anklage kurz bevorstand, schickten 165 Unterzeichner der „Charta 08“ einen Brief an die Behörden, in dem sie sich mit Liu Xiaobo solidarisierten und feststellten, dass ihnen der gleiche Vorwurf zu machen sei und sie daher ebenfalls anzuklagen seien; hierzu vgl. Béja 2012, S. 29). Andere, wie z.B. der Demokratieaktivist Zhang Zuhua als Hauptautor der Charta 08, wurden von der Polizei zwar in Gewahrsam genommen, ihre Wohnungen durchsucht und ihre Bücher oder Computer als Beweismittel konfisziert (vgl. Link 2011, S. 47), eine formelle Festnahme oder sogar Anklage erfolgte aber nicht. Die Behörden sahen offenbar den zentralen Hintermann in Liu und viele seiner Mitstreiter berichten, dass er es war, der es mit seinem Charisma und seiner Beharrlichkeit vermochte, den ursprünglichen Entwurf der Charta 08 so weiterzuentwickeln, dass viele der Unterstützer von ihm persönlich zur Unterschrift überzeugt werden konnten (vgl. Zhang 2020, S. 26; Martin-Liao/Liu 2011, S. 370–378). Allerdings wäre es auch kaum denkbar gewesen, alle Beteiligten der Charta 08 anzuklagen, da bereits nach wenigen Wochen mehrere tausend chinesische Bürger im Internet ihre Unterschrift geleistet hatten (Eine namentliche Auflistung findet sich hier: http://www.2008xianzhang.info/).
Als Liu das erste Mal von sich reden machte, war er ein aufstrebender Literaturkritiker, der zwar politisch dachte und argumentierte, dessen Feld aber die Kultur- und Literaturszene war, sich nach der Kulturrevolution neu suchte (vgl. Chong 2002, S. 215–254). Geboren wurde Liu Xiaobo am 28. Dezember 1955 im nordostchinesischen Changchun und wie viele seiner Generation konnte er nur auf eine gebrochene Schullaufbahn zurückblicken. Er wuchs an der Pädagogische Universität Nordostchinas auf, wo sein Vater als Literaturdozent und seine Mutter als Kindergärtnerin tätig waren. Noch in der universitätseigenen Grundschule erlebte Liu den Beginn der Kulturrevolution im Sommer 1966 (vgl. MacFarguhar/Schoenhals 2006, S. 52–65), als plötzlich alles und jeder bourgeoiser Tendenzen verdächtig sein konnte und damit konterrevolutionärer Feind und vogelfreies Opfer der Roten Garden (vgl. Leese 2020, S. 131–180). Als die Universitäten 1969 in ganz China geschlossen wurden, wurde Lius Familie in eine Volkskommune in der Inneren Mongolei verschickt. Zum Verhängnis war ihnen der Klassenhintergrund von Lius Großeltern geworden, die als kleine Bauern im Jahr 1966 in die schlechte Klasse der Landbesitzer eingruppiert worden waren. Erst 1973 konnten sie wieder nach Changchun zurückkehren. Nach dem Abschluss der Mittelschule im Jahr 1974 wurde Liu – wiederum wie viele seiner Altersgenossen (vgl. Scharping 1981) – als gebildeter Jugendlicher aufs Land verschickt, um in einer Kommune etwas nördlich von seiner Heimatstadt umerzogen zu werden. Erst nach dem Tod Mao Zedongs kehrte Liu nach Changchun zurück und arbeitete als Verputzer in einem örtlichen Betrieb. Rückblickend beschreibt er diese Zeit als hart aber frei, unbehelligt von der Bevormundung des Bildungssystem empfand er diese Jahre offenbar als Chance, unabhängiges Denken zu entwickeln und seinen kritischen Geist an den vielen leeren Phrasen dieser Zeit zu schärfen (vgl. Yu Jie 2017, S. 26–29).
Im März 1978 schrieb Liu sich als einer der ersten an der wiedereröffneten Jilin Universität für chinesische Literaturwissenschaften ein. Seinen MA erhält er 1984 von der Pädagogischen Hochschule in Beijing und machte sich als Promotionsstudent einen Namen als beißender, mitunter ungehobelter und unberechenbarer Kritiker, der ihm schon früh den Beinamen „Schwarzes Pferd“ einbrachte. In seinen Augen waren die zeitgenössischen Literaten übermäßig selbstgefällig, unreflektiert und nicht bereit für einen ehrlichen Neuanfang nach der Mao-Zeit (vgl. Barmé, 1990, S. 54). Als Enfant terrible der chinesischen Literaturkritik wird er auch im Ausland wahrgenommen und zu Gastaufenthalten nach Oslo, Hawaii und an die Columbia Universität in New York eingeladen. Liu kehrte jedoch im Frühsommer 1989 nach Beijing zurück, um sich in den bereits ausgebrochenen Studentenprotesten zu engagieren. Er war einer von wenigen Intellektuellen, die sich unmittelbar an der Bewegung beteiligten, was in einem Hungerstreik gemeinsam mit drei Mitstreitern noch kurz vor der Niederschlagung am 4. Juni kulminierte. Es war diese Gruppe von vier Intellektuellen, die mit dem anrückenden Militär einen Abzug der verbliebenen Studierenden vereinbarten und diese dann von der Räumung des Platzes des Himmlischen Friedens zu überzeugen (vgl. Yu Jie 2017, S. 83–88). Lius tatsächliche Bedeutung für die Bewegung ist schwer abzuschätzen (vgl. Barmé 1990, S. 64), unbestreitbar ist jedoch, dass er im Nachgang vom Regime zu den „schwarzen Händen“ (Strippenziehern im Hintergrund) gezählt wurde, denen der Prozess zu machen war (vgl. https://www.hrw.org/reports/pdfs/c/china/china919.pdf). Die Anklage lautete auf „Anstachelung zum Umsturz der Diktatur des Proletariats und sozialistischen Systems durch konterrevolutionäre Propaganda mittels Plakaten, Handzetteln oder anderer Methoden“, was der unmittelbare Vorgänger des 2009 verwendeten Straftatbestandes im chinesischen Strafgesetzbuch in der Fassung des Jahres 1979 war (vgl. § 102 (2) ChStGB, in: China aktuell, Nr. 8, 1979, S. 799–829). Liu legte eine Art Geständnis ab, zeigte sich nach Ansicht des Gerichts reumütig und da zudem seine Bemühungen um einen friedlichen Abzug der letzten Studenten vom Platz des Himmlischen Friedens in der Nacht der Erstürmung anzuerkennen waren, entschied das Gericht unter Vorsitz des Richters Tan Jingsheng, Liu unter Anrechnung der verbüßten Untersuchungshaft freizulassen. (vgl. Yu Jie 2017, S. 102–106)
In den folgenden Jahren beschränkte er seine Kritikertätigkeit nicht mehr nur auf literarische Themen und entwickelte sich zu einem der prominentesten noch in China verbliebenen Dissidenten. Nach 1989 beschäftigte Liu sich zunehmend mit Themen wie Rechtsstaatlichkeit, politischen Institutionen und Menschenrechten. Er entwickelte konkrete Vorstellungen, was ein systemischer Wandel in China erreichen könnte und wie dieser zu erreichen wäre (vgl. Yu Jie 2017, S 137–138). Im Jahr 1996 führte ein noch im Entwurfsstadium befindlicher Text, in dem Liu sich gemeinsam mit Wang Xizhe sowohl an das kommunistische Regime als auch an die Führung Taiwans richtete, mit der Aufforderung zu einer Kooperation der beiden, zu seiner erneuten Festnahme. Diesmal wurde er auf der Grundlage eines Deliktes der Störung der öffentlichen Ordnung angeklagt und zu drei Jahren Reform durch Arbeit – Chinas standardmäßige Form der Freiheitsstrafe – verurteilt. (vgl. Béja 2012, S. 26).
