Den Haag 1999–2006
Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Massaker von Srebrenica, Kosovokrieg
Zerfall Jugoslawiens
Der Prozess gegen Slobodan Milošević
Den Haag 1999–2006
1. Prozessgeschichte
Am 22. Mai 1999 wurde der amtierende Präsident Jugoslawiens vor dem Internationalen Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien angeklagt. Vorgeworfen wurden ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Deportation, Tötung, Verfolgung) und Kriegsverbrechen (Tötung), vgl. Initial Indictment Kosovo.
Dass es überhaupt zu dieser Anklage kam, ist aus zwei Gründen bemerkenswert: Erstens deswegen, weil Milošević als diplomatische Schlüsselfigur gegolten hatte, um Frieden auf dem Balkan zu schaffen. Und so hatten die Vereinigten Staaten beständig darauf gedrungen, Milošević nicht anzuklagen (Scharf, S. 302). Vielmehr hatte Milošević eine wichtige Rolle bei den Verhandlungen von Dayton im Jahre 1995 gespielt, den entscheidenden Friedensverhandlungen der ersten Phase der Balkankriege. Diese Strategie der Vereinigten Staaten war nunmehr gekippt. Milošević war vom Hofierten zum Verfolgten geworden. Was war der Grund für diesen Wandel? Die NATO befand sich zum Zeitpunkt der Anklage gerade inmitten einer militärischen Intervention gegen Serbien. Und daher kam, so spekuliert mancher (Scharf, S. 302), die Anklage nicht ungelegen. Denn durch den Impuls der Anklageerhebung konnte der zunehmend kritisch beäugte Militäreinsatz an Akzeptanz gewinnen.
Zweitens ist die Anklage beachtlich, weil sie als Anklage eines amtierenden Staatschefs ein Novum des Völkerstrafrechts darstellte (s. dazu Werle/Jeßberger, Rn. 818). Die Anklage eines Staatsoberhaupts spitzt die Spannung zwischen traditionellen und progressiven Auffassungen des Völkerrechts zu (vgl. zur Personifizierung dieses Streits durch Milošević und den Vorsitzenden Richter s. Steiniz, S. 121). Während die traditionelle Sichtweise das Prinzip staatlicher Souveränität und die damit verbundene Unantastbarkeit des Staatsoberhaupts betont, streiten Vertreter der progressiven Sichtweise dafür, persönliche Verantwortlichkeit in überstaatlicher, universeller Weise zuzuschreiben. Die Anklage von Milošević löst diese Spannung zugunsten der postnationalen Sichtweise auf, der Sichtweise des internationalen Strafrechts.
Die Erhebung der Anklage löst die Spannung freilich nur de jure auf. De facto musste für den Prozess zu der rechtlichen Existenz der Anklage auch die physische Präsenz des Angeklagten hinzukommen. Bekanntermaßen wird die Durchsetzung des Völkerstrafrechts häufig faktisch dadurch behindert, dass es nicht gelingt, eines Angeklagten habhaft zu werden. Doch halfen hier zum einen ein taktischer Fehler von Milošević und zum anderen die Verwegenheit von Zoran Đinđić: Milošević hatte das Verfahren zur Wahl des Präsidenten der Bundesrepublik Jugoslawien von der Wahl durch das Parlament hin zu einer Persönlichkeitswahl geändert und war nachfolgend im September 2000 zugunsten von Voijislav Koštunica abgewählt worden (Waters 2013b, S. 51). Zwar verweigerte Koštunica in Übereinstimmung mit einer Anordnung des jugoslawischen Verfassungsgerichts die Auslieferung Miloševićs. Doch wurde Koštunica, der neue Präsident Yugoslaviens, durch seinen Rivalen Zoran Đinđić überrascht. Đinđić war wie Koštunica an dem Aufstand des 5. Oktober beteiligt, der zum Sturz von Milošević geführt hatte, und hatte im Dezember 2000 die Demokratische Opposition Serbiens (DOS) zum Sieg bei den Parlamentswahlen geführt. Đinđić veranlasste unter Instruktion serbischer Polizeikräfte überraschend die geheime Überführung von Milošević an einen US-amerikanischen Stützpunkt, von wo aus er am 28. Juli 2001 nach Den Haag überstellt wurde (Scharf, S. 302 f.). Der Chefanklägerin Del Ponte zufolge war dies dem Umstand geschuldet, dass finanzielle Hilfe für Serbien an die Verhaftung gekoppelt wurde (Die Zeit v. 19.11.2020). Die Entscheidung zur Auslieferung wurde insofern von Đinđić selbst, der später ermordet wurde, als „schwierige, aber moralisch korrekte“ Entscheidung zum Schutz serbischer Interessen betrachtet (so zit. von Scharf, S. 303).
Am 12. Februar 2002 schließlich konnte der Prozess vor dem Straftribunal für das ehemalige Jugoslawien beginnen (S. zum Tribunal insbes. Werle/Jeßberger, Rn. 415 ff.). Sein Ende fand er erst gut vier Jahre später, am 14. März 2006 – nicht aber durch Urteil, sondern durch den natürlichen Tod (Parker, S. 11; The Hague Justice Portal) von Milošević drei Tage zuvor, einem „Tod zur falschen Zeit“ (NZZ v. 12.3.2006). Im Anschluss an den Vortrag der Anklage war Milošević ab 31. August 2004 mit der Verteidigung am Zuge gewesen und hatte am Ende etwa zwei Drittel der Zeit ausgeschöpft, die ihm das Gericht zur Verteidigung gewährt hatte.
Die Faktoren, die den Prozess derart in die Länge zogen, stammen teilweise aus der Sphäre des Angeklagten, teilweise aus der Sphäre der Justizakteure. Drei Faktoren stechen heraus: Erstens war der Gesundheitszustand von Milošević ständiges Thema (dazu Waters 2013d, S. 70 f.; s. zu den Anträgen auf medizinische Behandlung Higgins, S. 815): Sein erhöhter Blutdruck sorgte letztlich dafür, dass die Verhandlungstage von fünf Tagen pro Woche à acht Stunden auf drei Tage pro Woche à vier Stunden reduziert wurden (Scharf, S. 297). Mathematisch betrachtet bedeuten diese Zahlen – hinzukommende Unterbrechungen durch Gesundheitszustand und durch Verteidigungsvorbereitung gar nicht einberechnet – eine Reduktion auf 30 Prozent der Arbeitsgeschwindigkeit der Kammer und waren ein wesentlicher Grund für die immense Dauer des Prozesses. Wirklich bedeutsam wurde die gesundheitliche Einschränkung jedoch – denn bei krankheitsbedingter Verhinderung des Angeklagten hätte man auch in Gegenwart seines Verteidigers verhandeln können – wegen eines zweiten Gesichtspunkts: dem Umstand, dass Milošević von seinem Recht Gebrauch machte, selbst und allein die Verteidigung zu führen. Die umfassende Wahrnehmung dieses Rechts auf Selbstrepräsentation zusammen mit seinem Gesundheitszustand veranlassten das Gericht am 2. September 2004 zur Zwangsbeiordnung von Verteidigern (dazu Higgins, S. 813). Dies war ein Versuch der Kammer, den Prozess zu beschleunigen, der jedoch kurze Zeit später von der Berufungskammer im Wesentlichen kassiert wurde (Appeal Chamber v. 1.11.2004; s. zur Aufhebung näher bei 5.). Ein weiterer, dritter Faktor, für den primär die Anklage verantwortlich zeichnet, liegt in der Verbindung der drei Anklagen – zu den Situationen Kosovo, Kroatien, Bosnien – zu einem großen Verfahren. Die Verbindung, für die es durchaus Gründe gab (s. näher bei 4.), war in Anbetracht der Schwierigkeiten, einerseits die unzähligen Einzelverbrechen als solche zu belegen sowie andererseits deren Verbindung zu Milošević nachzuweisen, in hohem Maße fragwürdig. Die Kammer selbst hatte der von der Anklage angestrebten Verbindung zu einem einzigen Prozess widersprochen (Decision on Joinder). Vor der Berufungskammer setzte sich die Anklage jedoch durch (Appeal Chamber v. 1.2.2002; zur Kritik Boas, S. 119 f.) – eine Entscheidung, die manche als Kompetenzüberschreibung seitens des Rechtsmittelgerichts bewerten (etwa Boas, S. 288).
2. Prozessbeteiligte
a) Der Angeklagte
Slobodan Milošević, geboren am 20. August 1941, war bereits vor den Balkankriegen etablierter Anführer der Serben. Nach dem Rechtsstudium durchlief er mehrere Stationen im Wirtschaftssektor. Im Jahr 1986 wurde er zum Präsidenten der Liga der serbischen Kommunisten gewählt, im Jahr 1990 zum Präsidenten Serbiens. Dies blieb er bis zum Jahr 1997, als er Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien wurde, ein Amt, von dem er im Jahr 2000 abgewählt wurde.
