Milošević, Slobodan

bearbei­tet von
Dr. Markus Abraham

Den Haag 1999–2006
Verbre­chen gegen die Menschlichkeit
Massa­ker von Srebre­ni­ca, Kosovokrieg
Zerfall Jugoslawiens

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Der Prozess gegen Slobodan Milošević
Den Haag 1999–2006

1. Prozess­ge­schich­te
Am 22. Mai 1999 wurde der amtie­ren­de Präsi­dent Jugosla­wi­ens vor dem Inter­na­tio­na­len Straf­tri­bu­nal für das ehema­li­ge Jugosla­wi­en angeklagt. Vorge­wor­fen wurden ihm Verbre­chen gegen die Mensch­lich­keit (Depor­ta­ti­on, Tötung, Verfol­gung) und Kriegs­ver­bre­chen (Tötung), vgl. Initi­al Indict­ment Kosovo.
Dass es überhaupt zu dieser Ankla­ge kam, ist aus zwei Gründen bemer­kens­wert: Erstens deswe­gen, weil Miloše­vić als diplo­ma­ti­sche Schlüs­sel­fi­gur gegol­ten hatte, um Frieden auf dem Balkan zu schaf­fen. Und so hatten die Verei­nig­ten Staaten bestän­dig darauf gedrun­gen, Miloše­vić nicht anzukla­gen (Scharf, S. 302). Vielmehr hatte Miloše­vić eine wichti­ge Rolle bei den Verhand­lun­gen von Dayton im Jahre 1995 gespielt, den entschei­den­den Friedens­ver­hand­lun­gen der ersten Phase der Balkan­krie­ge. Diese Strate­gie der Verei­nig­ten Staaten war nunmehr gekippt. Miloše­vić war vom Hofier­ten zum Verfolg­ten gewor­den. Was war der Grund für diesen Wandel? Die NATO befand sich zum Zeitpunkt der Ankla­ge gerade inmit­ten einer militä­ri­schen Inter­ven­ti­on gegen Serbi­en. Und daher kam, so speku­liert mancher (Scharf, S. 302), die Ankla­ge nicht ungele­gen. Denn durch den Impuls der Ankla­ge­er­he­bung konnte der zuneh­mend kritisch beäug­te Militär­ein­satz an Akzep­tanz gewinnen.

Zweitens ist die Ankla­ge beacht­lich, weil sie als Ankla­ge eines amtie­ren­den Staats­chefs ein Novum des Völker­straf­rechts darstell­te (s. dazu Werle/Jeßberger, Rn. 818). Die Ankla­ge eines Staats­ober­haupts spitzt die Spannung zwischen tradi­tio­nel­len und progres­si­ven Auffas­sun­gen des Völker­rechts zu (vgl. zur Perso­ni­fi­zie­rung dieses Streits durch Miloše­vić und den Vorsit­zen­den Richter s. Steiniz, S. 121). Während die tradi­tio­nel­le Sicht­wei­se das Prinzip staat­li­cher Souve­rä­ni­tät und die damit verbun­de­ne Unantast­bar­keit des Staats­ober­haupts betont, strei­ten Vertre­ter der progres­si­ven Sicht­wei­se dafür, persön­li­che Verant­wort­lich­keit in überstaat­li­cher, univer­sel­ler Weise zuzuschrei­ben. Die Ankla­ge von Miloše­vić löst diese Spannung zuguns­ten der postna­tio­na­len Sicht­wei­se auf, der Sicht­wei­se des inter­na­tio­na­len Strafrechts.
Die Erhebung der Ankla­ge löst die Spannung freilich nur de jure auf. De facto musste für den Prozess zu der recht­li­chen Existenz der Ankla­ge auch die physi­sche Präsenz des Angeklag­ten hinzu­kom­men. Bekann­ter­ma­ßen wird die Durch­set­zung des Völker­straf­rechts häufig faktisch dadurch behin­dert, dass es nicht gelingt, eines Angeklag­ten habhaft zu werden. Doch halfen hier zum einen ein takti­scher Fehler von Miloše­vić und zum anderen die Verwe­gen­heit von Zoran Đinđić: Miloše­vić hatte das Verfah­ren zur Wahl des Präsi­den­ten der Bundes­re­pu­blik Jugosla­wi­en von der Wahl durch das Parla­ment hin zu einer Persön­lich­keits­wahl geändert und war nachfol­gend im Septem­ber 2000 zuguns­ten von Voijis­lav Koštu­ni­ca abgewählt worden (Waters 2013b, S. 51). Zwar verwei­ger­te Koštu­ni­ca in Überein­stim­mung mit einer Anord­nung des jugosla­wi­schen Verfas­sungs­ge­richts die Auslie­fe­rung Miloše­vićs. Doch wurde Koštu­ni­ca, der neue Präsi­dent Yugos­la­vi­ens, durch seinen Rivalen Zoran Đinđić überrascht. Đinđić war wie Koštu­ni­ca an dem Aufstand des 5. Oktober betei­ligt, der zum Sturz von Miloše­vić geführt hatte, und hatte im Dezem­ber 2000 die Demokra­ti­sche Opposi­ti­on Serbi­ens (DOS) zum Sieg bei den Parla­ments­wah­len geführt. Đinđić veran­lass­te unter Instruk­ti­on serbi­scher Polizei­kräf­te überra­schend die gehei­me Überfüh­rung von Miloše­vić an einen US-ameri­ka­ni­schen Stütz­punkt, von wo aus er am 28. Juli 2001 nach Den Haag überstellt wurde (Scharf, S. 302 f.). Der Chefan­klä­ge­rin Del Ponte zufol­ge war dies dem Umstand geschul­det, dass finan­zi­el­le Hilfe für Serbi­en an die Verhaf­tung gekop­pelt wurde (Die Zeit v. 19.11.2020). Die Entschei­dung zur Auslie­fe­rung wurde insofern von Đinđić selbst, der später ermor­det wurde, als „schwie­ri­ge, aber moralisch korrek­te“ Entschei­dung zum Schutz serbi­scher Inter­es­sen betrach­tet (so zit. von Scharf, S. 303).
Am 12. Febru­ar 2002 schließ­lich konnte der Prozess vor dem Straf­tri­bu­nal für das ehema­li­ge Jugosla­wi­en begin­nen (S. zum Tribu­nal insbes. Werle/Jeßberger, Rn. 415 ff.). Sein Ende fand er erst gut vier Jahre später, am 14. März 2006 – nicht aber durch Urteil, sondern durch den natür­li­chen Tod (Parker, S. 11; The Hague Justi­ce Portal) von Miloše­vić drei Tage zuvor, einem „Tod zur falschen Zeit“ (NZZ v. 12.3.2006). Im Anschluss an den Vortrag der Ankla­ge war Miloše­vić ab 31. August 2004 mit der Vertei­di­gung am Zuge gewesen und hatte am Ende etwa zwei Drittel der Zeit ausge­schöpft, die ihm das Gericht zur Vertei­di­gung gewährt hatte.

Die Fakto­ren, die den Prozess derart in die Länge zogen, stammen teilwei­se aus der Sphäre des Angeklag­ten, teilwei­se aus der Sphäre der Justiz­ak­teu­re. Drei Fakto­ren stechen heraus: Erstens war der Gesund­heits­zu­stand von Miloše­vić ständi­ges Thema (dazu Waters 2013d, S. 70 f.; s. zu den Anträ­gen auf medizi­ni­sche Behand­lung Higgins, S. 815): Sein erhöh­ter Blutdruck sorgte letzt­lich dafür, dass die Verhand­lungs­ta­ge von fünf Tagen pro Woche à acht Stunden auf drei Tage pro Woche à vier Stunden reduziert wurden (Scharf, S. 297). Mathe­ma­tisch betrach­tet bedeu­ten diese Zahlen – hinzu­kom­men­de Unter­bre­chun­gen durch Gesund­heits­zu­stand und durch Vertei­di­gungs­vor­be­rei­tung gar nicht einbe­rech­net – eine Reduk­ti­on auf 30 Prozent der Arbeits­ge­schwin­dig­keit der Kammer und waren ein wesent­li­cher Grund für die immense Dauer des Prozes­ses. Wirklich bedeut­sam wurde die gesund­heit­li­che Einschrän­kung jedoch – denn bei krank­heits­be­ding­ter Verhin­de­rung des Angeklag­ten hätte man auch in Gegen­wart seines Vertei­di­gers verhan­deln können – wegen eines zweiten Gesichts­punkts: dem Umstand, dass Miloše­vić von seinem Recht Gebrauch machte, selbst und allein die Vertei­di­gung zu führen. Die umfas­sen­de Wahrneh­mung dieses Rechts auf Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on zusam­men mit seinem Gesund­heits­zu­stand veran­lass­ten das Gericht am 2. Septem­ber 2004 zur Zwangs­bei­ord­nung von Vertei­di­gern (dazu Higgins, S. 813). Dies war ein Versuch der Kammer, den Prozess zu beschleu­ni­gen, der jedoch kurze Zeit später von der Berufungs­kam­mer im Wesent­li­chen kassiert wurde (Appeal Chamber v. 1.11.2004; s. zur Aufhe­bung näher bei 5.). Ein weite­rer, dritter Faktor, für den primär die Ankla­ge verant­wort­lich zeich­net, liegt in der Verbin­dung der drei Ankla­gen – zu den Situa­tio­nen Kosovo, Kroati­en, Bosni­en – zu einem großen Verfah­ren. Die Verbin­dung, für die es durch­aus Gründe gab (s. näher bei 4.), war in Anbetracht der Schwie­rig­kei­ten, einer­seits die unzäh­li­gen Einzel­ver­bre­chen als solche zu belegen sowie anderer­seits deren Verbin­dung zu Miloše­vić nachzu­wei­sen, in hohem Maße fragwür­dig. Die Kammer selbst hatte der von der Ankla­ge angestreb­ten Verbin­dung zu einem einzi­gen Prozess wider­spro­chen (Decisi­on on Joinder). Vor der Berufungs­kam­mer setzte sich die Ankla­ge jedoch durch (Appeal Chamber v. 1.2.2002; zur Kritik Boas, S. 119 f.) – eine Entschei­dung, die manche als Kompe­tenz­über­schrei­bung seitens des Rechts­mit­tel­ge­richts bewer­ten (etwa Boas, S. 288).

2. Prozess­be­tei­lig­te
a) Der Angeklagte
Slobo­dan Miloše­vić, geboren am 20. August 1941, war bereits vor den Balkan­krie­gen etablier­ter Anfüh­rer der Serben. Nach dem Rechts­stu­di­um durch­lief er mehre­re Statio­nen im Wirtschafts­sek­tor. Im Jahr 1986 wurde er zum Präsi­den­ten der Liga der serbi­schen Kommu­nis­ten gewählt, im Jahr 1990 zum Präsi­den­ten Serbi­ens. Dies blieb er bis zum Jahr 1997, als er Präsi­dent der Bundes­re­pu­blik Jugosla­wi­en wurde, ein Amt, von dem er im Jahr 2000 abgewählt wurde.