Die Literatur blieb jedoch Lius erstes Betätigungsfeld, wobei er keine Trennung zwischen kulturellen und politischen Fragen vornahm. Deutlich wird dies an der Gründung des Unabhängigen PEN Clubs China im Jahr 2001, dessen Entstehen Liu maßgeblich vorantrieb und dessen zweiter gewählter Vorsitzender er selbst war (vgl. Zhang Zuhua 2020, S. 23). Besondere Bedeutung erlangte dabei sein Einsatz für inhaftierte Literaten und Journalisten. So war es Liu, der die Aufmerksamkeit des Auslands auf die Inhaftierung des Lyrikers und Journalisten Shi Tao lenkte, der im Jahr 2004 eine interne Anweisung der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) an Journalisten veröffentlicht hatte, in der diesen die Berichterstattung über die Geschehnisse rund um den Platz des Himmlischen Friedens untersagt wurde. Liu betonte in diesem Zusammenhang auch die Komplizenschaft des Internetkonzerns Yahoo!, da dieser den chinesischen Behörden Verbindungsdaten geliefert hatte, auf deren Grundlage die Urheberschaft Shi Taos an der Veröffentlichung der internen Anweisung nachgewiesen werden konnte (Dieser Fall war sogar Gegenstand des US-Kongresses, bzw. dessen Foreign Affairs Committee: https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-release-journalist-and-democracy-advocate-shi).
Zum Kreis des unabhängigen PEN gehörte auch der Strafverteidiger Mo Shaoping, der sich einen Namen damit gemacht hatte, Rechtsbeistand in etlichen, politisch sensiblen Fällen gewesen zu sein. Neben Shi Tao vertrat Mo z.B. auch den regierungskritischen Blogger Du Daobin, der im Jahr 2004 ebenfalls aufgrund einer Aufwiegelung zum Umsturz zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe mit vierjähriger Vollzugsaussetzung verurteilt worden war (vgl. https://www.theemptysquare.org/the-participants/du-daobin). Ebenso vertrat Mo Xu Wenli, der im Jahr 1998 versucht hatte, eine demokratische Partei in China zu gründen (vgl. https://www.hrw.org/report/2000/09/01/china-nipped-bud/suppression-china-democracy-party). Mos Weg in die Rechtspflege war gewunden. Auch seine Jugend war geprägt von den Wirren und Schrecken der Kulturrevolution. Zu deren Ende trat Mo in die Armee ein, um Offizier zu werden. Sein „Klassenhintergrund“ vereitelte jedoch den Eintritt in die Offiziersschule (vgl. Strittmatter 2016, S. 4), so dass er im Jahr 1980 demobilisiert und in die Staatsanwaltschaft Beijings abgestellt wurde (vgl. https://web.archive.org/web/20140723035242/http://open.com.hk/old_version/1010p54.html). Das war kein ungewöhnlicher Vorgang, da der eklatante Mangel an ausgebildeten Juristen für den Neuaufbau der Justiz nach Maos Tod vor allem durch ehemalige Militärangehörige ausgeglichen wurde (vgl. Fu Hualing 2003, S. 193–219). Mo nahm schließlich im Jahr 1981 das Jurastudium auf und war nach seinem Abschluss im Jahr 1985 drei Jahre der Strafrechtsabteilung der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften angegliedert, bevor er bis 1992 anwaltlich vor allem für das Arbeitsministerium tätig war (vgl. https://web.archive.org/web/20140723035242/http://open.com.hk/old_version/1010p54.html). Seine Anwaltskanzlei gehörte zu den ersten in Beijing, die nicht mehr als „Rechtsberatungsbüro (法律顾问处)“ organisiert und damit ein Teil der Verwaltungsstrukturen der Justiz waren (vgl. https://m.thepaper.cn/baijiahao_4214519; http://www.elvshi.com/news/detail/1205.html). Zunächst als Generalist tätig, übernahm Mo zunehmend politisch sensible Fälle, wurde aber im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen unter den Menschenrechtsanwälten in China (wörtl. „Rechte verteidigende Anwälte – 维权律师“) nie verhaftet oder vor Gericht gestellt (vgl. Pils 2018, S. 1–48), obgleich er ebenfalls weiche Formen der Repression zu erdulden hatte und hat (vgl. https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-continue-to-suppress-lawyers-after-replacing). Mo betont gerne seine penible Professionalität und strikte Befolgung der gesetzlichen Regeln (Vgl. A Rights Defense Lawyer Takes the Long View. An interview with Mo Shaoping by the editors of Ren Yu Renquan, in: China Rights Forum, Nr. 2 2007, S. 76–82), was in diesem Zusammenhang sicherlich ein wichtiger Faktor ist, da das chinesische Strafrecht mit dem sogenannten „großen Knüppel 306 (306 大棒)“ einen sehr breit angelegten Straftatbestand der Strafvereitelung vorhält, auf dessen Grundlage Rechtsanwälte regelmäßig verurteilt werden, z.B. wegen angeblicher Unterdrückung von Beweismitteln. (vgl. Li Enshen 2010, S. 138–140) Mit der Begründung, dass er Unterzeichner der Charta 08 sei, wurde Mo im Verfahren gegen Liu untersagt, direkt als Verteidiger aufzutreten. Seine Kanzlei behielt jedoch das Mandat und Mos Angestellte Anwälte Ding Xikui und Shang Baojun fungierten als Lius unmittelbare Rechtsbeistände.