Milošević wird als Opportunist beschrieben, von dem unklar geblieben sei, ob er selbst überhaupt genuin von einer nationalistischen Sichtweise überzeugt war (Waters 2013c, S. 51). So wird angenommen, dass es Milošević zentral um Sicherung der eigenen Position ging, wenn er Gewalt gegen die Opposition einsetzte oder Unterstützung bei Nationalisten suchte; Motivation sei weniger die Realisierung politischer Ziele als der Machterhalt gewesen (Bieber, S. 351). Beobachter heben hervor, dass Milošević die Anerkennung von Staatsmännern wie Clinton und Chirac suchte, dass er mäßigend auf die seines Erachtens unrealistischen Forderungen der bosnischen Serben einwirkte und eher eine Strategie der Friedenspläne als eine des Krieges verfolgte (Prelec, S. 371 ff.).
Im Prozess selbst wird Miloševićs Gerissenheit bei Vernehmungen hervorgehoben (vgl. Scharf, S. 299). Selbst die Chefanklägerin findet bewundernde Worte für seine Vernehmungskünste (Del Ponte, S. 147). Del Ponte führt hier als Beispiel die Befragung von Mahmut Bakalli an, der als einer der ersten Zeugen der Anklage befragt wurde und dessen Auftritt unter dem Kreuzverhör von Milošević aufgrund der Verstrickung in faktische Widersprüche als unsicher und wenig überzeugend erschien (Trix, S. 236). Zur Verdeutlichung der Befragungstechnik ein kurzer Ausschnitt aus dem Kreuzverhör (Transcripts, 19.2.2002, S. 562 f.):
Q. Do you know who Muharrem Ismaili is?
A. Yes.
Q. Is he a friend of yours and also a director of a bank in Kosovo, also an Albanian?
A. He’s a Kosovar Albanian. He was the director of Kosova Bank. He is no longer there. And he’s a friend of mine. I don’t know why you’re asking me.
Q. Because I want to put another question to you. Did you ask him to come and talk to me?
A. Never. That’s not true. I have never talked with him that I wanted to talk with you. Never. I’ve never done that.
Q. So you are saying that you did not ask, through Muharrem Ismaili, to come and see me?
A. I say in my full responsibility, no.
Q. Yesterday you told us how the local security chief, Gajic, under inverted commas, told you about the “Scorched Earth Plan,” the so-called “Scorched Earth Plan.” Wasn’t it logical for you to bring up this issue while talking to me; yes or no?
A. Yes, I could have done that, but I did not. I didn’t want to become – to convey the views of others. Maybe I should have done that. I should have done that.
Q. Thank you. This is enough material for us to give us an idea of how seriously you assessed this matter.
Wenngleich ihm sein Auftreten einigen Respekt einbrachte, blieb Milošević nach seiner Abwahl bei den meisten Serben unbeliebt (Waters 2013c, S. 52). Sein – zumindest anfänglich – starker Auftritt wandelte sich nicht in politischen Erfolg (Drumbl, S. 436). Auch wenn das Narrativ einer kollektiven Verteidigung Serbiens gegen den Westen Unterstützung fand, verbanden die meisten Milošević mit einer als negativ empfundenen Vergangenheit (Bieber, S. 430). Seine Partei verschwand schließlich in der Bedeutungslosigkeit (dazu ibid., S. 425).
b) Die Verteidigung
Obwohl Milošević im Prozess ostentativ allein und ohne Hilfe auftrat, war er von einem Team an Beratern umgeben. Gerichtlich anerkannter Rechtsberater war Ramsey Clark, der unter Präsident Johnson Justizminister der USA gewesen war, und hiernach ein prominenter Kritiker der US-Außenpolitik, der außerdem zahlreiche mutmaßliche Kriegsverbrecher verteidigte, unter anderem Saddam Hussein (Der Spiegel v. 11.4.2021). Zu Miloševićs Rechtsberatern zählten außerdem John Livingston, später Zdenko Tomanović, Dragoslav Ognjanović und Branko Rakić (Waters 2013d, S. 57).
Diese Rechtsberater verfügten über privilegierten Kommunikationszugang betreffend Besuchszeiten und Telefonaten (Boas, S. 260 f.). Sie traten jedoch nicht im Gerichtssaal auf und hatten dezidiert nicht die Stellung als Verteidiger. Dies stellte Milošević klar, als die Kammer ihren Besuch in der Zelle als Verteidigerbestellung auslegen wollte (Transcripts v. 11.12.2001, S. 149 f.):
THE ACCUSED: I have been informed in the meantime that without my request, you have assigned certain advice that I did not ask for, interpreting my agreement to receive visits by certain individuals as a request for legal advice. My response to that has been addressed to the Registry that I do not consider that whoever visits me and has a law degree should be appointed as my legal counsel, and I don’t think it would be permissible for visits to continue to be restricted, visits by persons who wish to visit me in accordance with the Rule that you have established and on a nondiscriminatory basis, since other people in that prison are allowed such visits.
JUDGE MAY: Mr. Milosevic, if you don’t want advice from Mr. Clark and Mr. Livingston, which we understood you did, who do you want it from?
THE ACCUSED: No, I’m not asking for any advice from anybody. I have said that I would like to be granted the possibility to be visited by people who wish to visit me. That’s all.
Darüber hinaus wurde Milošević auch von anderen Personen unterstützt, etwa von Jacques Vergès, dem einstigen Verteidiger von Klaus Barbie (Scharf, S. 297). Der prominente Konfliktverteidiger Vergès besuchte Milošević in seiner Zelle, bereitete ein Gegentribunal in Frankreich vor und strengte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen angeblicher Entführung von Milošević an (Der Spiegel v. 1.9.2002). Letztere wurde als unzulässig verworfen, da Milošević die nationalen Rechtmittel nicht ausgeschöpft hatte (EGMR, Milošević v. The Netherlands). Ein Lapsus, juristisch so offensichtlich, dass er geradezu auffällig erscheint.
c) Die „amici curiae“
Als Reaktion auf die Entscheidung von Milošević, keinen Prozessvertreter zu bestimmen, ordnete die Kammer die Bestellung von sogenannten Freunden des Gerichts an (Beschl. v. 30.8.2001). Diese amici curiae wurden im September 2001 vom Registrar ernannt und sollten die Fairness des Verfahrens sichern (Waters 2013d, S. 57). Zu Beginn waren dies der niederländische Anwalt Michail Wladimiroff, der bereits als Verteidiger von Duško Tadić aufgetreten war, der britische Queen’s Counsel Stevan Kay und der serbische Anwalt Bransilav Tapušković. Ersterer erklärte in einem Interview, dass er die Chancen auf einen Freispruch für vernachlässigbar halte, woraufhin er als befangen ausgeschlossen wurde (Scharf, S. 307). An seiner Statt wurde der australische Völkerstrafrechtswissenschaftler Timothy McCormack bestimmt. Tapušković schied nach der Anklagephase aus; im Juni 2003 wurde die britische Anwältin Gillian Higgins ernannt (Waters 2013d, S. 57), die vormalige Assistentin von Steven Kay (Boas, S. 253 Fn. 173).
Auch wenn die amici curiae ausdrücklich keine Verteidiger waren, war die Kammer doch bestrebt, durch ihre Hinzuziehung das Fehlen eines Verteidigers zu kompensieren. In diesem Sinne wies die Kammer die amici curiae ausdrücklich darauf hin, ihre Rolle nicht darauf zu beschränken, Vorbringungen des Angeklagten zu prüfen und gegebenenfalls zu stützen. Statt der Kommentierung sollten sie das Gericht bei der Wahrheitsfindung unterstützen (s. Transcripts, 29.10.2001, S. 31), indem sie Kreuzverhöre durchführten und Anträge stellten, die aus Sicht des Angeklagten angebracht erschienen (Waters 2013d, S. 57). Ein solcher bedeutender Antrag war der Antrag auf Freispruch (s. dazu bei 6.).
Die den amici curiae auferlegte Rolle, die ihnen eine faktisch verteidigerähnliche Stellung einräumte, ging deutlich über die traditionelle Funktion von amici curiae hinaus (Boas, S. 253) und wurde schließlich auch durch die Berufungskammer anlässlich eines Antrags der amici curiae überprüft. Die entsprechende Vorschrift der Verfahrensregeln sieht ausschließlich eine „Partei“ als berechtigt an, Anträge zu stellen. Die amici curaiae assistieren dem Gericht. Ihnen kommt der Status der Partei also gerade nicht zu. Die Berufungskammer erachtete den Antrag gleichwohl als zulässig, da die Interessen von amici curiae und Angeklagtem in dem in Rede stehenden Antrag identisch seien und die Interessen des Angeklagten nicht beeinträchtigt würden (Boas, S. 253 f., der aber auch auf die abweichende Meinung von Richter Shahabuddeen hinweist, der die amici curiae nicht als antragsberechtigt erachtet).
d) Die Kammer
Der Präsident des Jugoslawien-Tribunals Claude Jorda aus Frankreich bestimmte Richard May, einen britischen Juristen, als Vorsitzenden. May, aktives Mitglied der Labour-Partei, war in der britischen Justiz tätig gewesen, bevor er an der Konzeption der Prozessordnung des Tribunals beteiligt war (The Guardian v. 2.6.2004). Die Bestimmung von May war mit Blick auf die Herkunft aus einem Land, das die NATO-Angriffe gegen Serbien anführte, „höchst unglücklich“, zumal auch Richter zur Auswahl gestanden hatten, deren Herkunftsländer in keiner Verbindung zum Balkankonflikt standen (Scharf, S. 305). Gleichwohl fiel die Wahl für den Vorsitz auf May, weil er von allen Richtern des Tribunals als in der Prozessführung als am beschlagendsten galt (Scharf, S. 306). Möglicherweise sah sich May auch nicht in der Lage, die Bestimmung abzulehnen, weil dies, so mutmaßt Scharf, sowohl die eigene Befangenheit als auch die Glaubwürdigkeit des Tribunals gefährdet hätte (Scharf, S. 306).
