Liu, Xiaobo

bearbei­tet von
Dr. Daniel Sprick

China 2009
Anstif­tung zur Unter­gra­bung der Staatsgewalt
Demokratiebewegung
Friedensnobelpreis

PDFDownload

Der Prozess gegen Liu Xiaobo
China 2009

1. Prozess­ge­schich­te
Als die Haupt­ver­hand­lung gegen den späte­ren Friedens­no­bel­preis­trä­ger Liu Xiaobo vor dem Mittel­stu­fen­ge­richt Nr. 1 in Beijing am 23. Dezem­ber 2009 eröff­net wurde, rechne­te niemand mit einem Freispruch. Chine­si­sche Straf­ge­rich­te sind notorisch bekannt für ihre hohen Verur­tei­lungs­ra­ten, selbst wenn, wie es hier der Fall war, keine Staats­schutz­de­lik­te verhan­delt werden. (vgl. u.a. Chelten­ham 2011, S. 351–353; Yang Wenqing 2016, S. 70–74) Lius Ankla­ge laute­te auf Aufwie­ge­lung zum Umsturz der Staats­macht (煽动颠覆国家政权罪, § 105 ChStGB), ein Straf­tat­be­stand, der so eindeu­tig einer politi­schen Deutung unter­wor­fen ist, dass sich die chine­si­sche Rechts­wis­sen­schaft nur selten und sehr spora­disch seiner Kommen­tie­rung widmet.
Bereits 1991 war Liu schon einmal auf der Grund­la­ge des Vorgän­gers dieses Straf­tat­be­stan­des angeklagt worden, der in der damali­gen Fassung des Straf­ge­setz­bu­ches aus dem Jahr 1979 noch eine konter­re­vo­lu­tio­nä­re Gesin­nung voraus­setz­te (vgl. Liu Xingming 1997, S.132–138). Damals wurde Liu wegen seiner Betei­li­gung an den Protes­ten auf dem Platz des Himmli­schen Friedens 1989 vor Gericht gestellt, jedoch nach der Verhand­lung auf freien Fuß gesetzt. Im Jahr 2009 sollte er jedoch auf weniger gnädi­ge Richter stoßen, die diesmal vor allem über seine Rolle in der Veröf­fent­li­chung der politi­schen Programm­schrift Charta 08 (零八宪章, in: Tienchi/Liu 2011, S. 358–369) zu urtei­len hatten, so dass er schließ­lich mit einer elfjäh­ri­gen Freiheits­stra­fe belegt wurde. Die meisten Prozess­be­ob­ach­ter waren von der Höhe der Strafe überrascht, das Gericht erkann­te jedoch eine beson­de­re Schwe­re der Schuld, so dass ein gesetz­li­ches Minium von zehn Jahren geboten war. Seither hält sich die Erzäh­lung, dass sich die Länge der Freiheits­stra­fe an der Länge der „Charta 08“ bemes­se, da diese 4024 chine­si­sche Zeichen und elf Jahre insge­samt 4018 Tage umfas­se (vgl. Link 2011, S. 77).

Dass dieser Prozess und sein Ergeb­nis ein vom chine­si­schen Partei­staat wohlor­ches­trier­tes Unter­neh­men waren, lässt sich auch an der Termi­nie­rung der Verhand­lungs­ta­ge erken­nen. Am 23. Dezem­ber 2009 wurde die Haupt­ver­hand­lung eröff­net, am 25. Dezem­ber 2009 bereits das Urteil verkün­det. Chinas schärfs­te auslän­di­sche Kriti­ker waren an diesen Tagen, so das offen­sicht­li­che Kalkül, zum großen Teil mit dem Weihnachts­fest beschäf­tigt und beobach­te­ten weniger genau, was in an diesen Tagen in Beijing vor sich ging.

China veröf­fent­lich zwischen Weihnach­ten und Neujahr des grego­ria­ni­schen Kalen­ders gerne Entschei­dun­gen, die im Ausland auf Kritik stoßen könnten. So wurde z.B. im Jahr zuvor – wenige Wochen nach der Veröf­fent­li­chung der eine konsti­tu­tio­nel­le Regie­rungs­form einfor­dern­den Charta 08 –der Qi Yuling-Fall aus dem Jahr 2001 vom Obers­ten Volks­ge­richt wieder zurück­ge­zo­gen (Entschei­dung des Obers­ten Volks­ge­rich­tes zur Rücknah­me von vor dem Jahr 2007 veröf­fent­li­chen Justiz­aus­le­gun­gen vor dem Jahr 2007). Dieser Fall hatte die bis dahin nicht gegebe­ne Anwend­bar­keit der Verfas­sung durch die Gerich­te erlaubt und war vom damali­gen Vizeprä­si­den­ten des Gerichts, Huang Songy­ou, als Chinas „Marbu­ry v Madison“ bezeich­net worden (vgl. Huang Songy­ou 2001). Liu und seine Anwäl­te versuch­ten dennoch, seine verfas­sungs­mä­ßi­gen Rechte als Kernstück ihrer Vertei­di­gung anzubrin­gen. Das hatte jedoch keine Aussicht auf Erfolg. Schließ­lich bestä­tig­te auch die Berufungs­in­stanz, das Oberstu­fen­ge­richt der Stadt Beijing, im Febru­ar 2010 das ursprüng­li­che Urteil. Liu wurde im Mai 2010 in seine Heimat­pro­vinz Liaoning überstellt, wo im Gefäng­nis der Stadt Jinzhou seine Strafe vollstreckt wurde.

Am 26. Juni 2017 wurde Lius Strafe schließ­lich aus medizi­ni­schen Gründen ausge­setzt und am 13. Juli 2017 starb er in einem Kranken­haus in Shenyang. Dort war er aufgrund einer fortge­schrit­te­nen Krebs­er­kran­kung behan­delt worden. Mit Liu verschwand einer der markan­tes­ten noch in China leben­den Regime­kri­ti­ker. Seine Verur­tei­lung zu einer langjäh­ri­gen Haftstra­fe kann als Prälu­di­um zu einer wieder zuneh­men­den Repres­si­on von politi­schem Dissens in China betrach­tet werden, die sich auch im massi­ven Ausbau der Sicher­heits­or­ga­ne unter Hu Jintao manifes­tier­te und in der techno­lo­gi­sier­ten Überwa­chungs­ar­chi­tek­tur unter XI Jinping seinen vorläu­fi­gen Höhepunkt erreicht hat.

2. Prozess­be­tei­lig­te
Die Charta 08 hatte etliche Mitver­fas­ser und war zum Zeitpunkt der Veröf­fent­li­chung bereits von 303 meist promi­nen­ten Persön­lich­kei­ten der Volks­re­pu­blik China unter­zeich­net worden. Dennoch wurde ledig­lich Liu Xiaobo festge­nom­men und angeklagt (Als klar wurde, dass Liu Xiaobos formel­le Ankla­ge kurz bevor­stand, schick­ten 165 Unter­zeich­ner der „Charta 08“ einen Brief an die Behör­den, in dem sie sich mit Liu Xiaobo solida­ri­sier­ten und feststell­ten, dass ihnen der gleiche Vorwurf zu machen sei und sie daher ebenfalls anzukla­gen seien; hierzu vgl. Béja 2012, S. 29). Andere, wie z.B. der Demokra­tie­ak­ti­vist Zhang Zuhua als Haupt­au­tor der Charta 08, wurden von der Polizei zwar in Gewahr­sam genom­men, ihre Wohnun­gen durch­sucht und ihre Bücher oder Compu­ter als Beweis­mit­tel konfis­ziert (vgl. Link 2011, S. 47), eine formel­le Festnah­me oder sogar Ankla­ge erfolg­te aber nicht. Die Behör­den sahen offen­bar den zentra­len Hinter­mann in Liu und viele seiner Mitstrei­ter berich­ten, dass er es war, der es mit seinem Charis­ma und seiner Beharr­lich­keit vermoch­te, den ursprüng­li­chen Entwurf der Charta 08 so weiter­zu­ent­wi­ckeln, dass viele der Unter­stüt­zer von ihm persön­lich zur Unter­schrift überzeugt werden konnten (vgl. Zhang 2020, S. 26; Martin-Liao/­Liu 2011, S. 370–378). Aller­dings wäre es auch kaum denkbar gewesen, alle Betei­lig­ten der Charta 08 anzukla­gen, da bereits nach wenigen Wochen mehre­re tausend chine­si­sche Bürger im Inter­net ihre Unter­schrift geleis­tet hatten (Eine nament­li­che Auflis­tung findet sich hier: http://www.2008xianzhang.info/).

Als Liu das erste Mal von sich reden machte, war er ein aufstre­ben­der Litera­tur­kri­ti­ker, der zwar politisch dachte und argumen­tier­te, dessen Feld aber die Kultur- und Litera­tur­sze­ne war, sich nach der Kultur­re­vo­lu­ti­on neu suchte (vgl. Chong 2002, S. 215–254). Geboren wurde Liu Xiaobo am 28. Dezem­ber 1955 im nordost­chi­ne­si­schen Chang­chun und wie viele seiner Genera­ti­on konnte er nur auf eine gebro­che­ne Schul­lauf­bahn zurück­bli­cken. Er wuchs an der Pädago­gi­sche Univer­si­tät Nordost­chi­nas auf, wo sein Vater als Litera­turdo­zent und seine Mutter als Kinder­gärt­ne­rin tätig waren. Noch in der univer­si­täts­ei­ge­nen Grund­schu­le erleb­te Liu den Beginn der Kultur­re­vo­lu­ti­on im Sommer 1966 (vgl. MacFarguhar/Schoenhals 2006, S. 52–65), als plötz­lich alles und jeder bourgeoi­ser Tenden­zen verdäch­tig sein konnte und damit konter­re­vo­lu­tio­nä­rer Feind und vogel­frei­es Opfer der Roten Garden (vgl. Leese 2020, S. 131–180). Als die Univer­si­tä­ten 1969 in ganz China geschlos­sen wurden, wurde Lius Familie in eine Volks­kom­mu­ne in der Inneren Mongo­lei verschickt. Zum Verhäng­nis war ihnen der Klassen­hin­ter­grund von Lius Großel­tern gewor­den, die als kleine Bauern im Jahr 1966 in die schlech­te Klasse der Landbe­sit­zer eingrup­piert worden waren. Erst 1973 konnten sie wieder nach Chang­chun zurück­keh­ren. Nach dem Abschluss der Mittel­schu­le im Jahr 1974 wurde Liu – wieder­um wie viele seiner Alters­ge­nos­sen (vgl. Schar­ping 1981) – als gebil­de­ter Jugend­li­cher aufs Land verschickt, um in einer Kommu­ne etwas nördlich von seiner Heimat­stadt umerzo­gen zu werden. Erst nach dem Tod Mao Zedongs kehrte Liu nach Chang­chun zurück und arbei­te­te als Verput­zer in einem örtli­chen Betrieb. Rückbli­ckend beschreibt er diese Zeit als hart aber frei, unbehel­ligt von der Bevor­mun­dung des Bildungs­sys­tem empfand er diese Jahre offen­bar als Chance, unabhän­gi­ges Denken zu entwi­ckeln und seinen kriti­schen Geist an den vielen leeren Phrasen dieser Zeit zu schär­fen (vgl. Yu Jie 2017, S. 26–29).