In seinem später veröffentlichten Schlussvortrag unter dem Titel „Ich habe keine Feinde“ beschreibt Liu die ihn verhörenden Polizisten, die Staatsanwälte und Richter als äußerst respektvoll und professionell (vgl. Martin-Liao/Liu S. 379–384). Wegen ihrer exponierten Stellung am ersten Mittel- bzw. Oberstufengericht der Stadt Beijing tauchen ihre Namen auch in anderen Strafurteilen gegen Dissidenten oder z.B. Anhängern von Falun Gong auf. Weiterreichende Bekanntheit hat jedoch allenfalls Staatsanwalt Zhang Rongge erreicht, über den sein Kollege und Schriftsteller Xu Sulin (Schriftstellername Hai Jian) bereits vor dem Verfahren gegen Liu Xiaobo eine längere Lobhudelei veröffentlichte (Annalen eines Frühlings ohne Reue 无悔青春志: In den vergangenen 21 Jahren bearbeitete Zhang Rongge über […] 700 Fälle, er schenkte der Welt über 700 Siege der Gerechtigkeit[…], vgl. https://zhuanlan.zhihu.com/p/355653485).
3. Zeitgeschichtliche Einordnung
Die Verfasser der Charta 08 hatten für die geplante Veröffentlichung am 10. Dezember 2008 einen symbolischen Termin ausgewählt, der durchaus darauf angelegt war, den Zeitgeist in China zu erfassen. An diesem Tag jährte sich zum 60. Mal die Verabschiedung der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ (AEMR). Auch wenn unter Xi Jinping das Anliegen betrieben wird, mit eigenen Menschenrechtsentwürfen ein Gegengewicht zu schaffen (vgl. https://mondediplo.com/outsidein/will-china-dare-challenge-the-udhr), so ist die AEMR durch das Regime doch nicht so leicht als westlicher Neoimperialismus zu diskreditieren. Mit großem Stolz wird auch in der Volksrepublik China auf einen der charismatischen Schöpfer der AEMR, Chang Pengchun, verwiesen (vgl. Jun Zhao 2015, S. 29–52), welcher wiederum für sich reklamierte, den in Artikel 1 angerufenen „Geist der Brüderlichkeit“ nach dem konfuzianischen Konzept der Mitmenschlichkeit (ren/仁) modelliert zu haben (vgl. Roth 2018, S. 188–224).
Gleichzeitig war China im Jahr 2008 verstärkt im Blickfeld der Weltöffentlichkeit. Die Olympischen Sommerspiele in Beijing waren ein Prestigeprojekt, das nicht nur Chinas Kapazitäten und Fortschrittlichkeit demonstrieren sollten. Nicht weniger wichtig war dieses Ereignis als ein Bekenntnis Chinas zu einer nachhaltigen Öffnung und Verzahnung mit der Weltgemeinschaft, die noch 30 Jahre zuvor kaum denkbar gewesen wäre. Die Charta 08 knüpft unmittelbar an diese Entwicklung an und fragt ganz direkt, ob China nicht auch den nächsten Schritt gehen könnte und sich dem „Hauptstrom der Zivilisation“ anschließen würde, um eine demokratische Regierungsform unter Anerkennung universeller Werte zu erreichen (Charta 08).
Der Machtwechsel von Jiang Zemin zu Hu Jintao im Jahr 2002 hatte hier zunächst positive Signale ausgesendet. Das Konzept der „Drei Repräsentationen“ war Vermächtnis von Jiang Zemin und öffnete nicht nur die KP für alle Bürger Chinas, es beendete auch ganz generell den Klassenkampf (vgl. Holbig 2009, S. 20–31). Die dann im Jahr 2004 folgende Verfassungsänderung brachte weitere Hoffnung mit sich, indem es seither in Art 33 heißt, dass der Staat die Menschenrechte achtet und schützt. Chinas Verfassung ist zwar vor allem ein politisches Dokument, es hat aber eine unbestreitbare normative Kraft, die sich unmittelbar im legislativen (vgl. Hand 2011, S. 105–131) und – etwas weniger deutlich – auch im juridischen Diskurs niederschlägt (vgl. Sprick 2019, S. 41–67). In der Charta 08 wird diese Entwicklung durchaus goutiert, jedoch ihre mangelnde Umsetzung in konkrete politische und soziale Maßnahmen kritisiert.