Die beiden weiteren Richter stammten nicht aus Nationen der NATO. Es waren Patrick Robinson aus Jamaika, und O‑Gon Kwon aus Südkorea (Waters 2013d, S. 57). Robinson war vor der Berufung an das Jugoslawien-Tribunal unter anderen Berater des jamaikanischen Außenministeriums und Mitglied der International Law Commission. O‑Gon Kwon war vor seiner Benennung in der Ministerialverwaltung und Justiz Südkoreas tätig.
Am 10. Juni 2004 bestimmte der UN-Generalsekretär Kofi Annan, als Ersatz für den krankheitsbedingt zurückgetretenen und kurz später verstorbenen May, Ian Bonomy, zuvor Richter am Obersten Gerichtshof Schottlands (Fairlie, S. 144), wodurch sich die Bedenken der Herkunft freilich fortsetzten. Den Vorsitz übernahm fortan Robinson. Die Ersetzung durch Bonomy, die noch vor der Entscheidung über den Antrag auf Freispruch (s. dazu bei 6.) erfolgte, erscheint nicht unbedenklich, zumal sie Fairnessprobleme aufwirft: Zum einen droht die Gefahr, dass ein neu hinzukommender Richter, der der bisherigen Verhandlung nicht beigewohnt hatte, eher dazu neigen könnte, Vorwürfe erst einmal aufrecht zu erhalten, was mit Blick auf den Antrag auf Freispruch problematisch erscheint (Fairlie, S. 148). Zum anderen droht die Ersetzung das richterliche Kollegialprinzip zu beeinträchtigen: Der Umstand nämlich, dass die Richterbank mit mehreren Personen besetzt ist, dient gerade der Sicherung eines Austauschs von Argumenten unter Gleichen, die Ansichten der anderen Richter sind also gleichsam deliberativer Filter für die eigenen Wahrnehmungen und Bewertungen. Ein neu hinzukommender Richter dürfte insofern nicht in gleichwertiger Weise am kollegialen Diskurs mitwirken können, sondern im Gegenteil in erhöhtem Maße der Beeinflussung durch seine Kollegen ausgesetzt sein (Fairlie, S. 150 ff., die dies insbesondere kritisch bzgl. der Entscheidung bezüglich des Genozidvorwurfs sieht, in dem Bonomy mit Robinson zusammen Kwon überstimmte, s. näher bei 6.).
e) Die Anklage
Zum Prozessauftakt vertrat Carla Del Ponte die Anklage. Die ehemals oberste Schweizer Strafverfolgerin mit dem Ruf einer „kompromisslosen Juristin“ war von Kofi Annan zur Chefanklägerin des Tribunals ernannt worden. Das Tribunal, so ihre Auffassung, sei Sinnbild für die Botschaft, dass niemand, auch kein Staatschef, über dem Gesetz stehe (DW v. 17.11.2003). Im Prozess selbst führte der britische Queen’s Counsel Geoffrey Nice, der zuvor in der Justiz des Vereinigten Königreich tätig gewesen war, hauptverantwortlich die Anklage.
Für die drei Anklagen zu den verschiedenen Situationen trat jeweils ein eigener Ankläger auf: für den Kosovo Dirk Ryneveld, für Bosnien Dermot Groome und für Kroatien Hildegard Uertz-Retzlaff (Waters 2013d, S. 57). Alle drei Ankläger waren zuvor in Kanada, den USA respektive Deutschland in der Strafverfolgung tätig.
3. Zeitgeschichtliche Einordnung
Milošević wurde angeklagt wegen der Geschehnisse während der Kriege um den Zerfall Jugoslawiens. Deren Zustandekommen und Verlauf lässt sich folgendermaßen skizzieren:
Nach dem Tod Titos im Jahr 1980 wurde die Sozialistische Föderative Republik Jugoslawien von einem Präsidium regiert, das sich aus den acht Bundesgliedern zusammensetzte. Diese acht Mitglieder waren sechs Republiken (Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Serbien, Montenegro, Albanien) und zwei autonome Provinzen innerhalb Serbiens (Vojvodina und Kosovo). Mit dem Nachlassen der Spannungen des Kalten Krieges hatte Jugoslawien aus geopolitischer Perspektive an Bedeutung verloren. Die Schuldenlast war gestiegen und die wirtschaftliche Situation hatte sich insgesamt verschlechtert. Die ökonomische Krise bewirkte den Wunsch zur Zentralisierung. Die Zentralisierungstendenzen lösten umgekehrt Ängste vor einer Vormachtstellung Serbiens und folglich vor Autonomiebestrebungen in den Bundesmitgliedern aus. Dieses – teilweise nationalistische – Streben nach Selbstständigkeit beunruhigte wiederum besonders denjenigen Teil der serbischen Bevölkerung, der außerhalb Serbiens, vor allem in Kroatien und Bosnien lebte (Waters 2013a, S. 14 f.).
Schließlich war es Serbien gelungen, die Föderation faktisch zu dominieren. Indem es Vojvodina und Kosovo unter direkte, Montenegro unter indirekte politische Kontrolle brachte, kontrollierte es de facto vier der acht Sitze des Präsidiums der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien (ibid., S. 15). Als Milošević im Jahr 1990, mittlerweile Präsident Serbiens, die Bemühungen zur Reform der Föderation sowie zur Stärkung der Autonomie der Teilrepubliken seitens Slowenien und Kroatien verhinderte, zerbrach der Bund der Kommunisten Jugoslawiens und verstärkte den Aufschwung der Unabhängigkeitsbewegungen. Schließlich erklärten Slowenien und Kroatien nach Referenden am 25. Juni 1991 ihre Unabhängigkeit. Dies war der Startschuss für die Kriege um den Zerfall Jugoslawiens (ibid., S. 16 f.).
Während Slowenien sich schnell aus der Bundesrepublik lösen konnte, kam es in Kroatien zu schweren Auseinandersetzungen: Belagerung von Städten, Gräueltaten und Konzentrationslager. Die serbischen Kräfte besetzten ungefähr ein Drittel Kroatiens, das fortan die Republika Srpska Krajina bildete. In Bosnien kam es ebenfalls zu einem Referendum und infolge zu dem Austritt aus der Föderation, was im Jahr 1992 zum Krieg führte. Der Bosnienkrieg verlief anfangs äußerst gewaltsam, sodann verfestigten sich die Frontlinien bis ins Jahr 1995, bis zwei der Gebiete, die von serbischen Truppen umzingelt und daraufhin zur UN-Schutzzone erklärt worden waren, überrannt wurden: Srebrenica und Žepa (ibid., S. 20).
Schließlich konnten die bosnischen und kroatischen Streitkräfte, die ihre Konfrontation auf Betreiben der Vereinigten Staaten im Washingtoner Abkommen von 1994 beigelegt hatten, die serbischen Truppen entscheidend zurückdrängen. Währenddessen kam es im Juli 1995 durch serbische Truppen unter General Ratko Mladić zur – später als Völkermord qualifizierten (etwa Prosecutor v. Kristić, IT-98–33‑T, Urt. v. 2.8.2001, Rn. 539 ff. u. 598; weitere Nachweise bei Werle/Jeßberger, Rn. 909 Fn. 145) – Ermordung von mehr als 7000 Bosniern in Srebrenica. Ende des Jahres 1995 gelang bei den Friedensverhandlungen in Dayton, bei denen Milošević als wichtiger Akteur aufgetreten war und auch für die bosnisch-serbische Führung verhandelt hatte, der Durchbruch (Waters 2013a, S. 24 f.).
Nach dem Friedensschluss von Dayton spitzte sich die Lage im Kosovo zu, der bis dahin weitgehend ignoriert worden war. Die Befreiungsarmee des Kosovo, die UÇK, hatte im Jahr 1997 weite Teile des Kosovo unter ihre Kontrolle gebracht, was ein militärisches Vorgehen Serbiens auslöste. Der Westen reagierte – entgegen der Kalkulation Miloševićs (näher Bassiouni 2013, S. 104 f.) – resoluter als in den vorangegangenen Konflikten. Nachdem es zur Tötung von Zivilisten in Račak/Reçak gekommen war und nachfolgende Gespräche gescheitert waren, begann die NATO am 24. März 1999 mit der Bombardierung Serbiens. Die serbischen Kräfte intensivierten ihre Vertreibungsbemühungen der kosovarischen Albaner, die NATO wiederum ihre Bombardierung. Zwei Monate nach Beginn des Luftkrieges wurde gegen Milošević die Kosovo-Anklage erhoben. Wenige Wochen später stimmte Milošević dem Rückzug der serbischen Truppen und dem Einzug von NATO-Truppen zu. Die Balkankriege waren – von einer kurzen Konfliktphase in Mazedonien abgesehen – zu Ende (ibid., S. 25 f.).