Im März 1978 schrieb Liu sich als einer der ersten an der wieder­eröff­ne­ten Jilin Univer­si­tät für chine­si­sche Litera­tur­wis­sen­schaf­ten ein. Seinen MA erhält er 1984 von der Pädago­gi­schen Hochschu­le in Beijing und machte sich als Promo­ti­ons­stu­dent einen Namen als beißen­der, mitun­ter ungeho­bel­ter und unbere­chen­ba­rer Kriti­ker, der ihm schon früh den Beina­men „Schwar­zes Pferd“ einbrach­te. In seinen Augen waren die zeitge­nös­si­schen Litera­ten übermä­ßig selbst­ge­fäl­lig, unreflek­tiert und nicht bereit für einen ehrli­chen Neuan­fang nach der Mao-Zeit (vgl. Barmé, 1990, S. 54). Als Enfant terri­ble der chine­si­schen Litera­tur­kri­tik wird er auch im Ausland wahrge­nom­men und zu Gastauf­ent­hal­ten nach Oslo, Hawaii und an die Colum­bia Univer­si­tät in New York einge­la­den. Liu kehrte jedoch im Frühsom­mer 1989 nach Beijing zurück, um sich in den bereits ausge­bro­che­nen Studen­ten­pro­tes­ten zu engagie­ren. Er war einer von wenigen Intel­lek­tu­el­len, die sich unmit­tel­bar an der Bewegung betei­lig­ten, was in einem Hunger­streik gemein­sam mit drei Mitstrei­tern noch kurz vor der Nieder­schla­gung am 4. Juni kulmi­nier­te. Es war diese Gruppe von vier Intel­lek­tu­el­len, die mit dem anrücken­den Militär einen Abzug der verblie­be­nen Studie­ren­den verein­bar­ten und diese dann von der Räumung des Platzes des Himmli­schen Friedens zu überzeu­gen (vgl. Yu Jie 2017, S. 83–88). Lius tatsäch­li­che Bedeu­tung für die Bewegung ist schwer abzuschät­zen (vgl. Barmé 1990, S. 64), unbestreit­bar ist jedoch, dass er im Nachgang vom Regime zu den „schwar­zen Händen“ (Strip­pen­zie­hern im Hinter­grund) gezählt wurde, denen der Prozess zu machen war (vgl. https://www.hrw.org/reports/pdfs/c/china/china919.pdf). Die Ankla­ge laute­te auf „Ansta­che­lung zum Umsturz der Dikta­tur des Prole­ta­ri­ats und sozia­lis­ti­schen Systems durch konter­re­vo­lu­tio­nä­re Propa­gan­da mittels Plaka­ten, Handzet­teln oder anderer Metho­den“, was der unmit­tel­ba­re Vorgän­ger des 2009 verwen­de­ten Straf­tat­be­stan­des im chine­si­schen Straf­ge­setz­buch in der Fassung des Jahres 1979 war (vgl. § 102 (2) ChStGB, in: China aktuell, Nr. 8, 1979, S. 799–829). Liu legte eine Art Geständ­nis ab, zeigte sich nach Ansicht des Gerichts reumü­tig und da zudem seine Bemühun­gen um einen fried­li­chen Abzug der letzten Studen­ten vom Platz des Himmli­schen Friedens in der Nacht der Erstür­mung anzuer­ken­nen waren, entschied das Gericht unter Vorsitz des Richters Tan Jings­heng, Liu unter Anrech­nung der verbüß­ten Unter­su­chungs­haft freizu­las­sen. (vgl. Yu Jie 2017, S. 102–106)

In den folgen­den Jahren beschränk­te er seine Kriti­ker­tä­tig­keit nicht mehr nur auf litera­ri­sche Themen und entwi­ckel­te sich zu einem der promi­nen­tes­ten noch in China verblie­be­nen Dissi­den­ten. Nach 1989 beschäf­tig­te Liu sich zuneh­mend mit Themen wie Rechts­staat­lich­keit, politi­schen Insti­tu­tio­nen und Menschen­rech­ten. Er entwi­ckel­te konkre­te Vorstel­lun­gen, was ein syste­mi­scher Wandel in China errei­chen könnte und wie dieser zu errei­chen wäre (vgl. Yu Jie 2017, S 137–138). Im Jahr 1996 führte ein noch im Entwurfs­sta­di­um befind­li­cher Text, in dem Liu sich gemein­sam mit Wang Xizhe sowohl an das kommu­nis­ti­sche Regime als auch an die Führung Taiwans richte­te, mit der Auffor­de­rung zu einer Koope­ra­ti­on der beiden, zu seiner erneu­ten Festnah­me. Diesmal wurde er auf der Grund­la­ge eines Delik­tes der Störung der öffent­li­chen Ordnung angeklagt und zu drei Jahren Reform durch Arbeit – Chinas standard­mä­ßi­ge Form der Freiheits­stra­fe – verur­teilt. (vgl. Béja 2012, S. 26).

Die Litera­tur blieb jedoch Lius erstes Betäti­gungs­feld, wobei er keine Trennung zwischen kultu­rel­len und politi­schen Fragen vornahm. Deutlich wird dies an der Gründung des Unabhän­gi­gen PEN Clubs China im Jahr 2001, dessen Entste­hen Liu maßgeb­lich voran­trieb und dessen zweiter gewähl­ter Vorsit­zen­der er selbst war (vgl. Zhang Zuhua 2020, S. 23). Beson­de­re Bedeu­tung erlang­te dabei sein Einsatz für inhaf­tier­te Litera­ten und Journa­lis­ten. So war es Liu, der die Aufmerk­sam­keit des Auslands auf die Inhaf­tie­rung des Lyrikers und Journa­lis­ten Shi Tao lenkte, der im Jahr 2004 eine inter­ne Anwei­sung der Kommu­nis­ti­schen Partei Chinas (KPCh) an Journa­lis­ten veröf­fent­licht hatte, in der diesen die Bericht­erstat­tung über die Gescheh­nis­se rund um den Platz des Himmli­schen Friedens unter­sagt wurde. Liu beton­te in diesem Zusam­men­hang auch die Kompli­zen­schaft des Inter­net­kon­zerns Yahoo!, da dieser den chine­si­schen Behör­den Verbin­dungs­da­ten gelie­fert hatte, auf deren Grund­la­ge die Urheber­schaft Shi Taos an der Veröf­fent­li­chung der inter­nen Anwei­sung nachge­wie­sen werden konnte (Dieser Fall war sogar Gegen­stand des US-Kongres­ses, bzw. dessen Foreign Affairs Commit­tee: https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-release-journalist-and-democracy-advocate-shi).

Zum Kreis des unabhän­gi­gen PEN gehör­te auch der Straf­ver­tei­di­ger Mo Shaoping, der sich einen Namen damit gemacht hatte, Rechts­bei­stand in etlichen, politisch sensi­blen Fällen gewesen zu sein. Neben Shi Tao vertrat Mo z.B. auch den regie­rungs­kri­ti­schen Blogger Du Daobin, der im Jahr 2004 ebenfalls aufgrund einer Aufwie­ge­lung zum Umsturz zu einer dreijäh­ri­gen Freiheits­stra­fe mit vierjäh­ri­ger Vollzugs­aus­set­zung verur­teilt worden war (vgl. https://www.theemptysquare.org/the-participants/du-daobin). Ebenso vertrat Mo Xu Wenli, der im Jahr 1998 versucht hatte, eine demokra­ti­sche Partei in China zu gründen (vgl. https://www.hrw.org/report/2000/09/01/china-nipped-bud/suppression-china-democracy-party). Mos Weg in die Rechts­pfle­ge war gewun­den. Auch seine Jugend war geprägt von den Wirren und Schre­cken der Kultur­re­vo­lu­ti­on. Zu deren Ende trat Mo in die Armee ein, um Offizier zu werden. Sein „Klassen­hin­ter­grund“ verei­tel­te jedoch den Eintritt in die Offiziers­schu­le (vgl. Stritt­mat­ter 2016, S. 4), so dass er im Jahr 1980 demobi­li­siert und in die Staats­an­walt­schaft Beijings abgestellt wurde (vgl. https://web.archive.org/web/20140723035242/http://open.com.hk/old_version/1010p54.html). Das war kein ungewöhn­li­cher Vorgang, da der eklatan­te Mangel an ausge­bil­de­ten Juris­ten für den Neuauf­bau der Justiz nach Maos Tod vor allem durch ehema­li­ge Militär­an­ge­hö­ri­ge ausge­gli­chen wurde (vgl. Fu Hualing 2003, S. 193–219). Mo nahm schließ­lich im Jahr 1981 das Jurastu­di­um auf und war nach seinem Abschluss im Jahr 1985 drei Jahre der Straf­rechts­ab­tei­lung der Chine­si­schen Akade­mie der Sozial­wis­sen­schaf­ten angeglie­dert, bevor er bis 1992 anwalt­lich vor allem für das Arbeits­mi­nis­te­ri­um tätig war (vgl. https://web.archive.org/web/20140723035242/http://open.com.hk/old_version/1010p54.html). Seine Anwalts­kanz­lei gehör­te zu den ersten in Beijing, die nicht mehr als „Rechts­be­ra­tungs­bü­ro (法律顾问处)“ organi­siert und damit ein Teil der Verwal­tungs­struk­tu­ren der Justiz waren (vgl. https://m.thepaper.cn/baijiahao_4214519; http://www.elvshi.com/news/detail/1205.html). Zunächst als Genera­list tätig, übernahm Mo zuneh­mend politisch sensi­ble Fälle, wurde aber im Gegen­satz zu vielen seiner Kolle­gen unter den Menschen­rechts­an­wäl­ten in China (wörtl. „Rechte vertei­di­gen­de Anwäl­te – 维权律师“) nie verhaf­tet oder vor Gericht gestellt (vgl. Pils 2018, S. 1–48), obgleich er ebenfalls weiche Formen der Repres­si­on zu erdul­den hatte und hat (vgl. https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-continue-to-suppress-lawyers-after-replacing). Mo betont gerne seine penible Profes­sio­na­li­tät und strik­te Befol­gung der gesetz­li­chen Regeln (Vgl. A Rights Defen­se Lawyer Takes the Long View. An inter­view with Mo Shaoping by the editors of Ren Yu Renquan, in: China Rights Forum, Nr. 2 2007, S. 76–82), was in diesem Zusam­men­hang sicher­lich ein wichti­ger Faktor ist, da das chine­si­sche Straf­recht mit dem sogenann­ten „großen Knüppel 306 (306 大棒)“ einen sehr breit angeleg­ten Straf­tat­be­stand der Straf­ver­ei­te­lung vorhält, auf dessen Grund­la­ge Rechts­an­wäl­te regel­mä­ßig verur­teilt werden, z.B. wegen angeb­li­cher Unter­drü­ckung von Beweis­mit­teln. (vgl. Li Enshen 2010, S. 138–140) Mit der Begrün­dung, dass er Unter­zeich­ner der Charta 08 sei, wurde Mo im Verfah­ren gegen Liu unter­sagt, direkt als Vertei­di­ger aufzu­tre­ten. Seine Kanzlei behielt jedoch das Mandat und Mos Angestell­te Anwäl­te Ding Xikui und Shang Baojun fungier­ten als Lius unmit­tel­ba­re Rechtsbeistände.

In seinem später veröf­fent­lich­ten Schluss­vor­trag unter dem Titel „Ich habe keine Feinde“ beschreibt Liu die ihn verhö­ren­den Polizis­ten, die Staats­an­wäl­te und Richter als äußerst respekt­voll und profes­sio­nell (vgl. Martin-Liao/­Liu S. 379–384). Wegen ihrer exponier­ten Stellung am ersten Mittel- bzw. Oberstu­fen­ge­richt der Stadt Beijing tauchen ihre Namen auch in anderen Straf­ur­tei­len gegen Dissi­den­ten oder z.B. Anhän­gern von Falun Gong auf. Weiter­rei­chen­de Bekannt­heit hat jedoch allen­falls Staats­an­walt Zhang Rongge erreicht, über den sein Kolle­ge und Schrift­stel­ler Xu Sulin (Schrift­stel­ler­na­me Hai Jian) bereits vor dem Verfah­ren gegen Liu Xiaobo eine länge­re Lobhu­de­lei veröf­fent­lich­te (Annalen eines Frühlings ohne Reue 无悔青春志: In den vergan­ge­nen 21 Jahren bearbei­te­te Zhang Rongge über […] 700 Fälle, er schenk­te der Welt über 700 Siege der Gerech­tig­keit[…], vgl. https://zhuanlan.zhihu.com/p/355653485).

3. Zeitge­schicht­li­che Einordnung
Die Verfas­ser der Charta 08 hatten für die geplan­te Veröf­fent­li­chung am 10. Dezem­ber 2008 einen symbo­li­schen Termin ausge­wählt, der durch­aus darauf angelegt war, den Zeitgeist in China zu erfas­sen. An diesem Tag jährte sich zum 60. Mal die Verab­schie­dung der „Allge­mei­nen Erklä­rung der Menschen­rech­te“ (AEMR). Auch wenn unter Xi Jinping das Anlie­gen betrie­ben wird, mit eigenen Menschen­rechts­ent­wür­fen ein Gegen­ge­wicht zu schaf­fen (vgl. https://mondediplo.com/outsidein/will-china-dare-challenge-the-udhr), so ist die AEMR durch das Regime doch nicht so leicht als westli­cher Neoim­pe­ria­lis­mus zu diskre­di­tie­ren. Mit großem Stolz wird auch in der Volks­re­pu­blik China auf einen der charis­ma­ti­schen Schöp­fer der AEMR, Chang Pengchun, verwie­sen (vgl. Jun Zhao 2015, S. 29–52), welcher wieder­um für sich rekla­mier­te, den in Artikel 1 angeru­fe­nen „Geist der Brüder­lich­keit“ nach dem konfu­zia­ni­schen Konzept der Mitmensch­lich­keit (ren/仁) model­liert zu haben (vgl. Roth 2018, S. 188–224).

Gleich­zei­tig war China im Jahr 2008 verstärkt im Blick­feld der Weltöf­fent­lich­keit. Die Olympi­schen Sommer­spie­le in Beijing waren ein Presti­ge­pro­jekt, das nicht nur Chinas Kapazi­tä­ten und Fortschritt­lich­keit demons­trie­ren sollten. Nicht weniger wichtig war dieses Ereig­nis als ein Bekennt­nis Chinas zu einer nachhal­ti­gen Öffnung und Verzah­nung mit der Weltge­mein­schaft, die noch 30 Jahre zuvor kaum denkbar gewesen wäre. Die Charta 08 knüpft unmit­tel­bar an diese Entwick­lung an und fragt ganz direkt, ob China nicht auch den nächs­ten Schritt gehen könnte und sich dem „Haupt­strom der Zivili­sa­ti­on“ anschlie­ßen würde, um eine demokra­ti­sche Regie­rungs­form unter Anerken­nung univer­sel­ler Werte zu errei­chen (Charta 08).
Der Macht­wech­sel von Jiang Zemin zu Hu Jintao im Jahr 2002 hatte hier zunächst positi­ve Signa­le ausge­sen­det. Das Konzept der „Drei Reprä­sen­ta­tio­nen“ war Vermächt­nis von Jiang Zemin und öffne­te nicht nur die KP für alle Bürger Chinas, es beende­te auch ganz generell den Klassen­kampf (vgl. Holbig 2009, S. 20–31). Die dann im Jahr 2004 folgen­de Verfas­sungs­än­de­rung brach­te weite­re Hoffnung mit sich, indem es seither in Art 33 heißt, dass der Staat die Menschen­rech­te achtet und schützt. Chinas Verfas­sung ist zwar vor allem ein politi­sches Dokument, es hat aber eine unbestreit­ba­re norma­ti­ve Kraft, die sich unmit­tel­bar im legis­la­ti­ven (vgl. Hand 2011, S. 105–131) und – etwas weniger deutlich – auch im juridi­schen Diskurs nieder­schlägt (vgl. Sprick 2019, S. 41–67). In der Charta 08 wird diese Entwick­lung durch­aus goutiert, jedoch ihre mangeln­de Umset­zung in konkre­te politi­sche und sozia­le Maßnah­men kritisiert.

Das Jahr 2008 war für viele Chine­sen auch geprägt von einer verhee­ren­den Natur­ka­ta­stro­phe, einem der bislang größten Wirtschafts­ver­bre­chen der jünge­ren chine­si­schen Geschich­te und eine schlep­pen­de bis verschlei­ern­de Aufar­bei­tung durch die Behör­den. Am frühen Nachmit­tag des 12. Mai 2008 kam es in Sichu­an zu einem Erdbe­ben, das geschätz­te 70.000 Menschen das Leben koste­te. Unter ihnen waren mehre­re Tausend Schüle­rin­nen und Schüler, die sich zu diesem Zeitpunkt noch in einer der vielen einstür­zen­den Schulen aufhiel­ten. Die auffal­lend hohe Zahl der betrof­fe­nen Schulen und die Art des sofor­ti­gen und vollstän­di­gen Einstur­zes warf Fragen hinsicht­lich der Bauqua­li­tät auf. Eltern und Lehrer, die hartnä­ckig nachbohr­ten, wurden einge­schüch­tert und verhaf­tet oder mit freiheits­ent­zie­hen­den Verwal­tungs­sank­tio­nen belegt (vgl. https://www.hrw.org/news/2009/05/06/china-end-quake-zone-abuses). Gleich­zei­tig war China im Zeital­ter der sozia­len Medien angekom­men und auch wenn das Inter­net streng zensiert wird, so ließ sich doch die Bericht­erstat­tung von Netizens nicht komplett unter­bin­den und der Skandal um die „Tofu Schulen“ in Sichu­an nicht aus der chine­si­schen Öffent­lich­keit fernhal­ten (vgl. Master­son 2020, S. 139–181). Ähnlich verhielt es sich bei dem Skandal um das mit Melami­ne versetz­te Milch­pul­ver für die Säuglings­nah­rung. Tatsäch­lich stellt die damals junge chine­si­sche Blogos­phe­re einen direk­ten Konnex zwischen diesen beiden Ereig­nis­sen her. Eine Mutter, die sich über die Quali­tät des Milch­pul­vers des Konzerns Sanlu beschwert hatte, schrieb schon im Mai 2008 einen entrüs­te­ten Inter­net­bei­trag, in dem sie Sanlus Spende ebendie­ses Milch­pul­vers für die Erbbe­ben­op­fer in Sichu­an kriti­sier­te (vgl. https://web.archive.org/web/20200715160903/https://hzdaily.hangzhou.com.cn/dskb/html/2008–09/13/content_504378.htm). Sanlus Vorstand infor­mier­te intern jedoch nicht vor Anfang August 2008 (wenige Tage vor der Eröff­nung der Olympi­schen Spiele) über proble­ma­ti­sche Messwer­te, das Unter­neh­men und die chine­si­sche Regie­rung stopp­ten den Verkauf aber erst, nachdem die neusee­län­di­sche Regie­rung im Septem­ber 2008 (nach den Olympi­schen Spielen) auf Hinweis durch Sanlus neusee­län­di­schen Anteils­eig­ner inter­ve­niert hatte. Schät­zun­gen sprechen von 300.000 Säuglin­gen, die entwe­der mangel­er­nährt oder mit Nieren­be­schwer­den zu behan­deln waren, wobei auch die genaue Zahl der gestor­be­nen Säuglin­ge nicht zu ermit­teln ist (Eine konser­va­ti­ve Einschät­zung spricht von mindes­tens sechs Säuglin­gen: https://www.nbcnews.com/id/wbna28787126). In beiden Fällen waren es immer wieder Anwäl­te, die sich der inzwi­schen gegebe­nen recht­li­chen Mittel bedien­ten und als Vertei­di­ger der Rechte von Bürgern gegen die Mächti­gen in diesem Partei­staat auftra­ten (Pils 2020, S. 127–158). Die in der Charta 08 bemän­gel­te Korrup­ti­on sowie die fehlen­de Verläss­lich­keit und Verant­wort­lich­keit des Staates fußen auf den durch diese Skanda­le rezent aufge­zeig­ten Schwä­chen des autori­tä­ren Systems.

Die Politik unter Hu Jintao war zu dieser Zeit geprägt von einem gewis­sen Laisser-faire, was ihm mitun­ter als Führungs­schwä­che und Reform­un­fä­hig­keit ausge­legt wurde (vgl. Gao Mobo 2012, S. 175–192). Gleich­zei­tig war es Hus Amtspe­ri­ode, in der die innere chine­si­sche Sicher­heits­ar­chi­tek­tur unter Führung des später in Ungna­de gefal­le­nen Zhou Yongkang massiv ausge­baut wurde, so dass die veraus­gab­ten Mittel sogar die der Vertei­di­gungs­aus­ga­ben überstie­gen haben sollen (vgl. https://www.bbc.com/news/world-asia-china-26349305). Ein Mitstrei­ter Liu Xiaobos, Yu Jie, beschreibt die Regie­rung seit dem Macht­wech­sel von Jiang Zemin zu Hu Jintao als „noch parano­ider“ (vgl. Yu Jie 2017, S. 162), was zu dem gestei­ger­ten Bedürf­nis nach innerer Sicher­heit des Regimes passt, das sich auch budge­tär ausdrückte.

4. Ankla­ge
Die Volks­staats­an­walt­schaft Nr. 1 in Beijing ließ es sich nicht nehmen, das symbo­li­sche Datum des 10. Dezem­bers neu zu beset­zen. Genau ein Jahr nach der Veröf­fent­li­chung der „Charta 08“ wurde offizi­ell Ankla­ge gegen Liu Xiaobo wegen Aufwie­ge­lung zum Umsturz der Staats­macht und des sozia­lis­ti­schen Systems erhoben. Der Tatvor­wurf stell­te ganz konkret auf die in § 105 II ChStGB normier­te Quali­fi­ka­ti­on ab, bei der als Begehungs­mit­tel der Subver­si­on die Verbrei­tung von Gerüch­ten, Verleum­dung oder Aufwie­ge­lung in sonsti­ger Weise gefor­dert werden. Das entspre­chen­de Straf­maß ist auf eine fünfjäh­ri­ge Freiheits­stra­fe beschränkt, kann jedoch überschrit­ten werden, wenn die Tat beson­ders schwer­wie­gend ist oder der Täter Anfüh­rer einer Gruppe von Tätern ist. In der Ankla­ge­schrift nennt die Staats­an­walt­schaft sechs Aufsät­ze, die Liu seit 2005 verfasst hatte, und führte dann seine Betei­li­gung am Entwurf, der Unter­stüt­zer­ak­qui­se für und der Verbrei­tung der Charta 08 als Belege für den erhobe­nen Tatvor­wurf an (vgl. Beijing Munici­pal People’s Procu­ra­to­ra­te Branch No. 1 – Indict­ment, https://www.hrichina.org/en/content/3205).

Der Straf­tat­be­stand der Aufwie­ge­lung zum Umsturz findet seinen Ursprung in dem straf­recht­lich bewehr­ten Verbot der konter­re­vo­lu­tio­nä­ren Propa­gan­da, welches bereits in Art. 10 Nr. 3 der „Bestim­mun­gen zur Bestra­fung von Konter­re­vo­lu­tio­nä­ren“ aus dem Jahr 1951 normiert wurde (vgl. Gao Mingxuan/ Zhao Bingzhi 2007, S. 178). Auch Chinas erstes umfäng­li­ches Straf­ge­setz­buch aus dem Jahr 1979 kennt noch eine solche Vorschrift in Art. 102 Nr. 2 (vgl. Ebd., S. 348–349). Die bis heute gülti­ge Fassung stammt aus dem Jahr 1997, als das chine­si­sche Straf­ge­setz­buch umfas­send novel­liert wurde, wobei sowohl die subjek­ti­ve Seite der konter­re­vo­lu­tio­nä­ren Ziele gestri­chen als auch die Begehungs­wei­sen überar­bei­tet worden waren:

„Wer durch die Verbrei­tung von Gerüch­ten und Verleum­dun­gen oder in sonsti­ger Weise zum Umsturz der Staats­macht oder des sozia­lis­ti­schen Systems aufwie­gelt, wird mit zeiti­ger Freiheits­stra­fe bis zu fünf Jahren, Gewahr­sam, Überwa­chung oder Entzug politi­scher Rechte bestraft; wenn er Rädels­füh­rer ist oder wenn schwer­wie­gen­de Tatum­stän­de vorlie­gen, ergeht zeiti­ge Freiheits­stra­fe von mindes­tens fünf Jahren.“ (Überset­zung angelehnt an Strupp 1998, S. 132)

Im Gegen­satz zu einem Großteil der Straf­tat­be­stän­de des gelten­den Straf­ge­setz­bu­ches, wurde diese Vorschrift niemals durch den Natio­na­len Volks­kon­gress oder das Obers­te Volks­ge­richt ausge­legt. Damit fehlt der Justiz eine binden­de Konkre­ti­sie­rung z.B. hinsicht­lich der völlig offenen Begrif­fe der „sonsti­gen“ Begehungs­wei­sen oder der „schwer­wie­gen­den Tatum­stän­de“. Das Obers­te Volks­ge­richt weißt in seinen Inter­pre­ta­tio­nen ledig­lich mitun­ter darauf hin, dass in bestimm­ten Fällen eine Tatein­heit mit diesem Straf­tat­be­stand gegeben sein kann. So ist dies z.B. der Fall bei der Verbrei­tung von „häreti­scher Propa­gan­da“ (§ 300). Hiermit ist z.B von Falun Gong heraus­ge­ge­be­nes Materi­al gemeint. Ausle­gung des Obers­ten Volks­ge­rich­tes und der Obers­ten Volks­staats­an­walt­schaft zu Fragen der Rechts­an­wen­dung in der Behand­lung von Fällen der Organi­sa­ti­on und Ausnut­zung von häreti­schen Organi­sa­tio­nen zur Störung der Imple­men­ta­ti­on des Rechts (vgl. https://www.court.gov.cn/zixun-xiangqing-35402.html) oder zuletzt bei der Verbrei­tung von Gerüch­ten über den Corona­vi­rus( § 291/293 Verbrei­tung von Falsch­in­for­ma­tio­nen (vgl. http://legal.people.com.cn/n1/2020/0210/c42510-31580349.html). Es ist plausi­bel, dass diese mangeln­de Präzi­si­on durch­aus gewollt ist, um der Straf­jus­tiz ein großes Ermes­sen einzu­räu­men und gleich­zei­tig das Damokles­schwert der fehlen­den Rechts­si­cher­heit über jegli­cher politi­schen Meinungs­äu­ße­rung schwe­ben zu lassen.
Auch in der rechts­wis­sen­schaft­li­chen Ausbil­dungs- und Kommen­tar­li­te­ra­tur wird dieser Straf­tat­be­stand eher selten und nur sehr oberfläch­lich behan­delt (in einigen Standard­wer­ken fehlt eine Kommen­tie­rung vollstän­dig (z.B. in Wang Zuofu 2006 oder Lin Shanti­an 2011), wobei die einzel­nen Abhand­lun­gen signi­fi­kan­te Unter­schie­de aufwei­sen. In einem von der zentra­len Partei­schu­le heraus­ge­ge­be­nen Werk wird z.B. eine sehr weite Ausle­gung angebo­ten. So wird dort auch die Partei, bzw. deren „Linie, Richtung und Politik“ zum Schutz­be­reich hinzu­ge­zo­gen, deutlich betont, dass es sich nicht um ein Erfolgs­de­likt handelt oder dass unter „Verleum­dung (feibang/诽谤)“ hier die Verbrei­tung von für die Staats­macht oder das sozia­lis­ti­sche System „schäd­li­chen (有损于)“ Infor­ma­tio­nen ausreicht (vgl. Li Xisi 2001, S. 252–253). Andere Autoren fordern hinge­gen einen klaren Ausschluss des „fehler­haf­ten Kommen­ta­res (错误评论)“ vom Bereich der Straf­bar­keit (gleich­lau­tend hierzu: Zhang Mingkai 2007, S. 532; Xu Songlin 2003, S. 275), machen sich dann aber nicht die Mühe, deutli­che Abgren­zun­gen vom „Verbrei­ten von Gerüch­ten“ oder der „Verleum­dung“ vorzu­neh­men, wobei immer­hin manch­mal auf die „Verwir­rung der Massen (迷惑群众)“ als zusätz­li­che Bedin­gung abgestellt wird (vgl. Xu Songlin 2003, S. 275). Die deutlich spürba­re Unlust der sonst so kommen­tie­rungs­freu­di­gen chine­si­schen Rechts­wis­sen­schaft spricht sicher­lich für das allge­mei­ne Bewusst­sein, dass diese Staats­schutz­pa­ra­gra­phen unantast­ba­re Domäne des Sicher­heits­ap­pa­ra­tes sind und damit der Ausfor­mung durch den rechts­wis­sen­schaft­li­chen und juridi­schen Diskurs entzo­gen. Die grund­le­gend libera­len Tenden­zen in der chine­si­schen Juris­pru­denz treten zutage, wenn in einer kleine­ren Fachzeit­schrift einer jungen Nachwuchs­wis­sen­schaft­le­rin Raum gegeben wird, in einem empör­ten Fallbe­richt zu diesem Straf­tat­be­stand unmiss­ver­ständ­lich klarzu­stel­len, dass das geschrie­be­ne Wort untaug­lich sei, einen Umsturz zu betrei­ben (vgl. Peng Chen 2014, S. 97–98). Eine solche deutli­che Forde­rung nach einer Dekri­mi­na­li­sie­rung von kriti­schen Meinungs­äu­ße­run­gen bleibt jedoch die Ausnahme

5. Vertei­di­gung
Straf­ver­tei­di­gung in China ist ein prekä­res Unter­neh­men. Anwäl­te sind struk­tu­rell benach­tei­ligt und sehen sich in der perma­nen­ten Gefahr, ihrer­seits straf­recht­lich belangt zu werden (vgl. Nesos­si 2016, S. 56–62). In politisch sensi­blen Fällen ist diese Benach­tei­li­gung ungleich stärker ausge­prägt, da das Regime sich regel­mä­ßig nicht an die eigene Straf­pro­zess­ord­nung hält. Der in der Vertei­di­gung von Liu Xiaobo feder­füh­ren­de Anwalt Mo Shaoping benennt selbst als typisches rechts­wid­ri­ges Verhal­ten der Straf­ver­fol­gung, dass u.a. die Famili­en von Beschul­dig­ten nicht infor­miert werden, dass der Zugang von Beschul­dig­ten zu einem Rechts­bei­stand behin­dert wird oder dass die Zeit des Gewahr­sams oder auch der Unter­su­chungs­haft über die gesetz­lich bestimm­ten Fristen hinaus verlän­gert wird (vgl. Mo Shaoping/ Gao Xia / Lü Xi / Chen Zerui 2012, S. 66–68). Im Fall von Liu Xiaobo wurde zudem noch die Redezeit der Vertei­di­gung vom Gericht mit der Begrün­dung auf 14 Minuten beschränkt, dass auch die Staats­an­walt­schaft ledig­lich 14 Minuten vorge­tra­gen habe, was keiner­lei Grund­la­ge im Straf­pro­zess­recht hat (vgl. Link 2011, S. 65).

Auch wenn die Straf­pro­zess­ord­nung richtig angewen­det wird, ist die Vertei­di­gung benach­tei­ligt. Mo Shaoping selbst identi­fi­ziert hier vor allem den beschränk­ten und sehr späten Zugang zu Prozess­ak­ten sowie die Zustim­mung der Staats­an­walt­schaft als Voraus­set­zung dafür, eigen­stän­dig Bewei­se zu sammeln (vgl. Mo Shaoping et al. 2012, S. 68–69). Bis ins Jahr 2010 gab es in China keine recht­li­che Grund­la­ge für den automa­ti­schen Ausschluss rechts­wid­rig erlang­ter Beweis­mit­tel (vgl. Guo Zhiyu­an 2019, S. 45–53) und bis heute sind die Regelun­gen zum Ausschluss durch Folter erlang­ter Geständ­nis­se kaum geeig­net, dieses Phäno­men in China vollstän­dig auszu­mer­zen (vgl. He Jiahong 2016, S. 65–93). Über allen Schwie­rig­kei­ten einer effek­ti­ven Vertei­di­gung in China thronen jedoch ein nicht gegebe­nes Aussa­ge­ver­wei­ge­rungs­recht und eine allen­falls auf dem Papier und dann auch nur bei einer sehr wohlwol­len­den Ausle­gung gegebe­ne Unschulds­ver­mu­tung (vgl. Nesossi/Trevaskes 2017, S. 37–43).

Es besteht Einig­keit darüber, dass die Schuld eines Tatver­däch­ti­gen bereits von der Polizei festge­legt wird (vgl. Mou Yu 2020). Für die Strate­gie der Vertei­di­gung sind daher die ersten 37 Tage des Ermitt­lungs­ver­fah­rens die wichtigs­ten, „golde­nen“ Tage, da dies die formell längs­te Dauer des Gewahr­sams ist, bevor eine durch die Staats­an­walt­schaft geneh­mig­te, offizi­el­le Festnah­me erfolgt und bis zu diesem Zeitpunkt das entschei­den­de Polizei­dos­sier angelegt wird (vgl. Wang Minyuan/ Hu Ming / Tao Kiapei 2022, S. 47). Für die Vertei­di­gung von Liu Xiaobo waren diese 37 golde­nen Tage aber unerheb­lich. Mo Shaoping hatte keinen Zugang zu seinem Mandan­ten und selbst Lius Frau, Liu Xia, durfte ihren Ehemann ledig­lich zweimal sehen. Liu stand unter Hausar­rest, wobei die Polizei in China diese Form der straf­pro­ze­du­ra­len Zwangs­maß­nah­me regel­mä­ßig nutzt, um Menschen zu isolie­ren und außer­halb ihrer Wohnung in „Gäste­häu­sern“ festzu­hal­ten (als diese Praxis des auswär­ti­gen Hausar­rests mit einer Änderung der Straf­pro­zess­ord­nung 2012 verste­tigt werden sollte, gab es hefti­ge öffent­li­che Kritik, so dass sie nur auf schwers­te Delik­te wie Terro­ris­mus, organi­sier­te Krimi­na­li­tät aber eben auch staats­ge­fähr­den­de Delik­te beschränkt wurde, im Kontext z.B. Zuo Weimin 2012, S. 33–38).

Mo Shaoping sagte in einem Inter­view, dass Fälle von politi­schen Dissi­den­ten in China nicht zu gewin­nen seien. Er erach­te eine Vertei­di­gung dennoch als essen­ti­ell, da die Rechte der Angeklag­ten zu wahren und den Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den in Person des Straf­ver­tei­di­gers ein Gegen­ge­wicht gegen­über­zu­stel­len seien. Die Bindung der Justiz an das Gesetz werde durch die Tätig­keit des Anwalts maßgeb­lich erhöht. Zudem seien solche Verfah­ren in einem größe­ren Kontext der Gerech­tig­keit zu verste­hen und auch wenn erst nach vielen Jahren die Bemühun­gen Früch­te trügen, so seien es lohnens­wer­te Anstren­gun­gen der Gegen­wart (vgl. Mo Shaoping 2007, S. 79–80).

5.1. Konzept und Strategie
Inner­halb der engen Grenzen der chine­si­schen Straf­pro­zess­ord­nung lassen sich im Fall von Liu Xiaobo unter­schied­li­che Ansät­ze einer Vertei­di­gungs­stra­te­gie erken­nen, die wieder­um unter­schied­li­che Ziele verfolg­ten. Entspre­chend Mo Shaopings grund­sätz­li­cher Strate­gie der Rechte­wah­rung und trans­ge­nera­tio­nel­ler Gerech­tig­keit wird in der Vertei­di­gung von Liu Xiaobo deutlich, dass nicht nur das Gericht, sondern auch die chine­si­sche sowie die globa­le Öffent­lich­keit Adres­sat waren.
Da eine Verur­tei­lung als sicher gelten durfte, konnte sich die Teilstra­te­gie der Rechts­aus­le­gung, bzw. Wahrung der gesetz­lich bestimm­ten Reche nur darauf bezie­hen, die Straf­hö­he zu begren­zen. Zentra­les Argument war hier, dass die wenigen in der Ankla­ge zitier­ten Textpas­sa­gen aus dem Kontext geris­sen seien (die Vertei­di­gung führte an, dass Liu Xiaobo seit 2005 annähernd 500 Artikel mit mehr als 2 Millio­nen Zeichen verfasst habe, die Ankla­ge­schrift aber gerade einmal etwas mehr als 350 Zeichen zitiert, hierzu vgl. Vertei­di­gung in der 2. Instanz unter: https://www.hrichina.org/chs/content/788) und dass Liu in seinen Schrif­ten zwar durch­aus eine Änderung der Regie­rungs­form skizzie­re, dies aber keines­wegs einer vorsätz­li­chen Aufwie­ge­lung zum Umsturz der Staats­macht gleich­zu­stel­len sei. Staats­macht, Regie­rungs­form und Regie­rungs­par­tei seien vonein­an­der zu unter­schei­den und die Forde­rung nach einem Mehrpar­tei­en­sys­tem, wie es in der Charta 08 steht, sei keines­wegs als Umsturz der Staats­macht zu begrei­fen (vgl. Ebenda). In seiner eigenen Vertei­di­gungs­re­de beton­te Liu, dass er seit 1989 stets die Vision einer „gradu­el­len, fried­li­chen, geord­ne­ten und kontrol­lier­ten“ Reform gepflegt habe, was nicht mit dem Vorgang eines Umstur­zes gleich­zu­set­zen sei (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbst­ver­tei­di­gung). Ferner seien seine Texte und die Charta 08 nicht als Gerüch­te, Verleum­dun­gen oder derar­ti­ge Einlas­sun­gen zu begrei­fen, da sie keine vorsätz­li­chen Falsch­be­haup­tun­gen beinhal­te­ten und als wertge­bun­de­ne Meinungs­äu­ße­rung zu verste­hen seien: „Kritik ist kein Gerüch­te­ver­brei­ten, Opposi­ti­on ist keine Verleum­dung.“ (Ebd.)
Die Vertei­di­gung forder­te in der Revisi­ons­in­stanz auch, die lange Zeit des (ungesetz­lich auswär­ti­gen) Hausar­rests auf die zu verbü­ßen­den Freiheits­stra­fe anzurech­nen und damit die drohen­de Haftzeit zu verkür­zen (vgl. Vertei­di­gung in der 2. Instanz). Aller­dings war auch diese formal­recht­li­che Strate­gie nicht von Erfolg gekrönt.

Neben den dogma­ti­schen und straf­pro­ze­du­ra­len Einlas­sun­gen konzen­trier­te sich die Vertei­di­gung auf Recht­fer­ti­gun­gen von Lius Handeln. Die Argumen­te wurden zwar größten Teils recht­lich begrün­det, es war der Vertei­di­gung aber bewusst, dass man sich hier außer­halb des Geset­zes beweg­te. So wurden Verfas­sungs­ar­ti­kel angeführt, in denen sich der Staat zum Schutz der Menschen­rech­te verpflich­te­te (Art. 33), die Meinungs­frei­heit garan­tiert (Art. 35) und Bürgern ein Kritik- und Vorschlags­recht (Art. 41) einge­räumt wird (vgl. Ebd.). Das Obers­te Volks­ge­richt hatte kurz nach der Veröf­fent­li­chung der Charta 08 im Dezem­ber 2008 den Qi Yuling Fall zurück­ge­zo­gen, der bis dahin eine (wiewohl dünne) Rechts­grund­la­ge für die Anwen­dung der Verfas­sung durch die Gerich­te darstell­te. Im Dezem­ber 2009 hatten Gerich­te verfas­sungs­recht­li­che Argumen­te folglich nicht mehr zu beach­ten. Ähnlich verhält es sich mit der Berufung auf Prinzi­pi­en des Inter­na­tio­na­len Menschen­rechts­schut­zes, die Liu und seine Anwäl­te vornah­men (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbst­ver­tei­di­gung; Liu Xiaobo, Ich habe keine Feinde – eine letzte Stellung­nah­me). China hat zwar sowohl den UN-Zivil­pakt als auch den UN-Sozial­pakt unter­zeich­net, der in diesem Fall jedoch relevan­te UN-Zivil­pakt wurde nie ratifi­ziert. Eine Wirkung dieses völker­recht­li­chen Vertra­ges in einen chine­si­schen Straf­pro­zess hinein konnte von der Vertei­di­gung nicht angenom­men werden.

Noch deutli­cher über den recht­li­chen Rahmen hinaus ragen die von Liu und seinen Anwäl­ten vorge­tra­ge­nen Argumen­te, welche ihn und seine Kritik in histo­ri­sche Kontex­te einord­net. So stellt Liu selbst das Verfah­ren in eine Reihe der langen Tradi­ti­on einer Krimi­na­li­sie­rung von Meinungs­äu­ße­run­gen und nennt Beispie­le aus dem chine­si­schen Kaiser­reich und der Zeit unter der Herrschaft der Guomindang, womit er auf den Anspruch der KP anspielt, die Ungerech­tig­kei­ten jener Zeiten überwun­den zu haben. Gleich­zei­tig stellt er eine Konti­nui­tät über die Rechts­ab­weich­ler­kam­pa­gne, die Kultur­re­vo­lu­ti­on, den Platz des Himmli­schen Friedens des Jahres 1989 bis zu seiner Verhaf­tung her, um sich in eine Reihe mit den Opfern der KP-Herrschaft zu veror­ten (umfas­send zu diesen histo­ri­schen Bezügen: Rosen­zweig 2012, S. 45–47). Er schließt damit, dass das herrschen­de Regime auf der falschen Seite der Geschich­te stehe und dass die Unter­drü­ckung der freien Meinungs­äu­ße­rung diame­tral der Legiti­mi­tät dieses Systems entge­gen­ste­he (vgl. Liu Xiaobo, Meine Selbstverteidigung).

In einem Abschluss­state­ment unter­streicht er, dass er nicht in einer Total­op­po­si­ti­on zur KPCh stehe. Er erkennt die Entwick­lun­gen nach dem Tode Maos an und betont, dass er im Abneh­men des Freund-Feind-Schemas den größten Fortschritt in China sehe. Er bricht diese Entwick­lung von einer abstrak­ten Ebene der kultu­rel­len, sozia­len und wirtschaft­li­chen Tenden­zen hinun­ter auf persön­li­che Begeg­nun­gen mit den Akteu­ren des Systems, das im Begriff ist, ihn für über ein Jahrzehnt wegzu­sper­ren. Indem er die Profes­sio­na­li­tät der verhö­ren­den Polizei­be­am­ten, die Integri­tät der Staats­an­wäl­te und Richter und die Umsich­tig­keit und den Respekt seines Gefäng­nis­auf­se­hers betont, zeigt er, dass auch er selbst nicht in einem Freund-Feind-Denken verhar­ren und so zu Toleranz und Mensch­lich­keit beitra­gen will (vgl. Liu Xiaobo, Ich habe keine Feinde – eine letzte Stellungnahme).

5.2. Kriti­sche Würdigung
Die Vertei­di­gung von Liu Xiaobo konnte seine Verur­tei­lung ebenso wenig verhin­dern wie das höchs­te Straf­maß seit der Einfüh­rung des Straf­tat­be­stands der Aufwie­ge­lung zum Umsturz im Jahr 1997 (vgl. Rosen­zweig 2012, S. 31). Es ist nicht unwahr­schein­lich, dass Lius Urteil schon lange vor Prozess­be­ginn feststand. Sicher­lich war auch die Vertei­di­gung sich dieses Umstan­des bewusst, so dass insbe­son­de­re die rechts­dog­ma­ti­schen Argumen­te nicht verfan­gen konnten. Die Vertei­di­gung griff aber dennoch und durch­aus plausi­bel die Subsump­ti­on der Staats­an­walt­schaft von Lius Handlun­gen unter die objek­ti­ven und subjek­ti­ven Elemen­te des Straf­tat­be­stan­des der Aufwie­ge­lung zum Umsturz an und nutzte dabei Argumen­te, die mitun­ter auch in der chine­si­schen Rechts­wis­sen­schaft vertre­ten werden. Es stellt sich hier aller­dings die Frage, ob es sinnvoll war, sich auf die Logik des Systems einzu­las­sen und ob nicht sogar die Legiti­mi­tät des Straf­tat­be­stands der Aufwie­ge­lung zum Umsturz indirekt bejaht wurde (ähnli­che Argumen­te wurden vorge­bracht, als über die Sinnhaf­tig­keit der Revisi­on disku­tiert wurde, da diese doch nur dem Regime die Möglich­keit gebe seine Rechts­bin­dung zu präsen­tie­ren, hierzu vgl. Link 2011, S. 69). Die Hinwen­dung zum Recht nach dem Ende der Mao-Zeit ist aber zweifels­frei ein immenser Fortschritt, der Willkür einge­dämmt, Rechts­be­wusst­sein geschärft und immer­hin einige Gestal­tungs­räu­me geschaf­fen hat. Ein bestän­di­ges Ringen um das Ausmaß und die Grenzen dieser Gestal­tungs­räu­me mag in vielen Fällen verge­bens sein, sorgt aber dafür, dass das Regime nicht aus seinem Verspre­chen entlas­sen wird, das es mit seinem Bekennt­nis zum Aufbau eines Rechts­staa­tes gegeben hat (so seit 1999 Artikel 5 der Verfas­sung; zu den unter­schied­li­chen chine­si­schen Diskur­sen zur Rechts­staat­lich­keit vgl. Seppä­nen 2016).

Die verfas­sungs- und völker­recht­li­chen Argumen­ta­tio­nen der Vertei­di­gung können aus straf­pro­zes­sua­ler Sicht nicht überzeu­gen, da sie nicht auf anwend­ba­res Recht abstel­len. Hier wird vielmehr ein Gegen­ent­wurf zum Regime vorge­stellt, der gleich­zei­tig Grund­ideen der Charta 08 hinsicht­lich einer konsti­tu­tio­nel­len Regie­rungs­form aufgreift, in der politi­sche Rechte – wie das der freien Meinungs­äu­ße­rung – geschützt wären. Liu Xiaobo nutzt den Prozess dafür, sich selbst als Vorden­ker einer demokra­ti­schen Zukunft Chinas in die Geschich­te einzu­schrei­ben. Mit der Vertei­di­gung und Lius Selbst­ver­tei­di­gung und seinem Abschluss­state­ment wurde ein politi­sches Vermächt­nis geschaf­fen, das sein stärks­tes Moment in der Anerken­nung der Mensch­lich­keit seiner Wider­sa­cher hat. Der mitun­ter sehr große Gestus, mit dem die lange politi­sche Histo­rie Chinas bemüht wurde, erhält hier einen überzeu­gen­den Kontra­punkt, der sicher­lich auch in Oslo gehört wurde.

6. Urteil und Urteilsbegründung
Chine­si­sche Gerich­te sind in ihren Urtei­len meist sehr knapp und geben nur selten ausführ­li­che Begrün­dun­gen. Auch die fast gleich­lau­ten­den Urtei­le der zwei Instan­zen im Fall von Liu Xiaobo bilde­ten hier keine Ausnah­me. Die Gerich­te stell­ten vor allem die schwer­wie­gen­den Tatum­stän­de fest, wobei die erhöh­te Reich­wei­te der Charta 08 durch die Verbrei­tung über das Inter­net beson­ders heraus­ge­stellt wurde. In der Revisi­ons­in­stanz wurde in diesem Zusam­men­hang zudem auf Lius Tätig­keit bei der Gewin­nung von Unter­stüt­zern abgestellt (vgl. Endgül­ti­ges Straf­ur­teil des Oberstu­fen Gerichts der Stadt Beijing Nr. 64 (2010) vom 9.2.2010, einzu­se­hen unter: https://zh.m.wikisource.org/zh-hans北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书). Sein Verhal­ten wurden ferner der Verleum­dung zugerech­net, wobei diese Feststel­lung nicht weiter begrün­det wurde. Die erste Instanz widme­te sich immer­hin in einem Teilsatz dem Vertei­di­gungs­ar­gu­ment der Meinungs­frei­heit, wobei auch hier keiner­lei Erläu­te­rung vorge­nom­men und ledig­lich festge­stellt wurde, dass Liu die Grenzen der Meinungs­frei­heit überschrit­ten hätte (vgl. Erstin­stanz­li­ches Straf­ur­teil des Mittel­stu­fen­ge­richts Nr. 1 der Stadt Beijing Nr. 3901 (2009), einzu­se­hen unter: http://www1.rfi.fr/actucn/articles/120/article_18395.asp). Im Ergeb­nis bestä­tig­te das Oberstu­fen­ge­richt am 9.2.2010 das Urteil des Mittel­stu­fen­ge­richts vom 25.12.2009 und verur­teil­te Liu Xiaobo zu Freiheits­stra­fe von elf Jahren und der ergän­zen­den Aberken­nung der politi­schen Rechte für zwei Jahre.

7. Wirkung und Wirkungsgeschichte
Ausschließ­lich Liu Xiaobo für die Veröf­fent­li­chung der Charta 08 anzukla­gen und damit ein Exempel zu statu­ie­ren, war für das Regime rückbli­ckend sicher­lich die strate­gisch falsche Entschei­dung. Die ungewöhn­li­che Härte des Urteils gegen den charis­ma­ti­schen Liu, der es mit seinem kraft­vol­len Abschluss­state­ment zudem vermoch­te, Mensch­lich­keit und Würde für sich zu rekla­mie­ren, erzeug­te enorme inter­na­tio­na­le und inner­chi­ne­si­sche Aufmerk­sam­keit (vgl. Yu Jie 2017, S. 189–192; Link 2011, S. 68–70). Die Zuerken­nung des Friedens­no­bel­prei­ses am 8.10.2010 war sicher ein Ergeb­nis dieser Gemengelage.

Diese Vorgän­ge waren wenig geeig­net, die Paranoia des Regimes abzuschwä­chen. Statt­des­sen reagier­te das Regime in Anbetracht des bald anschlie­ßen­den Arabi­schen Frühlings im Jahr 2011 und dem Euromai­dan in der Ukrai­ne im Jahr 2013 zuneh­mend sensi­bel auf Dissens. So wurden z.B. prode­mo­kra­ti­schen Protes­te im Jahr 2011 in vielen Städten mit aller Macht unter­bun­den (vgl. https://carnegieendowment.org/2011/04/11/three-reasons-for-beijing-s-current-campaign-against-dissent-pub-43593) und im Juli 2015 mehr als 300 dem Regime unbeque­me Anwäl­te verhaf­tet (vgl. Pils 2018). Der Macht­wech­sel von Hu Jintao zu Xi Jinping hat Gestal­tungs­räu­me z.B. der Zivil­ge­sell­schaft seit 2012 weiter massiv einge­schränkt und trotz der vehemen­ten und wieder
holten Bekennt­nis­se des Regimes zu einer Herrschaft des Rechts den Abstand des gegen­wär­ti­gen Chinas zur Vision der Charta 08 deutlich vergrö­ßert (vgl. Fu Diana/Distelhorst 2017, S. 100–122; Minzer 2019). Liu Xiaobos Vermächt­nis bleibt bis auf Weite­res ein ideelles.

8. Würdi­gung des Prozesses
Der Prozess und das Urteil gegen Liu Xiaobo verdeut­li­chen, wie sensi­bel der chine­si­sche Partei­staat auf politi­schen Dissens reagiert. Sicher­lich war die vom Inter­net getra­ge­ne Reich­wei­te und der illus­tre Unter­stüt­zer­kreis der Charta 08 geeig­net, eine vergleichs­wei­se große Wirkungs­macht zu erzeu­gen. Eine unmit­tel­ba­re Umsturz­ge­fahr ging von ihr nicht aus. Liu Xiaobo war die einzi­ge Person, die wegen ihrer Betei­li­gung an der Charta 08 verur­teilt wurde. Dass dennoch eine derart hohe Haftstra­fe erging, zeugt wahrschein­lich weniger von Lius Gefähr­lich­keit als vom politisch dirigier­ten Vorge­hen der Straf­ver­fol­gungs­be­hör­den. Der unbeque­me Liu war als passen­des Exempel auser­ko­ren, andere abzuschre­cken. Die Profes­sio­na­li­tät der staat­li­chen Prozess­be­tei­lig­ten darf nicht darüber hinweg­täu­schen, dass die Verur­tei­lung und höchst wahrschein­lich auch die Straf­hö­he längst und andern­orts entschie­den worden waren. Gerich­te in China sind insbe­son­de­re in politi­schen Prozes­sen Akteu­re des Partei­staa­tes, die das Recht so anzuwen­den wissen, dass die Inter­es­sen des herrschen­den Systems gewahrt bleiben. Im Bewusst­sein der gerin­gen Einwir­kungs­mög­lich­kei­ten, die das Primat der Politik­im­ple­men­tie­rung im Gewand eines Straf­pro­zes­ses gewährt (im Sinne Damaš­ka 1986, S. 82), hat sich die Vertei­di­gung Lius einer­seits zwar streng an insti­tu­tio­na­li­sier­te Regeln gehal­ten, gleich­zei­tig hat sie sich aber diesem Primat beharr­lich entzo­gen. Mit dem ständi­gen Verweis auf verfas­sungs­mä­ßi­ge Rechte und inter­na­tio­na­le Standards veror­te­te die Vertei­di­gung sich in eben jenem alter­na­ti­ven Entwurf chine­si­scher Rechts­staat­lich­keit, den die Charta 08 skizziert hatte. Dieser perfor­ma­ti­ve Aspekt des Prozes­ses hat aller­dings bis heute ebenso wenig greif­ba­re Ergeb­nis­se gebracht, wie die forma­len und dogma­ti­schen Argumen­te der Vertei­di­gung die Länge der Haftstra­fe begren­zen konnten. Das Recht kann in China gegen­wär­tig kein Instru­ment für die Ausfor­mung politi­scher Ermög­li­chungs­räu­me sein, aber es können doch inner­halb dieses Systems Argumen­te formu­liert werden, die gleich­sam politi­sche Forde­run­gen darstel­len. Der Straf­pro­zess in China kann dann zu einem politi­schen werden, weil er einen – wenn auch zynischen – Rahmen für die freie(ere) Meinungs­äu­ße­rung bietet.

9. Quellen und Litera­tur (Auswahl)
Endgül­ti­ges Straf­ur­teil des Oberstu­fen Gerichts der Stadt Beijing Nr. 64 (2010) vom 9.2.2010 (北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书), https://zh.m.wikisource.org/zh-hans北京市高级人民法院(2010)高刑终字第64号刑事裁定书 (zuletzt einge­se­hen am 25.1.2023).

Erstin­stanz­li­ches Straf­ur­teil des Mittel­stu­fen­ge­richts Nr. 1 der Stadt Beijing Nr. 3901 (2009) (北京市第一中级人民法院刑事判决书(2009)一中刑初字第3901号), http://www1.rfi.fr/actucn/articles/120/article_18395.asp (zuletzt einge­se­hen am 25.1.2023). Überset­zung in: Martin-Liao/­Liu 2011 (Fn. 4) S. 385–399.

Chine­si­sches Straf­ge­setz­buch (ChStGB). Überset­zung bei Micha­el Strupp: Das neue Straf­ge­setz­buch der VR China. Mittei­lun­gen des Insti­tuts für Asien­kun­de Hamburg 1998.

Entschei­dung des Obers­ten Volks­ge­rich­tes zur Rücknah­me von vor dem Jahr 2007 veröf­fent­li­chen Justiz­aus­le­ge­gun­gen vor dem Jahr 2007 (最高人民法院关于废止2007年底以前发布的有关司法解释的决定), 24.Dezember 2008.

Barmé, Geremie: Confes­si­on, Redemp­ti­on, and Death: Liu Xiaobo and the Protest Movement of 1989. In: George Hicks (Hrsg.): The Broken Mirror: China after Tianan­men. St. James Press, Chica­go 1990, S. 52–99.
Béja, Jean-Philip­pe, Fu Hualing und Eva Pils (Hrsg.): Liu Xiaobo, Charter 08 and the Challen­ge of Politi­cal Reform in China. Hong Kong Univer­si­ty Press, Hong Kong 2012.
Chong Woei Lien: Philo­so­phy in an Age of Crisis. Three Thinkers in Post-Cultu­ral Revolu­ti­on China: Li Zehou, Liu Xiaobo, and Liu Xiaofeng, in: Chong, Woei Lien (Hrsg.): China’s Great Prole­ta­ri­an Cultu­ral Revolu­ti­on. Master Narra­ti­ves and Post-Mao Countern­ar­ra­ti­ves. Rowman and Little­field, Lanham 2002, S. 215–254.
Damaš­ka, Mirjan: The Faces of Justi­ce and State Autho­ri­ty: A Compa­ra­ti­ve Approach to the Legal Process. Yale Univer­si­ty Press, New Haven 1986, S. 82.
Fu, Diana und Greg Distel­horst: Grass­roots Parti­ci­pa­ti­on and Repres­si­on under Hu Jintao and Xi Jinping, in: The China Journal, Nr. 79 2017, S. 100–122. Carl Minzer: Intel­li­gent­sia in the Cross­hairs: Xi Jinping’s Ideolo­gi­cal Recti­fi­ca­ti­on of Higher Educa­ti­on in China, in: China Leaders­hip Monitor, 1.12.2019.
Fu Hualing: Putting China’s Judicia­ry into Perspec­ti­ve: Is It Indepen­dent, Compe­tent, and Fair?, in: Erik G. Jensen und Thomas C. Heller (Hrsg.): Beyond Common Knowledge. Empiri­cal Approa­ches to the Rule of Law. Stanford Univer­si­ty Press, Stanford 2003, S. 193–219.
Gao Mobo: The Transi­tio­nal Role of the Hu-Wen Leaders­hip in China: A Case Study of Liu Xiaobo, in: Joseph Y.S. Cheng (Hrsg.): China: A New Stage of Develo­p­ment for an Emerging Super­power. City Univer­si­ty of Hong Kong Press, Hong Kong, S. 175–192.
Gao Mingxu­an (高铭暄) Zhao Bingzhi (赵秉志): Auswahl an Materia­li­en zur chine­si­schen Straf­rechts­ge­setz­ge­bung (中国刑法立法文献资料精选). Falü chubans­he, Beijing2007, S. 178.
Guo Zhiyu­an: Tortu­re and Exclu­si­on of Evidence in China, in: China Perspec­ti­ves, Nr. 1 2019, S. 45–53.
Hand, Keith J.: Resol­ving Consti­tu­tio­nal Dispu­tes in Contem­pora­ry China, in: East Asia Law Review, Vol. 7 2011, S. 105–131.
He JIahong: Miscar­ria­ge of Justi­ce and Malprac­ti­ce in Crimi­nal Inves­ti­ga­ti­ons in China, in: The China Review, Vol. 16, No. 1 2016, S. 65–93.
Holbig, Heike: Ideolo­gi­cal Reform and Politi­cal Legiti­ma­cy in China. Challen­ges in the post-Jiang Era, in: Thomas Heberer und Gunter Schubert (Hrsg.): Regime Legiti­ma­cy in Contem­pora­ry China. Insti­tu­tio­nal Change and Stabi­li­ty. Routledge, London 2009, S. 20–31.
Huang Songy­ou (黄松有): Die heuti­ge Antwort des Obers­ten Volks­ge­rich­tes bespre­chend (从最高人民法院今天的一个批复谈起), in: Renmin fayuan bao, 13. August 2001.
Jun Zhao: China and the Uneasy Case for Univer­sal Human Rights, in Human Rights Quarter­ly, Vol. 37, No. 1 2015, S. 29–52.
Kinzel­bach, Katrin: Will China dare challen­ge the UDHR?, in: https://mondediplo.com/outsidein/will-china-dare-challenge-the-udhr (zuletzt einge­se­hen am 16.1.2023).
Leedom-Acker­man, Joanne (Hrsg.): The Journey of Liu Xiaobo. From Dark Horse to Nobel Laurea­te. Potomac Books, Lincoln 2020.
Leese, Daniel: Maos langer Schat­ten. Chinas Umgang mit der Vergan­gen­heit. C.H. Beck, München 2020, S. 131–180.
Link, Perry: Liu Xiaobo’s Empty Chair. Chroni­cling the Reform Movement Beijing Most Fears. New York Review Books, New York 2011.
Li Enshen: The Li Zhuang Case. Exami­ning the Challen­ges Facing Crimi­nal Defen­se Lawyers in China, in: Colum­bia Journal of Asian Law, Vol.24 2010, S. 138–140.
Liu Xiaobo: Meine Selbst­ver­tei­di­gung (oder Plädoy­er für meine Unschuld), in: Martin-Liao/­Liu 2011 (Fn. 4) S. 370–378.
Liu Xiaobo: Ich habe keine Feinde – eine letzte Stellung­nah­me, in: Martin-Liao/­Liu (Fn. 4) S. 379–384.
Liu Xingming (刘星明): Änderungs­vor­schlä­ge zum Delikt der konter­re­vo­lu­tio­nä­ren Aufwie­ge­lung (反革命煽动罪修改意见), in Faxue Yanjiu, 1997 Nr. 1, S. 132–138.
Li Xisi (李夕思): Lehrbuch zum novel­lier­ten Straf­ge­setz­buch (新编刑法学教程). Verlag der zentra­len Partei­schu­le, Beijing 2001, S. 252–253.
MacFar­quhar, Roderick und Micha­el Schoe­n­hals: Mao’s Last Revolu­ti­on, Harvard Univer­si­ty Press, Cambridge MA 2006, S. 52–65.
Martin-Liao, Tienchi und Liu Xia (Hrsg.): Ich habe keine Feinde, ich kenne keinen Hass. S. Fischer Verla­ge GmbH, Frank­furt am Main 2011.
Master­son, James Robert: Chine­se Citizen­ry Social Media Pressu­res and Public Official Respon­ses: The Double-Edged Sword of Social Media in China, in: Sam Edwards III und Diogo Santos (Hrsg.): Digital Trans­for­ma­ti­on and Its Role in Progres­sing the Relati­ons­hip Between States and Their Citizens. IGI Global, Hershey 2020, S: 139–181.
McCon­vil­le, Mike: Crimi­nal Justi­ce in China. An Empiri­cal Inqui­ry. Edward Elgar, Chelten­ham 2011, S. 351–353.
Mo Shaoping, Gao Xia, Lü Xi und Chen Zerui: Crimi­nal Defen­se in Sensi­ti­ve Cases, in: Béja/Fu/Pils 2012 (Fn. 8), S. 66–68.
Mou Yu: The construc­tion of Guilt in China. An empiri­cal Account of Routi­ne Chine­se Injus­ti­ce. Hart, Oxford 2020.
Nesos­si, Elisa und Susan Trevas­kes: Proce­du­ral Justi­ce and the Fair Trial in Contem­pora­ry Chine­se Crimi­nal Justi­ce. Brill, Leiden 2017.
Pils, Eva: The Party’s Turn to Public Repres­si­on: An Analy­sis of the 709 Crack­down on Human Rights Lawyers in China, in: China Law and Socie­ty Review, Vol. 3, Nr. 1 2018, S. 1–48.
Pils, Eva: China’s Human Rights Lawyers Advocacy and Resis­tance. Routledge, London 2015. LI Kege: Do Birds of a Feather Flock Together? Rights Protec­tion (Weiquan) Lawye­ring in China, in: Asian Journal of Law and Socie­ty, Vol. 7, Nr. 1 2020, S. 127–158.
Roth, Hans Ingver: P. C. Chang and the Univer­sal Decla­ra­ti­on of Human Rights. Pennsyl­va­nia Univer­si­ty Press, Philade­plphia 2018, S. 188–224.
Samuli Seppä­nen: Ideolo­gi­cal Conflict and the Rule of Law in Contem­pora­ry China. Cambridge Univer­si­ty Press, Cambridge 2016.)
Schar­ping, Thomas: Umsied­lungs­pro­gram­me für Chinas Jugend 1955–1980, Mittei­lun­gen des Insti­tuts für Asien­kun­de, Hamburg 1981.
Sprick, Daniel: Judicia­liz­a­ti­on of the Chine­se Consti­tu­ti­on Revisi­ted: Empiri­cal Evidence from Court Data, in: The China Review, Vol. 19, Nr. 2 2019, S. 41–67.
Stritt­mat­ter, Kai: Mo Shaoping Anwalt der Verlo­re­nen und Gesprächs­part­ner Gaucks, in: Süddeut­sche Zeitung 23.03.2016, S. 4.
Wang Minyu­an (王敏远), Hu Ming (胡铭)und Tao Jiapei (陶加培):Implementierungsbericht über das System der Straf­ver­tei­di­gung in unserem Land in den letzten Jahren(我国近年来刑事辩护制度实施报告), in: Journal of Law Appli­ca­ti­on, Nr. 1 2022, S. 47.
Xu Songlin (徐松林), Straf­rechts­leh­re (刑法学), Huanan ligong daxue chubans­he, Guang­zhou 2003.
Yang Wenqing (杨雯清): Über Zustand und Problem unserer sinken­den Freispruchs­ra­ten (论我国无罪判决率低现状的困境), in: Journal of the Party School of XPCC of CPC, 2016 Nr.4, S. 70–74 .
Yu Jie: Steel Gate to Freedom: The Life of Liu Xiaobo. Rowman and Little­field, Lanham 2017.
Zhang Mingkai (张明楷): Straf­rechts­leh­re刑法学, Falü chubans­he, Beijing 2007.
Zhang Zuhua: Liu Xiaobo’s Spiri­tu­al Herita­ge, in: Joanne Leedom-Acker­man (Hrsg.): The Journey of Liu Xiaobo. From Dark Horse to Nobel Laurea­te. Potomac Books, Lincoln 2020, S. 26
Zuo Weimin (左卫民): Überle­gun­gen zum System des Hausar­rests (指定监视居住的制度性思考), in Studies in Law and Business, Nr. 3 2012, S: 33–38.

Weite­re Online-Quellen:

Annalen eines Frühlings ohne Reue 无悔青春志: In den vergan­ge­nen 21 Jahren bearbei­te­te Zhang Rongge über […] 700 Fälle, er schenk­te der Welt über 700 Siege der Gerech­tig­keit[…]. https://zhuanlan.zhihu.com/p/355653485 (zuletzt einge­se­hen am 29.1.2023).

https://www.hrw.org/reports/pdfs/c/china/china919.pdf (zuletzt einge­se­hen am 8.12.2022)

https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-release-journalist-and-democracy-advocate-shi (zuletzt einge­se­hen am 10.12.2022).

https://www.theemptysquare.org/the-participants/du-daobin (zuletzt einge­se­hen am 25.1.2023).
https://www.hrw.org/report/2000/09/01/china-nipped-bud/suppression-china-democracy-party (zuletzt einge­se­hen am 25.1.2023)
https://web.archive.org/web/20140723035242/http://open.com.hk/old_version/1010p54.html (zuletzt einge­se­hen am 14.12.2022).
https://m.thepaper.cn/baijiahao_4214519 (zuletzt einge­se­hen am 10.12.2022); http://www.elvshi.com/news/detail/1205.html (zuletzt einge­se­hen am 10.12.2022).
https://www.cecc.gov/publications/commission-analysis/chinese-authorities-continue-to-suppress-lawyers-after-replacing (zuletzt einge­se­hen am 10.1.2023).
https://www.hrw.org/news/2009/05/06/china-end-quake-zone-abuses (zuletzt besucht am 14.12.2022).
https://web.archive.org/web/20200715160903/https://hzdaily.hangzhou.com.cn/dskb/html/2008–09/13/content_504378.htm (zuletzt besucht am 29.1.2023).
https://www.bbc.com/news/world-asia-china-26349305 (zuletzt besucht am 16.1.2023).
Beijing Munici­pal People’s Procu­ra­to­ra­te Branch No. 1 – Indict­ment, https://www.hrichina.org/en/content/3205 (zuletzt einge­se­hen 8.2.2023).
https://www.court.gov.cn/zixun-xiangqing-35402.html zuletzt besucht am 16.1.2023).
http://legal.people.com.cn/n1/2020/0210/c42510-31580349.html (zuletzt besucht am 16.1.2023).
Vertei­di­gung in der 2. Instanz (二审辩护词), https://www.hrichina.org/chs/content/788 (zuletzt einge­se­hen am 10.12.2022).
https://carnegieendowment.org/2011/04/11/three-reasons-for-beijing-s-current-campaign-against-dissent-pub-43593 (zuletzt einge­se­hen 14.2.2023).

Daniel Sprick
Febru­ar 2023


Daniel Sprick ist wissen­schaft­li­cher Mitar­bei­ter am Lehrstuhl für Chine­si­sche Rechts­kul­tur an der Univer­si­tät zu Köln und unter­rich­tet dort verschie­de­ne Lehrver­an­stal­tun­gen zur chine­si­schen Rechts­ge­schich­te sowie zum chine­si­schen Wirtschafts- und Handels­recht. Er wurde 2008 mit dem Hanen­burg-Yntema-Preis für die beste europäi­sche Disser­ta­ti­on zum chine­si­schen Recht ausge­zeich­net. Er promo­vier­te am East Asian Insti­tu­te der UoC über die Grenzen der Selbst­ver­tei­di­gung im chine­si­schen Straf­recht. Seine Forschungs­schwer­punk­te sind chine­si­sches Straf­recht, Wettbe­werbs­recht, Recht und Gesell­schaft, Rechts­theo­rie und Justiz­re­for­men in China.
 

Zitier­emp­feh­lung:

Sprick, Daniel: „Der Prozess Liu Xiaobo, China 2009“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politi­schen Straf­pro­zes­se, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/liu-xiaobo/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ. ‎