Das Jahr 2008 war für viele Chinesen auch geprägt von einer verheerenden Naturkatastrophe, einem der bislang größten Wirtschaftsverbrechen der jüngeren chinesischen Geschichte und eine schleppende bis verschleiernde Aufarbeitung durch die Behörden. Am frühen Nachmittag des 12. Mai 2008 kam es in Sichuan zu einem Erdbeben, das geschätzte 70.000 Menschen das Leben kostete. Unter ihnen waren mehrere Tausend Schülerinnen und Schüler, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in einer der vielen einstürzenden Schulen aufhielten. Die auffallend hohe Zahl der betroffenen Schulen und die Art des sofortigen und vollständigen Einsturzes warf Fragen hinsichtlich der Bauqualität auf. Eltern und Lehrer, die hartnäckig nachbohrten, wurden eingeschüchtert und verhaftet oder mit freiheitsentziehenden Verwaltungssanktionen belegt (vgl. https://www.hrw.org/news/2009/05/06/china-end-quake-zone-abuses). Gleichzeitig war China im Zeitalter der sozialen Medien angekommen und auch wenn das Internet streng zensiert wird, so ließ sich doch die Berichterstattung von Netizens nicht komplett unterbinden und der Skandal um die „Tofu Schulen“ in Sichuan nicht aus der chinesischen Öffentlichkeit fernhalten (vgl. Masterson 2020, S. 139–181). Ähnlich verhielt es sich bei dem Skandal um das mit Melamine versetzte Milchpulver für die Säuglingsnahrung. Tatsächlich stellt die damals junge chinesische Blogosphere einen direkten Konnex zwischen diesen beiden Ereignissen her. Eine Mutter, die sich über die Qualität des Milchpulvers des Konzerns Sanlu beschwert hatte, schrieb schon im Mai 2008 einen entrüsteten Internetbeitrag, in dem sie Sanlus Spende ebendieses Milchpulvers für die Erbbebenopfer in Sichuan kritisierte (vgl. https://web.archive.org/web/20200715160903/https://hzdaily.hangzhou.com.cn/dskb/html/2008–09/13/content_504378.htm). Sanlus Vorstand informierte intern jedoch nicht vor Anfang August 2008 (wenige Tage vor der Eröffnung der Olympischen Spiele) über problematische Messwerte, das Unternehmen und die chinesische Regierung stoppten den Verkauf aber erst, nachdem die neuseeländische Regierung im September 2008 (nach den Olympischen Spielen) auf Hinweis durch Sanlus neuseeländischen Anteilseigner interveniert hatte. Schätzungen sprechen von 300.000 Säuglingen, die entweder mangelernährt oder mit Nierenbeschwerden zu behandeln waren, wobei auch die genaue Zahl der gestorbenen Säuglinge nicht zu ermitteln ist (Eine konservative Einschätzung spricht von mindestens sechs Säuglingen: https://www.nbcnews.com/id/wbna28787126). In beiden Fällen waren es immer wieder Anwälte, die sich der inzwischen gegebenen rechtlichen Mittel bedienten und als Verteidiger der Rechte von Bürgern gegen die Mächtigen in diesem Parteistaat auftraten (Pils 2020, S. 127–158). Die in der Charta 08 bemängelte Korruption sowie die fehlende Verlässlichkeit und Verantwortlichkeit des Staates fußen auf den durch diese Skandale rezent aufgezeigten Schwächen des autoritären Systems.
Die Politik unter Hu Jintao war zu dieser Zeit geprägt von einem gewissen Laisser-faire, was ihm mitunter als Führungsschwäche und Reformunfähigkeit ausgelegt wurde (vgl. Gao Mobo 2012, S. 175–192). Gleichzeitig war es Hus Amtsperiode, in der die innere chinesische Sicherheitsarchitektur unter Führung des später in Ungnade gefallenen Zhou Yongkang massiv ausgebaut wurde, so dass die verausgabten Mittel sogar die der Verteidigungsausgaben überstiegen haben sollen (vgl. https://www.bbc.com/news/world-asia-china-26349305). Ein Mitstreiter Liu Xiaobos, Yu Jie, beschreibt die Regierung seit dem Machtwechsel von Jiang Zemin zu Hu Jintao als „noch paranoider“ (vgl. Yu Jie 2017, S. 162), was zu dem gesteigerten Bedürfnis nach innerer Sicherheit des Regimes passt, das sich auch budgetär ausdrückte.
4. Anklage
Die Volksstaatsanwaltschaft Nr. 1 in Beijing ließ es sich nicht nehmen, das symbolische Datum des 10. Dezembers neu zu besetzen. Genau ein Jahr nach der Veröffentlichung der „Charta 08“ wurde offiziell Anklage gegen Liu Xiaobo wegen Aufwiegelung zum Umsturz der Staatsmacht und des sozialistischen Systems erhoben. Der Tatvorwurf stellte ganz konkret auf die in § 105 II ChStGB normierte Qualifikation ab, bei der als Begehungsmittel der Subversion die Verbreitung von Gerüchten, Verleumdung oder Aufwiegelung in sonstiger Weise gefordert werden. Das entsprechende Strafmaß ist auf eine fünfjährige Freiheitsstrafe beschränkt, kann jedoch überschritten werden, wenn die Tat besonders schwerwiegend ist oder der Täter Anführer einer Gruppe von Tätern ist. In der Anklageschrift nennt die Staatsanwaltschaft sechs Aufsätze, die Liu seit 2005 verfasst hatte, und führte dann seine Beteiligung am Entwurf, der Unterstützerakquise für und der Verbreitung der Charta 08 als Belege für den erhobenen Tatvorwurf an (vgl. Beijing Municipal People’s Procuratorate Branch No. 1 – Indictment, https://www.hrichina.org/en/content/3205).
Der Straftatbestand der Aufwiegelung zum Umsturz findet seinen Ursprung in dem strafrechtlich bewehrten Verbot der konterrevolutionären Propaganda, welches bereits in Art. 10 Nr. 3 der „Bestimmungen zur Bestrafung von Konterrevolutionären“ aus dem Jahr 1951 normiert wurde (vgl. Gao Mingxuan/ Zhao Bingzhi 2007, S. 178). Auch Chinas erstes umfängliches Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1979 kennt noch eine solche Vorschrift in Art. 102 Nr. 2 (vgl. Ebd., S. 348–349). Die bis heute gültige Fassung stammt aus dem Jahr 1997, als das chinesische Strafgesetzbuch umfassend novelliert wurde, wobei sowohl die subjektive Seite der konterrevolutionären Ziele gestrichen als auch die Begehungsweisen überarbeitet worden waren:
„Wer durch die Verbreitung von Gerüchten und Verleumdungen oder in sonstiger Weise zum Umsturz der Staatsmacht oder des sozialistischen Systems aufwiegelt, wird mit zeitiger Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, Gewahrsam, Überwachung oder Entzug politischer Rechte bestraft; wenn er Rädelsführer ist oder wenn schwerwiegende Tatumstände vorliegen, ergeht zeitige Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren.“ (Übersetzung angelehnt an Strupp 1998, S. 132)
Im Gegensatz zu einem Großteil der Straftatbestände des geltenden Strafgesetzbuches, wurde diese Vorschrift niemals durch den Nationalen Volkskongress oder das Oberste Volksgericht ausgelegt. Damit fehlt der Justiz eine bindende Konkretisierung z.B. hinsichtlich der völlig offenen Begriffe der „sonstigen“ Begehungsweisen oder der „schwerwiegenden Tatumstände“. Das Oberste Volksgericht weißt in seinen Interpretationen lediglich mitunter darauf hin, dass in bestimmten Fällen eine Tateinheit mit diesem Straftatbestand gegeben sein kann. So ist dies z.B. der Fall bei der Verbreitung von „häretischer Propaganda“ (§ 300). Hiermit ist z.B von Falun Gong herausgegebenes Material gemeint. Auslegung des Obersten Volksgerichtes und der Obersten Volksstaatsanwaltschaft zu Fragen der Rechtsanwendung in der Behandlung von Fällen der Organisation und Ausnutzung von häretischen Organisationen zur Störung der Implementation des Rechts (vgl. https://www.court.gov.cn/zixun-xiangqing-35402.html) oder zuletzt bei der Verbreitung von Gerüchten über den Coronavirus( § 291/293 Verbreitung von Falschinformationen (vgl. http://legal.people.com.cn/n1/2020/0210/c42510-31580349.html). Es ist plausibel, dass diese mangelnde Präzision durchaus gewollt ist, um der Strafjustiz ein großes Ermessen einzuräumen und gleichzeitig das Damoklesschwert der fehlenden Rechtssicherheit über jeglicher politischen Meinungsäußerung schweben zu lassen.