4. Anklage
Die Anklage gegen Milošević bezog sich zum einen auf die Geschehnisse im Kosovo im Jahre 1999, zum anderen auf die Anfang der 1990er Jahre geführten Kriege in Kroatien und Bosnien.
Im Kosovo wurde Milošević vorgeworfen, vom 1. Januar bis 20. Juni 1999 verantwortlich für eine Kampagne von Terror und Gewalt gegen die Bevölkerung der im Kosovo lebenden Kosovo-Albaner gewesen zu sein („planned, instigated, ordered, committed or otherwise aided and abetted“). Diese habe zur Deportation von etwa 800.000 Kosovo-Albanern geführt. Dabei sei es zu Gewalttaten, Mord und sexuellen Übergriffen gekommen. Im Zuge der Kampagne, die sich auf politische, rassische oder religiöse Gründe gestützt habe, seien neben weiteren Akten der Verfolgung auch religiöse Stätten mutwillig zerstört worden (Kosovo Indictment, endgültige Version, Rn. 53–68). Die Anklage führte verschiedene Modalitäten der Tatbegehung an – ein durchaus übliches Vorgehen. So wurde Milošević für die Taten als Mittäter angesehen, da er Beteiligter an einem gemeinsamen kriminellen Unternehmen („joint criminal enterprise“) gewesen sei, dessen Zweck es war, einen substantiellen Teil der Kosovo-Albaner aus der Provinz Kosovo zu vertreiben, um die serbische Kontrolle der Provinz zu sichern (ibid., Rn. 16). Die Zurechnungsfigur des „joint criminal enterprise“ (im Folgenden: JCE) ermöglicht eine wechselseitige Zurechnung von Tatbeiträgen mehrerer Personen. Dabei wurden drei Typen des JCE entwickelt, die sich hinsichtlich der subjektiven Anforderungen unterscheiden (s. dazu Werle/Jeßberger, Rn. 601 ff.). Die Grundform (Typ I) ist gegeben, wenn mehrere Personen gemeinsam vereinbaren, ein Verbrechen zu begehen und dieses mit gleich gerichtetem Vorsatz vereinbarungsgemäß ausführen. Aber auch die Zurechnung über den Typ III des JCE, der besonders geringe Anforderungen stellt, begründet eine mittäterschaftliche Zurechnung. Danach sind Taten sogar dann zurechenbar, wenn sie im Exzess zum ursprünglichen Tatplan begangen wurden, sofern sie die vorhersehbare Folge der Tatplanausführung sind und der Beteiligte bewusst das Risiko einging, dass sie begangen würden (ibid., Rn. 604). Nötig wurde diese rechtsdogmatische Innovation, da vor der Schaffung des Statuts für den internationalen Strafgerichtshof noch keine ausdifferenzierte Dogmatik der Beteiligung existierte.
Neben der Verantwortlichkeit als (Mit-)Täter sah die Anklage Milošević infolge seiner Verantwortlichkeit, Verbrechen durch seine Untergebenen zu verhindern oder eine Verfolgung einzuleiten, als haftbar an (vgl. zur Haftungsform Burghardt, S. 186 ff.). Diese Vorgesetztenverantwortlichkeit betraf einmal seine De-jure-Kontrolle als Präsident der Bundesrepublik Jugoslawien, als der er als Vorsitzender des obersten jugoslawischen Verteidigungsrates den Streitkräften Jugoslawiens vorstand, sowie im Kriegsfall, zu dem es am 24. März 1999 kam, den ihnen unterstehenden Stellen (ibid., Rn. 21 f.). Die Vorgesetztenverantwortlichkeit betraf aber auch die De-facto-Kontrolle über zahlreiche Aspekte des politischen und wirtschaftlichen Lebens, insbesondere die der Medien (ibid., Rn. 23; s. zur Vorgesetztenverantwortlichkeit qua politischer Führungsposition, Burghardt, S. 136 ff.).
Für Kroatien und Bosnien, so die im Herbst 2001 nachgelieferten Anklagen, habe ebenfalls ein gemeinsames kriminelles Unternehmen bestanden, nämlich seit dem 1. August 1991. Von etwa einem Drittel des Staatsgebiets Kroatien sollte die Mehrheit der kroatischen und nicht-serbischen Bevölkerung vertrieben werden (Croatia Indictment, endgültige Version, Rn. 6). Ebenso sollte aus großen Teilen von Bosnien und Herzegowina die Mehrheit der Nicht-Serben, hauptsächlich bosnische Muslime und bosnische Kroaten, vertrieben werden (Bosnien und Herzegowina Indictment, endgültige Version, Rn. 6). In beiden Fällen sei es zu zahlreichen Verbrechen gekommen. Die Anklage führte 32 beziehungsweise 29 Punkte auf, unter anderem Ausrottung, Tötung, Zwangstransfer und Deportation.
Die Anklage – und das macht das Streben nach Verbindung der Verfahren nachvollziehbar – verfolgte die Strategie, die Ereignisse, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten stattgefunden hatten, zu einem Narrativ zusammenzufügen. Diesem Narrativ zufolge war es das Ziel von Milošević gewesen, einen großserbischen Staat zu schaffen (Boas, S. 92, mit Kritik an der unklaren Redeweise von einem großserbischen Staat seitens der Anklage). Diese Idee sollte nicht nur die drei Anklagen zusammenführen, sondern war auch der entscheidende Gesichtspunkt, der die Zurechnung der Verbrechen zu Milošević ermöglichen würde – nämlich über die dogmatische Figur des gemeinsamen kriminellen Unternehmens. Denn Milošević persönlich war stets räumlich entfernt von den eigentlichen Orten der Verbrechen. Die Anklage musste also für jedes Einzelverbrechen nachweisen, entweder dass Milošević unmittelbar für die Anordnung, die Planung von Taten oder die Hilfe dabei verantwortlich war oder zumindest nachweisen, dass er infolge seiner Vorgesetzen-Verantwortlichkeit die Pflicht hatte, die Taten zu verhindern oder zu ahnden. Gerade die Beweise für seine aktive Beteiligung waren freilich schwer zu erlangen, was die Zurechnungsfigur des gemeinsamen kriminellen Unternehmens umso bedeutender werden ließ (Waters 2013d, S. 61 f.). „Kronjuwel“ (Boas, S. 123) der Anklage war der Vorwurf des Verbrechens aller Verbrechen: Völkermord. Die Anklage hatte den Vorwurf des Genozids nur im Falle von Bosnien vorgetragen, und dies lediglich in Bezug auf die Gruppe der bosnischen Muslime (s. zum Vorwurf des Genozids bei 6.).
Mit der Verbindung der drei Anklagen und der damit einhergehenden Theorie eines großserbischen Staates lud sich die Anklage eine ambitionierte Bürde auf. Das Ausmaß wird sichtbar, wenn man sich die Zahlen des produzierten Materials vergegenwärtigt: unter anderem wurden 1,2 Millionen Seiten an Beweismaterial produziert und 328 Zeugen gehört (Waters 2013d, S. 63). Dieses Vorgehen der Anklage, ein dermaßen unüberblickbares Anklagematerial zu produzieren, wird im Nachhinein als übereifrig (Boas, S. 79 u. 110) und als strategisch fehlerhaftes Vorgehen beschrieben (Robertson, S. xiii: Fehler des „throwing the book“). Del Ponte räumte später selbst den Umfang der Vorwürfe ansatzweise als Versäumnis der Anklage ein, verwies im selben Atemzug jedoch auf das Unverständnis der Opfer, hätte man Vorwürfe fallengelassen (Del Ponte, S. 143). Kritik fand Del Ponte umgekehrt in nicht unerheblichem Maße für die Kammer: die Richter seien wegen ihrer Herkunft aus dem System des common law die Einmischung in den Prozess nicht gewohnt und daher zu passiv geblieben. Sie wären zudem in der Praxis der Prozessführung unerfahren und gegenüber den Avancen von Milošević übertrieben tolerant gewesen (Del Ponte, S. 140 f.).