Miloše­vić wird als Oppor­tu­nist beschrie­ben, von dem unklar geblie­ben sei, ob er selbst überhaupt genuin von einer natio­na­lis­ti­schen Sicht­wei­se überzeugt war (Waters 2013c, S. 51). So wird angenom­men, dass es Miloše­vić zentral um Siche­rung der eigenen Positi­on ging, wenn er Gewalt gegen die Opposi­ti­on einsetz­te oder Unter­stüt­zung bei Natio­na­lis­ten suchte; Motiva­ti­on sei weniger die Reali­sie­rung politi­scher Ziele als der Macht­er­halt gewesen (Bieber, S. 351). Beobach­ter heben hervor, dass Miloše­vić die Anerken­nung von Staats­män­nern wie Clinton und Chirac suchte, dass er mäßigend auf die seines Erach­tens unrea­lis­ti­schen Forde­run­gen der bosni­schen Serben einwirk­te und eher eine Strate­gie der Friedens­plä­ne als eine des Krieges verfolg­te (Prelec, S. 371 ff.).

Im Prozess selbst wird Miloše­vićs Geris­sen­heit bei Verneh­mun­gen hervor­ge­ho­ben (vgl. Scharf, S. 299). Selbst die Chefan­klä­ge­rin findet bewun­dern­de Worte für seine Verneh­mungs­küns­te (Del Ponte, S. 147). Del Ponte führt hier als Beispiel die Befra­gung von Mahmut Bakal­li an, der als einer der ersten Zeugen der Ankla­ge befragt wurde und dessen Auftritt unter dem Kreuz­ver­hör von Miloše­vić aufgrund der Verstri­ckung in fakti­sche Wider­sprü­che als unsicher und wenig überzeu­gend erschien (Trix, S. 236). Zur Verdeut­li­chung der Befra­gungs­tech­nik ein kurzer Ausschnitt aus dem Kreuz­ver­hör (Transcripts, 19.2.2002, S. 562 f.):

Q. Do you know who Muhar­rem Ismai­li is?
A. Yes.
Q. Is he a friend of yours and also a direc­tor of a bank in Kosovo, also an Albanian?
A. He’s a Kosovar Albani­an. He was the direc­tor of Kosova Bank. He is no longer there. And he’s a friend of mine. I don’t know why you’re asking me.
Q. Becau­se I want to put another questi­on to you. Did you ask him to come and talk to me?
A. Never. That’s not true. I have never talked with him that I wanted to talk with you. Never. I’ve never done that.
Q. So you are saying that you did not ask, through Muhar­rem Ismai­li, to come and see me?
A. I say in my full respon­si­bi­li­ty, no.
Q. Yester­day you told us how the local securi­ty chief, Gajic, under inver­ted commas, told you about the “Scorched Earth Plan,” the so-called “Scorched Earth Plan.” Wasn’t it logical for you to bring up this issue while talking to me; yes or no?
A. Yes, I could have done that, but I did not. I didn’t want to become – to convey the views of others. Maybe I should have done that. I should have done that.
Q. Thank you. This is enough materi­al for us to give us an idea of how serious­ly you asses­sed this matter.

Wenngleich ihm sein Auftre­ten einigen Respekt einbrach­te, blieb Miloše­vić nach seiner Abwahl bei den meisten Serben unbeliebt (Waters 2013c, S. 52). Sein – zumin­dest anfäng­lich – starker Auftritt wandel­te sich nicht in politi­schen Erfolg (Drumbl, S. 436). Auch wenn das Narra­tiv einer kollek­ti­ven Vertei­di­gung Serbi­ens gegen den Westen Unter­stüt­zung fand, verban­den die meisten Miloše­vić mit einer als negativ empfun­de­nen Vergan­gen­heit (Bieber, S. 430). Seine Partei verschwand schließ­lich in der Bedeu­tungs­lo­sig­keit (dazu ibid., S. 425).

b) Die Verteidigung
Obwohl Miloše­vić im Prozess osten­ta­tiv allein und ohne Hilfe auftrat, war er von einem Team an Beratern umgeben. Gericht­lich anerkann­ter Rechts­be­ra­ter war Ramsey Clark, der unter Präsi­dent Johnson Justiz­mi­nis­ter der USA gewesen war, und hiernach ein promi­nen­ter Kriti­ker der US-Außen­po­li­tik, der außer­dem zahlrei­che mutmaß­li­che Kriegs­ver­bre­cher vertei­dig­te, unter anderem Saddam Hussein (Der Spiegel v. 11.4.2021). Zu Miloše­vićs Rechts­be­ra­tern zählten außer­dem John Living­ston, später Zdenko Tomano­vić, Dragos­lav Ognja­no­vić und Branko Rakić (Waters 2013d, S. 57).

Diese Rechts­be­ra­ter verfüg­ten über privi­le­gier­ten Kommu­ni­ka­ti­ons­zu­gang betref­fend Besuchs­zei­ten und Telefo­na­ten (Boas, S. 260 f.). Sie traten jedoch nicht im Gerichts­saal auf und hatten dezidiert nicht die Stellung als Vertei­di­ger. Dies stell­te Miloše­vić klar, als die Kammer ihren Besuch in der Zelle als Vertei­di­ger­be­stel­lung ausle­gen wollte (Transcripts v. 11.12.2001, S. 149 f.):

THE ACCUSED: I have been infor­med in the meanti­me that without my request, you have assigned certain advice that I did not ask for, inter­pre­ting my agree­ment to recei­ve visits by certain indivi­du­als as a request for legal advice. My respon­se to that has been addres­sed to the Regis­try that I do not consi­der that whoever visits me and has a law degree should be appoin­ted as my legal counsel, and I don’t think it would be permis­si­ble for visits to conti­nue to be restric­ted, visits by persons who wish to visit me in accordance with the Rule that you have estab­lis­hed and on a nondiscri­mi­na­to­ry basis, since other people in that prison are allowed such visits.
JUDGE MAY: Mr. Milose­vic, if you don’t want advice from Mr. Clark and Mr. Living­ston, which we unders­tood you did, who do you want it from?
THE ACCUSED: No, I’m not asking for any advice from anybo­dy. I have said that I would like to be granted the possi­bi­li­ty to be visited by people who wish to visit me. That’s all.

Darüber hinaus wurde Miloše­vić auch von anderen Perso­nen unter­stützt, etwa von Jacques Vergès, dem einsti­gen Vertei­di­ger von Klaus Barbie (Scharf, S. 297). Der promi­nen­te Konflikt­ver­tei­di­ger Vergès besuch­te Miloše­vić in seiner Zelle, berei­te­te ein Gegen­tri­bu­nal in Frank­reich vor und streng­te eine Klage vor dem Europäi­schen Gerichts­hof für Menschen­rech­te wegen angeb­li­cher Entfüh­rung von Miloše­vić an (Der Spiegel v. 1.9.2002). Letzte­re wurde als unzuläs­sig verwor­fen, da Miloše­vić die natio­na­len Recht­mit­tel nicht ausge­schöpft hatte (EGMR, Miloše­vić v. The Nether­lands). Ein Lapsus, juris­tisch so offen­sicht­lich, dass er gerade­zu auffäl­lig erscheint.

c) Die „amici curiae“
Als Reakti­on auf die Entschei­dung von Miloše­vić, keinen Prozess­ver­tre­ter zu bestim­men, ordne­te die Kammer die Bestel­lung von sogenann­ten Freun­den des Gerichts an (Beschl. v. 30.8.2001). Diese amici curiae wurden im Septem­ber 2001 vom Regis­trar ernannt und sollten die Fairness des Verfah­rens sichern (Waters 2013d, S. 57). Zu Beginn waren dies der nieder­län­di­sche Anwalt Michail Wladi­mi­roff, der bereits als Vertei­di­ger von Duško Tadić aufge­tre­ten war, der briti­sche Queen’s Counsel Stevan Kay und der serbi­sche Anwalt Bransi­lav Tapuš­ko­vić. Erste­rer erklär­te in einem Inter­view, dass er die Chancen auf einen Freispruch für vernach­läs­sig­bar halte, worauf­hin er als befan­gen ausge­schlos­sen wurde (Scharf, S. 307). An seiner Statt wurde der austra­li­sche Völker­straf­rechts­wis­sen­schaft­ler Timothy McCor­mack bestimmt. Tapuš­ko­vić schied nach der Ankla­ge­pha­se aus; im Juni 2003 wurde die briti­sche Anwäl­tin Gilli­an Higgins ernannt (Waters 2013d, S. 57), die vorma­li­ge Assis­ten­tin von Steven Kay (Boas, S. 253 Fn. 173).

Auch wenn die amici curiae ausdrück­lich keine Vertei­di­ger waren, war die Kammer doch bestrebt, durch ihre Hinzu­zie­hung das Fehlen eines Vertei­di­gers zu kompen­sie­ren. In diesem Sinne wies die Kammer die amici curiae ausdrück­lich darauf hin, ihre Rolle nicht darauf zu beschrän­ken, Vorbrin­gun­gen des Angeklag­ten zu prüfen und gegebe­nen­falls zu stützen. Statt der Kommen­tie­rung sollten sie das Gericht bei der Wahrheits­fin­dung unter­stüt­zen (s. Transcripts, 29.10.2001, S. 31), indem sie Kreuz­ver­hö­re durch­führ­ten und Anträ­ge stell­ten, die aus Sicht des Angeklag­ten angebracht erschie­nen (Waters 2013d, S. 57). Ein solcher bedeu­ten­der Antrag war der Antrag auf Freispruch (s. dazu bei 6.).

Die den amici curiae aufer­leg­te Rolle, die ihnen eine faktisch vertei­di­ger­ähn­li­che Stellung einräum­te, ging deutlich über die tradi­tio­nel­le Funkti­on von amici curiae hinaus (Boas, S. 253) und wurde schließ­lich auch durch die Berufungs­kam­mer anläss­lich eines Antrags der amici curiae überprüft. Die entspre­chen­de Vorschrift der Verfah­rens­re­geln sieht ausschließ­lich eine „Partei“ als berech­tigt an, Anträ­ge zu stellen. Die amici curaiae assis­tie­ren dem Gericht. Ihnen kommt der Status der Partei also gerade nicht zu. Die Berufungs­kam­mer erach­te­te den Antrag gleich­wohl als zuläs­sig, da die Inter­es­sen von amici curiae und Angeklag­tem in dem in Rede stehen­den Antrag identisch seien und die Inter­es­sen des Angeklag­ten nicht beein­träch­tigt würden (Boas, S. 253 f., der aber auch auf die abwei­chen­de Meinung von Richter Shaha­bud­deen hinweist, der die amici curiae nicht als antrags­be­rech­tigt erachtet).

d) Die Kammer
Der Präsi­dent des Jugosla­wi­en-Tribu­nals Claude Jorda aus Frank­reich bestimm­te Richard May, einen briti­schen Juris­ten, als Vorsit­zen­den. May, aktives Mitglied der Labour-Partei, war in der briti­schen Justiz tätig gewesen, bevor er an der Konzep­ti­on der Prozess­ord­nung des Tribu­nals betei­ligt war (The Guardi­an v. 2.6.2004). Die Bestim­mung von May war mit Blick auf die Herkunft aus einem Land, das die NATO-Angrif­fe gegen Serbi­en anführ­te, „höchst unglück­lich“, zumal auch Richter zur Auswahl gestan­den hatten, deren Herkunfts­län­der in keiner Verbin­dung zum Balkan­kon­flikt standen (Scharf, S. 305). Gleich­wohl fiel die Wahl für den Vorsitz auf May, weil er von allen Richtern des Tribu­nals als in der Prozess­füh­rung als am beschla­gen­ds­ten galt (Scharf, S. 306). Mögli­cher­wei­se sah sich May auch nicht in der Lage, die Bestim­mung abzuleh­nen, weil dies, so mutmaßt Scharf, sowohl die eigene Befan­gen­heit als auch die Glaub­wür­dig­keit des Tribu­nals gefähr­det hätte (Scharf, S. 306).