Auch in der rechtswissenschaftlichen Ausbildungs- und Kommentarliteratur wird dieser Straftatbestand eher selten und nur sehr oberflächlich behandelt (in einigen Standardwerken fehlt eine Kommentierung vollständig (z.B. in Wang Zuofu 2006 oder Lin Shantian 2011), wobei die einzelnen Abhandlungen signifikante Unterschiede aufweisen. In einem von der zentralen Parteischule herausgegebenen Werk wird z.B. eine sehr weite Auslegung angeboten. So wird dort auch die Partei, bzw. deren „Linie, Richtung und Politik“ zum Schutzbereich hinzugezogen, deutlich betont, dass es sich nicht um ein Erfolgsdelikt handelt oder dass unter „Verleumdung (feibang/诽谤)“ hier die Verbreitung von für die Staatsmacht oder das sozialistische System „schädlichen (有损于)“ Informationen ausreicht (vgl. Li Xisi 2001, S. 252–253). Andere Autoren fordern hingegen einen klaren Ausschluss des „fehlerhaften Kommentares (错误评论)“ vom Bereich der Strafbarkeit (gleichlautend hierzu: Zhang Mingkai 2007, S. 532; Xu Songlin 2003, S. 275), machen sich dann aber nicht die Mühe, deutliche Abgrenzungen vom „Verbreiten von Gerüchten“ oder der „Verleumdung“ vorzunehmen, wobei immerhin manchmal auf die „Verwirrung der Massen (迷惑群众)“ als zusätzliche Bedingung abgestellt wird (vgl. Xu Songlin 2003, S. 275). Die deutlich spürbare Unlust der sonst so kommentierungsfreudigen chinesischen Rechtswissenschaft spricht sicherlich für das allgemeine Bewusstsein, dass diese Staatsschutzparagraphen unantastbare Domäne des Sicherheitsapparates sind und damit der Ausformung durch den rechtswissenschaftlichen und juridischen Diskurs entzogen. Die grundlegend liberalen Tendenzen in der chinesischen Jurisprudenz treten zutage, wenn in einer kleineren Fachzeitschrift einer jungen Nachwuchswissenschaftlerin Raum gegeben wird, in einem empörten Fallbericht zu diesem Straftatbestand unmissverständlich klarzustellen, dass das geschriebene Wort untauglich sei, einen Umsturz zu betreiben (vgl. Peng Chen 2014, S. 97–98). Eine solche deutliche Forderung nach einer Dekriminalisierung von kritischen Meinungsäußerungen bleibt jedoch die Ausnahme
5. Verteidigung
Strafverteidigung in China ist ein prekäres Unternehmen. Anwälte sind strukturell benachteiligt und sehen sich in der permanenten Gefahr, ihrerseits strafrechtlich belangt zu werden (vgl. Nesossi 2016, S. 56–62). In politisch sensiblen Fällen ist diese Benachteiligung ungleich stärker ausgeprägt, da das Regime sich regelmäßig nicht an die eigene Strafprozessordnung hält. Der in der Verteidigung von Liu Xiaobo federführende Anwalt Mo Shaoping benennt selbst als typisches rechtswidriges Verhalten der Strafverfolgung, dass u.a. die Familien von Beschuldigten nicht informiert werden, dass der Zugang von Beschuldigten zu einem Rechtsbeistand behindert wird oder dass die Zeit des Gewahrsams oder auch der Untersuchungshaft über die gesetzlich bestimmten Fristen hinaus verlängert wird (vgl. Mo Shaoping/ Gao Xia / Lü Xi / Chen Zerui 2012, S. 66–68). Im Fall von Liu Xiaobo wurde zudem noch die Redezeit der Verteidigung vom Gericht mit der Begründung auf 14 Minuten beschränkt, dass auch die Staatsanwaltschaft lediglich 14 Minuten vorgetragen habe, was keinerlei Grundlage im Strafprozessrecht hat (vgl. Link 2011, S. 65).
Auch wenn die Strafprozessordnung richtig angewendet wird, ist die Verteidigung benachteiligt. Mo Shaoping selbst identifiziert hier vor allem den beschränkten und sehr späten Zugang zu Prozessakten sowie die Zustimmung der Staatsanwaltschaft als Voraussetzung dafür, eigenständig Beweise zu sammeln (vgl. Mo Shaoping et al. 2012, S. 68–69). Bis ins Jahr 2010 gab es in China keine rechtliche Grundlage für den automatischen Ausschluss rechtswidrig erlangter Beweismittel (vgl. Guo Zhiyuan 2019, S. 45–53) und bis heute sind die Regelungen zum Ausschluss durch Folter erlangter Geständnisse kaum geeignet, dieses Phänomen in China vollständig auszumerzen (vgl. He Jiahong 2016, S. 65–93). Über allen Schwierigkeiten einer effektiven Verteidigung in China thronen jedoch ein nicht gegebenes Aussageverweigerungsrecht und eine allenfalls auf dem Papier und dann auch nur bei einer sehr wohlwollenden Auslegung gegebene Unschuldsvermutung (vgl. Nesossi/Trevaskes 2017, S. 37–43).