5. Verteidigung
In der Substanz zielte Miloševićs Verteidigung für den Kosovo vor allem darauf, dass formale Kommandostrukturen ordnungsgemäß eingehalten wurden und die Verbrechen mithin nicht durch offizielle Autoritäten begangen worden sein konnten (Boas, S. 83). Milošević versuchte außerdem die Verbindung zu erschüttern, die zwischen seiner Person und den unmittelbar verübten Taten („crime base“) durch die Anklage behauptet wurde, insbesondere bei der Frage des Genozids. Die Verbindung zwischen den konkreten Taten und Miloševićs Verhalten blieb denn auch eine zentrale, offene Frage. Während Del Ponte sich in der Rückschau optimistisch zur Belegbarkeit der Verbindung äußert (Del Ponte, S. 139), ist etwa Prelec, der von 2002 bis 2004 der senior researcher der Strafverfolgung war, skeptischer, insbesondere was die Beziehung von Milošević zu – dem mittlerweile für das Massaker von Srebrenica verurteilten (CASE No. IT-09–92‑T, Urt. v. 22.11.2017) – Ratko Mladić angeht. „My own view is that Milošević must have known of the operation to take the eastern enclaves [u.a. Srebrencia; M.A.], but probably did not approve the mass killing.“ (Prelec, S. 371)
Die hauptsächliche Verteidigungsstrategie jedoch war politischer Natur: Miloševićs Verteidigung war von der Absicht getragen, sich selbst und die gesamte serbische Nation als Geschädigte zu betrachten, nämlich als Opfer imperialistischer Einmischung. Insofern spielte auch der geringe forensische Nutzen, den seine Zeugen oftmals lieferten, keine Rolle. Vielmehr zielten die Befragungen darauf, sein Narrativ von der Übergriffigkeit des Westens zu belegen (Waters, 2013d, S. 67). Im Zusammenhang mit dieser Verteidigungsstrategie war Milošević bestrebt, Staatsoberhäupter in den Zeugenstand zu rufen, um sie damit zu konfrontieren, dass sie ihn bei den Friedensverhandlungen von Dayton – trotz den Geschehnissen in Bosnien – als essentiellen Partner betrachtet hatten (Scharf, S. 306). Mit den Vorladungsanträgen drang die Verteidigung bei der Kammer nicht durch – der Antrag zur Vorladung von Bill Clinton war bis zum Tod Miloševićs nicht entschieden (vgl. Higgins, S. 814).
In den Vordergrund stellen möchte ich hier jedoch den Aspekt, der als strategischer Kern der Verteidigung gelten kann: Die Entscheidung von Milošević, sich selbst zu verteidigen. Die Wirkungen, die von dem Gebrauch des Rechts auf Selbstrepräsentation (vgl. dazu Raveling 2014, S. 54 ff.) ausgingen, möchte ich im Folgenden auffächern.
Der offensichtlichste Effekt betrifft die Rolle in der Verhandlung. Hätte sich Milošević durch einen Verteidiger vertreten lassen, hätte er sich im Wesentlichen durch seine Aussage als Zeuge einbringen können – und wäre dabei dem Kreuzverhör der Gegenseitige ausgesetzt gewesen. Die Selbstrepräsentation hingegen brachte Milošević erheblich mehr Zeit vor den Richtern und der Öffentlichkeit ein und gab ihm die Möglichkeit, im Rahmen der von ihm durchgeführten Befragungen politische Ausführungen vorzutragen – ohne hierbei dem Kreuzverhör ausgesetzt zu sein (Waters 2013d, S. 68).
Auch versetzte ihn dies in die Lage, seine Strategie, sich als „Wächter der Serbischen historischen Wahrheit“ darzustellen, als Antwort auf das Vorgehen der Anklage (Surroi, S. 226). Sein eigenes Vorgehen zielte daher darauf, die Widersprüchlichkeiten von Zeugenaussagen zu verdeutlichen, indem er sich auf die Kenntnis von Einzelheiten konzentrierte. So konnte er einen Zeugen mit Detailwissen konfrontieren, indem er etwa exakt wusste, wie weit ein Strommast von dessen Haus entfernt stand. Anderen lastete er an, nicht bestimmt sagen zu können, ob die Übeltäter die Uniform der Armee oder der Polizei getragen hatten. Derlei Infragestellung der Zeugenaussagen war rechtstechnisch wenig zielführend. Für die Außenwahrnehmung war das Vorgehen nicht unbedeutend und diente dem Zweck, den Prozess als politische Verschwörung gegen sich selbst darzustellen (Surroi, S. 226). Während die Anklage Miloševićs Verteidigungsvorgehen als „politische Reden“, die das Gericht noch stärker hätte unterbinden sollen, qualifizierte (Del Ponte, S. 141), bewegte Milošević sich – nach Auffassung der Kammer – im Rahmen dessen, was durch das Recht zur Selbstrepräsentation zulässig war. Dies lässt sich bereits daran ablesen, dass die Kammer keinen Anlass sah, die Beiordnung eines Verteidigers aus Gründen der Störung des Verfahrens zu erwägen, im Gegensatz etwa zu dem Verfahren gegen Šešely vor dem Tribunal (dazu ausf. Boas, S. 228 ff., inbes. 231). Versteht man die Entscheidung, sich selbst zu verteidigen, im Sinne der faktischen Erweiterung der Verteidigungsrede, so ermöglichte dies Milošević überhaupt erst die Durchführung seiner Strategie, nämlich den Prozess aus grundsätzlichen, politischen Gründen abzulehnen. Aus Perspektive eines politischen Strafprozesses sind seine „politischen Reden“ insofern Mittel zur Gegenwehr par excellence.
In der Außenwahrnehmung ist die Selbstrepräsentation der Versuch, dem Prozess einen bestimmten Rahmen zu geben: Dem Tribunal, also den Richtern, Anklägern und dem weiteren Gerichtspersonal, stand Milošević als Einzelner gegenüber. Der Eindruck des Einzelkämpfers ist etwas zu relativieren angesichts der Unterstützung durch Anwälte und Rechercheure, in den Haag und Serbien, die ihn wohl auch in Verhandlungspausen mit Informationen versorgten (NYT v. 27.2.2002). Scharf hält ihn gar für eine Illusion (Scharf, S. 297). Gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass Milošević im Gerichtssaal tatsächlich völlig auf sich allein gestellt war – ohne Möglichkeit, bei einer Schwäche Unterstützung zu erhalten (Waters 2013d, S. 68). Die personale Aufstellung im Sitzungssaal trug dazu bei, das Bild von „Milošević gegen die Welt“ zu vermitteln. Milošević selbst überhöhte das Bild noch dadurch, dass er betonte, stellvertretend für die serbische Nation auf der Anklagebank zu sitzen (Steiniz, S. 119; Waters 2013d, S. 57 f.).
Mit dem Bild Einzelkämpfers verbunden war die Verteidigungsstrategie der De-Legitimierung: Denn als Begründung für seine Entscheidung zur Selbstrepräsentation machte er geltend, dass es sich um ein illegitimes Tribunal handele. Weil es also im Prozess gegen ihn gar nicht um Recht gehe, sei es auch nicht angezeigt, sich eines Rechts-Anwaltes zu bedienen. „I consider this tribunal a false Tribunal and indictment a false indictment … so I have no need to appoint counsel to illegal organ” (Transcripts, 3.7.2001, S. 2). Die Strategie der De-Legitimierung manifestierte sich in besonderer Weise im Sprachduktus. So verweigerte Milošević den Richtern die Höflichkeitsansprache („Your Honour“/“Judge“), adressierte sie vielmehr als „Mister“, nannte die amici curiae spöttisch „the gentlemen from the amicus“, die Anklageschrift „this document“, das Tribunal „this institution“ (Steiniz, S. 113 f.). Auf diese Weise betonte er immer wieder die Nicht-Anerkennung des Tribunals. Nach Einschätzung der Anklage (vgl. Del Ponte, S. 141) wäre diese Nicht-Anerkennung einem Verteidiger als schwere Respektlosigkeit angekreidet worden.
Die substantielle Argumentation hinter der Strategie der De-Legitimierung war nicht haltlos. So ließ sich etwa die Schaffung des Tribunals durch den UN-Sicherheitsrat – statt durch die UN-Vollversammlung – durchaus kritisieren; die Kammer verwies hier auf Art. 41 der UN-Charta, der dem Sicherheitsrat Maßnahmen zur Wiederherstellung von internationalem Frieden und Sicherheit gestattet (Decision on Preliminary Motions, Rn. 6 f.). Auch die Tatsache, dass der Präsident des Tribunals, Jorda aus Frankreich, als Vorsitzenden Richter den Briten May bestimmt hatte, erscheint nicht unproblematisch, zumal so, nimmt man noch die vier hauptverantwortlichen Ankläger hinzu, zentrale Akteure gerade aus eben den Ländern stammten, die für die Bombardierung Serbiens durch die NATO verantwortlich waren. Timothy Waters bezeichnet den Umstand, dass alle vier hauptverantwortlichen Ankläger aus NATO-Staaten stammten, als „awkwardly“, also misslich bzw. ungeschickt (Waters 2013d, S. 57). Zwar war auch der NATO-Einsatz – in einem auf NATO-eigenen Quellen basierenden Bericht – auf Völkerrechtsverbrechen überprüft worden. Das hinderte Milošević nicht, den Umstand der Bombardierung als Tu-quoque-Einwand vorzubringen.
Milošević verfolgte die Strategie der De-Legitimierung dennoch nicht als ausschließliche Strategie. Der Einwand der Illegitimität war inhaltlich-rechtlich nicht aussichtsreich. Nicht nur trägt der Tu-quoque-Einwand per se nicht weit (s. zur Ablehnung als Straffreistellungsgrund Werle/Jeßberger, Rn. 771 mwN). Dies liegt schon daran, dass es sich dabei um einen argumentativen Fehlschluss handelt. Im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess wurde Dönitz zwar damit gehört, dass auch von britischer und amerikanischer Seite dem uneingeschränkten U‑Boot-Krieg ähnliche Verstöße begangen worden seien – und insofern war seine Verurteilung nicht auf „seine Verstöße gegen die internationalen Bestimmungen über den U‑Boot-Krieg gestützt“ worden (Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher, S. 353). Doch half der Einwand augenscheinlich auch dort nicht, die Existenz der Verstöße zu bestreiten. Im Fall von Milošević war der Einwand noch schwächer – denn gegen die Akteure der NATO konnte ein ähnlich gewichtiger Vorwurf, wie er Milošević angelastet wurde, nicht ernstlich behauptet werden (so Scharf, S. 305 mit weiteren Argumenten).