Die beiden weite­ren Richter stamm­ten nicht aus Natio­nen der NATO. Es waren Patrick Robin­son aus Jamai­ka, und O‑Gon Kwon aus Südko­rea (Waters 2013d, S. 57). Robin­son war vor der Berufung an das Jugosla­wi­en-Tribu­nal unter anderen Berater des jamai­ka­ni­schen Außen­mi­nis­te­ri­ums und Mitglied der Inter­na­tio­nal Law Commis­si­on. O‑Gon Kwon war vor seiner Benen­nung in der Minis­te­ri­al­ver­wal­tung und Justiz Südko­reas tätig.

Am 10. Juni 2004 bestimm­te der UN-General­se­kre­tär Kofi Annan, als Ersatz für den krank­heits­be­dingt zurück­ge­tre­te­nen und kurz später verstor­be­nen May, Ian Bonomy, zuvor Richter am Obers­ten Gerichts­hof Schott­lands (Fairlie, S. 144), wodurch sich die Beden­ken der Herkunft freilich fortsetz­ten. Den Vorsitz übernahm fortan Robin­son. Die Erset­zung durch Bonomy, die noch vor der Entschei­dung über den Antrag auf Freispruch (s. dazu bei 6.) erfolg­te, erscheint nicht unbedenk­lich, zumal sie Fairness­pro­ble­me aufwirft: Zum einen droht die Gefahr, dass ein neu hinzu­kom­men­der Richter, der der bishe­ri­gen Verhand­lung nicht beigewohnt hatte, eher dazu neigen könnte, Vorwür­fe erst einmal aufrecht zu erhal­ten, was mit Blick auf den Antrag auf Freispruch proble­ma­tisch erscheint (Fairlie, S. 148). Zum anderen droht die Erset­zung das richter­li­che Kolle­gi­al­prin­zip zu beein­träch­ti­gen: Der Umstand nämlich, dass die Richter­bank mit mehre­ren Perso­nen besetzt ist, dient gerade der Siche­rung eines Austauschs von Argumen­ten unter Gleichen, die Ansich­ten der anderen Richter sind also gleich­sam delibe­ra­ti­ver Filter für die eigenen Wahrneh­mun­gen und Bewer­tun­gen. Ein neu hinzu­kom­men­der Richter dürfte insofern nicht in gleich­wer­ti­ger Weise am kolle­gia­len Diskurs mitwir­ken können, sondern im Gegen­teil in erhöh­tem Maße der Beein­flus­sung durch seine Kolle­gen ausge­setzt sein (Fairlie, S. 150 ff., die dies insbe­son­de­re kritisch bzgl. der Entschei­dung bezüg­lich des Genozid­vor­wurfs sieht, in dem Bonomy mit Robin­son zusam­men Kwon überstimm­te, s. näher bei 6.).

e) Die Anklage
Zum Prozess­auf­takt vertrat Carla Del Ponte die Ankla­ge. Die ehemals obers­te Schwei­zer Straf­ver­fol­ge­rin mit dem Ruf einer „kompro­miss­lo­sen Juris­tin“ war von Kofi Annan zur Chefan­klä­ge­rin des Tribu­nals ernannt worden. Das Tribu­nal, so ihre Auffas­sung, sei Sinnbild für die Botschaft, dass niemand, auch kein Staats­chef, über dem Gesetz stehe (DW v. 17.11.2003). Im Prozess selbst führte der briti­sche Queen’s Counsel Geoff­rey Nice, der zuvor in der Justiz des Verei­nig­ten König­reich tätig gewesen war, haupt­ver­ant­wort­lich die Anklage.

Für die drei Ankla­gen zu den verschie­de­nen Situa­tio­nen trat jeweils ein eigener Anklä­ger auf: für den Kosovo Dirk Ryneveld, für Bosni­en Dermot Groome und für Kroati­en Hilde­gard Uertz-Retzlaff (Waters 2013d, S. 57). Alle drei Anklä­ger waren zuvor in Kanada, den USA respek­ti­ve Deutsch­land in der Straf­ver­fol­gung tätig.

3. Zeitge­schicht­li­che Einordnung
Miloše­vić wurde angeklagt wegen der Gescheh­nis­se während der Kriege um den Zerfall Jugosla­wi­ens. Deren Zustan­de­kom­men und Verlauf lässt sich folgen­der­ma­ßen skizzieren:
Nach dem Tod Titos im Jahr 1980 wurde die Sozia­lis­ti­sche Födera­ti­ve Republik Jugosla­wi­en von einem Präsi­di­um regiert, das sich aus den acht Bundes­glie­dern zusam­men­setz­te. Diese acht Mitglie­der waren sechs Republi­ken (Bosni­en-Herze­go­wi­na, Kroati­en, Slowe­ni­en, Serbi­en, Monte­ne­gro, Albani­en) und zwei autono­me Provin­zen inner­halb Serbi­ens (Vojvo­di­na und Kosovo). Mit dem Nachlas­sen der Spannun­gen des Kalten Krieges hatte Jugosla­wi­en aus geopo­li­ti­scher Perspek­ti­ve an Bedeu­tung verlo­ren. Die Schul­den­last war gestie­gen und die wirtschaft­li­che Situa­ti­on hatte sich insge­samt verschlech­tert. Die ökono­mi­sche Krise bewirk­te den Wunsch zur Zentra­li­sie­rung. Die Zentra­li­sie­rungs­ten­den­zen lösten umgekehrt Ängste vor einer Vormacht­stel­lung Serbi­ens und folglich vor Autono­mie­be­stre­bun­gen in den Bundes­mit­glie­dern aus. Dieses – teilwei­se natio­na­lis­ti­sche – Streben nach Selbst­stän­dig­keit beunru­hig­te wieder­um beson­ders denje­ni­gen Teil der serbi­schen Bevöl­ke­rung, der außer­halb Serbi­ens, vor allem in Kroati­en und Bosni­en lebte (Waters 2013a, S. 14 f.).

Schließ­lich war es Serbi­en gelun­gen, die Födera­ti­on faktisch zu dominie­ren. Indem es Vojvo­di­na und Kosovo unter direk­te, Monte­ne­gro unter indirek­te politi­sche Kontrol­le brach­te, kontrol­lier­te es de facto vier der acht Sitze des Präsi­di­ums der Sozia­lis­ti­schen Födera­ti­ven Republik Jugosla­wi­en (ibid., S. 15). Als Miloše­vić im Jahr 1990, mittler­wei­le Präsi­dent Serbi­ens, die Bemühun­gen zur Reform der Födera­ti­on sowie zur Stärkung der Autono­mie der Teilre­pu­bli­ken seitens Slowe­ni­en und Kroati­en verhin­der­te, zerbrach der Bund der Kommu­nis­ten Jugosla­wi­ens und verstärk­te den Aufschwung der Unabhän­gig­keits­be­we­gun­gen. Schließ­lich erklär­ten Slowe­ni­en und Kroati­en nach Referen­den am 25. Juni 1991 ihre Unabhän­gig­keit. Dies war der Start­schuss für die Kriege um den Zerfall Jugosla­wi­ens (ibid., S. 16 f.).

Während Slowe­ni­en sich schnell aus der Bundes­re­pu­blik lösen konnte, kam es in Kroati­en zu schwe­ren Ausein­an­der­set­zun­gen: Belage­rung von Städten, Gräuel­ta­ten und Konzen­tra­ti­ons­la­ger. Die serbi­schen Kräfte besetz­ten ungefähr ein Drittel Kroati­ens, das fortan die Republi­ka Srpska Kraji­na bilde­te. In Bosni­en kam es ebenfalls zu einem Referen­dum und infol­ge zu dem Austritt aus der Födera­ti­on, was im Jahr 1992 zum Krieg führte. Der Bosni­en­krieg verlief anfangs äußerst gewalt­sam, sodann verfes­tig­ten sich die Front­li­ni­en bis ins Jahr 1995, bis zwei der Gebie­te, die von serbi­schen Truppen umzin­gelt und darauf­hin zur UN-Schutz­zo­ne erklärt worden waren, überrannt wurden: Srebre­ni­ca und Žepa (ibid., S. 20).

Schließ­lich konnten die bosni­schen und kroati­schen Streit­kräf­te, die ihre Konfron­ta­ti­on auf Betrei­ben der Verei­nig­ten Staaten im Washing­to­ner Abkom­men von 1994 beigelegt hatten, die serbi­schen Truppen entschei­dend zurück­drän­gen. Während­des­sen kam es im Juli 1995 durch serbi­sche Truppen unter General Ratko Mladić zur – später als Völker­mord quali­fi­zier­ten (etwa Prose­cu­tor v. Kristić, IT-98–33‑T, Urt. v. 2.8.2001, Rn. 539 ff. u. 598; weite­re Nachwei­se bei Werle/Jeßberger, Rn. 909 Fn. 145) – Ermor­dung von mehr als 7000 Bosni­ern in Srebre­ni­ca. Ende des Jahres 1995 gelang bei den Friedens­ver­hand­lun­gen in Dayton, bei denen Miloše­vić als wichti­ger Akteur aufge­tre­ten war und auch für die bosnisch-serbi­sche Führung verhan­delt hatte, der Durch­bruch (Waters 2013a, S. 24 f.).

Nach dem Friedens­schluss von Dayton spitz­te sich die Lage im Kosovo zu, der bis dahin weitge­hend ignoriert worden war. Die Befrei­ungs­ar­mee des Kosovo, die UÇK, hatte im Jahr 1997 weite Teile des Kosovo unter ihre Kontrol­le gebracht, was ein militä­ri­sches Vorge­hen Serbi­ens auslös­te. Der Westen reagier­te – entge­gen der Kalku­la­ti­on Miloše­vićs (näher Bassiouni 2013, S. 104 f.) – resolu­ter als in den voran­ge­gan­ge­nen Konflik­ten. Nachdem es zur Tötung von Zivilis­ten in Račak/Reçak gekom­men war und nachfol­gen­de Gesprä­che geschei­tert waren, begann die NATO am 24. März 1999 mit der Bombar­die­rung Serbi­ens. Die serbi­schen Kräfte inten­si­vier­ten ihre Vertrei­bungs­be­mü­hun­gen der kosova­ri­schen Albaner, die NATO wieder­um ihre Bombar­die­rung. Zwei Monate nach Beginn des Luftkrie­ges wurde gegen Miloše­vić die Kosovo-Ankla­ge erhoben. Wenige Wochen später stimm­te Miloše­vić dem Rückzug der serbi­schen Truppen und dem Einzug von NATO-Truppen zu. Die Balkan­krie­ge waren – von einer kurzen Konflikt­pha­se in Mazedo­ni­en abgese­hen – zu Ende (ibid., S. 25 f.).