Es besteht Einigkeit darüber, dass die Schuld eines Tatverdächtigen bereits von der Polizei festgelegt wird (vgl. Mou Yu 2020). Für die Strategie der Verteidigung sind daher die ersten 37 Tage des Ermittlungsverfahrens die wichtigsten, „goldenen“ Tage, da dies die formell längste Dauer des Gewahrsams ist, bevor eine durch die Staatsanwaltschaft genehmigte, offizielle Festnahme erfolgt und bis zu diesem Zeitpunkt das entscheidende Polizeidossier angelegt wird (vgl. Wang Minyuan/ Hu Ming / Tao Kiapei 2022, S. 47). Für die Verteidigung von Liu Xiaobo waren diese 37 goldenen Tage aber unerheblich. Mo Shaoping hatte keinen Zugang zu seinem Mandanten und selbst Lius Frau, Liu Xia, durfte ihren Ehemann lediglich zweimal sehen. Liu stand unter Hausarrest, wobei die Polizei in China diese Form der strafprozeduralen Zwangsmaßnahme regelmäßig nutzt, um Menschen zu isolieren und außerhalb ihrer Wohnung in „Gästehäusern“ festzuhalten (als diese Praxis des auswärtigen Hausarrests mit einer Änderung der Strafprozessordnung 2012 verstetigt werden sollte, gab es heftige öffentliche Kritik, so dass sie nur auf schwerste Delikte wie Terrorismus, organisierte Kriminalität aber eben auch staatsgefährdende Delikte beschränkt wurde, im Kontext z.B. Zuo Weimin 2012, S. 33–38).
Mo Shaoping sagte in einem Interview, dass Fälle von politischen Dissidenten in China nicht zu gewinnen seien. Er erachte eine Verteidigung dennoch als essentiell, da die Rechte der Angeklagten zu wahren und den Strafverfolgungsbehörden in Person des Strafverteidigers ein Gegengewicht gegenüberzustellen seien. Die Bindung der Justiz an das Gesetz werde durch die Tätigkeit des Anwalts maßgeblich erhöht. Zudem seien solche Verfahren in einem größeren Kontext der Gerechtigkeit zu verstehen und auch wenn erst nach vielen Jahren die Bemühungen Früchte trügen, so seien es lohnenswerte Anstrengungen der Gegenwart (vgl. Mo Shaoping 2007, S. 79–80).
5.1. Konzept und Strategie
Innerhalb der engen Grenzen der chinesischen Strafprozessordnung lassen sich im Fall von Liu Xiaobo unterschiedliche Ansätze einer Verteidigungsstrategie erkennen, die wiederum unterschiedliche Ziele verfolgten. Entsprechend Mo Shaopings grundsätzlicher Strategie der Rechtewahrung und transgenerationeller Gerechtigkeit wird in der Verteidigung von Liu Xiaobo deutlich, dass nicht nur das Gericht, sondern auch die chinesische sowie die globale Öffentlichkeit Adressat waren.
Da eine Verurteilung als sicher gelten durfte, konnte sich die Teilstrategie der Rechtsauslegung, bzw. Wahrung der gesetzlich bestimmten Reche nur darauf beziehen, die Strafhöhe zu begrenzen. Zentrales Argument war hier, dass die wenigen in der Anklage zitierten Textpassagen aus dem Kontext gerissen seien (die Verteidigung führte an, dass Liu Xiaobo seit 2005 annähernd 500 Artikel mit mehr als 2 Millionen Zeichen verfasst habe, die Anklageschrift aber gerade einmal etwas mehr als 350 Zeichen zitiert, hierzu vgl. Verteidigung in der 2. Instanz unter: https://www.hrichina.org/chs/content/788) und dass Liu in seinen Schriften zwar durchaus eine Änderung der Regierungsform skizziere, dies aber keineswegs einer vorsätzlichen Aufwiegelung zum Umsturz der Staatsmacht gleichzustellen sei. Staatsmacht, Regierungsform und Regierungspartei seien voneinander zu unterscheiden und die Forderung nach einem Mehrparteiensystem, wie es in der Charta 08 steht, sei keineswegs als Umsturz der Staatsmacht zu begreifen (vgl. Ebenda). In seiner eigenen Verteidigungsrede betonte Liu, dass er seit 1989 stets die Vision einer „graduellen, friedlichen, geordneten und kontrollierten“ Reform gepflegt habe, was nicht mit dem Vorgang eines Umsturzes gleichzusetzen sei (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbstverteidigung). Ferner seien seine Texte und die Charta 08 nicht als Gerüchte, Verleumdungen oder derartige Einlassungen zu begreifen, da sie keine vorsätzlichen Falschbehauptungen beinhalteten und als wertgebundene Meinungsäußerung zu verstehen seien: „Kritik ist kein Gerüchteverbreiten, Opposition ist keine Verleumdung.“ (Ebd.)
Die Verteidigung forderte in der Revisionsinstanz auch, die lange Zeit des (ungesetzlich auswärtigen) Hausarrests auf die zu verbüßenden Freiheitsstrafe anzurechnen und damit die drohende Haftzeit zu verkürzen (vgl. Verteidigung in der 2. Instanz). Allerdings war auch diese formalrechtliche Strategie nicht von Erfolg gekrönt.
Neben den dogmatischen und strafprozeduralen Einlassungen konzentrierte sich die Verteidigung auf Rechtfertigungen von Lius Handeln. Die Argumente wurden zwar größten Teils rechtlich begründet, es war der Verteidigung aber bewusst, dass man sich hier außerhalb des Gesetzes bewegte. So wurden Verfassungsartikel angeführt, in denen sich der Staat zum Schutz der Menschenrechte verpflichtete (Art. 33), die Meinungsfreiheit garantiert (Art. 35) und Bürgern ein Kritik- und Vorschlagsrecht (Art. 41) eingeräumt wird (vgl. Ebd.). Das Oberste Volksgericht hatte kurz nach der Veröffentlichung der Charta 08 im Dezember 2008 den Qi Yuling Fall zurückgezogen, der bis dahin eine (wiewohl dünne) Rechtsgrundlage für die Anwendung der Verfassung durch die Gerichte darstellte. Im Dezember 2009 hatten Gerichte verfassungsrechtliche Argumente folglich nicht mehr zu beachten. Ähnlich verhält es sich mit der Berufung auf Prinzipien des Internationalen Menschenrechtsschutzes, die Liu und seine Anwälte vornahmen (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbstverteidigung; Liu Xiaobo, Ich habe keine Feinde – eine letzte Stellungnahme). China hat zwar sowohl den UN-Zivilpakt als auch den UN-Sozialpakt unterzeichnet, der in diesem Fall jedoch relevante UN-Zivilpakt wurde nie ratifiziert. Eine Wirkung dieses völkerrechtlichen Vertrages in einen chinesischen Strafprozess hinein konnte von der Verteidigung nicht angenommen werden.