Die Frage der Legitimität des Tribunals war überdies im Prozess gegen Duško Tadić, ein Mitglied serbischer paramilitärischer Kräfte, diskutiert und beschieden worden (Waters 2013d, S. 56). Milošević verfolgte denn auch keine Strategie vollständiger Verweigerung wie es für einen politischen Strafprozess nicht ungewöhnlich gewesen wäre (vgl. zur weitgehenden Verweigerung etwa bei Papadopoulous s. Stefanopoulou, S. 6). Er nahm im Gegenteil äußerst aktiv am Prozessgeschehen teil. Auch wenn die harte Kritik an der Legitimität des Tribunals und die aktive Teilnahme keineswegs ein widersprüchliches Verhalten darstellen, überraschte Miloševićs Aktivität die Anklage, die einen schweigenden Angeklagten erwartet hatte (Boas, S. 134). Nun sah sie sich einem Angeklagten gegenüber, der die Zeugen umfänglich ins Kreuzverhör nahm – die Zeugen der Anklage sogar oft länger als diese selbst (Waters 2013d, S. 65). Diese Ambiguität, sich dem Prozess zu verweigern und sich gleichwohl zu beteiligen, charakterisiert die Verteidigungsstrategie insgesamt. Die Ambiguität scheint auch an weiteren Stellen auf: so etwa stellte Milošević sich den ihm kurzzeitig aufgezwungenen Verteidigern vehement entgegen, kommunizierte – vermittelt über das Pro Se Office der Registratur – gleichwohl mit ihnen (Anoya, S. 168 und insges. zur Rolle der Registratur zur Aufrechterhaltung einer Kommunikation mit dem Angeklagten).
Gerade beim Kreuzverhör der Zeugen kam ein weiterer strategischer Aspekt der Selbstrepräsentation zum Tragen, nämlich auf der Ebene der Kommunikationsstruktur: So konnte Milošević seinen Status als ehemaliger Staatspräsident effektvoll ausspielen, einen Status des weltmännischen Staatsmanns, der auf viele der Opferzeugen, die häufig der einfachen Landbevölkerung angehörten, überwältigend und einschüchternd wirkte (Waters 2013d, S. 65; Del Ponte, S. 147). So stellte er die Fragen in serbischer Sprache, der Sprache der vormaligen Macht, die viele Zeugen verstanden (dazu und insges. zur Sprache vor dem Tribunal Surroi, S. 227).
Neben diesen direkten Folgen der Selbstrepräsentation, also Recht zur unbefragten Rede, Image des Einzelkämpfers, Rhetorik der De-Legitimierung und die Instrumentalisierung des eigenen Präsidentenstatus, erreichte Milošević durch die Selbstrepräsentation, dass die Kammer in ihrer Aufgabe, für einen fairen Prozess zu sorgen, besonders gefordert war. Die Kammer musste unbedingt vermeiden, sich den Vorwurf des unfairen Prozesses einzuhandeln, was Milošević wiederum ermöglichte, die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Mittel, etwa die Zeit zur Prozessvorbereitung oder die Wahrnehmung des Rede- und Fragerechts, in hohem Maße auszureizen. Das Gericht musste sicherstellen, dass dem Angeklagten genügend Ressourcen zur Verfügung standen, um die Anklage zu überblicken und zu verarbeiten, was angesichts des mengenmäßig immensen Umfangs – 1,2 Millionen Seiten wurden Milošević gegenüber offengelegt (Robertson, S. xii) – besonders bedeutsam war. Gegenüber dem sich selbst verteidigen Angeklagten geriet die Aufgabe des Gerichts, die Fairness des Prozesses sicherzustellen, zu einer besonders delikaten Angelegenheit. Einige kritisieren das Maß, in dem das Gericht dem Angeklagten Unterstützung gab und werfen die Frage auf, zu welchem Ausmaß das Gericht eine Strategie unterstützen sollte, die die auf die eigene De-Legitimierung zielt (Shany, S. 177). Die Wirkung der indirekten Strategie lässt sich etwa an der Entscheidung der Kammer ablesen, die drei amici curiae zu bestellen und – trotz der gesundheitlichen Einschränkungen – lange Zeit das Recht auf Selbstrepräsentation nicht zugunsten einer Verteidigerbestellung infrage zu stellen. Und als die Kammer auf Betreiben der Anklage schließlich doch beschloss, ihm die amici curiae Steven Kay und Gillian Higgins als Verteidiger zu bestellen, wurde diese Entscheidung schnell kassiert. Begründet wurde das damit, dass die Beiordnung so ausgestaltet war, Milošević die Kontrolle über die Verteidigung vollständig aus der Hand zu nehmen, während es ihm gestattet sein müsse, soweit es sein Gesundheitszustand erlaube und gegenwärtig erlaube er es, selbst die Führung über das Vorbringen seiner Verteidigung wahrzunehmen (Appeal Chamber v. 1.11.2004, Rn. 19; s. zur Aussageverweigerung von Zeugen wegen der Abwesenheit Miloševićs, Raveling, S. 287; Boas, S. 242). Der Umstand, dass es sich bei den beigeordneten Verteidigern um zwei Personen handelte, die zuvor die Rolle von amici curiae innehatten, war zudem wenig hilfreich, zumal diese bis dato Ratgeber für das Gericht waren und Milošević ihnen nicht vertraute (Waters, 2013d, S. 69).
Durch das vorzeitige Ende des Prozesses bleibt offen, wie das Gericht mit dem Umstand umgegangen wäre, dass Milošević in den zwei Dritteln der ihm vom Gericht gewährten Zeit ungefähr 75 Prozent auf die Kosovo-Anklage verwendet, die Vorwürfe bzgl. Bosnien und Kroatien hingegen kaum adressiert hatte (Boas, S. 155). Das Gericht hatte versucht, den Prozess durch das Führen von Zeitkonten handhabbar zu machen (dazu umf. Boas, 142 ff.). Es hatte der Anklage früh eine Frist gesetzt, innerhalb derer sie ihren Fall zu präsentieren hatte. Milošević sollte dieselbe Zeit zu Verfügung stehen, wobei Anpassungen bezüglich administrativer Prozesse und Kreuzverhöre vorgesehen waren. Milošević versuchte später, knapp eine Verdopplung der ihm zur Verfügung stehenden Zeit zu erreichen, indem er sich auf die Ungleichheit der Stärke von Anklage und Verteidigung berief, weshalb das Prinzip der Waffengleichheit verletzt sei. Die Kammer sah die gleiche Zeitzuteilung, die zudem konstant überprüft werde, als faires Vorgehen an, wobei es die Möglichkeit einer Erweiterung offenließ, so Milošević erkennen lasse, dass er seine Zeit in „angemessener und effizienter Weise“ verwende (Decision on Extension of Time, Rn. 24–26; dazu Boas, 160 ff.). Zu einem derartigen weiteren Antrag kam es durch den Tod Miloševićs nicht. Auch wenn der Vorwurf der Unfairness mit Blick auf die Zeiteinteilung rechtlich nicht stichhaltig erscheint, so wäre er womöglich geeignet gewesen, zur Bemäkelung des Prozesses in der Außenwahrnehmung herzuhalten.
Obwohl die Selbstrepräsentation insgesamt zutreffend als deutlicher Gewinn für Milošević betrachtet wird (Waters 2013d, S. 68 f., auch zu Nachteilen), so liegen die Schwachstellen der Entscheidung auf der Hand: Nicht nur entging ihm dadurch die Unterstützung eines professionellen und spezialisierten Verteidigers, der augenblicklich in der mündlichen Verhandlung eingreifen konnte. Es bestand außerdem stets die Gefahr durch die Befragung im Kreuzverhör selbstbelastende Aussagen zu tätigen bzw. belastendes Wissen zu offenbaren.
6. Kein Urteil, aber eine Entscheidung: Die Entscheidung über den Antrag auf Freispruch
Durch den Tod von Milošević blieb ein Urteil aus, der Prozess damit unvollendet. Es existiert aber ein Dokument, in dem das Gericht sich substantiell mit der Anklage auseinandersetzte, nämlich die Entscheidung über den Antrag auf Freispruch, die „motion for judgement of acquittal” gemäß Regel 98bis ICTY-Statute. Dieser Antrag wurde von den amici curiae nach Abschluss der Anklagephase am 3. März 2004 gestellt.
Nach diesem aus dem common law stammenden Institut überprüft das Gericht auf Antrag, inwieweit es – wenn es die von der Anklage vorgetragenen Beweise akzeptierte – überhaupt zu einer Verurteilung jenseits vernünftiger Zweifel hätte kommen können. Es geht also rein um die Möglichkeit der Verurteilung, nicht um eine Wahrscheinlichkeit (vgl. zum Maßstab die gesonderte Stellungnahme von Judge Robinson im Anschluss an die Decision on Motion for Acquittal). Die amici curiae widersprachen nicht der größeren Linie der Anklage, stellten also nicht die Verantwortlichkeit von Milošević in Frage. Sie beschränkten sich vielmehr darauf, Einzelverbrechen als unsubstanziiert aus der Fülle der Anklagevorwürfe auszuscheiden (Boas, S. 127). Boas erachtet diese Beschränkung des Antrags als kurios und merkt an, dass die Anklage sich hätte glücklich schätzen können, dass der Antrag auf Freispruch nicht den Kern des Verfahrens angegriffen habe (Boas, S. 127 f.). Insofern konnte sich die Kammer im Wesentlichen darauf konzentrieren, die von den amici curiae angemahnten Aussonderungen der Vorwürfe zu untersuchen. Die Frage, ob Milošević eine rechtliche Verantwortlichkeit überhaupt zugeschrieben werden könnte, also die Möglichkeit eines Freispruchs, geriet damit nicht in den Fokus der gerichtlichen Prüfung.
Die entsprechende Entscheidung, die das Gericht am 16. Juni 2004 fällte, war außergewöhnlich umfangreich. Dies lag vermutlich daran, dass etliche Rechtsfragen adressiert wurden (dazu Ambos 2004, S. 965 ff.), prominent etwa die Frage der Staatseigenschaft Kroatiens, die für den Vorwurf der Verstöße gegen die Genfer Konventionen relevant war, weil die Anwendbarkeit der Konventionen einen internationalen Konflikt voraussetzt, also mindestens zwei Staaten. Die Ausführlichkeit der Entscheidung lag aber auch an der großen Zahl der Vorwürfe, für welche die Kammer einen Freispruch gewährte, nämlich in 183 der von den amici curiae beanstandeten Fälle (Boas, S. 123 u. 126 f.). Trotzdem bestätigte die Kammer 66 Anklagepunkte („counts“) in den drei Anklagen. Dass die Kammer angesichts der Beweise für alle Anklagepunkte eine Verurteilung Miloševićs für möglich hielt, lässt sich als guter Erfolg für die Anklage bewerten.
Rechtlich beachtenswert war die Behandlung des Vorwurfs des Völkermords. Die Anklage hatte den Vorwurf nur im Falle von Bosnien vorgetragen, und lediglich in Bezug auf die Gruppe der bosnischen Muslime. Zur Frage, in welchen Ortschaften der mutmaßliche Genozid stattgefunden hatte, war die Anklage unstet und einigermaßen verwirrend (s. Boas, S. 124 f.). Die Kammer bejahte letztlich für sieben Bezirke die Möglichkeit, dass es diesbezüglich ein gemeinsames kriminelles Unternehmen („Joint Criminal Enterprise“, s. dazu allgemein bei 4.) gegeben habe, das auf die Zerstörung eines Teiles der bosnischen Muslime zielte, und dass Milošević Teilnehmer dieses Unternehmens gewesen sei: Brćko, Prijedor, Sanski Most, Srebrenica, Bijeljina, Kljuć und Boasanski Novi (Decision on Motion for Acquittal, Rn. 289).
Die entscheidende Frage beim Vorwurf des Genozids war die subjektive Zurechnung. Ließ sich aus dem von der Anklage vorgetragenen Beweismaterial nicht nur entnehmen, dass die bosnische Führung von der Intention der Zerstörung getragen war, sondern auch, dass Milošević selbst die Zerstörungsabsicht gehabt hatte (vgl. zur Verwässerung des Dolus-Erfordernis Meierhenrich, S. 322)? Die Kammer hielt dies mehrheitlich für möglich und führte dafür eine Reihe von Indizien an. Dazu zählen Miloševićs Befürwortung eines großserbischen Staates, seine enge Beziehung zur bosnisch-serbischen Führung, insbes. zu Karadžić, seine intime Kenntnis sämtlicher Vorgänge sowie die Art und Weise des Vorgehens, u.a. das gezielte Vorgehen gegen Personen, die für das Überleben der Muslime als Gruppe wichtig waren (Decision on Motion for Acquittal, Rn. 288). Folgt man dieser Ableitung der besonderen Absicht aus den Indizien und schreibt auch Milošević selbst die besondere Zerstörungsabsicht zu (dagegen etwa Prelec, S. 371), wäre er als Mittäter am Genozid einzuordnen, vgl. JCE Typ I.
Während die Kammer es im Stadium des Antrags auf Freispruch für möglich hielt, in der weiteren Verhandlung zu einer Verurteilung wegen Genozids jenseits vernünftiger Zweifel gelangen zu können, entgegnete Richter Kwon in seiner abweichenden Meinung, dass das vorgelegte Beweismaterial bereits die Hürde dieses groben Tests nicht genommen hätte: statt Milošević als (Mit)Täter gemäß der stärksten Form des gemeinsamen kriminellen Unternehmens (JCE Typ I) einzuordnen, ließen die vorgelegten Beweise bestenfalls den Schluss zu, dass Milošević von einem Völkermord anlässlich der Umsetzung des Planes der kriminellen Unternehmung wusste bzw. diesen hätte voraussehen können. Allein aus Wissen oder Voraussehbarkeit könne das für eine täterschaftliche Beteiligung notwendige Wollens-Element, die besondere Zerstörungsabsicht, jedoch nicht abgeleitet werden (Dissenting opinion of judge Kwon, im Anschluss an Decision on Motion for Acquittal). Kwon hielt es allenfalls für möglich, dass Milošević wegen anderer Zurechnungsformen am Genozid bestraft werden könnte – solche hatte sich auch die Kammer im Beschluss offengehalten (ibid., Rn. 293, 299, 309; vgl. zu den Zurechnungsformen vor dem ICTY Swoboda, S. 945 ff.). Dabei handelte es sich u.a. um die umstrittene Zurechnungsform des JCE Typ III, nach der ein Erfolg bereits dann zugerechnet wird, wenn lediglich voraussehbar war, dass bei der Ausführung des gemeinsamen kriminellen Unternehmens gewisse Verbrechen, hier: Genozid, begangen würden (krit. Meierhenrich, 321 f.). Auch die Verantwortlichkeit aufgrund der Stellung als Vorgesetzter wurde zusätzlich angeführt.
Über die Frage des Völkermord-Vorwurfs lässt sich mangels Urteils nur mutmaßen. Nimmt man jedoch an, dass das Gericht am Ende – wie Richter Kwon – nicht zur Überzeugung gelangt wäre, dass Milošević auch selbst die spezielle Zerstörungsabsicht gehabt habe, dann hätte eine Zurechnung als Täter des Genozids auf zweifelhafter rechtlicher Grundlage gestanden: Die Zurechnungsfigur des JCE Typ III ist wegen ihrer Nähe zu einer objektiven Erfolgshaftung umstritten (Ambos 2004, S. 967; näher die Kritik bei Burghardt, S. 346 f.; offener Swoboda, S. 949); auch über das Institut der Vorgesetzen-Verantwortlichkeit dürfte man, wenn der Angeklagte die notwendige Absicht nicht selbst hat, wohl – wenn überhaupt – lediglich zu einem Vorwurf der Teilnahme am Genozid gelangen (so Ambos 2004, S. 967).
7. Wirkung und Wirkungsgeschichte
Folgt man der Theorie, dass die völkerstrafrechtliche Aufarbeitung dazu dient, ein autoritatives Narrativ über die beurteilten historischen Ereignisse zu entwickeln (Waters 2013e, S. 297 f.; vgl. zu den Sichtweisen auch Nielsen, S. 328 ff.), dann entfaltet das Verfahren gegen Milošević selbst auf juristischer Ebene mangels Urteils eine beschränkte Wirkung (Waters 2013e, S. 313 f.). So wird der Entscheidung über den Antrag auf Freispruch im hiesigen Verfahren (s.o. 6.) im Verfahren vor dem Internationalen Gerichtshof, in dem Bosnien gegen Serbien aufgrund des behaupteten Völkermords klagte, der Beweiswert wegen der Vorläufigkeit abgesprochen – gleichwohl wird die Entscheidung dort an einigen Stellen aufgegriffen (Waters 2013e, S. 309 f.). Der Internationale Gerichtshof gelangt dort zum Ergebnis, dass es sich bei den Geschehnissen in Srebrenica um Völkermord gehandelt habe, hält es allerdings nicht für gesichert, dass Milošević die Kontrolle über die Geschehnisse gehabt hatte (Bosnia and Herzegowina v. Serbia and Montenegro, Urt. v. 26.2.2007, ICJ-Reports 2007, S. 43, Rn. 412 ff.). Obwohl also weder das Verfahren vor dem Jugoslawien-Tribunal noch das vor dem Internationalen Gerichtshof eine definitive juristische Antwort über die Verantwortlichkeit liefert (vgl. zur Beurteilung Milošević in anderen Verfahren Nielsen, S. 338 ff.), so wird doch eine historische und politische Wirkung hervorgehoben: die durch den Prozess betriebene Personalisierung der Schuld auf die Person von Milošević habe dazu beigetragen, dass Serbien als Staat unbeschädigt blieb (Drumbl, S. 438). Diese mutmaßliche Wirkung wird u.a. aus bosnischer Perspektive freilich kritisch wahrgenommen (vgl. Swimelar, S. 189).
Auswirkung hatte der Prozess auf die Selbstreflexion der am Völkerstrafrecht und seiner Verwirklichung Beteiligten: ein Thema ist insoweit die Frage, wie mit einem auf Selbstrepräsentation pochenden Angeklagten umzugehen ist. So wurde teilweise die erhöhte Bereitschaft zur Pflichtverteidigerbestellung angemahnt (Boas, S. 268). Auch wird vorgeschlagen, neue Wege zu prüfen, wie trotz der Pflichtverteidigerbestellung dem Angeklagten ein Recht auf aktive Beteiligung eingeräumt werden kann (für den internationalen Strafgerichtshof Raveling, S. 384 ff.). Das andere Thema ist die Vorgehensweise der Anklage. Etliche Beobachter folgerten aus der Erfahrung im Milošević-Prozess, dass sich die Anklage unbedingt auf eine überschaubare Zahl von Vorwürfen beschränken müsse (s.o. bei 4.). Auch Praktiker des Völkerstrafrechts sind rückblickend dieser Ansicht. So bemerkte der derzeitige Chefankläger des Tribunals Brammertz auf einer Hamburger Tagung, dass es das Tribunal im Fall Milošević bezüglich des Umfangs der Anklagepunkte wohl übertrieben habe (so der Bericht von Hartig/Maecker, S. 794). Einige plädieren gar für eine weitgehende Selbstbeschränkung des internationalen Strafrechts: statt eine historische Aufarbeitung zu versuchen, solle sich das Völkerstrafrecht auf die juristische Analyse beschränken (vgl. zur Diskussion Waters 2013e, S. 298), und möglicherweise nur einige repräsentative Verbrechen für die Rolle des Anageklagten vorbringen (Boas, S. 137).
Ob schließlich der Prozess den Friedensprozess auf dem Balkan befördert hat, lässt sich schwer sagen. Die meisten Stimmen sind skeptisch. So wird für den Kosovo behauptet, dass der Prozess dazu beigetragen habe, die Leugnung der Gräueltaten zu perpetuieren (Krasniqi, S. 214 ff.). In jedem Fall wurde die zivilgesellschaftliche Diskussion über die Rolle Serbiens befeuert (vgl. zur sog. Vreme-Debatte Dragović-Soso, S. 405 f.). Der Prozess habe immerhin dazu beigetragen, den Raum für Leugnung zu verkleinern (vgl. Waters 2013b, S. 47). Auch mit Blick auf die mediale Berichterstattung wird mit Prozessfortschreiten Ernüchterung konstatiert. Habe man zu Beginn den Eindruck gehabt, hier werde der Schlächter des Balkans zur Rechenschaft gezogen, habe im Folgenden insbesondere das mediale Bild des Tribunals gelitten, das zunehmend als überfordert erschien (Bachmann, S. 269 f., auch näher zum Status der Medienberichterstattung im ehemaligen Jugoslawien).
8. Würdigung des Prozesses
Im Prozess kam es nicht zu einem Urteil. Doch kennt der Prozess seinerseits viele, die über ihn urteilen und Fragen stellen. So verurteilen einige Stimmen den späten Zeitpunkt des Prozesses: warum erfolgte die Anklage für Bosnien und Kroatien nicht bereits Jahre vorher? Hätte hier nicht dieselbe Hoffnung wie im Falle des Kosovo bereits damals Gültigkeit besessen, nämlich mittels der Anklage die Anhänger von Milošević abtrünnig zu machen und so eine Beweislage und Verurteilung zu ermöglichen (so Bassiouni, S. 104)? Andere verurteilen die übereifrige Strategie der Anklage: hätte man sich nicht auf einige wenige Vorwürfe beschränken können und hätte man zudem von der Verbindung der Verfahren absehen können (etwa Boas, S. 119 f.), hätte das Gericht nicht darauf hinwirken können? Dann wäre womöglich zumindest ein Urteil ergangen. Wieder andere verurteilen den angeblich allzu laxen Umgang des Gerichts mit einem sich selbst verteidigenden Angeklagten: wäre ein resoluteres Vorgehen seitens des Gerichts von Nöten gewesen, um einen zügigen Prozess sicherzustellen (etwa Del Ponte, S. 141 f.)?
Auch wenn diese Fragen hypothetisch bleiben, so zeigen sie doch: Wenn es sich beim Prozess gegen Milošević um eine David-Goliath-Konstellation gehandelt hat (so mit Fragezeichen Scharf, S. 296), dann kam die Außenseiterrolle des David entgegen dem von Milošević geschickt beförderten Eindruck weniger dem Angeklagten zu. Die Rolle des David ist womöglich eher bei den Akteuren des Tribunals zu finden, während die Gewaltigkeit des Goliath in den übermenschlichen Erwartungen an den Prozess zu sehen ist. Ob David hier obsiegen konnte, lässt sich nicht mit Bestimmtheit beantworten – womöglich ist ein wichtiger Indikator, inwiefern der Prozess zum Befriedungsprozess auf dem Balkan beitragen kann – dann wäre die Antwort noch immer offen.
Mit Bestimmtheit lässt sich bereits jetzt jedoch das Folgende sagen: Der Prozess gegen Slobodan Milošević ist insoweit ein absolutes Novum, als erstmals ein amtierender Staatschef angeklagt wurde und der initiierte Strafprozess auch tatsächlich stattfand. Trotz seinem vorzeitigen Ende demonstriert der Prozess die Bereitschaft, auch legitime Anführer von Staaten für Völkerrechtsverbrechen zur Verantwortlichkeit zu ziehen. Bei aller Kritik an Anklage und Gericht und allen offenen Fragen zur Verantwortungszuschreibung im konkreten Einzelfall zum Trotz sendet der Prozess das Signal eines universell gültigen Weltrechts.
9. Quellen, Literatur und Abbildung
Quellen
Bosnia and Herzegovina Indictment, Amended Indictment Bosnia and Herzegovina, CASE No. IT-02–54‑T, 22. November 2002, abrufbar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/ind/en/mil-ai040421‑e.htm (zit: Bosnia and Herzogvina Indictment, endgültige Version).
Croatia Indictment, Second Amended Indictment, CASE No. IT-02–54‑T, 28. Juli 2004, abrufbar unter https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/ind/en/mil-2ai020728e.htm (zit: Croatia Indictment, endgültige Version).
Europäischer Gerichtshof für Menschrechte, Entsch. v. 19.3.2002, No. 77631/01 [Milošević v. The Netherlands] (zit.: EGMR, Milošević v. The Netherlands).
Initital Indictment Kosovo, CASE No. IT-99–37, 22.5.1999, abrufbar unter https://www.icty.org/x/cases/slobodan_Milošević/ind/en/mil-ii990524e.htm (zit: Initital Indictment Kosovo).
Internationaler Militärgerichtshof, Urt. v. 1.10.1946, in: Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Gerichtshof Nürnberg, Band 1, 1947, S. 189. zeno.org, abrufbar unter http://www.zeno.org/nid/20002754398 (zit: Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher).
Kosovo Indictment, Second Amended Indictment, CASE No. IT-99–37-PT, 16.10.2001, abrufbar unter https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/ind/en/mil-2ai011029e.htm (zit: Kosovo Indictment, endgültige Version).
Milošević v. Prosecutor, Decision on Interlocutory Appeal of the Trial Chamber’s Decision on the Assignment of Defence Counsel, 1.11.2004, IT-02–54-AR73.7 (zit. Appeal Chamber v. 1.11.2004).
Prosecutor v. Milošević, Decision on Preliminary Motions, 8.11.2001, IT-99–37-PT, abrufbar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/tdec/en/1110873516829.htm (zit.: Decision on Preliminary Motions).
Prosecutor v. Milošević, Decision on Prosecution’s Motion for Joinder, 13.12.2001, IT-99–37-PT, abrufbar unter: https://www.icty.org/x/cases/slobodan_milosevic/tdec/en/11213JD516912.htm (zit. Decision on Joinder).
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Markus Abraham
März 2022
Dr. Markus Abraham, Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau, von 2011 bis 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strafrecht, Kriminologie und Rechtsphilosophie an der Universität Passau, seit 2016 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Rechtsphilosophie und Strafrecht an der Universität Hamburg (Professor Dr. Jochen Bung). Promotion mit der Arbeit Sanktion, Norm, Vertrauen. Zur Bedeutung des Strafschmerzes in der Gegenwart, 2018. Beiträge zu Themen des Straf- und Strafprozessrechts und der Rechtsphilosophie.
Zitierempfehlung:
Abraham, Markus: „Der Prozess gegen Slobodan Milošević, Den Haag 1999–2006“, in: Groenewold/ Ignor / Koch (Hrsg.), Lexikon der Politischen Strafprozesse, https://www.lexikon-der-politischen-strafprozesse.de/glossar/milosevic-slobodan/, letzter Zugriff am TT.MM.JJJJ.