4. Ankla­ge
Die Ankla­ge gegen Miloše­vić bezog sich zum einen auf die Gescheh­nis­se im Kosovo im Jahre 1999, zum anderen auf die Anfang der 1990er Jahre geführ­ten Kriege in Kroati­en und Bosnien.
Im Kosovo wurde Miloše­vić vorge­wor­fen, vom 1. Januar bis 20. Juni 1999 verant­wort­lich für eine Kampa­gne von Terror und Gewalt gegen die Bevöl­ke­rung der im Kosovo leben­den Kosovo-Albaner gewesen zu sein („planned, insti­ga­ted, ordered, commit­ted or other­wi­se aided and abetted“). Diese habe zur Depor­ta­ti­on von etwa 800.000 Kosovo-Albanern geführt. Dabei sei es zu Gewalt­ta­ten, Mord und sexuel­len Übergrif­fen gekom­men. Im Zuge der Kampa­gne, die sich auf politi­sche, rassi­sche oder religiö­se Gründe gestützt habe, seien neben weite­ren Akten der Verfol­gung auch religiö­se Stätten mutwil­lig zerstört worden (Kosovo Indict­ment, endgül­ti­ge Versi­on, Rn. 53–68). Die Ankla­ge führte verschie­de­ne Modali­tä­ten der Tatbe­ge­hung an – ein durch­aus übliches Vorge­hen. So wurde Miloše­vić für die Taten als Mittä­ter angese­hen, da er Betei­lig­ter an einem gemein­sa­men krimi­nel­len Unter­neh­men („joint crimi­nal enter­pri­se“) gewesen sei, dessen Zweck es war, einen substan­ti­el­len Teil der Kosovo-Albaner aus der Provinz Kosovo zu vertrei­ben, um die serbi­sche Kontrol­le der Provinz zu sichern (ibid., Rn. 16). Die Zurech­nungs­fi­gur des „joint crimi­nal enter­pri­se“ (im Folgen­den: JCE) ermög­licht eine wechsel­sei­ti­ge Zurech­nung von Tatbei­trä­gen mehre­rer Perso­nen. Dabei wurden drei Typen des JCE entwi­ckelt, die sich hinsicht­lich der subjek­ti­ven Anfor­de­run­gen unter­schei­den (s. dazu Werle/Jeßberger, Rn. 601 ff.). Die Grund­form (Typ I) ist gegeben, wenn mehre­re Perso­nen gemein­sam verein­ba­ren, ein Verbre­chen zu begehen und dieses mit gleich gerich­te­tem Vorsatz verein­ba­rungs­ge­mäß ausfüh­ren. Aber auch die Zurech­nung über den Typ III des JCE, der beson­ders gerin­ge Anfor­de­run­gen stellt, begrün­det eine mittä­ter­schaft­li­che Zurech­nung. Danach sind Taten sogar dann zurechen­bar, wenn sie im Exzess zum ursprüng­li­chen Tatplan began­gen wurden, sofern sie die vorher­seh­ba­re Folge der Tatplan­aus­füh­rung sind und der Betei­lig­te bewusst das Risiko einging, dass sie began­gen würden (ibid., Rn. 604). Nötig wurde diese rechts­dog­ma­ti­sche Innova­ti­on, da vor der Schaf­fung des Statuts für den inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof noch keine ausdif­fe­ren­zier­te Dogma­tik der Betei­li­gung existierte.

Neben der Verant­wort­lich­keit als (Mit-)Täter sah die Ankla­ge Miloše­vić infol­ge seiner Verant­wort­lich­keit, Verbre­chen durch seine Unter­ge­be­nen zu verhin­dern oder eine Verfol­gung einzu­lei­ten, als haftbar an (vgl. zur Haftungs­form Burghardt, S. 186 ff.). Diese Vorge­setz­ten­ver­ant­wort­lich­keit betraf einmal seine De-jure-Kontrol­le als Präsi­dent der Bundes­re­pu­blik Jugosla­wi­en, als der er als Vorsit­zen­der des obers­ten jugosla­wi­schen Vertei­di­gungs­ra­tes den Streit­kräf­ten Jugosla­wi­ens vorstand, sowie im Kriegs­fall, zu dem es am 24. März 1999 kam, den ihnen unter­ste­hen­den Stellen (ibid., Rn. 21 f.). Die Vorge­setz­ten­ver­ant­wort­lich­keit betraf aber auch die De-facto-Kontrol­le über zahlrei­che Aspek­te des politi­schen und wirtschaft­li­chen Lebens, insbe­son­de­re die der Medien (ibid., Rn. 23; s. zur Vorge­setz­ten­ver­ant­wort­lich­keit qua politi­scher Führungs­po­si­ti­on, Burghardt, S. 136 ff.).

Für Kroati­en und Bosni­en, so die im Herbst 2001 nachge­lie­fer­ten Ankla­gen, habe ebenfalls ein gemein­sa­mes krimi­nel­les Unter­neh­men bestan­den, nämlich seit dem 1. August 1991. Von etwa einem Drittel des Staats­ge­biets Kroati­en sollte die Mehrheit der kroati­schen und nicht-serbi­schen Bevöl­ke­rung vertrie­ben werden (Croatia Indict­ment, endgül­ti­ge Versi­on, Rn. 6). Ebenso sollte aus großen Teilen von Bosni­en und Herze­go­wi­na die Mehrheit der Nicht-Serben, haupt­säch­lich bosni­sche Musli­me und bosni­sche Kroaten, vertrie­ben werden (Bosni­en und Herze­go­wi­na Indict­ment, endgül­ti­ge Versi­on, Rn. 6). In beiden Fällen sei es zu zahlrei­chen Verbre­chen gekom­men. Die Ankla­ge führte 32 bezie­hungs­wei­se 29 Punkte auf, unter anderem Ausrot­tung, Tötung, Zwangs­trans­fer und Deportation.

Die Ankla­ge – und das macht das Streben nach Verbin­dung der Verfah­ren nachvoll­zieh­bar – verfolg­te die Strate­gie, die Ereig­nis­se, die zu unter­schied­li­chen Zeitpunk­ten und an unter­schied­li­chen Orten statt­ge­fun­den hatten, zu einem Narra­tiv zusam­men­zu­fü­gen. Diesem Narra­tiv zufol­ge war es das Ziel von Miloše­vić gewesen, einen großser­bi­schen Staat zu schaf­fen (Boas, S. 92, mit Kritik an der unkla­ren Redewei­se von einem großser­bi­schen Staat seitens der Ankla­ge). Diese Idee sollte nicht nur die drei Ankla­gen zusam­men­füh­ren, sondern war auch der entschei­den­de Gesichts­punkt, der die Zurech­nung der Verbre­chen zu Miloše­vić ermög­li­chen würde – nämlich über die dogma­ti­sche Figur des gemein­sa­men krimi­nel­len Unter­neh­mens. Denn Miloše­vić persön­lich war stets räumlich entfernt von den eigent­li­chen Orten der Verbre­chen. Die Ankla­ge musste also für jedes Einzel­ver­bre­chen nachwei­sen, entwe­der dass Miloše­vić unmit­tel­bar für die Anord­nung, die Planung von Taten oder die Hilfe dabei verant­wort­lich war oder zumin­dest nachwei­sen, dass er infol­ge seiner Vorge­set­zen-Verant­wort­lich­keit die Pflicht hatte, die Taten zu verhin­dern oder zu ahnden. Gerade die Bewei­se für seine aktive Betei­li­gung waren freilich schwer zu erlan­gen, was die Zurech­nungs­fi­gur des gemein­sa­men krimi­nel­len Unter­neh­mens umso bedeu­ten­der werden ließ (Waters 2013d, S. 61 f.). „Kronju­wel“ (Boas, S. 123) der Ankla­ge war der Vorwurf des Verbre­chens aller Verbre­chen: Völker­mord. Die Ankla­ge hatte den Vorwurf des Genozids nur im Falle von Bosni­en vorge­tra­gen, und dies ledig­lich in Bezug auf die Gruppe der bosni­schen Musli­me (s. zum Vorwurf des Genozids bei 6.).

Mit der Verbin­dung der drei Ankla­gen und der damit einher­ge­hen­den Theorie eines großser­bi­schen Staates lud sich die Ankla­ge eine ambitio­nier­te Bürde auf. Das Ausmaß wird sicht­bar, wenn man sich die Zahlen des produ­zier­ten Materi­als verge­gen­wär­tigt: unter anderem wurden 1,2 Millio­nen Seiten an Beweis­ma­te­ri­al produ­ziert und 328 Zeugen gehört (Waters 2013d, S. 63). Dieses Vorge­hen der Ankla­ge, ein derma­ßen unüber­blick­ba­res Ankla­ge­ma­te­ri­al zu produ­zie­ren, wird im Nachhin­ein als übereif­rig (Boas, S. 79 u. 110) und als strate­gisch fehler­haf­tes Vorge­hen beschrie­ben (Robert­son, S. xiii: Fehler des „throwing the book“). Del Ponte räumte später selbst den Umfang der Vorwür­fe ansatz­wei­se als Versäum­nis der Ankla­ge ein, verwies im selben Atemzug jedoch auf das Unver­ständ­nis der Opfer, hätte man Vorwür­fe fallen­ge­las­sen (Del Ponte, S. 143). Kritik fand Del Ponte umgekehrt in nicht unerheb­li­chem Maße für die Kammer: die Richter seien wegen ihrer Herkunft aus dem System des common law die Einmi­schung in den Prozess nicht gewohnt und daher zu passiv geblie­ben. Sie wären zudem in der Praxis der Prozess­füh­rung unerfah­ren und gegen­über den Avancen von Miloše­vić übertrie­ben tolerant gewesen (Del Ponte, S. 140 f.).

5. Vertei­di­gung
In der Substanz zielte Miloše­vićs Vertei­di­gung für den Kosovo vor allem darauf, dass forma­le Komman­do­struk­tu­ren ordnungs­ge­mäß einge­hal­ten wurden und die Verbre­chen mithin nicht durch offizi­el­le Autori­tä­ten began­gen worden sein konnten (Boas, S. 83). Miloše­vić versuch­te außer­dem die Verbin­dung zu erschüt­tern, die zwischen seiner Person und den unmit­tel­bar verüb­ten Taten („crime base“) durch die Ankla­ge behaup­tet wurde, insbe­son­de­re bei der Frage des Genozids. Die Verbin­dung zwischen den konkre­ten Taten und Miloše­vićs Verhal­ten blieb denn auch eine zentra­le, offene Frage. Während Del Ponte sich in der Rückschau optimis­tisch zur Beleg­bar­keit der Verbin­dung äußert (Del Ponte, S. 139), ist etwa Prelec, der von 2002 bis 2004 der senior resear­cher der Straf­ver­fol­gung war, skepti­scher, insbe­son­de­re was die Bezie­hung von Miloše­vić zu – dem mittler­wei­le für das Massa­ker von Srebre­ni­ca verur­teil­ten (CASE No. IT-09–92‑T, Urt. v. 22.11.2017) – Ratko Mladić angeht. „My own view is that Miloše­vić must have known of the opera­ti­on to take the eastern encla­ves [u.a. Srebren­cia; M.A.], but probab­ly did not appro­ve the mass killing.“ (Prelec, S. 371)

Die haupt­säch­li­che Vertei­di­gungs­stra­te­gie jedoch war politi­scher Natur: Miloše­vićs Vertei­di­gung war von der Absicht getra­gen, sich selbst und die gesam­te serbi­sche Nation als Geschä­dig­te zu betrach­ten, nämlich als Opfer imperia­lis­ti­scher Einmi­schung. Insofern spiel­te auch der gerin­ge foren­si­sche Nutzen, den seine Zeugen oftmals liefer­ten, keine Rolle. Vielmehr zielten die Befra­gun­gen darauf, sein Narra­tiv von der Übergrif­fig­keit des Westens zu belegen (Waters, 2013d, S. 67). Im Zusam­men­hang mit dieser Vertei­di­gungs­stra­te­gie war Miloše­vić bestrebt, Staats­ober­häup­ter in den Zeugen­stand zu rufen, um sie damit zu konfron­tie­ren, dass sie ihn bei den Friedens­ver­hand­lun­gen von Dayton – trotz den Gescheh­nis­sen in Bosni­en – als essen­ti­el­len Partner betrach­tet hatten (Scharf, S. 306). Mit den Vorla­dungs­an­trä­gen drang die Vertei­di­gung bei der Kammer nicht durch – der Antrag zur Vorla­dung von Bill Clinton war bis zum Tod Miloše­vićs nicht entschie­den (vgl. Higgins, S. 814).

In den Vorder­grund stellen möchte ich hier jedoch den Aspekt, der als strate­gi­scher Kern der Vertei­di­gung gelten kann: Die Entschei­dung von Miloše­vić, sich selbst zu vertei­di­gen. Die Wirkun­gen, die von dem Gebrauch des Rechts auf Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on (vgl. dazu Raveling 2014, S. 54 ff.) ausgin­gen, möchte ich im Folgen­den auffächern.
Der offen­sicht­lichs­te Effekt betrifft die Rolle in der Verhand­lung. Hätte sich Miloše­vić durch einen Vertei­di­ger vertre­ten lassen, hätte er sich im Wesent­li­chen durch seine Aussa­ge als Zeuge einbrin­gen können – und wäre dabei dem Kreuz­ver­hör der Gegen­sei­ti­ge ausge­setzt gewesen. Die Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on hinge­gen brach­te Miloše­vić erheb­lich mehr Zeit vor den Richtern und der Öffent­lich­keit ein und gab ihm die Möglich­keit, im Rahmen der von ihm durch­ge­führ­ten Befra­gun­gen politi­sche Ausfüh­run­gen vorzu­tra­gen – ohne hierbei dem Kreuz­ver­hör ausge­setzt zu sein (Waters 2013d, S. 68).

Auch versetz­te ihn dies in die Lage, seine Strate­gie, sich als „Wächter der Serbi­schen histo­ri­schen Wahrheit“ darzu­stel­len, als Antwort auf das Vorge­hen der Ankla­ge (Surroi, S. 226). Sein eigenes Vorge­hen zielte daher darauf, die Wider­sprüch­lich­kei­ten von Zeugen­aus­sa­gen zu verdeut­li­chen, indem er sich auf die Kennt­nis von Einzel­hei­ten konzen­trier­te. So konnte er einen Zeugen mit Detail­wis­sen konfron­tie­ren, indem er etwa exakt wusste, wie weit ein Strom­mast von dessen Haus entfernt stand. Anderen laste­te er an, nicht bestimmt sagen zu können, ob die Übeltä­ter die Uniform der Armee oder der Polizei getra­gen hatten. Derlei Infra­ge­stel­lung der Zeugen­aus­sa­gen war rechts­tech­nisch wenig zielfüh­rend. Für die Außen­wahr­neh­mung war das Vorge­hen nicht unbedeu­tend und diente dem Zweck, den Prozess als politi­sche Verschwö­rung gegen sich selbst darzu­stel­len (Surroi, S. 226). Während die Ankla­ge Miloše­vićs Vertei­di­gungs­vor­ge­hen als „politi­sche Reden“, die das Gericht noch stärker hätte unter­bin­den sollen, quali­fi­zier­te (Del Ponte, S. 141), beweg­te Miloše­vić sich – nach Auffas­sung der Kammer – im Rahmen dessen, was durch das Recht zur Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on zuläs­sig war. Dies lässt sich bereits daran ablesen, dass die Kammer keinen Anlass sah, die Beiord­nung eines Vertei­di­gers aus Gründen der Störung des Verfah­rens zu erwägen, im Gegen­satz etwa zu dem Verfah­ren gegen Šešely vor dem Tribu­nal (dazu ausf. Boas, S. 228 ff., inbes. 231). Versteht man die Entschei­dung, sich selbst zu vertei­di­gen, im Sinne der fakti­schen Erwei­te­rung der Vertei­di­gungs­re­de, so ermög­lich­te dies Miloše­vić überhaupt erst die Durch­füh­rung seiner Strate­gie, nämlich den Prozess aus grund­sätz­li­chen, politi­schen Gründen abzuleh­nen. Aus Perspek­ti­ve eines politi­schen Straf­pro­zes­ses sind seine „politi­schen Reden“ insofern Mittel zur Gegen­wehr par excellence.

In der Außen­wahr­neh­mung ist die Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on der Versuch, dem Prozess einen bestimm­ten Rahmen zu geben: Dem Tribu­nal, also den Richtern, Anklä­gern und dem weite­ren Gerichts­per­so­nal, stand Miloše­vić als Einzel­ner gegen­über. Der Eindruck des Einzel­kämp­fers ist etwas zu relati­vie­ren angesichts der Unter­stüt­zung durch Anwäl­te und Recher­cheu­re, in den Haag und Serbi­en, die ihn wohl auch in Verhand­lungs­pau­sen mit Infor­ma­tio­nen versorg­ten (NYT v. 27.2.2002). Scharf hält ihn gar für eine Illusi­on (Scharf, S. 297). Gleich­wohl ist nicht zu verken­nen, dass Miloše­vić im Gerichts­saal tatsäch­lich völlig auf sich allein gestellt war – ohne Möglich­keit, bei einer Schwä­che Unter­stüt­zung zu erhal­ten (Waters 2013d, S. 68). Die perso­na­le Aufstel­lung im Sitzungs­saal trug dazu bei, das Bild von „Miloše­vić gegen die Welt“ zu vermit­teln. Miloše­vić selbst überhöh­te das Bild noch dadurch, dass er beton­te, stell­ver­tre­tend für die serbi­sche Nation auf der Ankla­ge­bank zu sitzen (Steiniz, S. 119; Waters 2013d, S. 57 f.).
Mit dem Bild Einzel­kämp­fers verbun­den war die Vertei­di­gungs­stra­te­gie der De-Legiti­mie­rung: Denn als Begrün­dung für seine Entschei­dung zur Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on machte er geltend, dass es sich um ein illegi­ti­mes Tribu­nal hande­le. Weil es also im Prozess gegen ihn gar nicht um Recht gehe, sei es auch nicht angezeigt, sich eines Rechts-Anwal­tes zu bedie­nen. „I consi­der this tribu­nal a false Tribu­nal and indict­ment a false indict­ment … so I have no need to appoint counsel to illegal organ” (Transcripts, 3.7.2001, S. 2). Die Strate­gie der De-Legiti­mie­rung manifes­tier­te sich in beson­de­rer Weise im Sprach­duk­tus. So verwei­ger­te Miloše­vić den Richtern die Höflich­keits­an­spra­che („Your Honour“/“Judge“), adres­sier­te sie vielmehr als „Mister“, nannte die amici curiae spöttisch „the gentle­men from the amicus“, die Ankla­ge­schrift „this document“, das Tribu­nal „this insti­tu­ti­on“ (Steiniz, S. 113 f.). Auf diese Weise beton­te er immer wieder die Nicht-Anerken­nung des Tribu­nals. Nach Einschät­zung der Ankla­ge (vgl. Del Ponte, S. 141) wäre diese Nicht-Anerken­nung einem Vertei­di­ger als schwe­re Respekt­lo­sig­keit angekrei­det worden.

Die substan­ti­el­le Argumen­ta­ti­on hinter der Strate­gie der De-Legiti­mie­rung war nicht haltlos. So ließ sich etwa die Schaf­fung des Tribu­nals durch den UN-Sicher­heits­rat – statt durch die UN-Vollver­samm­lung – durch­aus kriti­sie­ren; die Kammer verwies hier auf Art. 41 der UN-Charta, der dem Sicher­heits­rat Maßnah­men zur Wieder­her­stel­lung von inter­na­tio­na­lem Frieden und Sicher­heit gestat­tet (Decisi­on on Preli­mi­na­ry Motions, Rn. 6 f.). Auch die Tatsa­che, dass der Präsi­dent des Tribu­nals, Jorda aus Frank­reich, als Vorsit­zen­den Richter den Briten May bestimmt hatte, erscheint nicht unpro­ble­ma­tisch, zumal so, nimmt man noch die vier haupt­ver­ant­wort­li­chen Anklä­ger hinzu, zentra­le Akteu­re gerade aus eben den Ländern stamm­ten, die für die Bombar­die­rung Serbi­ens durch die NATO verant­wort­lich waren. Timothy Waters bezeich­net den Umstand, dass alle vier haupt­ver­ant­wort­li­chen Anklä­ger aus NATO-Staaten stamm­ten, als „awkward­ly“, also misslich bzw. ungeschickt (Waters 2013d, S. 57). Zwar war auch der NATO-Einsatz – in einem auf NATO-eigenen Quellen basie­ren­den Bericht – auf Völker­rechts­ver­bre­chen überprüft worden. Das hinder­te Miloše­vić nicht, den Umstand der Bombar­die­rung als Tu-quoque-Einwand vorzubringen.

Miloše­vić verfolg­te die Strate­gie der De-Legiti­mie­rung dennoch nicht als ausschließ­li­che Strate­gie. Der Einwand der Illegi­ti­mi­tät war inhalt­lich-recht­lich nicht aussichts­reich. Nicht nur trägt der Tu-quoque-Einwand per se nicht weit (s. zur Ableh­nung als Straf­frei­stel­lungs­grund Werle/Jeßberger, Rn. 771 mwN). Dies liegt schon daran, dass es sich dabei um einen argumen­ta­ti­ven Fehlschluss handelt. Im Nürnber­ger Kriegs­ver­bre­cher­pro­zess wurde Dönitz zwar damit gehört, dass auch von briti­scher und ameri­ka­ni­scher Seite dem unein­ge­schränk­ten U‑Boot-Krieg ähnli­che Verstö­ße began­gen worden seien – und insofern war seine Verur­tei­lung nicht auf „seine Verstö­ße gegen die inter­na­tio­na­len Bestim­mun­gen über den U‑Boot-Krieg gestützt“ worden (Nürnber­ger Prozess gegen die Haupt­kriegs­ver­bre­cher, S. 353). Doch half der Einwand augen­schein­lich auch dort nicht, die Existenz der Verstö­ße zu bestrei­ten. Im Fall von Miloše­vić war der Einwand noch schwä­cher – denn gegen die Akteu­re der NATO konnte ein ähnlich gewich­ti­ger Vorwurf, wie er Miloše­vić angelas­tet wurde, nicht ernst­lich behaup­tet werden (so Scharf, S. 305 mit weite­ren Argumenten).

Die Frage der Legiti­mi­tät des Tribu­nals war überdies im Prozess gegen Duško Tadić, ein Mitglied serbi­scher parami­li­tä­ri­scher Kräfte, disku­tiert und beschie­den worden (Waters 2013d, S. 56). Miloše­vić verfolg­te denn auch keine Strate­gie vollstän­di­ger Verwei­ge­rung wie es für einen politi­schen Straf­pro­zess nicht ungewöhn­lich gewesen wäre (vgl. zur weitge­hen­den Verwei­ge­rung etwa bei Papado­pou­lous s. Stefa­no­pou­lou, S. 6). Er nahm im Gegen­teil äußerst aktiv am Prozess­ge­sche­hen teil. Auch wenn die harte Kritik an der Legiti­mi­tät des Tribu­nals und die aktive Teilnah­me keines­wegs ein wider­sprüch­li­ches Verhal­ten darstel­len, überrasch­te Miloše­vićs Aktivi­tät die Ankla­ge, die einen schwei­gen­den Angeklag­ten erwar­tet hatte (Boas, S. 134). Nun sah sie sich einem Angeklag­ten gegen­über, der die Zeugen umfäng­lich ins Kreuz­ver­hör nahm – die Zeugen der Ankla­ge sogar oft länger als diese selbst (Waters 2013d, S. 65). Diese Ambigui­tät, sich dem Prozess zu verwei­gern und sich gleich­wohl zu betei­li­gen, charak­te­ri­siert die Vertei­di­gungs­stra­te­gie insge­samt. Die Ambigui­tät scheint auch an weite­ren Stellen auf: so etwa stell­te Miloše­vić sich den ihm kurzzei­tig aufge­zwun­ge­nen Vertei­di­gern vehement entge­gen, kommu­ni­zier­te – vermit­telt über das Pro Se Office der Regis­tra­tur – gleich­wohl mit ihnen (Anoya, S. 168 und insges. zur Rolle der Regis­tra­tur zur Aufrecht­erhal­tung einer Kommu­ni­ka­ti­on mit dem Angeklagten).

Gerade beim Kreuz­ver­hör der Zeugen kam ein weite­rer strate­gi­scher Aspekt der Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on zum Tragen, nämlich auf der Ebene der Kommu­ni­ka­ti­ons­struk­tur: So konnte Miloše­vić seinen Status als ehema­li­ger Staats­prä­si­dent effekt­voll ausspie­len, einen Status des weltmän­ni­schen Staats­manns, der auf viele der Opferzeu­gen, die häufig der einfa­chen Landbe­völ­ke­rung angehör­ten, überwäl­ti­gend und einschüch­ternd wirkte (Waters 2013d, S. 65; Del Ponte, S. 147). So stell­te er die Fragen in serbi­scher Sprache, der Sprache der vorma­li­gen Macht, die viele Zeugen verstan­den (dazu und insges. zur Sprache vor dem Tribu­nal Surroi, S. 227).

Neben diesen direk­ten Folgen der Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on, also Recht zur unbefrag­ten Rede, Image des Einzel­kämp­fers, Rheto­rik der De-Legiti­mie­rung und die Instru­men­ta­li­sie­rung des eigenen Präsi­den­ten­sta­tus, erreich­te Miloše­vić durch die Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on, dass die Kammer in ihrer Aufga­be, für einen fairen Prozess zu sorgen, beson­ders gefor­dert war. Die Kammer musste unbedingt vermei­den, sich den Vorwurf des unfai­ren Prozes­ses einzu­han­deln, was Miloše­vić wieder­um ermög­lich­te, die ihm zur Verfü­gung stehen­den prozes­sua­len Mittel, etwa die Zeit zur Prozess­vor­be­rei­tung oder die Wahrneh­mung des Rede- und Frage­rechts, in hohem Maße auszu­rei­zen. Das Gericht musste sicher­stel­len, dass dem Angeklag­ten genügend Ressour­cen zur Verfü­gung standen, um die Ankla­ge zu überbli­cken und zu verar­bei­ten, was angesichts des mengen­mä­ßig immensen Umfangs – 1,2 Millio­nen Seiten wurden Miloše­vić gegen­über offen­ge­legt (Robert­son, S. xii) – beson­ders bedeut­sam war. Gegen­über dem sich selbst vertei­di­gen Angeklag­ten geriet die Aufga­be des Gerichts, die Fairness des Prozes­ses sicher­zu­stel­len, zu einer beson­ders delika­ten Angele­gen­heit. Einige kriti­sie­ren das Maß, in dem das Gericht dem Angeklag­ten Unter­stüt­zung gab und werfen die Frage auf, zu welchem Ausmaß das Gericht eine Strate­gie unter­stüt­zen sollte, die die auf die eigene De-Legiti­mie­rung zielt (Shany, S. 177). Die Wirkung der indirek­ten Strate­gie lässt sich etwa an der Entschei­dung der Kammer ablesen, die drei amici curiae zu bestel­len und – trotz der gesund­heit­li­chen Einschrän­kun­gen – lange Zeit das Recht auf Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on nicht zuguns­ten einer Vertei­di­ger­be­stel­lung infra­ge zu stellen. Und als die Kammer auf Betrei­ben der Ankla­ge schließ­lich doch beschloss, ihm die amici curiae Steven Kay und Gilli­an Higgins als Vertei­di­ger zu bestel­len, wurde diese Entschei­dung schnell kassiert. Begrün­det wurde das damit, dass die Beiord­nung so ausge­stal­tet war, Miloše­vić die Kontrol­le über die Vertei­di­gung vollstän­dig aus der Hand zu nehmen, während es ihm gestat­tet sein müsse, soweit es sein Gesund­heits­zu­stand erlau­be und gegen­wär­tig erlau­be er es, selbst die Führung über das Vorbrin­gen seiner Vertei­di­gung wahrzu­neh­men (Appeal Chamber v. 1.11.2004, Rn. 19; s. zur Aussa­ge­ver­wei­ge­rung von Zeugen wegen der Abwesen­heit Miloše­vićs, Raveling, S. 287; Boas, S. 242). Der Umstand, dass es sich bei den beigeord­ne­ten Vertei­di­gern um zwei Perso­nen handel­te, die zuvor die Rolle von amici curiae innehat­ten, war zudem wenig hilfreich, zumal diese bis dato Ratge­ber für das Gericht waren und Miloše­vić ihnen nicht vertrau­te (Waters, 2013d, S. 69).

Durch das vorzei­ti­ge Ende des Prozes­ses bleibt offen, wie das Gericht mit dem Umstand umgegan­gen wäre, dass Miloše­vić in den zwei Dritteln der ihm vom Gericht gewähr­ten Zeit ungefähr 75 Prozent auf die Kosovo-Ankla­ge verwen­det, die Vorwür­fe bzgl. Bosni­en und Kroati­en hinge­gen kaum adres­siert hatte (Boas, S. 155). Das Gericht hatte versucht, den Prozess durch das Führen von Zeitkon­ten handhab­bar zu machen (dazu umf. Boas, 142 ff.). Es hatte der Ankla­ge früh eine Frist gesetzt, inner­halb derer sie ihren Fall zu präsen­tie­ren hatte. Miloše­vić sollte diesel­be Zeit zu Verfü­gung stehen, wobei Anpas­sun­gen bezüg­lich adminis­tra­ti­ver Prozes­se und Kreuz­ver­hö­re vorge­se­hen waren. Miloše­vić versuch­te später, knapp eine Verdopp­lung der ihm zur Verfü­gung stehen­den Zeit zu errei­chen, indem er sich auf die Ungleich­heit der Stärke von Ankla­ge und Vertei­di­gung berief, weshalb das Prinzip der Waffen­gleich­heit verletzt sei. Die Kammer sah die gleiche Zeitzu­tei­lung, die zudem konstant überprüft werde, als faires Vorge­hen an, wobei es die Möglich­keit einer Erwei­te­rung offen­ließ, so Miloše­vić erken­nen lasse, dass er seine Zeit in „angemes­se­ner und effizi­en­ter Weise“ verwen­de (Decisi­on on Exten­si­on of Time, Rn. 24–26; dazu Boas, 160 ff.). Zu einem derar­ti­gen weite­ren Antrag kam es durch den Tod Miloše­vićs nicht. Auch wenn der Vorwurf der Unfair­ness mit Blick auf die Zeitein­tei­lung recht­lich nicht stich­hal­tig erscheint, so wäre er womög­lich geeig­net gewesen, zur Bemäke­lung des Prozes­ses in der Außen­wahr­neh­mung herzuhalten.

Obwohl die Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on insge­samt zutref­fend als deutli­cher Gewinn für Miloše­vić betrach­tet wird (Waters 2013d, S. 68 f., auch zu Nachtei­len), so liegen die Schwach­stel­len der Entschei­dung auf der Hand: Nicht nur entging ihm dadurch die Unter­stüt­zung eines profes­sio­nel­len und spezia­li­sier­ten Vertei­di­gers, der augen­blick­lich in der mündli­chen Verhand­lung eingrei­fen konnte. Es bestand außer­dem stets die Gefahr durch die Befra­gung im Kreuz­ver­hör selbst­be­las­ten­de Aussa­gen zu tätigen bzw. belas­ten­des Wissen zu offenbaren.

6. Kein Urteil, aber eine Entschei­dung: Die Entschei­dung über den Antrag auf Freispruch
Durch den Tod von Miloše­vić blieb ein Urteil aus, der Prozess damit unvoll­endet. Es existiert aber ein Dokument, in dem das Gericht sich substan­ti­ell mit der Ankla­ge ausein­an­der­setz­te, nämlich die Entschei­dung über den Antrag auf Freispruch, die „motion for judge­ment of acquit­tal” gemäß Regel 98bis ICTY-Statu­te. Dieser Antrag wurde von den amici curiae nach Abschluss der Ankla­ge­pha­se am 3. März 2004 gestellt.

Nach diesem aus dem common law stammen­den Insti­tut überprüft das Gericht auf Antrag, inwie­weit es – wenn es die von der Ankla­ge vorge­tra­ge­nen Bewei­se akzep­tier­te – überhaupt zu einer Verur­tei­lung jenseits vernünf­ti­ger Zweifel hätte kommen können. Es geht also rein um die Möglich­keit der Verur­tei­lung, nicht um eine Wahrschein­lich­keit (vgl. zum Maßstab die geson­der­te Stellung­nah­me von Judge Robin­son im Anschluss an die Decisi­on on Motion for Acquit­tal). Die amici curiae wider­spra­chen nicht der größe­ren Linie der Ankla­ge, stell­ten also nicht die Verant­wort­lich­keit von Miloše­vić in Frage. Sie beschränk­ten sich vielmehr darauf, Einzel­ver­bre­chen als unsub­stan­zi­iert aus der Fülle der Ankla­ge­vor­wür­fe auszu­schei­den (Boas, S. 127). Boas erach­tet diese Beschrän­kung des Antrags als kurios und merkt an, dass die Ankla­ge sich hätte glück­lich schät­zen können, dass der Antrag auf Freispruch nicht den Kern des Verfah­rens angegrif­fen habe (Boas, S. 127 f.). Insofern konnte sich die Kammer im Wesent­li­chen darauf konzen­trie­ren, die von den amici curiae angemahn­ten Ausson­de­run­gen der Vorwür­fe zu unter­su­chen. Die Frage, ob Miloše­vić eine recht­li­che Verant­wort­lich­keit überhaupt zugeschrie­ben werden könnte, also die Möglich­keit eines Freispruchs, geriet damit nicht in den Fokus der gericht­li­chen Prüfung.

Die entspre­chen­de Entschei­dung, die das Gericht am 16. Juni 2004 fällte, war außer­ge­wöhn­lich umfang­reich. Dies lag vermut­lich daran, dass etliche Rechts­fra­gen adres­siert wurden (dazu Ambos 2004, S. 965 ff.), promi­nent etwa die Frage der Staats­ei­gen­schaft Kroati­ens, die für den Vorwurf der Verstö­ße gegen die Genfer Konven­tio­nen relevant war, weil die Anwend­bar­keit der Konven­tio­nen einen inter­na­tio­na­len Konflikt voraus­setzt, also mindes­tens zwei Staaten. Die Ausführ­lich­keit der Entschei­dung lag aber auch an der großen Zahl der Vorwür­fe, für welche die Kammer einen Freispruch gewähr­te, nämlich in 183 der von den amici curiae beanstan­de­ten Fälle (Boas, S. 123 u. 126 f.). Trotz­dem bestä­tig­te die Kammer 66 Ankla­ge­punk­te („counts“) in den drei Ankla­gen. Dass die Kammer angesichts der Bewei­se für alle Ankla­ge­punk­te eine Verur­tei­lung Miloše­vićs für möglich hielt, lässt sich als guter Erfolg für die Ankla­ge bewerten.

Recht­lich beach­tens­wert war die Behand­lung des Vorwurfs des Völker­mords. Die Ankla­ge hatte den Vorwurf nur im Falle von Bosni­en vorge­tra­gen, und ledig­lich in Bezug auf die Gruppe der bosni­schen Musli­me. Zur Frage, in welchen Ortschaf­ten der mutmaß­li­che Genozid statt­ge­fun­den hatte, war die Ankla­ge unstet und einiger­ma­ßen verwir­rend (s. Boas, S. 124 f.). Die Kammer bejah­te letzt­lich für sieben Bezir­ke die Möglich­keit, dass es diesbe­züg­lich ein gemein­sa­mes krimi­nel­les Unter­neh­men („Joint Crimi­nal Enter­pri­se“, s. dazu allge­mein bei 4.) gegeben habe, das auf die Zerstö­rung eines Teiles der bosni­schen Musli­me zielte, und dass Miloše­vić Teilneh­mer dieses Unter­neh­mens gewesen sei: Brćko, Prije­dor, Sanski Most, Srebre­ni­ca, Bijel­ji­na, Kljuć und Boasanski Novi (Decisi­on on Motion for Acquit­tal, Rn. 289).

Die entschei­den­de Frage beim Vorwurf des Genozids war die subjek­ti­ve Zurech­nung. Ließ sich aus dem von der Ankla­ge vorge­tra­ge­nen Beweis­ma­te­ri­al nicht nur entneh­men, dass die bosni­sche Führung von der Inten­ti­on der Zerstö­rung getra­gen war, sondern auch, dass Miloše­vić selbst die Zerstö­rungs­ab­sicht gehabt hatte (vgl. zur Verwäs­se­rung des Dolus-Erfor­der­nis Meier­hen­rich, S. 322)? Die Kammer hielt dies mehrheit­lich für möglich und führte dafür eine Reihe von Indizi­en an. Dazu zählen Miloše­vićs Befür­wor­tung eines großser­bi­schen Staates, seine enge Bezie­hung zur bosnisch-serbi­schen Führung, insbes. zu Karadžić, seine intime Kennt­nis sämtli­cher Vorgän­ge sowie die Art und Weise des Vorge­hens, u.a. das geziel­te Vorge­hen gegen Perso­nen, die für das Überle­ben der Musli­me als Gruppe wichtig waren (Decisi­on on Motion for Acquit­tal, Rn. 288). Folgt man dieser Ablei­tung der beson­de­ren Absicht aus den Indizi­en und schreibt auch Miloše­vić selbst die beson­de­re Zerstö­rungs­ab­sicht zu (dagegen etwa Prelec, S. 371), wäre er als Mittä­ter am Genozid einzu­ord­nen, vgl. JCE Typ I.

Während die Kammer es im Stadi­um des Antrags auf Freispruch für möglich hielt, in der weite­ren Verhand­lung zu einer Verur­tei­lung wegen Genozids jenseits vernünf­ti­ger Zweifel gelan­gen zu können, entgeg­ne­te Richter Kwon in seiner abwei­chen­den Meinung, dass das vorge­leg­te Beweis­ma­te­ri­al bereits die Hürde dieses groben Tests nicht genom­men hätte: statt Miloše­vić als (Mit)Täter gemäß der stärks­ten Form des gemein­sa­men krimi­nel­len Unter­neh­mens (JCE Typ I) einzu­ord­nen, ließen die vorge­leg­ten Bewei­se besten­falls den Schluss zu, dass Miloše­vić von einem Völker­mord anläss­lich der Umset­zung des Planes der krimi­nel­len Unter­neh­mung wusste bzw. diesen hätte voraus­se­hen können. Allein aus Wissen oder Voraus­seh­bar­keit könne das für eine täter­schaft­li­che Betei­li­gung notwen­di­ge Wollens-Element, die beson­de­re Zerstö­rungs­ab­sicht, jedoch nicht abgelei­tet werden (Dissen­ting opini­on of judge Kwon, im Anschluss an Decisi­on on Motion for Acquit­tal). Kwon hielt es allen­falls für möglich, dass Miloše­vić wegen anderer Zurech­nungs­for­men am Genozid bestraft werden könnte – solche hatte sich auch die Kammer im Beschluss offen­ge­hal­ten (ibid., Rn. 293, 299, 309; vgl. zu den Zurech­nungs­for­men vor dem ICTY Swobo­da, S. 945 ff.). Dabei handel­te es sich u.a. um die umstrit­te­ne Zurech­nungs­form des JCE Typ III, nach der ein Erfolg bereits dann zugerech­net wird, wenn ledig­lich voraus­seh­bar war, dass bei der Ausfüh­rung des gemein­sa­men krimi­nel­len Unter­neh­mens gewis­se Verbre­chen, hier: Genozid, began­gen würden (krit. Meier­hen­rich, 321 f.). Auch die Verant­wort­lich­keit aufgrund der Stellung als Vorge­setz­ter wurde zusätz­lich angeführt.

Über die Frage des Völker­mord-Vorwurfs lässt sich mangels Urteils nur mutma­ßen. Nimmt man jedoch an, dass das Gericht am Ende – wie Richter Kwon – nicht zur Überzeu­gung gelangt wäre, dass Miloše­vić auch selbst die spezi­el­le Zerstö­rungs­ab­sicht gehabt habe, dann hätte eine Zurech­nung als Täter des Genozids auf zweifel­haf­ter recht­li­cher Grund­la­ge gestan­den: Die Zurech­nungs­fi­gur des JCE Typ III ist wegen ihrer Nähe zu einer objek­ti­ven Erfolgs­haf­tung umstrit­ten (Ambos 2004, S. 967; näher die Kritik bei Burghardt, S. 346 f.; offener Swobo­da, S. 949); auch über das Insti­tut der Vorge­set­zen-Verant­wort­lich­keit dürfte man, wenn der Angeklag­te die notwen­di­ge Absicht nicht selbst hat, wohl – wenn überhaupt – ledig­lich zu einem Vorwurf der Teilnah­me am Genozid gelan­gen (so Ambos 2004, S. 967).

7. Wirkung und Wirkungsgeschichte
Folgt man der Theorie, dass die völker­straf­recht­li­che Aufar­bei­tung dazu dient, ein autori­ta­ti­ves Narra­tiv über die beurteil­ten histo­ri­schen Ereig­nis­se zu entwi­ckeln (Waters 2013e, S. 297 f.; vgl. zu den Sicht­wei­sen auch Nielsen, S. 328 ff.), dann entfal­tet das Verfah­ren gegen Miloše­vić selbst auf juris­ti­scher Ebene mangels Urteils eine beschränk­te Wirkung (Waters 2013e, S. 313 f.). So wird der Entschei­dung über den Antrag auf Freispruch im hiesi­gen Verfah­ren (s.o. 6.) im Verfah­ren vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof, in dem Bosni­en gegen Serbi­en aufgrund des behaup­te­ten Völker­mords klagte, der Beweis­wert wegen der Vorläu­fig­keit abgespro­chen – gleich­wohl wird die Entschei­dung dort an einigen Stellen aufge­grif­fen (Waters 2013e, S. 309 f.). Der Inter­na­tio­na­le Gerichts­hof gelangt dort zum Ergeb­nis, dass es sich bei den Gescheh­nis­sen in Srebre­ni­ca um Völker­mord gehan­delt habe, hält es aller­dings nicht für gesichert, dass Miloše­vić die Kontrol­le über die Gescheh­nis­se gehabt hatte (Bosnia and Herze­go­wi­na v. Serbia and Monte­ne­gro, Urt. v. 26.2.2007, ICJ-Reports 2007, S. 43, Rn. 412 ff.). Obwohl also weder das Verfah­ren vor dem Jugosla­wi­en-Tribu­nal noch das vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof eine defini­ti­ve juris­ti­sche Antwort über die Verant­wort­lich­keit liefert (vgl. zur Beurtei­lung Miloše­vić in anderen Verfah­ren Nielsen, S. 338 ff.), so wird doch eine histo­ri­sche und politi­sche Wirkung hervor­ge­ho­ben: die durch den Prozess betrie­be­ne Perso­na­li­sie­rung der Schuld auf die Person von Miloše­vić habe dazu beigetra­gen, dass Serbi­en als Staat unbeschä­digt blieb (Drumbl, S. 438). Diese mutmaß­li­che Wirkung wird u.a. aus bosni­scher Perspek­ti­ve freilich kritisch wahrge­nom­men (vgl. Swimelar, S. 189).

Auswir­kung hatte der Prozess auf die Selbst­re­fle­xi­on der am Völker­straf­recht und seiner Verwirk­li­chung Betei­lig­ten: ein Thema ist insoweit die Frage, wie mit einem auf Selbst­re­prä­sen­ta­ti­on pochen­den Angeklag­ten umzuge­hen ist. So wurde teilwei­se die erhöh­te Bereit­schaft zur Pflicht­ver­tei­di­ger­be­stel­lung angemahnt (Boas, S. 268). Auch wird vorge­schla­gen, neue Wege zu prüfen, wie trotz der Pflicht­ver­tei­di­ger­be­stel­lung dem Angeklag­ten ein Recht auf aktive Betei­li­gung einge­räumt werden kann (für den inter­na­tio­na­len Straf­ge­richts­hof Raveling, S. 384 ff.). Das andere Thema ist die Vorge­hens­wei­se der Ankla­ge. Etliche Beobach­ter folger­ten aus der Erfah­rung im Miloše­vić-Prozess, dass sich die Ankla­ge unbedingt auf eine überschau­ba­re Zahl von Vorwür­fen beschrän­ken müsse (s.o. bei 4.). Auch Prakti­ker des Völker­straf­rechts sind rückbli­ckend dieser Ansicht. So bemerk­te der derzei­ti­ge Chefan­klä­ger des Tribu­nals Brammertz auf einer Hambur­ger Tagung, dass es das Tribu­nal im Fall Miloše­vić bezüg­lich des Umfangs der Ankla­ge­punk­te wohl übertrie­ben habe (so der Bericht von Hartig/Maecker, S. 794). Einige plädie­ren gar für eine weitge­hen­de Selbst­be­schrän­kung des inter­na­tio­na­len Straf­rechts: statt eine histo­ri­sche Aufar­bei­tung zu versu­chen, solle sich das Völker­straf­recht auf die juris­ti­sche Analy­se beschrän­ken (vgl. zur Diskus­si­on Waters 2013e, S. 298), und mögli­cher­wei­se nur einige reprä­sen­ta­ti­ve Verbre­chen für die Rolle des Anage­klag­ten vorbrin­gen (Boas, S. 137).

Ob schließ­lich der Prozess den Friedens­pro­zess auf dem Balkan beför­dert hat, lässt sich schwer sagen. Die meisten Stimmen sind skeptisch. So wird für den Kosovo behaup­tet, dass der Prozess dazu beigetra­gen habe, die Leugnung der Gräuel­ta­ten zu perpetu­ie­ren (Krasni­qi, S. 214 ff.). In jedem Fall wurde die zivil­ge­sell­schaft­li­che Diskus­si­on über die Rolle Serbi­ens befeu­ert (vgl. zur sog. Vreme-Debat­te Drago­vić-Soso, S. 405 f.). Der Prozess habe immer­hin dazu beigetra­gen, den Raum für Leugnung zu verklei­nern (vgl. Waters 2013b, S. 47). Auch mit Blick auf die media­le Bericht­erstat­tung wird mit Prozess­fort­schrei­ten Ernüch­te­rung konsta­tiert. Habe man zu Beginn den Eindruck gehabt, hier werde der Schläch­ter des Balkans zur Rechen­schaft gezogen, habe im Folgen­den insbe­son­de­re das media­le Bild des Tribu­nals gelit­ten, das zuneh­mend als überfor­dert erschien (Bachmann, S. 269 f., auch näher zum Status der Medien­be­richt­erstat­tung im ehema­li­gen Jugoslawien).

8. Würdi­gung des Prozesses
Im Prozess kam es nicht zu einem Urteil. Doch kennt der Prozess seiner­seits viele, die über ihn urtei­len und Fragen stellen. So verur­tei­len einige Stimmen den späten Zeitpunkt des Prozes­ses: warum erfolg­te die Ankla­ge für Bosni­en und Kroati­en nicht bereits Jahre vorher? Hätte hier nicht diesel­be Hoffnung wie im Falle des Kosovo bereits damals Gültig­keit beses­sen, nämlich mittels der Ankla­ge die Anhän­ger von Miloše­vić abtrün­nig zu machen und so eine Beweis­la­ge und Verur­tei­lung zu ermög­li­chen (so Bassiouni, S. 104)? Andere verur­tei­len die übereif­ri­ge Strate­gie der Ankla­ge: hätte man sich nicht auf einige wenige Vorwür­fe beschrän­ken können und hätte man zudem von der Verbin­dung der Verfah­ren absehen können (etwa Boas, S. 119 f.), hätte das Gericht nicht darauf hinwir­ken können? Dann wäre womög­lich zumin­dest ein Urteil ergan­gen. Wieder andere verur­tei­len den angeb­lich allzu laxen Umgang des Gerichts mit einem sich selbst vertei­di­gen­den Angeklag­ten: wäre ein resolu­te­res Vorge­hen seitens des Gerichts von Nöten gewesen, um einen zügigen Prozess sicher­zu­stel­len (etwa Del Ponte, S. 141 f.)?

Auch wenn diese Fragen hypothe­tisch bleiben, so zeigen sie doch: Wenn es sich beim Prozess gegen Miloše­vić um eine David-Goliath-Konstel­la­ti­on gehan­delt hat (so mit Frage­zei­chen Scharf, S. 296), dann kam die Außen­sei­ter­rol­le des David entge­gen dem von Miloše­vić geschickt beför­der­ten Eindruck weniger dem Angeklag­ten zu. Die Rolle des David ist womög­lich eher bei den Akteu­ren des Tribu­nals zu finden, während die Gewal­tig­keit des Goliath in den übermensch­li­chen Erwar­tun­gen an den Prozess zu sehen ist. Ob David hier obsie­gen konnte, lässt sich nicht mit Bestimmt­heit beant­wor­ten – womög­lich ist ein wichti­ger Indika­tor, inwie­fern der Prozess zum Befrie­dungs­pro­zess auf dem Balkan beitra­gen kann – dann wäre die Antwort noch immer offen.

Mit Bestimmt­heit lässt sich bereits jetzt jedoch das Folgen­de sagen: Der Prozess gegen Slobo­dan Miloše­vić ist insoweit ein absolu­tes Novum, als erstmals ein amtie­ren­der Staats­chef angeklagt wurde und der initi­ier­te Straf­pro­zess auch tatsäch­lich statt­fand. Trotz seinem vorzei­ti­gen Ende demons­triert der Prozess die Bereit­schaft, auch legiti­me Anfüh­rer von Staaten für Völker­rechts­ver­bre­chen zur Verant­wort­lich­keit zu ziehen. Bei aller Kritik an Ankla­ge und Gericht und allen offenen Fragen zur Verant­wor­tungs­zu­schrei­bung im konkre­ten Einzel­fall zum Trotz sendet der Prozess das Signal eines univer­sell gülti­gen Weltrechts.

9. Quellen, Litera­tur und Abbildung

Quellen

Bosnia and Herze­go­vina Indict­ment, Amended Indict­ment Bosnia and Herze­go­vina, CASE No. IT-02–54‑T, 22. Novem­ber 2002, abruf­bar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/ind/en/mil-ai040421‑e.htm (zit: Bosnia and Herzog­vina Indict­ment, endgül­ti­ge Version).

Croatia Indict­ment, Second Amended Indict­ment, CASE No. IT-02–54‑T, 28. Juli 2004, abruf­bar unter https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/ind/en/mil-2ai020728e.htm (zit: Croatia Indict­ment, endgül­ti­ge Version).

Europäi­scher Gerichts­hof für Mensch­rech­te, Entsch. v. 19.3.2002, No. 77631/01 [Miloše­vić v. The Nether­lands] (zit.: EGMR, Miloše­vić v. The Netherlands).

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Inter­na­tio­na­ler Militär­ge­richts­hof, Urt. v. 1.10.1946, in: Der Prozess gegen die Haupt­kriegs­ver­bre­cher vor dem Inter­na­tio­na­len Gerichts­hof Nürnberg, Band 1, 1947, S. 189. zeno.org, abruf­bar unter http://www.zeno.org/nid/20002754398 (zit: Nürnber­ger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher).

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Miloše­vić v. Prose­cu­tor, Decisi­on on Inter­lo­cu­to­ry Appeal of the Trial Chamber’s Decisi­on on the Assign­ment of Defence Counsel, 1.11.2004, IT-02–54-AR73.7 (zit. Appeal Chamber v. 1.11.2004).

Prose­cu­tor v. Miloše­vić, Decisi­on on Preli­mi­na­ry Motions, 8.11.2001, IT-99–37-PT, abruf­bar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/tdec/en/1110873516829.htm (zit.: Decisi­on on Preli­mi­na­ry Motions).

Prose­cu­tor v. Miloše­vić, Decisi­on on Prosecution’s Motion for Joinder, 13.12.2001, IT-99–37-PT, abruf­bar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/tdec/en/11213JD516912.htm (zit. Decisi­on on Joinder).

Prose­cu­tor v. Miloše­vić, Decisi­on on Motion for Judge­ment of Acquit­tal, 16.6.2004, IT-02–54‑T, abruf­bar unter https://www.icty.org/case/slobodan_Milošević/#tdec (zit.: Decisi­on on Motion for Acquittal).

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Werle, Gerhard/Jeßberger, Flori­an: Völker­straf­recht, 5. Aufl. 2020.

Markus Abraham
März 2022

Dr. Markus Abraham, Studi­um der Rechts­wis­sen­schaf­ten an der Univer­si­tät Passau, von 2011 bis 2016 wissen­schaft­li­cher Mitar­bei­ter am Lehrstuhl für Straf­recht, Krimi­no­lo­gie und Rechts­phi­lo­so­phie an der Univer­si­tät Passau, seit 2016 wissen­schaft­li­cher Mitar­bei­ter am Lehrstuhl für Rechts­phi­lo­so­phie und Straf­recht an der Univer­si­tät Hamburg (Profes­sor Dr. Jochen Bung). Promo­ti­on mit der Arbeit Sankti­on, Norm, Vertrau­en. Zur Bedeu­tung des Straf­schmer­zes in der Gegen­wart, 2018. Beiträ­ge zu Themen des Straf- und Straf­pro­zess­rechts und der Rechtsphilosophie.

Zitier­emp­feh­lung:
Abraham, Markus: „Der Prozess gegen Slobo­dan Miloše­vić, Den Haag 1999–2006“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politi­schen Straf­pro­zes­se, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/milosevic-slobodan/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ. ‎

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