Noch deutlicher über den rechtlichen Rahmen hinaus ragen die von Liu und seinen Anwälten vorgetragenen Argumente, welche ihn und seine Kritik in historische Kontexte einordnet. So stellt Liu selbst das Verfahren in eine Reihe der langen Tradition einer Kriminalisierung von Meinungsäußerungen und nennt Beispiele aus dem chinesischen Kaiserreich und der Zeit unter der Herrschaft der Guomindang, womit er auf den Anspruch der KP anspielt, die Ungerechtigkeiten jener Zeiten überwunden zu haben. Gleichzeitig stellt er eine Kontinuität über die Rechtsabweichlerkampagne, die Kulturrevolution, den Platz des Himmlischen Friedens des Jahres 1989 bis zu seiner Verhaftung her, um sich in eine Reihe mit den Opfern der KP-Herrschaft zu verorten (umfassend zu diesen historischen Bezügen: Rosenzweig 2012, S. 45–47). Er schließt damit, dass das herrschende Regime auf der falschen Seite der Geschichte stehe und dass die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung diametral der Legitimität dieses Systems entgegenstehe (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbstverteidigung).
In einem Abschlussstatement unterstreicht er, dass er nicht in einer Totalopposition zur KPCh stehe. Er erkennt die Entwicklungen nach dem Tode Maos an und betont, dass er im Abnehmen des Freund-Feind-Schemas den größten Fortschritt in China sehe. Er bricht diese Entwicklung von einer abstrakten Ebene der kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Tendenzen hinunter auf persönliche Begegnungen mit den Akteuren des Systems, das im Begriff ist, ihn für über ein Jahrzehnt wegzusperren. Indem er die Professionalität der verhörenden Polizeibeamten, die Integrität der Staatsanwälte und Richter und die Umsichtigkeit und den Respekt seines Gefängnisaufsehers betont, zeigt er, dass auch er selbst nicht in einem Freund-Feind-Denken verharren und so zu Toleranz und Menschlichkeit beitragen will (vgl. Liu Xiaobo, Ich habe keine Feinde – eine letzte Stellungnahme).
5.2. Kritische Würdigung
Die Verteidigung von Liu Xiaobo konnte seine Verurteilung ebenso wenig verhindern wie das höchste Strafmaß seit der Einführung des Straftatbestands der Aufwiegelung zum Umsturz im Jahr 1997 (vgl. Rosenzweig 2012, S. 31). Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Lius Urteil schon lange vor Prozessbeginn feststand. Sicherlich war auch die Verteidigung sich dieses Umstandes bewusst, so dass insbesondere die rechtsdogmatischen Argumente nicht verfangen konnten. Die Verteidigung griff aber dennoch und durchaus plausibel die Subsumption der Staatsanwaltschaft von Lius Handlungen unter die objektiven und subjektiven Elemente des Straftatbestandes der Aufwiegelung zum Umsturz an und nutzte dabei Argumente, die mitunter auch in der chinesischen Rechtswissenschaft vertreten werden. Es stellt sich hier allerdings die Frage, ob es sinnvoll war, sich auf die Logik des Systems einzulassen und ob nicht sogar die Legitimität des Straftatbestands der Aufwiegelung zum Umsturz indirekt bejaht wurde (ähnliche Argumente wurden vorgebracht, als über die Sinnhaftigkeit der Revision diskutiert wurde, da diese doch nur dem Regime die Möglichkeit gebe seine Rechtsbindung zu präsentieren, hierzu vgl. Link 2011, S. 69). Die Hinwendung zum Recht nach dem Ende der Mao-Zeit ist aber zweifelsfrei ein immenser Fortschritt, der Willkür eingedämmt, Rechtsbewusstsein geschärft und immerhin einige Gestaltungsräume geschaffen hat. Ein beständiges Ringen um das Ausmaß und die Grenzen dieser Gestaltungsräume mag in vielen Fällen vergebens sein, sorgt aber dafür, dass das Regime nicht aus seinem Versprechen entlassen wird, das es mit seinem Bekenntnis zum Aufbau eines Rechtsstaates gegeben hat (so seit 1999 Artikel 5 der Verfassung; zu den unterschiedlichen chinesischen Diskursen zur Rechtsstaatlichkeit vgl. Seppänen 2016).
Die verfassungs- und völkerrechtlichen Argumentationen der Verteidigung können aus strafprozessualer Sicht nicht überzeugen, da sie nicht auf anwendbares Recht abstellen. Hier wird vielmehr ein Gegenentwurf zum Regime vorgestellt, der gleichzeitig Grundideen der Charta 08 hinsichtlich einer konstitutionellen Regierungsform aufgreift, in der politische Rechte – wie das der freien Meinungsäußerung – geschützt wären. Liu Xiaobo nutzt den Prozess dafür, sich selbst als Vordenker einer demokratischen Zukunft Chinas in die Geschichte einzuschreiben. Mit der Verteidigung und Lius Selbstverteidigung und seinem Abschlussstatement wurde ein politisches Vermächtnis geschaffen, das sein stärkstes Moment in der Anerkennung der Menschlichkeit seiner Widersacher hat. Der mitunter sehr große Gestus, mit dem die lange politische Historie Chinas bemüht wurde, erhält hier einen überzeugenden Kontrapunkt, der sicherlich auch in Oslo gehört wurde.
6. Urteil und Urteilsbegründung
Chinesische Gerichte sind in ihren Urteilen meist sehr knapp und geben nur selten ausführliche Begründungen. Auch die fast gleichlautenden Urteile der zwei Instanzen im Fall von Liu Xiaobo bildeten hier keine Ausnahme. Die Gerichte stellten vor allem die schwerwiegenden Tatumstände fest, wobei die erhöhte Reichweite der Charta 08 durch die Verbreitung über das Internet besonders herausgestellt wurde. In der Revisionsinstanz wurde in diesem Zusammenhang zudem auf Lius Tätigkeit bei der Gewinnung von Unterstützern abgestellt (vgl. Endgültiges Strafurteil des Oberstufen Gerichts der Stadt Beijing Nr. 64 (2010) vom 9.2.2010, einzusehen unter: https://zh.m.wikisource.org/zh-hans北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书). Sein Verhalten wurden ferner der Verleumdung zugerechnet, wobei diese Feststellung nicht weiter begründet wurde. Die erste Instanz widmete sich immerhin in einem Teilsatz dem Verteidigungsargument der Meinungsfreiheit, wobei auch hier keinerlei Erläuterung vorgenommen und lediglich festgestellt wurde, dass Liu die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten hätte (vgl. Erstinstanzliches Strafurteil des Mittelstufengerichts Nr. 1 der Stadt Beijing Nr. 3901 (2009), einzusehen unter: http://www1.rfi.fr/actucn/articles/120/article_18395.asp). Im Ergebnis bestätigte das Oberstufengericht am 9.2.2010 das Urteil des Mittelstufengerichts vom 25.12.2009 und verurteilte Liu Xiaobo zu Freiheitsstrafe von elf Jahren und der ergänzenden Aberkennung der politischen Rechte für zwei Jahre.
7. Wirkung und Wirkungsgeschichte
Ausschließlich Liu Xiaobo für die Veröffentlichung der Charta 08 anzuklagen und damit ein Exempel zu statuieren, war für das Regime rückblickend sicherlich die strategisch falsche Entscheidung. Die ungewöhnliche Härte des Urteils gegen den charismatischen Liu, der es mit seinem kraftvollen Abschlussstatement zudem vermochte, Menschlichkeit und Würde für sich zu reklamieren, erzeugte enorme internationale und innerchinesische Aufmerksamkeit (vgl. Yu Jie 2017, S. 189–192; Link 2011, S. 68–70). Die Zuerkennung des Friedensnobelpreises am 8.10.2010 war sicher ein Ergebnis dieser Gemengelage.
Diese Vorgänge waren wenig geeignet, die Paranoia des Regimes abzuschwächen. Stattdessen reagierte das Regime in Anbetracht des bald anschließenden Arabischen Frühlings im Jahr 2011 und dem Euromaidan in der Ukraine im Jahr 2013 zunehmend sensibel auf Dissens. So wurden z.B. prodemokratischen Proteste im Jahr 2011 in vielen Städten mit aller Macht unterbunden (vgl. https://carnegieendowment.org/2011/04/11/three-reasons-for-beijing-s-current-campaign-against-dissent-pub-43593) und im Juli 2015 mehr als 300 dem Regime unbequeme Anwälte verhaftet (vgl. Pils 2018). Der Machtwechsel von Hu Jintao zu Xi Jinping hat Gestaltungsräume z.B. der Zivilgesellschaft seit 2012 weiter massiv eingeschränkt und trotz der vehementen und wieder
holten Bekenntnisse des Regimes zu einer Herrschaft des Rechts den Abstand des gegenwärtigen Chinas zur Vision der Charta 08 deutlich vergrößert (vgl. Fu Diana/Distelhorst 2017, S. 100–122; Minzer 2019). Liu Xiaobos Vermächtnis bleibt bis auf Weiteres ein ideelles.
8. Würdigung des Prozesses
Der Prozess und das Urteil gegen Liu Xiaobo verdeutlichen, wie sensibel der chinesische Parteistaat auf politischen Dissens reagiert. Sicherlich war die vom Internet getragene Reichweite und der illustre Unterstützerkreis der Charta 08 geeignet, eine vergleichsweise große Wirkungsmacht zu erzeugen. Eine unmittelbare Umsturzgefahr ging von ihr nicht aus. Liu Xiaobo war die einzige Person, die wegen ihrer Beteiligung an der Charta 08 verurteilt wurde. Dass dennoch eine derart hohe Haftstrafe erging, zeugt wahrscheinlich weniger von Lius Gefährlichkeit als vom politisch dirigierten Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden. Der unbequeme Liu war als passendes Exempel auserkoren, andere abzuschrecken. Die Professionalität der staatlichen Prozessbeteiligten darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Verurteilung und höchst wahrscheinlich auch die Strafhöhe längst und andernorts entschieden worden waren. Gerichte in China sind insbesondere in politischen Prozessen Akteure des Parteistaates, die das Recht so anzuwenden wissen, dass die Interessen des herrschenden Systems gewahrt bleiben. Im Bewusstsein der geringen Einwirkungsmöglichkeiten, die das Primat der Politikimplementierung im Gewand eines Strafprozesses gewährt (im Sinne Damaška 1986, S. 82), hat sich die Verteidigung Lius einerseits zwar streng an institutionalisierte Regeln gehalten, gleichzeitig hat sie sich aber diesem Primat beharrlich entzogen. Mit dem ständigen Verweis auf verfassungsmäßige Rechte und internationale Standards verortete die Verteidigung sich in eben jenem alternativen Entwurf chinesischer Rechtsstaatlichkeit, den die Charta 08 skizziert hatte. Dieser performative Aspekt des Prozesses hat allerdings bis heute ebenso wenig greifbare Ergebnisse gebracht, wie die formalen und dogmatischen Argumente der Verteidigung die Länge der Haftstrafe begrenzen konnten. Das Recht kann in China gegenwärtig kein Instrument für die Ausformung politischer Ermöglichungsräume sein, aber es können doch innerhalb dieses Systems Argumente formuliert werden, die gleichsam politische Forderungen darstellen. Der Strafprozess in China kann dann zu einem politischen werden, weil er einen – wenn auch zynischen – Rahmen für die freie(ere) Meinungsäußerung bietet.
9. Quellen und Literatur (Auswahl)
Endgültiges Strafurteil des Oberstufen Gerichts der Stadt Beijing Nr. 64 (2010) vom 9.2.2010 (北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书), https://zh.m.wikisource.org/zh-hans北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书 (zuletzt eingesehen am 25.1.2023).
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Daniel Sprick
Februar 2023
Daniel Sprick ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Chinesische Rechtskultur an der Universität zu Köln und unterrichtet dort verschiedene Lehrveranstaltungen zur chinesischen Rechtsgeschichte sowie zum chinesischen Wirtschafts- und Handelsrecht. Er wurde 2008 mit dem Hanenburg-Yntema-Preis für die beste europäische Dissertation zum chinesischen Recht ausgezeichnet. Er promovierte am East Asian Institute der UoC über die Grenzen der Selbstverteidigung im chinesischen Strafrecht. Seine Forschungsschwerpunkte sind chinesisches Strafrecht, Wettbewerbsrecht, Recht und Gesellschaft, Rechtstheorie und Justizreformen in China.
Zitierempfehlung:
Sprick, Daniel: „Der Prozess Liu Xiaobo, China 2009“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/liu-xiaobo/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ.